Bei Patienten mit CKD kommt es nicht selten zu einem Eisenmangel (Ferritin < 100 ng/ml
oder TSAT < 20 %), der die renale Anämie weiter verschlechtert. Eine Analyse des National
Health and Nutrition Examination Survey (NHANES) zeigte an über 34 000 Individuen,
dass bei mehr als 60 % aller CKD-Patienten mit einer GFR von weniger als 60 ml/min
bereits ein Eisenmangel besteht [
1
].
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Ursachen des Eisenmangels
Eisenmangelzustände bei CKD-Patienten entwickeln sich in aller Regel chronisch. Ursächlich
können eine unzureichende Aufnahme von Eisen mit der Nahrung (z. B. vegetarische Ernährung),
menstruationsbedingte Blutverluste, hepcidinvermittelte Resorptionsminderung im Duodenum
und Blockade der Eisenfreisetzung aus Makrophagen zugrunde liegen.
In der Regel sind bei einer klinisch manifesten Anämie die Eisenspeicher bereits weitgehend
entleert, sodass meist eine höher dosierte Eisensubstitution (500–1000 g) notwendig
ist, um ausreichend Eisen für die angestrebte Anämiekorrektur (200 mg Eisen pro ΔHb
1 g/dl) und die Wiederauffüllung der Speicher (500 mg Eisen) bereitzustellen.
Diagnostik des Eisenmangels und Zielwerte für die Eisensubstitution
Bei CKD-Patienten geht man von einem Eisenmangel aus, wenn das Serumferritin weniger
als 100 ng/ml oder die TSAT weniger als 20 % beträgt [
2
]. In den neuen KDIGO-Anämie-Guidelines (KDIGO: Kidney Disease: Improving Global Outcomes)
werden als Zielwerte für die Eisensubstitution bei bestehender Anämie ein Ferritinwert
von 200–500 ng/ml und eine TSAT von 20–30 % empfohlen [
3
]. Die Bestimmung der hypochromen Erythrozyten bzw. des Retikulozytenhämoglobins ist
geeignet, um das Ansprechen auf eine Eisentherapie bei funktionellem Eisenmangel (normales
oder erhöhtes Ferritin, TSAT < 20 %) vorherzusagen [
4
], [
5
].
Therapie des Eisenmangels bei ND-CKD Patienten
Bei CKD-Patienten liegen die Zielwerte für die Substitution von intravenösem Eisen
für Ferritin bei 200–500 ng/ml und für die TSAT bei 20–30 % [
3
]. Die britischen NICE-Guidelines (NICE: National Institute for Health and Care Excellence)
[
2
] geben der intravenösen Eisensubstitution eindeutig den Vorzug, da diese gegenüber
der oralen Zufuhr mit einem geringeren Bedarf an ESA und mit höheren Hämoglobinspiegeln
einhergeht. Nach den KDIGO-Guidelines soll der Applikationsweg der Eisensubstitution
(oral vs. i. v.) anhand des Schweregrads des Eisenmangels, der Verfügbarkeit eines
venösen Gefäßzugangs und der Wirksamkeit sowie Verträglichkeit einer vorausgegangenen
oralen Eisentherapie gewählt werden [
3
].
Der positive Effekt der intravenösen Eisensubstitution wurde in mehreren Interventionsstudien
an ND-CKD Patienten (ND: Non-Dialysis) untersucht. So behandelten Mircescu et al.
60 ND-CKD-Patienten mit intravenösem Eisen (200 mg Eisensaccharose/Monat) für 12 Monate
und konnten so den Hämoglobinwert von 9,6 auf 11,3 g/dl, das Ferritin von 98 auf 443
ng/ml und die TSAT von 21,6 auf 33,6 % anheben [
6
]. Qunibi et al. verglichen in einer randomisierten und kontrollierten Studie an ND-CKD-Patienten
den Hämoglobinanstieg unter oralem Eisensulfat (n = 103) vs. hochdosierter intravenöser
Eisencarboxymaltose (n = 147). Die mittlere applizierte intravenöse Eisendosis betrug
1280 mg. Dabei erwies sich die Therapie mit Eisencarboxymaltose als genauso wirksam
(ca. 50 % der behandelten Patienten hatten einen Hämoglobinanstieg von ≥ 1 g/dl) wie
eine Kombinationstherapie mit ESA und oralem Eisen [
7
].
Der günstige Effekt einer i. v. Eisentherapie bei ND-CKD-Patienten wurde auch durch
Befunde der TREAT[
1
]-Studie eindrücklich belegt: So kam es im Placeboarm, in dem mehr Patienten als in
der ESA-Gruppe mit i. v. Eisen behandelt wurden (20,4 % vs. 14,8 %, p < 0,001), zu
signifikant weniger Strokeereignissen, venösen Thrombosen und malignomassoziierten
Todesfällen [
8
]. Basierend auf diesen Befunden ist es nachvollziehbar, dass sowohl die NICE- [
2
] wie auch die KDIGO-Guidelines [
3
] heute die Eisensubstitution bei CKD als First-Line-Therapie zur Korrektur der Anämie
noch vor Beginn der ESA-Therapie einstufen, da gerade bei ND-CKD-Patienten im Rahmen
der Eisentherapie ganz auf den Einsatz von ESA verzichtet werden kann.
