ergopraxis 2013; 6(09): 6-7
DOI: 10.1055/s-0033-1356901
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Publikationsdatum:
06. September 2013 (online)

 

Zum Artikel „Therapie bei schwerer Spastik“, ergopraxis 7-8/13

Infos zum funktionellen Dehnen

Sehr geehrtes ergopraxis-Team,
in dem Artikel zu Therapieoptionen bei schwerer Spastik ist auf Seite 24 von „funktioneller Dehnung“ die Rede. Hierzu hätte ich gerne mehr Informationen. Auch, ob es dazu eine Fortbildung gibt.

Liebe Grüße und vielen Dank
Madlen Pikl, BSc Ergotherapeutin

Anmerkung der Autorin

Liebe Frau Pikl,
vielen Dank für Ihre Nachfrage zur funktionellen Dehnung. Es gibt eine Arbeit von Frans van den Berg zur funktionellen Dehnung, die er auch in seinem Buch „Angewandte Physiologie: Therapie, Training, Tests“ erwähnt (Thieme 2001; 2. Auflage 2007).

Meine Erfahrung ist, dass durch die funktionelle Dehnung der Patient die Dehnung besser spüren und wahrnehmen kann, da ganze Muskelketten einbezogen werden im Vergleich zur isolierten Dehnung einzelner Muskeln. Muskeln der oberen und unteren Extremität können funktionell gedehnt werden, indem durch zusätzlichen Druck auf das Gelenk mittels Belastung des Körpergewichts die Muskelspannung deutlich reduziert werden kann. Durch eine zusätzliche Ellenbogen- und Fingerextension sowie durch den Impuls der Außenrotation kann die Dehnung der Unterarmflexoren verstärkt werden. Gibt es eine passive Bewegungseinschränkung, wie beispielsweise im Handgelenk, kann diese durch eine Lagerung mit einem Sandsäckchen ausgeglichen werden.

Zu beachten ist, dass der Patient kein schmerzhaftes Schulter-Hand-Syndrom hat. Ebenso ist eine ödematöse Schwellung kontraindiziert. Beides verursacht Schmerzen, und Schmerzen triggern die Spastik! Die Praxis zeigt, dass bei einer Spastik am häufigsten die Flexoren gedehnt werden müssen. An der oberen Extremität werden häufig die Handund Fingerflexoren, die Pronatoren des Unterarms, die Ellenbogenbeuger sowie die Schulterinnenrotatoren und die Schulteradduktoren gedehnt.

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Funktionelle Dehnung von Ellenbogen- und Handgelenkflexoren: Der hintere Therapeut fazilitiert die Extension im Ellenbogengelenk und die Außenrotation im Schultergelenk. Er gibt dabei einen Druck Richtung Hand. Der vordere Therapeut stabilisiert das Handgelenk.
(Foto: B. Quentin)

An der unteren Extremität werden oftmals die langen und kurzen Zehenbeuger, die Plantarflexoren des Fußes, Knieflexoren- und -extensoren sowie die Hüftflexoren- und -extensoren und die Adduktoren gedehnt.

Der vierte relevante Faktor ist die Zeit. Die Dehnung wird langsam durchgeführt und der Dehnungsimpuls wird durch die Therapeutin exakt fazilitiert.

Bei mir gehört nach der funktionellen Dehnung eine anschließende Aktivierung durch beispielsweise aufgabenorientiertes Training dazu. Die funktionelle Dehnung macht ein Drittel der Therapie aus (Arbeiten auf der Strukturebene). Danach kann eine gedehnte Muskulatur funktionell besser arbeiten, entweder auf der Aktivitätsebene und/oder auf Teilhabeebene je nach Zielsetzung.

Ich kenne keine Fortbildung speziell zu funktioneller Dehnung. Ich selbst gebe hin und wieder Kurse zum Thema Spastik und Redression und zeige darin die funktionelle Dehnung.

