Gerard A et al.
Unicondylar Arthroplasty in Knees With Deficient Anterior Cruciate Ligament.
Clin Orthop Relat Res [in press]
Ist ein defektes vorderes Kreuzband ein Risikofaktor für das Versagen einer Schlittenprothese?
Die Ergebnisse der Arbeitsgruppe um A. Gerard zeigen, dass ein klinisch stabiles Knie
mit defektem vorderem Kreuzband mit einer medialen Schlittenprothese versorgt werden
kann. Allerdings gilt dies nicht für alle Arten der Implantate …
Gerard A et al. Unicondylar Arthroplasty in Knees With Deficient Anterior Cruciate
Ligament. Clin Orthop Relat Res [in press]
Einleitung
Die Indikationen für die Implantation einer unikompartimentellen Knieendoprothese
(Schlittenprothese) werden in der Regel streng gestellt. So wird beispielsweise ein
intaktes vorderes Kreuzband (VKB) als wichtige Voraussetzung angesehen. In der Literatur
werden im Vergleich zu Patienten mit intaktem VKB vermehrt aseptische Lockerungen
der tibialen Komponente beschrieben und eine schnellere Abnutzung des bislang intakten
Kompartimentes aufgrund der abnormalen Kinematik des Knies. Anhand eines Vergleichs
von 2 Patientengruppen mit entweder einem defekten oder einem intakten VKB, überprüften
A. Gerard et al., ob ein defektes VKB tatsächlich einen Risikofaktor für das Versagen
einer Schlittenprothese darstellt.
Methoden
Zwischen November 2000 und Juli 2008 wurden 72 Patienten (81 Knie) mit einem defekten
VKB mit einer medialen Fixedbearing-Schlittenprothese versorgt. Aufgrund bereits klinisch
bestehender VKBInstabilität wurden 5 Patienten mit einer VKB-Plastik versorgt und
aus der Studie ausgeschlossen. Bei den übrigen 67 Patienten (76 Knie) ohne klinische
präoperative VKB-Instabilität gelang für 68 Schlittenprothesen ein Follow-up (60 Patienten,
90 %): Bezogen auf die 90 % erfassten Follow-ups erfolgte bei 58 % ein klinisches
und radiologisches Follow-up, bei 21 % konnten Informationen über einen Befragungsbogen
erhoben werden. Bei 7 % erfolgte eine Revision mit Implantation einer Knietotalendoprothese,
und in 4 % der Fälle verstarb der Patient ohne Revisionseingriff. Die Prothesenstandzeit
sowie die Versagerquote der Prothese wurden mit der Implantation von 706 medialen
unikondylären Knieprothesen bei Patienten mit intaktem VKB verglichen, die im selben
Zeitraum von selben Operateur implantiert wurden. Die Demografie der Patienten mit
intaktem oder defektem VKB war vergleichbar. Alle Patienten erhielten das gleiche
Prothesensystem. Der durchschnittliche Nachuntersuchungszeitraum für die Patientengruppe
mit defektem VKB betrug 6 Jahre (2,9–10 Jahre).
(© PhotoDisc)
Ergebnisse
Es gab keinen statistisch signifikanten Unterschied (p = 0,58) bezüglich der Revisionsrate
zwischen den Patientengruppen mit intaktem oder defektem VKB. Insgesamt 7 % der Schlittenprothesen
(im Follow- up) mit defektem VKB mussten revidiert und durch eine Totalendoprothese
ersetzt werden: Die Ursachen waren Progression der Arthrose im zuvor intakten Kompartiment
(2 Knie), Schmerz (1 Knie), aseptische Lockerung des Tibiaplateaus (1 Knie) und Revision
extern bei unbekanntem Grund (1 Knie). In der Vergleichsgruppe mussten 5 % der Schlittenprothesen
revidiert werden: die Ursachen waren aseptische Lockerung (13 Knie), externe Revision
bei unbekanntem Grund (11 Knie), Progression der Arthrose (3 Knie), tibiales Einsinken
der Prothese (4 Knie), Infektion (3 Knie), Schmerz (1 Knie) und Überlastung des lateralen
Kompartimentes (1 Knie). Die 6-Jahres-Standzeit betrug 94 % für die Schlittenprothese
bei defektem VKB und 93 % bei intaktem VKB (p = 0,89).
Kommentar
Bisher gibt es keine eindeutig wissenschaftlich definierten Indikationen und Kontraindikationen
für die Implantation einer Schlittenprothese. Allgemein gilt jedoch, dass ein intaktes
VKB eine Voraussetzung für die Implantation einer Schlittenprothese ist. In der vorliegenden
Studie konnten von den 68 implantierten medialen Schlittenprothesen bei gleichzeitig
defizientem VKB nur 44 sowohl klinisch als auch radiologisch komplett untersucht werden
(entspricht 58 % der untersuchten Patienten). Über das klinische Ergebnis werden keine
Angaben gemacht. Die Ergebnisse dieser Studie suggerieren, dass ein klinisch stabiles
Knie mit defektem vorderem Kreuzband mit einer medialen Schlittenprothese versorgt
werden könnte, ohne Nachteile bezüglich der Standzeit und Revisionsrate befürchten
zu müssen. Dies gilt allerdings nur für die Verwendung eines Fixed-bearing-Implantates.
Eine klinische anteroposteriore Instabilität des Knies sowie Verwendung eines Mobile-bearing-Implantates
müssen weiterhin als Kontraindikation angesehen werden. Dazuhin erreicht die Studie
nur ein Evidenzlevel von 3. Eine eindeutige Beurteilung und Therapieempfehlung ist
daher nur begrenzt möglich. Die vorliegende Studie ist aber eine gute Grundlage zur
Initiierung von prospektiven Studien mit höherem Evidenzlevel.