Dialyse aktuell 2013; 17(02): 70-72
DOI: 10.1055/s-0033-1351733
Fachgesellschaften
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Bundesarbeitsgemeinschaft Nephrologische Pflege (BANP)

Position zur Personalsituation und -diskussion in Dialyseeinrichtungen
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Publication Date:
15 July 2013 (online)

 
 

In der nephrologischen Pflege wird sich der Mangel an qualifiziertem Fachpersonal weiter verschärfen, wenn keine Gegenmaßnahmen eingeleitet werden. Die BANP fordert, für die unmittelbare Behandlung nierenkranker Menschen überwiegend nephrologisches Fachpflegepersonal einzusetzen – dies ist bisher nicht verpflichtend. Die BANP spricht Empfehlungen zur Verbesserung der Personalsituation in Dialyseeinrichtungen aus und bietet den ärztlichen Fachgesellschaften an, den Dialysestandard gemeinsam zu überarbeiten.

Die bisherige personelle Besetzung basiert auf dem Dialysestandard 2006 [ 1 ]. In diesem Standard werden für die klinischen Dialysen, Akutdialysen und Sonderverfahren, ambulante Dialyseeinrichtungen und "Limited-care"-Zentren und Trainingsdialyse folgende personelle Anforderungen gestellt:

"Bei allen Behandlungsformen ist für die unmittelbare Patientenbehandlung speziell ausgebildetes, qualifiziertes Personal einzusetzen. Dazu gehören examinierte Pflegekräfte, Arztfachhelfer/innen und Arzthelfer/innen nach entsprechender Einarbeitung. Diese führen die Dialyseverfahren nach ärztlichem Behandlungsplan durch, sind für die rechtzeitige Information und Einschaltung des Arztes bei Abweichung vom normalen Dialyseverlauf verantwortlich und helfen so, eine gute Behandlungsqualität sicherzustellen.

Bei der stationären Dialysebehandlung in Krankenhaus oder Klinik sollte grundsätzlich examiniertes Pflegepersonal zum Einsatz kommen. Der Anteil von Fachpflegepersonal sollte über der Hälfte der Krankenschwestern/-pfleger liegen. Bei der ambulanten Zentrumsdialyse sowie der "Limited-care"-Dialyse (zentralisierte Heimdialyse) sollte ein Anteil von mindestens einem Drittel der examinierten Pflegekräfte die Qualifikation als Fachkrankenschwester/-pfleger für Nephrologie haben. Anteilsmäßig können auch bis zu 25 % des examinierten Pflegepersonals qualifizierte Arztfachhelfer/innen sein. Alle Arztfachhelfer/innen sollten die Qualifikation, "Arztfachhelfer/in in der Dialyse" anstreben. Für die Ausbildung und Betreuung von Heimdialysepatienten sollten bevorzugt Fachkrankenschwestern/-pfleger für Nephrologie herangezogen werden." [ 1 ]

Drohender Mangel an qualifiziertem Fachpersonal

Diese Qualifikationsanforderung hält die BANP aufgrund der aktuellen Patientensituation und dem daraus resultierenden Gesundheitsauftrag für nicht mehr zeitgemäß! Bei aller Qualifikationsinitiative ist es nicht gelungen, entsprechend des Versorgungsauftrages die personelle Qualitätsstruktur in den einzelnen nephrologischen Versorgungseinheiten zu normieren und zu regulieren. Es ist nicht nachvollziehbar, dass bei einem steigenden Arbeitsaufkommen sowie der Zunahme der Zahl multimorbider und hochbetagter Patienten gerade in der Personalbesetzung eine paradoxe gegenläufige Entwicklung festzustellen ist.

Es werden Fachkompetenzen benötigt, die weit über das nephrologische Krankheitsbild und deren technische Versorgung mit Nierenersatzverfahren hinausgehen. Das Wissen um die Begleit- und Folgeerkrankungen, das situationsbezogene Eingreifen und Erkennen von Gefahrensituationen zur Vermeidung von Komplikationen sowie die präventive Patientenschulung sind wichtige Bereiche, die personelle Kompetenzen und Zeitressourcen erfordern. Personeller Abbau und Einsparungen bei der Personalqualifikation führen langfristig zu einer "gefährlichen Pflege" und Gefährdung der Patientensicherheit.

