Schlüsselwörter
Datenschutz - Rehabilitation - informierte Einwilligung
Key words
data protection - rehabilitation - informed consent
Einleitung
Unter Datenschutz wird der vertrauliche Umgang mit personenbezogenen Daten (→ Glossar,
siehe online unter www.thieme-connect.de/ejournals/toc/rehabilitation) verstanden. Tatsächlich geht es um die Wahrung der Persönlichkeitsrechte von Menschen.
Jeder soll grundsätzlich selbst bestimmen können, wem oder an welcher Stelle er welche
Daten über sich mitteilt oder verschweigt (sog. abgeleitetes Grundrecht auf „informationelle
Selbstbestimmung“) (Bundesverfassungsgericht 65/1). Das informationelle Selbstbestimmungsrecht
(abgeleitet aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 Grundgesetz – GG) und
die Freiheit der Forschung (Art. 5 Abs. 3 GG) treffen bei Forschungsprojekten aufeinander.
Zwischen diesen teilweise konkurrierenden Grundrechten sollte durch eine sorgfältige
Planung des Forschungsprojektes im Konfliktfall ein schonender Ausgleich geschaffen
werden. Zum Beispiel könnte die Zahl der zu erhebenden Variablen möglichst gering
gehalten und die Anonymität der Ergebnisdaten erreicht werden, ohne dadurch das Forschungsziel
zu gefährden.
Der Datenschutz ist durch Gesetze geregelt. Je nach Datenquelle (→ Glossar), z. B.
Sozialversicherung oder Befragung, aus der Forschungsdaten erhoben werden sollen,
sind unterschiedliche Gesetze zu beachten, die sich im Detail unterscheiden können.
Eine Struktur gibt es in Form sog. Datenschutzgrundsätze. Dazu gehören das Verbot
mit Erlaubnisvorbehalt, die Grundsätze der Datenvermeidung, der Zweckbestimmung und
der Zweckbindung, der Datensparsamkeit, der Erforderlichkeit, der Direkterhebung und
der Transparenz. Sie ziehen sich wie ein roter Faden durch alle Datenschutzgesetze.
Wer in der Forschung sein Datenschutzmanagement an diesen Grundsätzen ausrichtet,
kommt zu praktikablen Lösungen – selbst wenn die genaue Rechtsgrundlage zunächst unbekannt
ist. Das entbindet die Wissenschaftlerin/den Wissenschaftler jedoch nicht davon, sich
in der Projektplanung mit den spezifischen Datenschutzvorschriften zu befassen, die
für die Datenquellen gelten, aus denen die Daten erhoben werden sollen. Die datenschutzrechtliche
Verantwortung liegt immer bei der Person oder Stelle, die für eigene Zwecke (Aufgaben),
wie bspw. die Forschung, personenbezogene Daten verarbeitet. Bestimmte Aspekte des
Datenschutzes sind weitgehend identisch mit den Ethik-Grundsätzen der Deklaration
von Helsinki des Weltärztebundes [1].
In diesem Artikel wird dargestellt, welche datenschutzrelevanten Aspekte in einem
Reha-Forschungsprojekt berücksichtigt werden müssen. Zunächst werden allgemeine Begriffsbestimmungen
gegeben und die Datenschutzgrundsätze erklärt. Im Anschluss werden die Struktur der
deutschen Datenschutzgesetze sowie die Arbeitsschritte für die Datenverarbeitung dargestellt.
Datenschutzrelevante Aspekte bei der Nutzung von personenbezogenen Daten für die Forschung
werden erläutert. Dazu wird zunächst die Gestaltung eines Projektes beschrieben, das
mit anonymen Daten arbeitet, sowie eine Befragung, bei der eine informierte Einwilligung
(→ Glossar) zur Studienteilnahme erforderlich ist. Weiterhin wird auf die Einbeziehung
weiterer Datenquellen, insbesondere von Sozialdaten (→ Glossar), eingegangen. Der
Umgang mit Forschungsdaten, deren Veröffentlichung und Archivierung sowie die „Rechtsfolgen
bei Verstößen“ gegen den Datenschutz werden erläutert. Anhand eines Beispiels aus
der Rehabilitationspraxis (siehe online unter www.thieme-connect.de/ejournals/toc/rehabilitation) wird dargestellt, wie mithilfe eines externen Datentreuhänders (→ Glossar) Forschungsdaten
räumlich getrennt von personenbezogenen Daten gelagert werden.
