Z Orthop Unfall 2013; 151(04): 317-321
DOI: 10.1055/s-0033-1354777
Orthopädie und Unfallchirurgie aktuell
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Qualität der Versorgung – Pay for Performance: Bitte testen, aber richtig!

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Publication Date:
28 August 2013 (online)

 

Die Qualität der Versorgung soll durch das Bezahlen von Leistung erhöht werden. Merkliche Unterschiede sind bislang kaum wahrnehmbar. Die Evidenz ist zu schwach: Das liegt womöglich vor allem daran, dass eine methodisch saubere Untersuchung der Vor- und Nachteile des Konzepts bislang fehlen.

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(© Fotolia, Irena Misevic)

"Da wird von manchen Akteuren im Gesundheitswesen doch nur wieder die gleiche Sau durchs Dorf getrieben", so ein Pressesprecher, der nicht genannt werden möchte. Dabei war die Frage nur gewesen, was vom Konzept Pay for Performance zu halten sei. Immerhin, so viel wird bei der Recherche schnell klar, das hier flugs zum Borstentier gestempelte Konzept Pay for Performance (P4P) führt rasch in emotionalisierte Diskussionen.

Gleich mehrere Faktoren sind es, die dem Thema, "qualitäts-" oder "leistungsorientierte Vergütung", derzeit neu den Weg in die Debatten bahnen:

  • Bestehende monetäre Fehlanreize. Mögliche Überversorgung und zu hohe Eingriffszahlen führen gerade in der orthopädisch-unfallchirurgischen Zunft zu Forderungen, die Bezahlung viel stärker auf Qualitätsparameter auszurichten: "Die pauschalierte Vergütung im DRG (Disease Related Groups)-System bedarf der Überarbeitung" , schlussfolgerten erst in der letzteren Ausgabe dieser Zeitschrift die Herausgeber der ZfOU (Z Orthop Unfall 2013;151: 225).

  • US-Reform: Durch Obamacare rollt in den USA durch den staatlichen Krankenhaussektor eine Umstellung der Finanzierung, die erstmals in großem Stil auch eine qualitätsorientierte Vergütung bringt.

  • Der aktuelle Wahlkampf hierzulande tut sein Übriges. Vor allem die Opposition im Bund hat das Thema entdeckt: Jenes obere Zehntel an Krankenhäusern, das die beste Qualität schafft, soll 1 % des Gesamtbudgets erhalten, so plant es die SPD. Mehr Pay for Performance in der ambulanten Versorgung fordert ein aktuelles Gutachten der Friedrich-Ebert-Stiftung (1). Auch Bündnis 90/Die Grünen will stärker "Behandlungsergebnisse vergüten".

Handfeste Projekte, die P4P zumindest konkret erproben, sind hierzulande indes rar. Eine Spielwiese dafür haben Kassen in den so genannten Selektivverträgen. Drei davon stellen Interviews auf den folgenden Seiten vor:

  • So bietet die AOK Hessen in einem IVVertrag zur Endoprothetik Extra-Vergütungsanreize für jene Krankenhäuser, die hohe Qualität offerieren (s. Interview mit Thomas Burmann, S. 321).

  • Die TK bietet in einem Vertrag der Integrierten Versorgung zu Rückenschmerzen monetäre Anreize für Behandlungserfolge. Bei Misserfolg droht hingegen ein Malus (s. Interview mit Klaus Rupp S. 323).

  • Das Projekt "Gesundes Kinzigtal" arbeitet nach dem Konzept von Shared Savings: Die beteiligten Ärzte und die Managementgesellschaft investieren in mehr Prävention der Versicherten und erhalten eine Beteiligung an Einsparungen der Kasse, wenn in der Summe am Ende weniger Behandlungen nötig sind (s. Interview mit Helmut Hildebrandt S.325).

Nicht nur diese Interviews zeigen: Wirklich belastbare Daten nach denen P4P die Qualität der Medizin verbessert, sind Mangelware. Dieses Problem gilt weltweit. Das theoretisch bestechende Konzept "Zahle mehr für bessere Ärzte und fördere so Qualität der Versorgung" hat den Nachweis von Erfolgen bislang kaum geliefert.