Die Befragung [ 2 ] zu den Arbeitsbedingungen in der nephrologischen Pflege der AfnP e. V. aus dem Jahr 2009 zeigt, dass 56 % der langjährig sehr erfahrenen Fachpflegekräfte älter als 40 Jahre sind und die Altergruppe über 51 Jahre (14 %) meist eine hohe Fachkompetenz, einige Zusatzqualifikationen und eine langjährige Berufserfahrung besitzt. Diese Pflegekräfte sind die tragende Säule in den Dialyseeinrichtungen. Sie werden in den nächsten Jahren aus dem Beruf ausscheiden. Die Frage stellt sich, wer diese Lücke füllen wird.

Junge Gesundheitspflegerinnen/-pfleger finden wir nur sehr wenige in den nephrologischen Einrichtungen. In der Altersgruppe der 18–30-Jährigen sind gerade mal 20 % der Beschäftigten und nur ein sehr geringer Anteil verfügt über die Weiterqualifikation, etwa die 2-jährige berufsbegleitende Fachweiterbildung Nephrologie. Es ist zu befürchten, dass durch das Absenken der Wochenpauschale an weiteren Personalabbau gedacht wird und die Ausgaben für Fort- und Weiterqualifikation gesenkt werden.


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Nephrologisches Fachpflegepersonal einsetzen

In der überarbeiteten Definition der nephrologischen Fachpflege, die auf den Grundlagen der Definition professioneller Pflege [ 3 ] basiert, hat die Arbeitsgruppe der BANP Folgendes beschrieben:

"Nephrologische Fachpflege unterstützt Menschen mit einer nephrologischen Erkrankung in der Behandlung und im Umgang mit Auswirkungen ihrer Erkrankung und deren Therapien. Sie fördert und erhält Gesundheit und beugt weiteren gesundheitlichen Schäden vor. Dies geschieht mit dem Ziel, für die betreuten Menschen die bestmöglichen Behandlungs- und Betreuungsergebnisse sowie die bestmögliche Lebensqualität in allen Phasen des Lebens bis zum Tod zu erreichen".

Da die Behandlung nierenkranker Menschen ein hohes Maß an erweitertem Fachwissen und "Fachpflege" erfordert, ist für die unmittelbare (direkte, patientennahe) Patientenbehandlung zwingend nephrologisches Fachpflegepersonal einzusetzen. Der Einsatz von Fachpflegekräften mit spezieller Weiterbildung für die Nephrologie ist bisher nicht verpflichtend und findet daher nur nach dem Ermessen des jeweiligen Zentrums statt. Die Aufgabe aller Fachgesellschaften wäre es, die differenzierte Personalstruktur innerhalb der nephrologischen Einrichtungen auf Gesetzesebene festzulegen mit dem Ziel, einen qualitativen und quantitativen Personalmix zu erreichen.


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Delegation von Aufgaben

Bei der Delegation von Tätigkeiten am Patienten müssen die Betreiber der Einrichtungen, die gesetzlichen Vorgaben im Rahmen der Durchführungsverantwortung und Anordnungsverantwortung beachten. Das multidisziplinäre Team ist entsprechend der Qualifikationen aus den jeweiligen Ausbildungsverordnungen zu strukturieren. Jeder kann nur die Handlungen ausführen, für die er durch die jeweilige Ausbildungsverordnung qualifiziert ist. Für die Übernahme weiterer Aufgaben bedarf es einer entsprechenden Qualifizierung.