Allgemeine Begriffsbestimmungen
Allgemeine Begriffsbestimmungen
Personenbezogene Daten
Als personenbezogene oder personenbeziehbare Daten (→ Glossar) gelten Informationen,
die einer Person zugeordnet sind oder die eine Zuordnung zu einer Person einfach ermöglichen,
z. B. durch Kombination bekannter Merkmale oder über ein Zuordnungskriterium (auch
Pseudonym [→ Glossar] genannt) ([Tab. 1]). „Besondere Arten personenbezogener Daten sind Angaben über die rassische und ethnische
Herkunft, politische Meinungen, religiöse oder philosophische Überzeugungen, Gewerkschaftszugehörigkeit,
Gesundheit oder Sexualleben“ (§ 67 Abs. 12 Sozialgesetzbuch – SGB X und § 3 Abs. 9
Bundesdatenschutzgesetz – BDSG). Liegen personenbezogene oder personenbeziehbare Daten
vor, müssen die Datenschutzgesetze eingehalten werden. Wenn im Weiteren von personenbezogenen
Daten gesprochen wird, sind auch personenbeziehbare Daten gemeint.
Tab. 1 Kategorisierung oder Abstufung personenbezogener, personenbeziehbarer, faktisch anonymer
und absolut anonymer Daten.
Daten-Kategorie
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Eigenschaft
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Beispiel
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Gesetz anwendbar?
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personenbezogen
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Name und Identifizierungsdaten sind vorhanden
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Karl Mustermann äußerte sich im Jahr 2004 erstmals zu seiner Krebserkrankung.
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ja Bezogen auf dieses Beispiel ist es zulässig, alles zu berichten und zu verarbeiten,
was der Betroffene selbst mitteilt (Einwilligung).
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pseudonym personenbeziehbar
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Daten sind einem Pseudonym zugeordnet. Über eine Zuordnungsliste kann der Verantwortliche
den Pseudonymen den Namen leicht zuordnen (Telefonnummer, Versicherungsnummer, Patientennummer,
Stimme…).
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Proband 08–15 beantwortete die Frage nach dem Familieneinkommen mit der Kategorie
„zwischen 50 000 und 60 000 EUR“. Die Aussage ist zuordenbar, solange die Zuordnungsliste
existiert. Ebenfalls zuordenbar wäre die Aussage: Der Bundeskanzler des Jahres 1972 (Willy Brandt).
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ja
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faktisch anonym
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Name und Identifikationsdaten sind gelöscht. Zuordnung der Daten zu einem Namen ist
gar nicht oder nur mit großem Aufwand an Zeit, Kosten und Arbeitskraft möglich. Es
gibt keine Zuordnungsliste mehr.
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Ein männlicher Proband (60 Jahre) beantwortete die Frage nach dem Familieneinkommen
mit der Kategorie „zwischen 50 000 und 60 000 EUR“.
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nein
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absolut anonym
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Es gibt keine Namen und Identifizierungsdaten, die eine Zuordnung zu einer Person
ermöglichen würden.
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Unter den 60-jährigen männlichen Befragungsteilnehmern haben immerhin 47% die Frage
nach dem Familieneinkommen mit der Kategorie „zwischen 50 000 und 60 000 EUR“ beantwortet.
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nein
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Anonyme Daten
Im Gegensatz zu personenbezogenen Daten können absolut anonyme Daten keiner Person
zugewiesen werden. Faktisch anonyme Daten können nur mit einem unverhältnismäßig großen
Aufwand an Zeit, Kosten und Arbeitskraft einer bestimmten oder bestimmbaren Person
(→ Glossar) zugeordnet werden. Bei faktisch oder absolut anonymen Daten sind daher
keine Datenschutzgesetze zu beachten ([Tab. 1]).