Herzliche Grüße aus Berlin
Bettina Quentin

Zum Artikel „Ein Ergotherapeut begeistert sich für Evidenz“, ergopraxis 6/13


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Von den Erfolgen überzeugt

Sehr geehrter Herr Stritzinger,
ich arbeite inzwischen als Ergotherapeutin in Dublin und habe mit großem Interesse Ihren wundervollen Artikel gelesen! Sie haben mir mit vielen Ihrer Äußerungen aus der Seele gesprochen: was mangelnde Evidenz für die traditionellen Konzepte angeht, was die Prinzipien des distalen Ansatzes, der Bilateralität und hoher Repetition betrifft und vielem mehr. Was für wahre Worte, kritisch und flexibel zu bleiben und Überzeugungen durch neues Wissen abzulösen. Allerherzlichste Glückwünsche zu diesem Artikel. Ich bin restlos überzeugt davon, dass so, wie Sie Ihre Praxis beschreiben, die Patienten große Erfolge verzeichnen und die Therapie für beide Seiten positive Erfahrungen bringt.

Ich habe in verschiedenen neurologischen Kliniken (Frühreha und weiterführende Reha) in Deutschland und der Schweiz gearbeitet. Glücklicherweise musste ich die Erfahrung, entmutigt und frustriert zu sein, nicht machen, da wir in der Schweiz 2001 schon langsam anfingen, die robotergestützte Therapie zu generieren. In München haben meine Kolleginnen und ich gute Erfahrungen mit CIMT und den von Ihnen beschriebenen Ansätzen gemacht, da wir Susanna Freivogel als „Mentorin“ zur Unterstützung hatten. Ich bin ebenfalls zum jetzigen Zeitpunkt überzeugt, dass die von Ihnen beschriebene Therapie, auch dadurch, dass die Patienten Eigenverantwortung übernehmen und aufgeklärt sind, wirkungsvoll ist.

Ich wünsche Ihnen weiterhin viel Erfolg und Spaß bei Ihrer tollen Arbeit.

Herzlichste Grüße aus Dublin
Christina Janssen

Zur Umfrage „Gelernt und nie gebraucht?“, ergopraxis 6/13


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Ausbildung muss breite Basiskenntnisse vermitteln

Hallo, liebes Team der ergopraxis,
die Rubrik „Gesprächsstoff“ hat in unserem Hause, einer Berufsfachschule für Ergotherapie, ordentlich für Gesprächsstoff gesorgt! Wir waren etwas überrascht über die ungefilterte Darstellung über „Gelernt und nie gebraucht“ in der Juni-Ausgabe. Nach unserer heißen Diskussion sind wir zu folgendem Resümee gekommen: Wir finden es sehr ungeschickt, die Antworten vollkommen losgelöst von jeglichem Kontext darzustellen. Die Ergänzung des jeweiligen Fachbereiches der Ergotherapeuten hätte die Antworten transparenter gemacht. Momentan erweckt der Artikel den Eindruck, dass beispielsweise handwerkliche und gestalterische Techniken unnützes Wissen wären.

Die Ergotherapieausbildung vermittelt vielseitige Basiskenntnisse für das doch sehr breit gefächerte Arbeitsfeld. Im Berufsalltag werden selbstverständlich nur Teile des Wissens abverlangt. Das liegt in der Natur unseres Berufes. Doch um klientenzentriert arbeiten zu können, benötigen wir vielseitige Kenntnisse, die dann gezielt eingesetzt werden müssen.

Wir haben den Eindruck aus der direkten Erfahrung mit unseren Schülern, dass Ihre Darstellung dieses Themas wenig zum Selbstbewusstsein angehender „Ergos“ beiträgt.

Mit freundlichen Grüßen
Stefanie Hagyo (Bc of Health OT (NL))
Ausbildungsleitung an den Bernd-Blindow-
Schulen in Heilbronn


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Funktionelle Dehnung von Ellenbogen- und Handgelenkflexoren: Der hintere Therapeut fazilitiert die Extension im Ellenbogengelenk und die Außenrotation im Schultergelenk. Er gibt dabei einen Druck Richtung Hand. Der vordere Therapeut stabilisiert das Handgelenk.
(Foto: B. Quentin)