Z Orthop Unfall 2013; 151(04): 323-324
DOI: 10.1055/s-0033-1354779
Orthopädie und Unfallchirurgie aktuell
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Interview – Pay for Performance nur als Zusatzelement

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Publication Date:
27 August 2013 (online)

 

Klaus Rupp ist Leiter des Fachbereichs Versorgungsmanagement bei der Techniker Krankenkasse (TK) in Hamburg. Wann und wie die Kasse in Selektivverträgen mitunter auch auf P4P-Elemente setzt, erläutert er hier im ZfOUInterview.

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(© Techniker Krankenkasse)

P4P kann mitunter ein Anreiz für hohe Versorgungsqualität sein, meint TK-Manager Klaus Rupp. Doch vortasten will sich die Kasse dabei nur sehr bedächtig – Schritt für Schritt.

? Die TK hat einen IV-Vertrag zur Versorgung von Patienten mit Rückenschmerzen, der auch finanzielle Anreize bei Erfolgen enthält. Was ist das für ein Projekt [ 1 ] ?

Es ist ein Vertrag zur Integrierten Versorgung nach §140a SGBV. Mit entwickelt wurde das Projekt von der Deutschen Gesellschaft für Schmerztherapie (DGS). Unser Vertragspartner ist die Integrative Managed Care GmbH (IMC), die bundesweit über 30 Schmerzzentren koordiniert, die zur Versorgung der Patienten arbeiten. Das Projekt läuft seit 2005. Die Schmerzzentren liegen vor allem in Metropolregionen, in denen wir genügend Versicherte haben.

? Sind die Zentren Krankenhäuser oder Arztpraxen?

Es sind niedergelassene Schmerztherapeuten, die mit weiteren Leistungserbringern, vor allem Physio- und Psychotherapeuten zusammenarbeiten. Der Begriff Zentrum steht dafür, dass mehrere Leistungserbringer für ein Intensivprogramm zusammenfinden.

? Wie komme ich als Patient in das Programm?

Unsere Versicherten können bei uns nachfragen. Vor allem aber informieren wir jene aktiv telefonisch, von denen wir annehmen, dass das Programm für sie gut sein könnte.

? Woher wissen Sie, wen Sie anrufen?

Im Wesentlichen über die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen. Das Programm ist für Patienten gedacht, die chronifizieren könnten. Das Schlüsselkriterium für einen Anruf ist, dass jemand bereits vier Wochen Arbeitsunfähigkeit hinter sich hat und absehbar ist, dass sich die Arbeitsunfähigkeit verlängert.

? Wie geht es weiter, wenn ich mitmachen will?

Sie stellen sich in einem der Zentren vor, wo die Mediziner feststellen, ob Sie sich tatsächlich für das Programm eignen. Es ist ein vier, maximal acht Wochen langes ambulantes Programm mit mehreren Terminen pro Woche.

? Wo kommt dabei P4P ins Spiel?

Für jeden Patienten, der vier Wochen nach Programmbeginn wieder in das Berufsleben zurückkehrt und dort mindestens ein halbes Jahr arbeitet, erhalten unsere Vertragspartner einen finanziellen Bonus.

? Zusätzlich zu den Summen, die im Rahmen des IV-Vertrages für die Versorgung an sich fließen?

So ist es.

? Wie hoch ist der Bonus?

Haben Sie bitte Verständnis, aber darüber haben wir vertraglich Stillschweigen vereinbart.

? Ein Gutachten des BQS-Instituts zu Pay-for-Performance im Gesundheitswesen von 2012 (siehe Seite 319 in dieser Ausgabe) erklärt, es gebe 10 % Plus. Fragt sich, auf was?

Das sind Vertragsgeheimnisse. Gehen Sie aber davon aus, dass sich das Programm für alle rechnet – auch für uns als Kasse. Die Entgeltfortzahlung, die wir leisten müssten, wenn der Patient auf Dauer arbeitsunfähig wird, ist teuer. Daher investieren wir in solch ein Programm – jenseits der Regelversorgung.

? Wie viele Patienten haben bislang mitgemacht?

Gut 7.000. Über die Hälfte davon ist nach 4 Wochen Programm wieder an den Arbeitsplatz zurückkehrt und das für mindestens ein halbes Jahr.

? Was ist, wenn jemand auch nach 4 Wochen weiter arbeitsunfähig geschrieben wird?

Dann gibt es weitere 4 Wochen mit einem nochmals intensivierten Programm. Für den, der nach achtwöchiger Teilnahme wieder arbeitsfähig ist, gibt es allerdings keinen Bonus mehr. Und für den, der das Programm auch danach noch arbeitsunfähig verlässt, müssen die Vertragspartner einen Malus zahlen. Nach den bisherigen Zahlen sind am Ende an die 85 % der Teilnehmer wieder arbeitsfähig.

? In der Summe aller Teilnehmer des Projekts?

Ja.

? Der Malus soll 5 % der Gesamtvergütung für einen Fall betragen...

Wie schon gesagt, die konkrete Vergütungshöhe können wir nicht nennen.

? Wissen Sie, ob sich das Projekt für die Patienten lohnt, und wissen Sie, ob und welchen Anteil daran die P4P Komponente hat?

Die echte Kalkulation dafür steht noch aus. Von echten Erfolgsmeldungen möchten wir erst dann reden, wenn die Ergebnisse des Programms Vorteile gegenüber der Regelversorgung zeigen.

? Auf den Seiten der IMC GmbH findet sich aber solch eine Erfolgsmeldung. Danach sind die Arbeitsunfähigkeitszeiten bei 4.801 Teilnehmern des Programms im Vergleich zur Regelversorgung zwischen 2007 und 2011 um etwa 50 % reduziert worden.