Exemplarisch zusammengetragen findet sich der Sachstand in einem letzten Sommer veröffentlichten Gutachten des BQSInstituts (Institut für Qualtität & Patientensicherheit) im Auftrag des Bundesgesundheitsministeriums (2). Fazit der Schrift: Weltweit ist die Zahl der Projekte zu P4P nicht mehr überschaubar. Beim genaueren Hinschauen gibt es eine Unzahl an verschiedensten Ansätzen. Jeder hat sein eigenes Messsystemen für Qualität. Viele Fragen bleiben offen: Was soll gemessen werden? Machen Prozessparameter Sinn, etwa wie gut eine Klinik Leitlinien berücksichtigt? Oder sollten es schon Parameter für handfeste Ergebnisse sein, etwa die Revisionsraten nach Implantation von Endoprothesen? Welche finanziellen Modelle sind sinnvoll, welche nicht? Soll P4P Umverteilung von Geldern zwischen "guten" und "schlechteren" Krankenhäusern bedeuten oder besser nur zusätzliche Mittel verteilen?

Vor allem aber monieren die Autorinnen: Es fehlen kontrollierte Studien. Wenn, dann gibt es P4P gleich in der Fläche für alle Akteure. Oder als eine Vielzahl an Projekten, bei denen Ärzte, Krankenhäuser und Patienten freiwillig mitmachen können. Ersteres lässt keine Kontrollgruppe mehr übrig. Letzteres ist aufgrund von "Rosinenpickerei" eher schlecht geeignet den Nutzen einer Intervention darzustellen, da mögliche Erfolgsdaten schlicht daran liegen können, dass man die ohnehin engagierteren Versicherten und Versorger im Projekt von Anfang an herausgefischt hat. Fazit der Studie: Mehr kontrollierte Studien sind nötig.

Dem wollte sich das Bundesgesundheitsministerium nicht verschließen. Das Gutachten mache deutlich, dass vor einer breiteren Einführung solcher Verfahren noch "Forschungsbedarf" besteht. Seither verbreitet das Ministerium dazu ein Statement von Staatssekretär Thomas Ilka. Womit die Debatte erst richtig eröffnet wäre. Fragt sich, wer was jetzt am besten erproben sollte? Längst nicht alle hiesigen Akteure teilen diesen defensiven Standpunkt.

Nicht alles, was man politisch macht, muss man vorher in klinischen Studien testen, kontert z. B. Professor Thomas Mansky vom Fachgebiet für Strukturentwicklung und Qualitätsmanagement im Gesundheitswesen an der TU Berlin. Auch die DRGs seien schließlich ohne kontrollierte Studien eingeführt worden. Eine Option sei es z.B., P4P in allen Krankenhäusern einiger Bundesländer einzuführen und die Daten dann mit denen der anderen zu vergleichen. Mansky: "Wir könnten längst loslegen."

Stationäre Versorgung: Indikatoren vorhanden

Ein Vorreiter für P4P auf Kassenseite ist hierzulande die AOK. Die Kasse will lieber heute als morgen bei planbaren Eingriffen nur noch jene Krankenhäuser vergüten, die hohe Qualität aufweisen. Solche mit weit "unterdurchschnittlicher Qualität" sollen gleich ganz aus der Klinikplanung fallen (s. Interview mit Thomas Burmann S.321).

Wie das geht, ist für die AOK klar: "Die Qualität von Behandlungen im Krankenhaus ist messbar" verkündet der AOK Bundesverband. Und meint damit die eigene Qualitätssicherung mit Routinedaten (QSR), die vor Jahren zusammen mit Wissenschaftlern entwickelt wurde (Z Orthop Unfall 2011;149: 121). Vom hauseigenen wissenschaftlichen Institut (WIdO) lässt die AOK dafür die Abrechnungs-, alias Routinedaten ihrer rund 24 Millionen Versicherten auswerten und liest daraus z. B. für Krankenhäuser die Rate an "ungeplanten Folgeoperationen" binnen eines Jahres nach Erstimplantation von Endoprothesen ab. Eine summarische Bewertung der Zahlen ist im AOK-Krankenhausnavigator öffentlich nachzulesen. Das System ist prinzipiell ausbaubar zu einer Langzeitbetrachtung von Krankheitsverläufen und Behandlungsergebnissen (3).

Auch Mansky, Mitentwickler des Verfahrens hält P4P mit diesem Messsystem für machbar: "Mit einigen der Indikatoren bei QSR könnten wir längst P4P-Modelle entwickelt haben."

