Um den Therapieeinstieg für Alkoholabhängige zu erleichtern, kann Konsumreduktion
eine wichtige Hilfe sein. Während dieses Therapieziel in der Behandlung von Spritzendrogenabhängigen
schon länger üblich ist, wäre es bei Alkoholabhängigkeit noch relativ neu, wie Dr.
Chaim Jellinek, Berlin, auf einer Presseveranstaltung berichtete. Die Behandlungslücke,
d.h. den Anteil von Personen mit Alkoholabusus bzw. -abhängigkeit ohne spezifische
Behandlung, bezifferte Prof. Karl Mann, Heidelberg, auf 92 %.
Medikamentöse Unterstützung der Konsumreduktion
Mit der Indikation Reduktion des Alkoholkonsums bei erwachsenen Patienten mit Alkoholabhängig
und Hochrisikokonsum (Männer: > 60 g/Tag, Frauen: > 40 g/Tag), die keine körperlichen
Entzugssymptome haben und bei denen keine sofortige Entgiftung erforderlich ist, hat
die Europäische Kommission im Februar 2013 Nalmefen (Selincro®) zugelassen. Mann erklärte, dass es sich bei dem Wirkstoff um einen partiellen Agonisten
am Kappa-Rezeptor handele, der innerhalb von 3 Stunden 94–100 % der Rezeptoren besetzt
und nach 26 Stunden noch zu 83–100 % dort bindet.
Nalmefen wurde in 3 klinischen Studien (ESENSE 1, ESENSE 2 und SENSE) bei insgesamt
ca. 2 000 Patienten entsprechend der Indikation gegen Placebo untersucht. Alle Patienten
erhielten eine unterstützende psychosoziale Therapie (BRENDA-Methode), wodurch die
Anzahl schwerer Trinktage von monatlich 19 Tagen auf 9 Tage in der Placebogruppe abnahm.
Diese Reduktion konnte unter Nalmefen signifikant (p < 0,05) auf minus 12 Tage gesteigert
werden. Die Menge des täglich konsumierten Alkohols ging von 84 g/Tag um ca. 40 g/Tag
unter Placebo und um gut 50 g/Tag unter Verum zurück (p < 0,05). Für die Responderanalyse
galten Patienten als erfolgreich behandelt, wenn sie entsprechend den WHO-Kriterien
um 2 Trinkkategorien heruntergestuft werden konnten. Dieses Therapieziel erreichten
40 % der Teilnehmer in der Placebogruppe und etwa 55 % derjenigen unter Verum (p <
0,05). Die dafür notwendige Number needed to Treat (NTT) von 7 bedeute eine sehr gute
Effektstärke, so Prof. Mann.
Beide Suchtmediziner halten die Konsumreduktion bei Alkoholabhängigkeit für ein bedeutsames
Therapieziel. "Wo die psychosoziale Therapie nach 2 Wochen einen Effekt hat, können
wir sie weiter führen. Bei denjenigen, bei denen das nicht der Fall ist, etwa 70–80
% der Betroffenen, könnten wir z.B. Nalmefen anwenden und damit den Reduktionsansatz
verfolgen", resümierte Mann. Nach Herstellerinformation wird das Medikament im 4.
Quartal 2013 für den deutschen Markt erwartet.
Matthias Manych, Berlin
Quelle: Presseveranstaltung: Blick hinter die Behandlungstür: Therapie der Alkoholabhängigkeit
als Herausforderung für Arzt und Patient, am 22. April 2013 in Berlin. Veranstalter:
Lundbeck GmbH, Hamburg.