Anämie und Eisenmangel nach Nierentransplantation
Auch bei nierentransplantierten Patienten kann es zu einer Anämie kommen, die in vielen
Fällen auf einem Eisenmangel beruht. So haben circa 10–15 % aller nicht anämischen
NTx-Patienten einen Eisenmangel. Bei Nierentransplantierten mit manifester Anämie
liegt die Prävalenz des Eisenmangels zwischen 14 % (Männer) und 30 % (Frauen) [
9
]. Daneben können Entzündungs- und Abstoßungsreaktionen, Medikamente und auch ein
relativer Erythropoetinmangel ursächlich für die Entstehung einer Anämie infrage kommen
[
13
].
In 3 Studien mit insgesamt 56 150 nierentransplantierten Patienten ergab sich eine
Anämieprävalenz von 30–40 % [
9
], [
10
], [
11
]. Eine schwere Anämie (Hb < 11,0 g/dl für Männer und < 10,0 g/dl für Frauen) trat
in 10–15 % der Fälle auf [
11
]. In mehreren Untersuchungen fand sich eine erhöhte Mortalität sowie eine reduzierte
Transplantatüberlebensrate bei erniedrigten Hämoglobinwerten. Molnar et al. [
12
] konnten zeigen, dass die Posttransplantationsanämie die Mortalität über einen Zeitraum
von 4 Jahren um 69 % erhöht. Ebenso treten bei Patienten mit Anämie akute Abstoßungsreaktionen
signifikant häufiger auf als bei nicht anämischen Patienten [
13
].
Auf der anderen Seite geht eine konsequente Korrektur der Anämie mit einer reduzierten
Progression der Transplantatnephropathie einher. Choukroun et al. [
14
] behandelten in einer randomisierten Studie 125 anämische Patienten nach Nierentransplantation
entweder bis zur Normalisierung der Hämoglobinwerte oder mit einer nur partiellen
Korrektur der Anämie. Die Patienten, deren Hämoglobinwerte normalisiert worden waren,
wiesen über einen Zeitraum von 2 Jahren eine Transplantatüberlebensrate von 95 % auf,
während in der Kontrollgruppe die Rate nur bei 80 % lag (p < 0,01).
Dass hierbei der Einsatz von ESA mit einer gewissen Zurückhaltung erfolgen sollte,
belegt eine Studie von Heinze et al. [
15
]. Die Autoren konnten zeigen, dass das optimale Überleben bei Nierentransplantierten
unter ESA-Therapie bei Hämoglobinwerten zwischen 12 und 13 g/dl liegt. Höhere Werte
gingen mit einer Zunahme der Mortalität einher. Bemerkenswerterweise gilt dies nur
für mit ESA behandelte Patienten. Gelang eine Anämiekorrektur dagegen ohne Verwendung
von ESA, so kam es auch bei einer Hämoglobinkorrektur auf mehr als 13 g/dl zu einer
Verbesserung des Patientenüberlebens.
Intravenöse Eisenpräparate
Derzeit sind in Deutschland 6 verschiedene intravenöse Eisenpräparate verfügbar (Tab.
[
1
]):
Tab. 1 In Deutschland verfügbare i. v. Eisenpräparate.
-
CosmoFer®
-
Ferinject®
-
FerMed®
-
Ferrlecit®
-
MonoFer®
-
Venofer®
CosmoFer® ist ein Eisen-Dextran-Komplex, bei Ferinject® handelt es sich um Eisencarboxymaltose. Ferrlecit® ist Eisenglukonat, bei Venofer® und FerMed® handelt es sich um Eisen-Saccharose-Komplexe. MonoFer® ist Eisenisomaltosid.
Zwischen diesen Präparaten bestehen wesentliche Unterschiede hinsichtlich der Stabilität
der Eisenkomplexe und dem Auftreten von anaphylaktischen Reaktionen. Eisenkomplexe
mit hoher Stabilität können als Single-Dose-Infusion appliziert werden. So können
zum Beispiel 1000 mg Eisencarboxymaltose innerhalb von 15 min infundiert werden.
Dextranbedingte Überempfindlichkeitsreaktionen sind hier nicht zu befürchten, da keine
Kreuzreaktivität mit Dextranantikörpern besteht [
16
]. Deshalb muss bei Eisencarboxymaltose auch keine Testdosis verabreicht werden. Die
Eisensubstitution als Single-Dose-Infusion bietet sich gerade bei ND-CKD-Patienten
an, da hierbei mit einer einzigen i. v. Verabreichung (500–1000 mg) das gesamte Eisendefizit
ausgeglichen werden kann.