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(© Fotolia, Lucky Dragon USA)

Ganz oben stehen dabei für den Gesundheitsökonomen Parameter zur Sterblichkeit: "P4P sollten wir in erster Linie zu einer Ergebnisverbesserung beispielsweise in der Behandlung von Patienten nach Herzinfarkt oder mit chronischer Herzinsuffizienz nützen." Hier gebe es massive Unterschiede in der Qualität der Krankenhäuser und über die Daten zur Sterblichkeit ließen sich hier Verbesserungen in der Behandlung heute gut messen. In zweiter Reihe könnte später ein Einsatz von P4P etwa beim elektiven Gelenkersatz Sinn machen. Wären da nicht Hürden.

Denn QSR betreibt bislang nur die AOK, nicht aber die anderen Kassen. Bis heute, so Mansky, sei es leider unterblieben, die Routinedaten aller Versicherten in Deutschland flächendeckend zusammen zu führen. Das wäre eine Voraussetzung, damit P4P, gestützt auf QSR-Parameter bundesweit umgesetzt werden könnte.


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Verpasste Chancen auf bundesweite Indikatoren

§303 Sozialgesetzbuch V (SGB V) schreibt zwar schon lange vor, dass Routinedaten von einer zentralen Stelle im Gesundheitswesen auszuwerten sind. Passiert ist das bis heute nicht. Im letzten Jahr gab es einen Beschluss, nach dem jetzt erstmals das Deutsche Institut für Medizinische Dokumentation und Information (DIMDI) einen Zugang zu Routinedaten aller Versicherten öffnet. Es ist aber nur nur ein Datensatz, der zur Berechnung des Risikostrukturausgleichs zwischen den Kassen dient – des Morbi-RSA. Dieses Teilset, das nicht einmal Angaben zu durchgeführten Operationen enthält, reicht für ein P4P nicht aus. Mansky argwöhnt Absichten. "Man hat hier die Chance verpasst, P4P auf Bundesebene vorzubereiten." So lange die Routinedaten der Kassen nicht einheitlich bundesweit zur Verfügung stünden, kein P4P.

Es gibt noch ein zweites Indikatorset für Qualitätsmessungen im Krankenhaus auf Bundesebene. Die rund 2.000 für die Gesetzliche Krankenversicherung zugelassenen Krankenhäuser müssen in ihren Qualitätsberichten mehr und mehr Daten veröffentlichen. 289 Indikatoren aus 31 Leistungsbereichen werden es jetzt sein, wie der gemeinsamer Bundesausschuss Mai 2013 beschlossen hat. Die Daten in den Berichten sind längst auch Grundlage der Kliniknavigatoren (4). Auch hier gibt es Daten zur Ergebnisqualität, etwa die Rate an postoperativen Wundinfekten bei der Implantation von Endoprothesen für Knie und Hüfte.

Das System hat aber Mängel: Alle Angaben beruhen auf Selfreporting, moniert Mansky und sind seiner Ansicht nach daher anfälliger für Manipulationen als QSR. Vor allem aber kann dieses Zahlenwerk bislang keine Langzeitdaten über die Versorgungsqualität erheben. Der Blick des Göttinger Aqua-Institut, dass derzeit vor allem die gesetzliche externe stationäre Qualitätssicherung nach §135a SGB V betreut, endet überwiegend da wo ein Patient nach Behandlung das Krankenhaus verlässt (5). Die Zuordnung späterer Behandlungen, etwa erneute Aufnahmen zwecks Revisionsoperation des Versicherten, ist hier nicht vorgesehen. Und der Aufbau einer sektorenübergreifenden Qualitätssicherung ist noch Zukunftsmusik. Bei Aqua hüllt man sich zur Frage, ob man einzelne der Indikatoren oder Neuentwicklungen für P4P-tauglich hält, in Schweigen.

Für die politische Debatte um P4P haben sich derweil andere Player im Gesundheitswesen in Stellung gebracht.

Die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) erteilt P4P grosso modo eine Abfuhr und setzt vielmehr weiterhin auf das System der externen stationären Qualitätssicherung nach §135a SGBV. Die deutschen Krankenhäuser stellen sich damit auch im "weltweiten Vergleich in nahezu einmaligem Umfang Qualitätsanforderungen und Qualitätstransparenz", betont die DKG. Und weiter: "Leistungen, die vollständig erbracht werden, müssen auch vollständig honoriert werden, deshalb plädieren die Krankenhäuser für feste Fallpauschalen-Preise." Ausdrücklich verweist man auf das BQS-Gutachten, mit seiner Schlussfolgerung, dass Qualitätssteigerung durch P4P bislang nicht zweifelsfrei gezeigt werden konnte.