Verantwortliche Stelle
Alle Stellen und Personen, die bei ihrer Arbeitserledigung in Wirtschaft, Verwaltung
oder Forschung mit personenbezogenen Daten umgehen, sind selbst für den Datenschutz
verantwortlich (siehe Begriff „verantwortliche Stelle“ [→ Glossar]). Die Verpflichtung
ergibt sich aus den Gesetzen und findet in Begriffen wie Datengeheimnis (→ Glossar),
Sozialgeheimnis (→ Glossar) oder Arztgeheimnis (→ Glossar) seinen Niederschlag.
Datenschutzgrundsätze
Verbot mit Erlaubnisvorbehalt
Nach dem Verbot mit Erlaubnisvorbehalt ist es zunächst verboten, personenbezogene
Daten zu erheben, zu verarbeiten oder zu nutzen. Dies ist nur zulässig, soweit das
Bundesdatenschutzgesetz (BDSG), die jeweiligen Landesdatenschutzgesetze (LDSG) oder
eine andere Rechtsvorschrift dies erlaubt oder anordnet oder der Betroffene eingewilligt
hat. Jeder Verantwortliche muss den gesetzlichen Vorgaben entsprechend und vertraulich
mit personenbezogenen Daten umgehen. Auch die Arbeitsumgebung muss so gestaltet werden,
dass personenbezogene Daten nur Berechtigten zugänglich sind. Verantwortliche dürfen
die personenbezogenen Daten insbesondere nicht Unbefugten mitteilen. Unbefugte sind
alle, die nicht zum wissenschaftlichen Team gehören (§ 67 SGB X und § 4 BDSG).
Grundsatz der Datenvermeidung
Bei der Erhebung von Daten gilt der Grundsatz der Datenvermeidung (§ 78b SGB X und
§ 3a BDSG). Dieser zielt darauf, den Personenbezug von Anfang an zu vermeiden. Allerdings
sind Forschungsprojekte selten, die ohne personenbezogene Daten auskommen. In der
Praxis ist es üblich, dass Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler zumindest zeitweise
mit personenbezogenen Daten umgehen. Zum Beispiel werden die Forschungsdaten aus Krankenblattakten
oder anderen Datenquellen entnommen, die den Namen deutlich lesbar enthalten. Oder
es sollen Studienteilnehmerinnen und -teilnehmer zu mehreren Zeitpunkten befragt werden.
Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler benötigen hier Namen und Kontaktdaten,
um die Fragebogen an die Postanschrift zu schicken. Eine Möglichkeit Unterlagen zu
versenden, ohne Adressen zu speichern, ist das Adressmitteilungsverfahren. Bei diesem
Verfahren werden Institutionen, Behörden oder Einrichtungen, die Adressen verwalten,
frankierte Umschläge und das zu versendende Material gegeben. Die Adressverwalter
adressieren die Umschläge und verschicken die Unterlagen per Post [2] (s. Beispiel aus der Rehabilitationspraxis online unter www.thieme-connect.de/ejournals/toc/rehabilitation).
Grundsatz der Zweckbestimmung und Zweckbindung
Eine „zweckfreie“ Erhebung personenbezogener Daten ist verboten (Vorratsdatenspeicherung).
Bei jeder Erhebung muss vorab konkret festgelegt sein, für welche Zwecke die Daten
verwendet werden sollen, denn nur so kann gewährleistet werden, dass der Umgang mit
den Daten in einem überschaubaren Rahmen bleibt (siehe auch Grundsatz der Datensparsamkeit).