In den verschiedenen Einrichtungen findet meist kein gezielter Einsatz des Personals entsprechend der Kompetenzen statt. Hingegen wird vermehrt Personal ohne Pflegeausbildung (Nichtpflegeberufe) zur Durchführung der Dialysebehandlung eingesetzt. Medizinische Assistenzberufe, wie zum Beispiel die MFA in der Dialyse, können die Versorgung nierenkranker Menschen unterstützen, sind aber aufgrund ihrer Aus- und Fortbildung nicht in der Lage, Pflege im Sinne der Pflegeprofession zu planen, durchzuführen und zu evaluieren [ 4 ], [ 5 ], [ 6 ]. Auch bleibt haftungsrechtlich abzuklären, in welchem Umfang der Arzt bei der Behandlung anwesend sein muss, da eine MFA auch nach erfolgreich absolviertem "Curriculum Dialyse" [ 7 ] nicht selbstständig, sondern "unter ärztlicher Aufsicht" die Behandlung durchführen kann.

Die Pflege nierenkranker Menschen erfordert den Einsatz von professioneller Fachpflege, die anhand ihrer erworbenen Kompetenzen am besten für die Versorgung nierenkranker Menschen geeignet ist. Sie ist jederzeit in der Lage, auf intervenierungsbedürftige Komplikationen bei der Behandlung zu reagieren und Verantwortung im Sinne der Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) zur Übernahme von ärztlichen Tätigkeiten [ 8 ] für das multidisziplinäre Team zu übernehmen. Sie ist die Expertin in der Durchführung der Nierenersatztherapie. Neben ihrer Fachkompetenz ist sie in der Lage, das multidisziplinäre Team zu strukturieren, anzuleiten und zu führen. Damit leistet sie einen wichtigen Beitrag zur Patientensicherheit, Versorgungsqualität und Wirtschaftlichkeit in der Nephrologie.


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BANP-Empfehlungen

Somit kommt die BANP zu folgenden Empfehlungen:

  • Die Durchführung der unmittelbaren Pflegetätigkeiten bei stationären Dialysebehandlungen, Akutdialysen und deren Sonderverfahren sowie die Ausbildung und Schulung von Heimdialysepatienten hat zu 100 % durch nephrologische Fachpflegekräfte zu erfolgen.

  • Für die unmittelbaren Pflegetätigkeiten bei der Behandlung und Versorgung der Patienten in den ambulanten Zentrumsdialysen empfehlen wir mindestens 51 % fachweitergebildetes Pflegepersonal, mindestens 25 % examinierte Pflegekräfte mit einer nephrologischen Einarbeitung und maximal 24 % fortgebildete medizinische Assistenzberufe mit Curriculum Dialyse einzusetzen.

  • Für die unmittelbaren Pflegetätigkeiten bei der Durchführung der "Limited-care"-Dialysen ohne ärztliche Betreuung ist für die Gewährleistung der Patientensicherheit der Einsatz von nephrologischer Fachpflege zu 100 % erforderlich.

  • Die klare Definition der Arbeitsbereiche, die Differenzierung der Berufsqualifikation und der individuelle Einsatz der Berufsgruppen innerhalb einer Einrichtung muss durch entsprechende Arbeitsplatz- und Stellenbeschreibungen vorgenommen werden. Grundlage sind die Ausbildungs- und Weiterbildungsverordnung aller beteiligten Berufsgruppen. Die unterschiedlichen Personalqualifikationen müssen in der Dienst- und Schichtplanung berücksichtigt werden.

  • Die Bemessung und Strukturierung des Personalbedarfs muss anhand einer einrichtungsspezifischen Patientenkategorisierung erfolgen.

  • Wir fordern für nephrologische Fachpflegekräfte die Gleichstellung mit anderen Fachpflegeberufen (wie zum Beispiel Intensiv- und Anästhesiepflege). Die Vergütung der nephrologischen Fachpflege ist den Vergütungen anderer Fachpflegeberufe anzupassen.

  • Um den demografischen Entwicklungen und dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken, müssen Konzepte und attraktive Anreize wie individuelle Anerkennungen, Nachwuchsförderungen, Stipendien und leistungsorientierte Bezahlung geschaffen werden. Die Einbindung von älteren und erfahrenen Pflegekräften als die Experten im Pflegeteam muss unterstützt werden.