Wettbewerb finde über die Qualität statt und nicht über Preise und Rabatte. Darüber hinaus sieht die DKG Gefahren, wenn Krankenhäuser schließen, die durch schlechteres Abschneiden in P4P-Vergütungssystemen schlechter honoriert werden. Dann sei das Ziel einer flächendeckenden Versorgungsqualität mit dem in Deutschland "sehr guten Zugang auch zu komplexen medizinischen Leistungen" womöglich nicht mehr aufrecht zu halten. Ein Tor für Diskussion bleibt offen: Nicht näher ausgeführte "einzelne Elemente aus P4P" seien positiv zu bewerten, wenn damit zusätzlicher Service oder auch Leistungen einzelner Abteilungen zusätzlich finanziert würden.

Mehr Aufgeschlossenheit signalisiert die Initiative Qualitätsmedizin e. V. (IQM), ein Verbund von Krankenhäusern, die QSRDaten für die Qualitätsverbesserung nützen. Die Versorgungsforschung solle das Konzept von P4P zeitnah und kritisch evaluieren, erklärt Geschäftsführer Christian Rohn. Keine Frage auch für ihn: "P4P braucht vor allem eine verlässliche Basis".

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(© Fotolia, Birgit Reitz-Hofmann)

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Vorreiter USA und Großbritannien

In angelsächsischen Ländern sieht man das alles viel pragmatischer, dort ist P4P längst in breitem Einsatz.

So hatte 2006 über die Hälfte von 252 befragten Health-Maintenance-Organisationen in den USA P4P-Elemente in ihren Vergütungsstrukturen. Und schon seit Ende 2008 zahlten in den USA die staatlichen Versicherungen Medicare und Medicaid bei einigen bestimmten Komplikationen einem Krankenhaus nicht mehr für Folgebehandlungen (6). Seit kurzem gibt es eine deutliche Ausweitung. Häuser, bei denen zu viele Patienten mit Herzinfarkt, Herzschwäche oder Lungenentzündung binnen 30 Tagen nach Entlassung erneut eingewiesen werden, bekommen für diese Patienten 1 % weniger der von Medicare übernommen Behandlungskosten. Bis 2013 steigt der Malus in diesem Hospital-Readmissions-Reduction-Programm auf 3 %. Die Regel ist eine von zahllosen Neuerungen von "Obamacare", des Affordable Care Act.

Allerdings deutet sich an, dass die fachliche Debatte um Für und Wider solcher Maßnahmen in den USA der faktischen Lage kräftig nachhinkt. Schwerpunkt der JAMA-Ausgabe vom 23. Januar 2013 ist die neue 30-Tages-Wiederaufnahmeregel (7). Und der Tenor der Experten ist nicht gut: Der Parameter Wiederaufnahmerate taugt nach Mehrzahl der Autoren nicht als Qualitätsmaßstab. Einige Argumente:

  • Die 30-Tagesgrenze ist willkürlich gesetzt, hat keine klinische Evidenzbasierung. Aus bisherigen Erprobungen gibt es keine Hinweise, dass dadurch die Behandlungsqualität besser wird.

  • Patienten, die keine Betreuung daheim und kein gutes ambulantes Versorgungsnetz haben, tragen ein höheres Risiko auf erneute Einweisung in das Krankenhaus. Die Risikoadjustierung, um solche Effekte zu kalkulieren, ist umstritten bis ungelöst.

  • Es droht eine negative Auswahl von Patienten, wenn Häuser in Zukunft womöglich notleidende Patienten bei erneuter Vorstellung aus monetären Gründen wieder abweisen.

  • Es scheint unklar, wie viele der Wiederaufnahmen sich wirklich medizinisch sinnvoll vermeiden lassen. Die Schätzungen reichen von 5–79 % (8).

Das bundesdeutsche DRG-System kennt bereits ein sehr ähnliches P4P-Element, das erstaunlicherweise weniger Kontroversen ausgelöst hat. Wenn sich Patienten innerhalb bestimmter Zeiträume, der so genannten oberen Grenzverweildauer, wegen der gleichen Krankheit hierzulande erneut ins Krankenhaus einweisen lassen, kann die Klinik dafür keinen neuen Fall anlegen und erhält kein zusätzliches Geld. Dass diese Regel relativ geräuschlos funktioniert, liegt vermutlich auch daran, dass es bereits einen ganzen Katalog an Ausnahmeregelungen gibt für Fälle, bei denen eine rasche Wiederaufnahme von Patienten medizinisch notwendig ist – etwa bei Chemotherapien.