Die Zweckbestimmung schließt eine Zweckbindung ein. Das bedeutet, einmal erhobene
Daten dürfen nur für die festgelegten Zwecke verwendet werden. Diese dürfen nur (weiter)
verwendet werden, wenn ein Gesetz das zulässt oder der Betroffene ausdrücklich eingewilligt
hat (Zweckänderung) (§ 14 Abs. 2, § 28 Abs. 2 oder Abs. 5 BDSG). Die Zweckbindung
gilt für die erhobenen Primärdaten (→ Glossar) bis zu deren Löschung. Selbst wenn
der Personenbezug aufgehoben wird (Anonymisierung), dürfen die Primärdaten aus forschungsethischer
Sicht nicht für andere Forschungsprojekte verwendet werden.
Grundsatz der Datensparsamkeit
Datensparsamkeit (auch: Erforderlichkeit) gibt vor, so wenig personenbezogene Daten
wie möglich zu verarbeiten und nur diejenigen personenbezogenen Daten zu erheben,
die zur Beantwortung der Forschungsfrage unbedingt erforderlich sind (§ 78b SGB X
und § 3a BDSG). Vor der Erhebung muss der Datenkatalog festgelegt und sachlich begründet
werden. Dabei muss die Angemessenheit und Eignung der Daten zur Untersuchung der Fragestellung
durch die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler geprüft werden. Hierzu gehören
auch forschungs- oder medizinethische Fragestellungen zur Zumutbarkeit an die Probandinnen
und Probanden, welche durch die Ethikkommission geprüft werden. Eine Ausweitung des
Katalogs nach Beginn der Datenerhebung ist nur zulässig, wenn dadurch die Zweckbestimmung
des Forschungsprojekts nicht geändert wird. Falls bspw. im Rahmen eines Pretests festgestellt
wird, dass eine Frage anders zu formulieren oder ein bestimmter Aspekt genauer zu
hinterfragen ist, kann der finale Fragebogen (=Datenkatalog) noch angepasst werden.
Eine unzulässige Erweiterung der geplanten Datenerhebung wäre dagegen, zusätzliche
Daten aus anderen Quellen wie Krankenblattakte oder Rehabilitationsentlassungsbericht
zu entnehmen oder Informationen vom Hausarzt zu erfragen, ohne dies vorher in der
Teilnehmerinformation zu beschreiben (siehe Abschnitt Teilnehmerinformation und Einwilligungserklärung).
Eine solche Erweiterung der Zweckbestimmung der Forschungsdaten ist nur zulässig,
wenn eine erneute Einwilligung der Teilnehmer eingeholt wird. Ein Beispiel für die
(Nicht-)Erforderlichkeit von personenbezogenen Angaben ist das Geburtsdatum von Studienteilnehmern.
Aus datenschutzrechtlicher Sicht genügt das Geburtsjahr, wenn das Alter nicht exakt
auf Tag und Monat berechnet werden muss.
Grundsatz der Direkterhebung und Transparenz
Daten über eine Person sollen grundsätzlich bei dieser erhoben werden (Direkterhebungsgrundsatz).
Dabei muss der Person gegenüber angegeben werden, welche Stelle die Daten wofür benötigt
(Zweckbestimmung) und an welche anderen Stellen die Daten weitergegeben werden, wie
lange und aus welchem Grund sie gespeichert werden (Grundsatz der Transparenz) (§
4 BDSG) (siehe auch Teilnehmerinformation und -einwilligung).
Datenverarbeitung
In einem Forschungsvorhaben mit personenbezogenen Daten müssen nach dem Sozialdatenschutz
(geregelt im SGB X) und dem BDSG mehrere Arbeitsschritte beachtet werden: das Erheben,
das Verarbeiten und das Nutzen der Daten. Durch diese Definitionen sind bei jeder
denkbaren, personenbeziehbaren Datenverwendung die Datenschutzgesetze zu beachten.
-
„Erheben“ ist das Beschaffen personenbezogener Daten – hierbei sind die Datenschutzgrundsätze
zu beachten (§ 67 Abs. 5 SGB X, § 3 Abs. 3 BDSG).
