JuKiP - Ihr Fachmagazin für Gesundheits- und Kinderkrankenpflege 2013; 2(04): 150
DOI: 10.1055/s-0033-1352510
Kolumne
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Schwester Heidi oder Frau Günther?

Heidi Günther
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Publication Date:
08 August 2013 (online)

Nur aus Pro und Kontra entsteht eine gesicherte Meinung

(Heinz Kriwet, dt. Topmanager)

Ich bekomme auf meine Kolumnen Reaktionen, über die ich mich in jedem Fall sehr freue, die bisher auch meist sehr positiv waren und für die ich mich ganz herzlich bedanke. Heute möchte ich auf eine dieser Zuschriften reagieren.

Warum nenne ich mich eigentlich „Schwester“? Ist das noch zeitgemäß?

Darüber hat wohl jeder von uns, der in der Pflege arbeitet, schon einmal nachgedacht oder mit Kollegen diskutiert. Uns allen ist klar, dass die Berufsbezeichnung „Krankenschwester“ in der Tradition der Krankenpflege zu finden ist. Bis zu Beginn des 18.  Jahrhunderts oblag die Pflege kranker Menschen der freiwilligen Verantwortung der Kirche. Dort wurden die Ordensschwestern zu den Schwestern der Kranken – zu Krankenschwestern. In den letzten 200 Jahren hat sich dieser Beruf unumstritten gewandelt. Was sich aber bis zum Jahr 2003 nicht geändert hatte, war unsere Berufsbezeichnung. Ich bin noch zur Krankenschwester ausgebildet worden, heute endet die Ausbildung mit der Berufsbezeichnung Kranken- und Gesundheitspflegerin. Trotzdem nennen wir Frauen uns meist „Schwester“ und lassen uns mit unseren Vornamen anreden. Es besteht dabei durchaus die Gefahr, dass gerade von Patienten und deren Angehörigen eine für uns ungewollte Nähe assoziiert wird (Schwester = Verwandte, Vorname = Kumpel, Freunde).

Ich denke, es ist an uns, eine professionelle Distanz im positiven Sinne aufzubauen. Wir sollten überzeugen durch gute, professionelle Arbeit und selbstbewusstes Auftreten. Das ist nicht immer leicht. Ich glaube, dass die Sicht der Menschen auf unseren Beruf durch die geringe gesellschaftliche und politische Anerkennung oder auch durch verträumte Darstellungen in der Öffentlichkeit geprägt wird, wie zum Beispiel in Fernsehserien. In mehr oder weniger seriösen, journalistischen Beiträgen in den Medien über unsere Arbeit wird meist über erschöpfte Pflegekräfte, Pflegenotstand und Pflegefehler berichtet. Selten oder gar nicht wird unser Beruf positiv oder optimistisch dargestellt. Und auch die Politik bekleckert sich nicht gerade mit Ruhm. Oft wird gerade „die Krankenschwester“ (gern auch die Friseurin, Verkäuferin oder der Polizist) aufgerufen, wenn es um geringe Anerkennung in der Gesellschaft, um geringe Verdienste, hohe Verantwortung und schlechte Arbeitszeiten geht. Aber kaum jemand schwingt sich dann zum Lobbyisten für uns auf – zumindest ich wüsste keinen. Da sind Banken, Autoindustrie und Pharmakonzerne gefragter. Wenn es um den zu erwartenden oder schon bestehenden Pflegenotstand geht, wird überlegt, ob für unseren Beruf nicht ein Hauptschulabschluss ausreichend ist. Geht es um Verantwortung, moderne Medizin und Arbeitsmethoden, ist ein Hochschulstudium gerade angemessen. Das ist sehr verwirrend und oft reine Rhetorik.

Im Internet gibt es eine Flut von Beiträgen und Foren u. a. auch darüber, wie wir uns nennen und ansprechen lassen wollen oder sollen. Ich finde es – vorsichtig gesagt – mehr als unschön, wenn Kollegen selbstgebastelte Namensschilder tragen, auf denen in großen Lettern der Vorname prangt. Schrecklich! In unserer Klinik tragen wir Namenschilder mit Kliniklogo, Vor- und Familienname und Beruf/Funktion. Somit hat jeder, der uns gegenübersteht, schon mal Informationen, mit denen er arbeiten kann. Ich kann mit Frau Günther angesprochen werden und habe auch nichts gegen Schwester Heidi. Ich lasse mich aber von Patienten oder Angehörigen weder duzen, noch nur mit dem Vornamen ansprechen. Das hat auch etwas mit Respekt mir gegenüber zu tun, den die Patienten und deren Angehörige – und das zu Recht – ja auch für sich einfordern.

Am Ende des Tages ist es wichtig, dass wir gute Arbeit leisten konnten. Dass die Patienten und wir zufrieden sind. Dass unsere Wirkung, die unseres Berufs, nach außen als positiv, professionell, wichtig und durchaus auch als schöne Arbeit gesehen wird. Und dazu gehört noch vieles, vieles mehr. Wie ich angesprochen werde, ist für mich ein etwas kleineres Problem.

Ihre

Heidi Günther