In den USA ist der Wiederaufnahme-Malus allerdings nur Teil eines viel größeren Umverteilungsprogramms. Unter der Überschrift Value-Based Purchasing gilt für alle rund 2.000 Häuser, die für Medicare und Medicaid arbeiten, seit Oktober 2012 auch: 1 % der Gesamtzahlungen jährlich werden von den Häusern, die bei einer Vielzahl weiterer Qualitätsindikatoren schlechter abschneiden, zu denen umgeschichtet, die besser abschneiden. Es geht allein im ersten Fiskaljahr 2013 um rund 850 Mio. US$. 2017 sollen 1,9 Mrd. US$ umgeschichtet werden – an die 2 % der Gesamtkosten.


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Erfolg - eine Frage des richtigen Settings

Dabei lieferten vorherige Erprobungsphasen auch hier kaum Anhaltspunkte, dass solche Umverteilung für mehr Qualität sorgt. Zwar lieferte ein 2003 startendes Modellprogramm, genannt Premier Hospital Quality Incentives Demonstration (HQID), in den teilnehmenden 252 Häusern in den ersten Jahren zunächst einige Erfolgsmeldungen. Die letzte Auswertung von 2012 zeigt aber keine Verbesserungen in teilnehmenden Häusern gegenüber einer Vergleichsgruppe von Häusern, die nicht mitmachen, just in den harten Parametern für Ergebnisqualität, den 30-Tagesmortalitäten. Viel Aufwand für nichts? Die Bilanz des Editorials von Andrew Ryan und Jan Blustein zum Thema P4P im The New England Journal of Medicine ist ernüchternd: "Wir haben kein Modell für ein erfolgreiches Programm und wir wissen auch nicht, wie solch ein Programm aussehen müsste" (9).

Doch kündigte auch die New York City Health and Hospital Corporation, Betreiber der öffentlichen Krankenhäuser in der Stadt, im Januar 2013 ein ähnliches P4P Schema an. Nicht nur manchen Experten in den USA geht das zu schnell: Obamacare sei ein Schritt vorwärts für die Versorgung von Millionen. Aber die neuen Regeln zu Pay for Performance seien ein Triumpf der Theorie über die Erfahrung, ätzte der frühere Chefredakteur des Blatts, Bill Keller in der New York Times (10).

Die Kernfragen bleiben umstritten. So ist offen, welche Geldsummen bei P4P mindestens umzuverteilen sind, damit Krankenhäuser und Ärzte überhaupt einen monetären Anreiz für Qualitätsverbesserungen haben. Studien einer Gruppe um Kathleen J. Mullen, Wirtschaftswissenschaftlerin bei der RAND Corporation in den USA, deuten an, dass für große Einrichtungen des Gesundheitswesens vielleicht schon Anreize in Höhe von 3 % der Gesamtvergütung motivierend sind. In kleineren Einrichtungen müssen es hingegen schon über 10 % sein, damit es wirklich Anreize für eine andere Performance gibt. Für ein Haus mit 100 Mio. Euro Umsatz, gebe es dringendere Probleme als ein P4P-Projekt mit, angenommen, gerade mal 20.000 Euro, kommentiert Mansky.

Und genau durch dieses Missverhältnis von zu wenig Belohnungsanreiz und den oft zu hohen Kosten für mehr Qualitätund Qualitätsmanagement, krankten derzeit viele IV-Verträge hierzulande: Mansky: "Die bewegen schlicht zu wenig Geld."

Es gibt andererseits vereinzelt Hinweise für Erfolge durch P4P. Ein Beispiel kommt aus Großbritannien, wo die Einführung von P4P ebenfalls weiter ist als hierzulande. Dort sorgte überraschenderweise gerade die Übertragung des angeblich erfolglosen HQID-Konzepts aus den USA unlängst für eine positive Nachricht. Im Oktober 2008 führten alle 24 Krankenhäuser, die für das staatliche Gesundheitswesen NHS im Nordwesten Englands arbeiten, das in den USA erprobte Schema ein. 18 Monate nach Beginn waren 7,5 Mio. britische Pfund als Bonus zusätzlich verteilt worden. Eine Gruppe der University of Manchester verglich unlängst die 30-Tagesmortalitäten im Zeitraum von 18 Monaten vor und nach Einführung des Programms mit den Zahlen von Patienten aus Häusern, die nicht im Programm mitmachten oder die andere Indikationen hatten. Das Ergebnis: Im Programm war die Zahl der Todesfälle absolut um 1,3 % gesunken (11) . Mögliche Faktoren für den Erfolg sind nach Ansicht der Autoren um Matt Sutton:

  • Alle NHS-Häuser in der Region machten mit. Damit war sichergestellt, dass nicht nur die eh schon engagierteren Krankenhäuser mitmachen und die Daten so mehr über das generelle Mühen um Qualität dieser Häuser, denn über Effekte von P4P aussagen.