-
„Verarbeiten“ ist das Speichern, womit jede Form der Aufbewahrung in Papier, Zeichen,
Bild, Ton oder elektronischer Form gemeint ist. Verarbeiten ist auch das Verändern,
Übermitteln, Sperren und Löschen personenbezogener Daten (§ 67 Abs. 6 SGB X, § 3 Abs.
4 BDSG).
-
„Nutzen“ ist jede Verwendung personenbezogener Daten, die nicht durch die Begriffe
Erheben oder Verarbeiten erfasst wird (§ 67 Abs. 7 SGB X, § 3 Abs. 5 BDSG).
Rechtsvorschriften
Seit 1995 gibt es auf Ebene der Europäischen Union die „Richtlinie zum Schutz natürlicher
Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten und zum freien Datenverkehr“
(95/46/EG)[1]. Dort ist festgelegt, welche Mindeststandards des Datenschutzes in den Mitgliedsländern
geregelt sein müssen. Die Richtlinie dient einerseits der „Beseitigung der Hemmnisse
für den Verkehr personenbezogener Daten“ zwischen den Mitgliedstaaten[2] und versucht andererseits, der Verarbeitung personenbezogener Daten enge Grenzen
zu setzen: „Die Mitgliedsstaaten gewährleisten […] den Schutz der Privatsphäre natürlicher
Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten“ (Artikel 1 Abs. 1, 95/46/EG).
Ausnahmeregelungen greifen, wenn die betroffene Person der Verarbeitung persönlicher
Daten zugestimmt hat, oder aus Gründen öffentlichen Interesses (→ Glossar). In Deutschland
gibt es eine große Anzahl Datenschutzgesetze wie der Sozialdatenschutz (SGB X), das
Bundesdatenschutzgesetz und die Landesdatenschutzgesetze. Hierbei gilt das sog. Subsidiaritätsprinzip:
Wenn für bestimmte Anwendungsgebiete spezielle Datenschutzregelungen erlassen wurden,
müssen diese beachtet werden. Gib es keine Spezialregelungen, gelten die allgemeinen
Datenschutzgesetze.
Das deutsche Datenschutzrecht unterscheidet privatwirtschaftliche von öffentlich-rechtlichen
Stellen, also Unternehmen und Betriebe auf der einen und öffentliche Verwaltungen
auf der anderen Seite. Wenn es für die Tätigkeitsfelder der jeweiligen Betriebe oder
Verwaltungen spezielle Datenschutzregelungen gibt, gelten diese. Für alle Sozialleistungsträger
wie gesetzliche Krankenkassen, gesetzliche Unfallversicherungsträger oder Träger der
gesetzlichen Rentenversicherung gelten die Spezialregelungen im Sozialdatenschutz.
Für private Krankenversicherungen oder sonstige privatrechtliche Unternehmen gelten
Bestimmungen des BDSG.
Öffentliche Verwaltungen der Länder oder Kommunen müssen die LDSG beachten. Das gilt
auch für Körperschaften und Anstalten im Rechtskreis des Landes, es sei denn, sie
wenden Bundesrecht an, für das Spezialgesetze gelten wie das SGB (z. B. Rentenversicherungsträger
auf Landesebene). Auch gibt es Spezialgesetze der Länder wie das Gesetz zum Schutz
personenbezogener Daten im Gesundheitswesen im Land Nordrhein-Westfalen (Gesundheitsdatenschutzgesetz
– GDSG NRW), welches wiederum als bereichsspezifische Regelung vorrangig vor dem LDSG
NRW zu beachten ist. Wenn Forschungsdaten in diese gesetzliche Regelung fallen, so
muss das GDSG NRW angewandt werden.
Ansprechpartner zum Datenschutz
Ansprechpartner zum Datenschutz
Ansprechpartner bei Fragen zum Datenschutz sind auf den verschiedenen Ebenen der Bundesbeauftragte
für den Datenschutz und die Informationsfreiheit, die Landesbeauftragten für Datenschutz
(und Informationsfreiheit) und die betrieblichen und behördlichen Datenschutzbeauftragten.