Sicherheitsaspekte
Bei Eisencarboxymaltose handelt es sich um einen makromolekularen Eisen(III)-hydroxid-Komplex
mit einer Kohlenhydrathülle und einem Molekulargewicht von 150 000 Dalton (keine renale
Ausscheidung). Aufgrund der hohen Komplexstabilität setzt Eisencarboxymaltose in der
Zirkulation kein Eisen frei (Abb. [
1
]).
Abb. 1 Eisenfreisetzung verschiedener Eisen-Kohlenhydrat-Komplexe in Abhängigkeit vom Molekulargewicht.
Der gesamte Komplex wird von Makrophagen des retikoluendothelialen Systems aufgenommen.
In den Lysosomen wird Fe3+ in Fe2+ umgewandelt und kann dann via Ferroportin aus den Makrophagen wieder ausgeschleust
werden. Bevor die Bindung an Transferrin erfolgt, wird Fe2+ noch von Coeruloplasmin zu Fe3+ oxidiert.
Weniger stabile Eisenkomplexe (z. B. Eisenglukonat und -saccharose) setzen bereits
in der Zirkulation Eisen frei, was je nach Dosierung bzw. Applikationsgeschwindigkeit
zu einer kompletten Transferrinabsättigung führen kann. Hierbei kann es zum Auftreten
von nicht an Transferrin gebundenem Eisen (NTBI) kommen. NTBI ist außerhalb von Makrophagen
sehr toxisch und führt akut zu Blutdruckabfall, Übelkeit, Vomitus, abdominellen Krämpfen,
Ödemen und metallischem Geschmack [
18
]. Deshalb beträgt die maximale Einzeldosis für Eisenglukonat nur 62,5 mg und für
Eisensaccharose 200–500 mg, während bei Eisencarboxymaltose 1000 mg Eisen pro Einzeldosis
verabreicht werden können.
In Tierexperimenten mit einer Gesamtdosis von 200 mg/kg Eisencarboxymaltose konnte
im Gegensatz zu Eisenglukonat gezeigt werden, dass das verabreichte Eisen ausschließlich
im retikuloendothelialen System und nicht im Leberparenchym gespeichert wird. Im Gegensatz
zu Eisenglukonat kam es unter hochdosierter Eisencarboxymaltose nicht zu Leberzellnekrosen
oder einem Anstieg der Leberenzyme Aspartat-Aminotransferase (ALT), Alanin-Aminotransferase
oder alkalische Phosphatase [
19
].
Auch unter langfristiger Therapie mit Eisencarboxymaltose kam es im Tierexperiment
nicht zur Entwicklung von oxidativem Stress, gemessen als Glutathionratio und Katalaseaktivität
in Leber, Herz und Niere. Im Gegensatz hierzu war unter Eisenglukonat eine vermehrte
Lipoperoxidation durch erhöhte Entstehung von thiobarbituratreaktiven Substanzen (TBARS)
nachweisbar [
19
].
Fazit
Eisenmangel und Anämie sind häufige Komorbiditäten bei ND-CKD- und nierentransplantierten
Patienten. Deshalb sollte der Eisenstatus bei einer Anämie (alle 1–3 Monate) überprüft
werden, um eventuelle Eisenmangelzustände rechtzeitig diagnostizieren und therapieren
zu können. Wichtigste Konsequenzen einer unbehandelten Anämie bei ND-CKD- und nierentransplantierten
Patienten sind die erhöhte Mortalität und ein vermindertes Transplantatüberleben.
Mit der Einführung von stabilen Eisen-Komplex-Verbindungen, die keine dextranbedingten
anaphylaktischen Reaktionen auslösen (z. B. Eisencarboxymaltose), kann heute in den
meisten Fällen eine Single-Dose-Infusion von 500–1000 mg Eisen das Eisendefizit ausgleichen.
Aufgrund seiner hohen Komplexstabilität wird Eisen nur langsam aus dem Komplex freigesetzt.
Dies vermeidet die Toxizität und oxidativen Stress. Die kurze Applikationszeit in
Verbindung mit der Tatsache, dass keine Testdosis erforderlich ist, und die Möglichkeit,
hohe Einzeldosen zu verabreichen, lässt Eisencarboxymaltose besonders für ND-CKD-
(und auch nierentransplantierte) Patienten geeignet erscheinen, da das Eisendefizit
im Rahmen eines einzigen Praxisbesuchs komplett ausgeglichen werden kann.
Prof. Dr. Roland M. Schaefer, Frankfurt am Main
Dieser Beitrag entstand mit freundlicher Unterstützung der Fresenius Medical Care
GmbH, Bad Homburg.
Der Autor ist Facharzt für Innere Medizin und für Nephrologie.