  • Die finanziellen Anreize für die Häuser waren größer als im Programm in den USA.

  • Vor allem aber wanderten dort, wo einzelne Krankenhäuser Mehreinnahmen durch P4P erzielten, diese Gelder nicht in die Lohntüten der Beschäftigten, sondern in Maßnahmen zur Qualitätsverbesserung.

  • Alle Krankenhäuser tauschten sich intensiv zur Praxis der Qualitätsverbesserungen untereinander aus – trotz des Wettbewerbs um die P4P-Gelder.

Die wichtigste Lehre aus dieser Arbeit sei, dass es bei P4P auf die Details des Programmdesigns und die dadurch ausgelösten Veränderungen im Verhaltensmuster ankomme, meint Arnold M. Epstein von der Harvard School of Public Health in Boston.

Weiter zurück hängt hierzulande die Diskussion im ambulanten Bereich. Schon 2009 erklärte der Chef der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) Andreas Köhler, man wolle qualitätsbezogene Vergütung als ein Element in den einheitlichen Bewertungsmaßstab (EBM) einbauen. Darum ist es stiller geworden. Ein von der KBV entwickeltes Indikatorenset zur Qualitätsmessung in den Arztpraxen (AQUIK), können Praxen freiwillig für die interne Qualitätsmessung nutzen – mehr bislang nicht. P4P-Ansätze einzuführen, sei sehr komplex, betont die KBV. Sie hält daher eine stufenweise Einführung, etwa im Rahmen "regionaler Pilotprojekte" für einen geeigneten Weg. Eine Schwierigkeit sei aber gerade im ambulanten Setting die "Zuordnung der Verantwortlichkeit für Behandlungsergebnisse" zu einzelnen Beteiligten. Ob ein Blutdruck eines Patienten gut eingestellt ist, liegt eben nicht nur im Einflussbereich des behandelnden Arztes, eine entsprechende Risikoadjustierung bleibe zu etablieren. Hinzu kommt für die KBV: Niedrige Fallzahlen pro Indikation und Praxis machen Aussagen zur Ergebnisqualität der ambulanten Versorgung kaum möglich.

Mehr Erfahrungen mit P4P im ambulanten Bereich gibt es in Großbritannien. Das staatliche Gesundheitssystem NHS unterhält dort seit 2004 mit dem Quality and Outcomes Framework (QOF) das größte P4P-Programm für niedergelassene Ärzte weltweit. Seit 2004 können darin Hausärzte je nach ihrem Abschneiden bei 147 Performance-Indikatoren bis zu einem Viertel des Einkommens hinzu verdienen oder eben auch nicht.

Ob das umfangreiche System – die britische Regierung hat über QOF seit Beginn des Programms an die 1,8 Mrd. britische Pfund als Prämien zusätzlich an die Ärzte verteilt – geholfen hat, die medizinische Versorgung der Briten zu verbessern, ist unklar. Zahlen sind auch kaum mehr zu liefern, da an die 99 % aller Hausärzte mitmachen und es somit keine Vergleichsmöglichkeiten gibt. Das System wird obendrein seit Anfang 2013 einmal mehr umgebaut. Die Behörde sollte eher wieder Geld aus der individuellen Belohnung des QOF nehmen und über andere Kanäle in die Förderung der Allgemeinmedizin stecken, merken Stephen Gillam und Nicholas Steel kritisch in einer Analyse im British Medical Journal vom Februar 2013 an.

Für manche Protagonisten von Pay for Performance ist all dies kein Argument gegen das Konzept, sondern zeigt nur die Probleme einer womöglich falschen Umsetzung. Motto: Einen finanziellen Bonus für hohe Qualität ja, aber nicht für einzelne Häuser und Arztpraxen, sondern vielmehr für ganze Netzwerke an Versorgern (s. Interview mit Helmut Hildebrandt, S. 325). Damit allerdings avanciert P4P zu einem Instrument für den flächendeckenden Umbau gleich des ganzen Gesundheitswesens.

Höchste Zeit für eine methodisch valide Erprobung des Konzepts hierzulande. Kontrollierte Studien zu P4P: Bitte starten!

Bernhard Epping


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