Bei jedem Projekt empfiehlt es sich, einen Datenschutzexperten bereits in die Planung
einzubeziehen. Die Wissenschaftlerin/der Wissenschaftler sollte sich dazu an den Datenschutzbeauftragten
des eigenen Instituts oder derjenigen Stellen wenden, bei denen sie ihre Daten aus
personenbezogenen Datenquellen erheben wollen. Eine gesetzliche Verpflichtung hierzu
besteht allerdings nicht.
Erhebung von Primärdaten in der Rehabilitationsforschung
Erhebung von Primärdaten in der Rehabilitationsforschung
Bei einem Forschungsvorhaben, bei dem Primärdaten erhoben werden, muss sich aus datenschutzrechtlicher
Sicht die Wissenschaftlerin/der Wissenschaftler zunächst fragen, ob zu irgendeinem
Zeitpunkt personenbezogene Daten, wie z. B. der Name oder Kontaktdaten, von den Teilnehmenden
benötigt werden. Beantwortet man die Frage mit Nein, muss eine Vorgehensweise gewählt
werden, bei der zu keinem Zeitpunkt personenbezogene Daten anfallen. Es darf weder
nach personenbezogenen Daten gefragt, noch darf aus der Beantwortung anderer Fragen
ein Bezug zu einer Person hergestellt werden können. Der Fragebogen muss den potenziellen
Teilnehmerinnen und Teilnehmern so zur Verfügung gestellt werden, dass nicht auf Teilnahme
oder Nichtteilnahme zurückgeschlossen werden kann. Bei einer solchen einmaligen Befragung
müssen auf dem Fragebogen der Zweck der Befragung, die Vorgehensweise und der Verantwortliche
benannt werden sowie ein Hinweis auf die Freiwilligkeit der Teilnahme erfolgen. Das
unbeobachtete Ausfüllen und die Rückgabe des Fragebogens müssen gewährleistet werden
(z. B. ein Briefkasten auf dem Weg zum Ausgang). Bei dieser Vorgehensweise würde der
Grundsatz der Datenvermeidung (Vermeidung des Personenbezugs) umgesetzt. Ein Beispiel
für eine solche anonyme Befragung ist ein Bewertungsbogen einer Reha-Einrichtung,
die Patientinnen und Patienten mit ihren Reha-Unterlagen erhalten.
Werden Personen zu mehreren Zeitpunkten befragt, bspw. zu Beginn, am Ende des Reha-Aufenthaltes
und 6 Monate später, so muss die Frage nach der Erfassung von personenbezogenen Daten
bejaht werden. Diese werden benötigt, um Teilnehmerinnen und Teilnehmern in der Follow-up-Befragung
zu erreichen. Wenn die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler die Teilnehmenden
unmittelbar ansprechen und selbst die Namen und Kontaktdaten erfahren, gelten zu allererst
die Datenschutzbestimmungen der Forschungseinrichtung. Ein privates Forschungsinstitut
muss das BDSG beachten, eine Universität das einschlägige LDSG, eine Reha-Einrichtung
das Sozialgesetzbuch.
Für das Forschungsprojekt ist ein Datenschutzkonzept zu erstellen. Dieses hat Einfluss
auf die Gestaltung der Vorgehensweise bei der Datenerhebung und beim weiteren Umgang
mit den personenbezogenen Daten. In [Tab. 2] ist zusammengefasst, was für die Erstellung eines Datenschutzkonzeptes zu beachten
und festzulegen ist.
Tab. 2 Aspekte, die bei der Erstellung des Datenschutzkonzeptes Berücksichtigung finden
sollten.
Welchem konkreten Zweck (ggf. mehreren Zwecken) dient das Projekt (Zweckbestimmung=Zweckbindung)?
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Woher sollen die Forschungsdaten gewonnen werden? Zum Beispiel durch Befragung der
Probandinnen und Probanden mittels Fragebogen.
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Wozu ist es (zwingend) notwendig, Namen und Kontaktdaten der Teilnehmenden zu erheben?