  • Um die Profession und Kompetenzen der nephrologischen Fachpflege zu untermauern, unterstützt die BANP folgende Projekte: wissenschaftlich evaluierte Kompetenzbeschreibung der nephrologischen Pflege, wissenschaftlich evaluierte Empfehlung für die Pflege von Menschen mit Nierenerkrankungen und schirmherrschaftliche Betreuung der Bundesarbeitsgemeinschaft nephrologischer Weiterbildungen.

Deshalb bietet die BANP den ärztlichen Fachgesellschaften an, den Dialysestandard gemeinsam zu überarbeiten, damit die zukünftige Struktur der Dialyseeinrichtungen im Sinne der Patientensicherheit, Versorgungsqualität und Wirtschaftlichkeit gesichert ist.

Marion Bundschu, Ulm
Thomas Fernsebner, Traunstein

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Bundesarbeitsgemeinschaft Nephrologische Pflege
Arbeitsgemeinschaft der AfnP e.V. und des fnb e.V.
E-Mail: info@banp.de, Internet: www.banp.de
Vertretungsberechtigter Vorstand:

  • Marion Bundschu

  • Thomas Fernsebener

  • Kerstin Gerpheide

  • Hans-Martin Schröder


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  • Literatur

  • 1 Dialysestandard 2006 der Deutschen Arbeits-gemeinschaft für Klinische Nephrologie e. V. in Zusammenarbeit mit dem Verband Deutscher Nierenzentren der DD nA e. V. sowie der Arbeitsgemeinschaft für Pädiatrische Nephrologie (APN) A.5.2 Anforderung an die Qualifikation des Pflegepersonals: 127.
  • 2 Beilage in Dialyse aktuell 2009; 09
  • 3 Definition der nephrologischen Fachpflege, basierend auf: Spichiger E, Kesselring A, Spirig R. et al. Professionelle Pflege – Entwicklung und Inhalte einer Definition. Pflege 2006; 19: 45-51
  • 4 Vortrag Prof. Kamps, AfnP-Symposium. Fulda 2009
  • 5 § 278 BGB.
  • 6 Haas S. Arbeitsfeld Dialyse. Bielefeld: Roter Faden; 2009. 06.
  • 7 Fortbildungscurriculum "Dialyse" für Arzthelferinnen. Köln: Bundesärztekammer Arbeits-gemeinschaft der deutschen Ärztekammern; 2002. 06.
  • 8 Gemeinsame Bundesausschuss. Richtlinie über die Festlegung ärztlicher Tätigkeiten zur Übertragung auf Berufsangehörige der Alten- und Krankenpflege zur selbständigen Ausübung von Heilkunde im Rahmen von Modellvorhaben nach § 63 Abs. 3c SGB V.

  • Literatur

  • 1 Dialysestandard 2006 der Deutschen Arbeits-gemeinschaft für Klinische Nephrologie e. V. in Zusammenarbeit mit dem Verband Deutscher Nierenzentren der DD nA e. V. sowie der Arbeitsgemeinschaft für Pädiatrische Nephrologie (APN) A.5.2 Anforderung an die Qualifikation des Pflegepersonals: 127.
  • 2 Beilage in Dialyse aktuell 2009; 09
  • 3 Definition der nephrologischen Fachpflege, basierend auf: Spichiger E, Kesselring A, Spirig R. et al. Professionelle Pflege – Entwicklung und Inhalte einer Definition. Pflege 2006; 19: 45-51
  • 4 Vortrag Prof. Kamps, AfnP-Symposium. Fulda 2009
  • 5 § 278 BGB.
  • 6 Haas S. Arbeitsfeld Dialyse. Bielefeld: Roter Faden; 2009. 06.
  • 7 Fortbildungscurriculum "Dialyse" für Arzthelferinnen. Köln: Bundesärztekammer Arbeits-gemeinschaft der deutschen Ärztekammern; 2002. 06.
  • 8 Gemeinsame Bundesausschuss. Richtlinie über die Festlegung ärztlicher Tätigkeiten zur Übertragung auf Berufsangehörige der Alten- und Krankenpflege zur selbständigen Ausübung von Heilkunde im Rahmen von Modellvorhaben nach § 63 Abs. 3c SGB V.

 
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