Mit diesen Aussagen muss man vorsichtig sein. Das war eine interne, retrospektive Untersuchung mit Daten anderer "gematchter" Versicherter als Kontrollgruppe. Einen nachweisbaren Erfolg belegen, können wir erst mit einer kontrollierten, prospektiven Studie, die jetzt begonnen hat. Ergebnisse gibt es in etwa 2 Jahren.

? Das Programm läuft also weiter?

Ja, es wird aber nicht weiter ausgedehnt.

? Zurück zu P4P – wer zahlt den Malus, wer kassiert den Bonus? Die Managementgesellschaft oder das Zentrum, das einen Patienten behandelt hat?

Das konkrete Vergütungsverfahren regelt der Vertragspartner im Verbund selbst.

? Wie wichtig ist für die TK das Element P4P generell? Ein Ansatz, der ausgebaut werden muss?

Grundsätzlich ist es ein gutes Konzept, aber man muss mit Bedacht vorgehen. Man muss sich nur die Lernkurve ansehen, die man die letzten Jahre mit P4P gemacht hat. Das hat oft auch zu Anreizen geführt, die am Ende eher eine Fehlentwicklung bewirkt haben.

? Auch bei Ihnen in der TK, haben Sie da ein Beispiel?

Wir haben schon häufiger P4P-Modelle wieder verändert, wenn zu viele Risiken eingetreten sind, die einen Malus für den Projektpartner mit sich brachten.

? Bislang tragen auch bei Ihnen nur die wenigsten IV-Projekte solche P4P-Elemente.

Das ist richtig. Wir haben Ambitionen, an der einen oder anderen Stelle mehr P4P zu machen. Aber nur dort, wo wir auch wirklich eine Leistung bemessen können. Dabei setzen wir auch auf die Meinung der Versicherten. Wir können die Zufriedenheit der Patienten mit der Versorgung gut in die Vergütungsstrukturen einbauen.

? Das ist aber kein Parameter für echte Ergebnisqualität?

Wir finden, dass es ein sinnvoller Parameter für P4P-Elemente sein kann.

? Die AOK wirbt bei der Qualitätsmessung im Krankenhaus für ihr QSR-Indikatorset und möchte damit auch P4P-Elemente im Krankenhausbereich einführen. Haben Sie auch so ein Instrument?

In der Form nicht. Wir haben aber Projekte der Integrierten Versorgung im Krankenhausbereich, wo wir P4P-Elemente auf andere Qualitätsparameter satteln. Wir schauen uns dabei eher Erfolgs- oder Komplikationsraten unmittelbar in Zusammenhang mit der Operation an.

? Hat die TK solche Verträge in der Endoprothetik?

Ja. Wir schauen da zum Beispiel auf Revisionszahlen, wenn die schon wenige Wochen nach Erstimplantation nötig werden. Es kann sein, dass ein Krankenhaus dann bei entsprechendem Nachweis Revisionsoperationen ohne weitere Vergütung durchführen muss.

? In den USA wird P4P derzeit in Krankenhäusern der staatlichen Gesundheitsversorgung großflächig eingeführt …

Ich habe eine geteilte Meinung dazu. P4P ist dann richtig, wenn Sie wirklich neutral Dinge bewerten können und kein Risiko laufen, Fehlanreize zu setzen. Es darf nicht sein, dass Sie eine negative Risikoselektion bekommen, wo sich in einem Programm nur noch die Patienten wiederfinden, bei denen Sie mit hoher Wahrscheinlichkeit gute Ergebnisse bekommen. Es darf auch nicht sein, dass Krankenhäuser, die mehr Risikopatienten zu versorgen haben, plötzlich durch P4P auch noch mit einem Malus konfrontiert werden.

? Die AOK behauptet, dass sie diese Dinge bei QSR über eine Risikoadjustierung herausrechnet.

Das will ich nicht beurteilen. Deshalb sollte nicht die ganze Finanzierung der Versorgung an P4P hängen, das kann nur ein Zusatzelement der Vergütung sein.

? Es gibt aber Autorinnen, die vorrechnen, dass P4P keine Effekte hat, wenn P4P zum Beispiel gerade mal 2 % an der Gesamtvergütung ausmacht. Es müssen schon 10 % sein.

Damit hätte ich keine Probleme. Es geht mir darum, dass es nicht 50 % werden. Man kann im Übrigen ja auch andere Modelle fahren. Man könnte auch einen Erfolg am Ende teilen.

? Sie meinen Shared Saving?

Genau. Wenn Patienten so gut versorgt werden, dass auch wir am Ende Kosten sparen, könnten wir diese Effizienz mit dem Versorger teilen. Wir sind dazu mit manchen Ärztenetzen im Gespräch.

? Beim Projekt "Gesundes Kinzigtal" sind Sie derzeit aber nicht dabei, dort wird solch ein Ansatz ja verfolgt (Siehe auch Interview Hildebrandt).

Nein, in dieser Region beteiligen wir uns derzeit nicht. Aber wir haben z. B. einen Vertrag zur Integrierten Versorgung mit dem Ärztenetz Nürnberg, bei dem wir solche Konzepte diskutieren [ 2 ]. Es geht dabei um die Kalkulation von Einsparungen mit virtuellen Budgets wohlgemerkt, nicht um Übertragung von echter Budgetverantwortung auf Versorger. Das wollen wir auf keinen Fall. Wenn ein Ärztenetz mit fixem Etat die Versorgung von Patienten in einer Region stemmen müsste, droht die Gefahr von Patientenauslese. Das darf es aus unserer Sicht nicht geben, da haben wir den Anspruch, dass wir alle medizinisch gut versorgen.

Das Interview führte Bernhard Epping


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