Zum Beispiel, um aus ethischen Gründen den Nachweis führen zu können, dass die Daten
auf Basis freiwilliger Einwilligung mitgeteilt oder dass Forschungsdaten rechtmäßig
erhoben und nicht fingiert wurden. Ein weiterer Punkt ist es, Namen und Kontaktdaten
von Teilnehmenden zu kennen, um sie zu verschiedenen Zeitpunkten zu befragen. Denkbar
ist es auch, dass Namen und weitere Angaben benötigt werden, um Daten der Teilnehmenden
in verschiedenen Datenquellen aufzufinden und als Forschungsdaten erheben zu können
(siehe hierzu den Abschnitt „Verwendung ergänzender Daten aus weiteren Datenquellen“).
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Zu klären ist
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auf welcher Rechtsgrundlage die personenbezogenen Daten erhoben und für die Forschungszwecke
verwendet werden dürfen (siehe auch Datenschutzgrundsätze der Zulässigkeit, der Zweckbestimmung
und Zweckbindung, der Datensparsamkeit).
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ob Rechtsvorschriften dazu verpflichten, die Forschungsdaten (=Primärdaten) zu anonymisieren
oder von den Namen zu trennen (z. B.: § 40 BDSG, § 67c Abs. 5 SGB X). Dann muss festgelegt
werden, wie die Datentrennung vorgenommen werden soll und durch wen sie erfolgt.
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Wer verwahrt die Einwilligungen?
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Wer verwahrt die Zuordnungslisten?
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Wie kann das Verwahren so erfolgen, dass Unbefugte keinen Zugriff erhalten?
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Wie lange sollen/dürfen die personenbezogenen Daten aufbewahrt werden?
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Der Umgang mit den pseudonymen Primärdaten muss geregelt werden (Veränderungsschritte
bei der Aufbereitung, Zusammenfügen von Daten aus verschiedenen Quellen, Archivierung).
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Das Datenschutzkonzept muss aus datenschutzrechtlicher Sicht den Lebenszyklus der
Forschungsdaten von der Erhebung bis zur Löschung der personenbezogenen Daten regeln.
Aus ethischer Sicht muss das Konzept sogar die Zweckbestimmung und Zweckbindung der
Primärdaten bis zur abschließenden Löschung der (irgendwann anonymen) Primärdaten
gewährleisten (siehe Datenschutzgrundsatz der Zweckbestimmung und Zweckbindung). Die
Datenerhebung in Forschungsprojekten kann nur auf Basis von freiwilliger und informierter
Einwilligung durchgeführt werden. Je nach Setting, in dem die Datenerhebung stattfindet,
müssen zusätzlich die einschlägigen Datenschutzvorschriften beachtet werden, bspw.
im Rahmen von Forschung im beruflichen Kontext die jeweiligen Vorschriften zum Arbeitnehmerdatenschutz.
Hierüber muss sich die Wissenschaftlerin/der Wissenschaftler im Vorfeld der Datenerhebung
informieren.
Teilnehmerinformation und Einwilligungserklärung
Teilnehmerinformation und Einwilligungserklärung
Sofern keine andere Rechtsgrundlage gegeben ist, dürfen personenbezogene Daten nur
mit Einwilligung erhoben, verarbeitet oder genutzt werden. Die Einwilligung ist durch
Gesetze geregelt. „Wird die Einwilligung bei dem Betroffenen eingeholt, ist er auf
den Zweck der vorgesehenen Verarbeitung oder Nutzung sowie auf die Folgen der Verweigerung
der Einwilligung hinzuweisen. Die Einwilligung des Betroffenen ist nur wirksam, wenn
sie auf dessen freier Entscheidung beruht. Die Einwilligung und der Hinweis bedürfen
der Schriftform, soweit nicht wegen besonderer Umstände eine andere Form angemessen
ist. Soll die Einwilligung zusammen mit anderen Erklärungen schriftlich erteilt werden,
ist die Einwilligungserklärung im äußeren Erscheinungsbild der Erklärung hervorzuheben“
(§ 67b Abs. 2 SGB X). Andere Gesetze regeln die Einwilligung inhaltsgleich. Es muss
sich stets um eine sog. „informierte Einwilligung“ handeln. Hier besteht eine enge
Überschneidung zum „informed consent“ des Weltärztebundes.
Die Einwilligung muss freiwillig, also ohne „faktischen Zwang“ erteilt werden. Der
Betroffene muss Handlungsalternativen haben und diese auch erkennen oder verstehen
können.
Es empfiehlt sich der folgende Ablauf: Teilnehmerinformation – Bedenkzeit mit Fragemöglichkeit
– förmliche Erklärung regelmäßig als schriftliche Einwilligung. Unzulässig wäre im
Übrigen eine förmliche Erklärung über die „Nicht-Teilnahme“ oder die Erklärung, dass
keine personenbezogenen Daten verwendet werden dürfen. Das würde personenbezogene
Daten hinterlassen, was der Betroffene ja gerade nicht will.
In der Teilnehmerinformation sollten die folgenden Punkte enthalten sein [3]:
-
Titel bzw. Name des Forschungsprojektes;
-
verantwortliche Institution/Personen für das Vorhaben und Ansprechpartner;
-
Beschreibung der Zweckbestimmung des Vorhabens (mit inhaltlichem Bezug zur Datenquelle
oder Institution, bei der Forschungsdaten erhoben werden sollen). Hier reicht es nicht
aus, zu schreiben „die Daten werden genutzt für wissenschaftliche Zwecke“. Es muss
eine hinreichende Beschreibung der Zweckbestimmung erfolgen;
-
Beschreibung des Ablaufs der Datenerhebung (Art und Umfang der Daten mit inhaltlichem
Bezug zu Datenquellen oder Institutionen, bei denen Forschungsdaten erhoben werden
sollen);
-
Hinweise zum Datenschutz (z. B. Erklärung der Pseudonymisierung oder Anonymisierung
und Löschung der Daten). Der Hinweis, dass die Datenschutzgesetze eingehalten werden,
reicht nicht aus!;
-
Hinweise zur Freiwilligkeit der Teilnahme. Hierzu gehören u. a. Hinweise, dass nichts
zu tun ist, wenn man nicht teilnehmen möchte sowie Erläuterungen, dass keine Nachteile
aus einer Nichtteilnahme entstehen, oder die Widerrufsmöglichkeit der Einwilligung;
-
Bitte um Teilnahme.
Ein Muster dazu hat die Deutsche Rentenversicherung Bund auf ihrer Website zum Download
bereitgestellt [3].
Folgende Punkte müssen in einer Einwilligungserklärung stehen, um den Datenschutz
zu gewährleisten [4]:
Dem Teilnehmer wird versichert, dass
-
die Teilnahme freiwillig ist;
-
die Teilnahme jederzeit ohne Nachteile widerrufen werden kann;
-
keine personenbezogenen Angaben (Name, Geburtsdatum, Adresse) oder sonstige Angaben,
die Rückschlüsse auf die Person zulassen, an Dritte weitergegeben werden. Hinweis:
Falls Ergebnisdaten oder andere erhobene Daten mit Personenbezug veröffentlicht werden
sollen, dann muss das wahrheitsgemäß erwähnt werden. Nur mit einer Einwilligung der
Betroffenen ist eine solche Veröffentlichung zulässig. Im Falle von Fotos mit erkennbaren
Personen muss die Einwilligung vorliegen, auch wenn kein Name genannt wird (Recht
am eigenen Bild);
-
die Angaben anonym (oder personenbezogen) verwendet werden;
-
alle im Zusammenhang mit der Untersuchung erhobenen Daten gelöscht werden, sobald
sie für die weitere wissenschaftliche Auswertung nicht mehr erforderlich sind (s.
Archivierung der Daten).
Auch hier hält die Deutsche Rentenversicherung Bund ein Muster vor [4].
Abschließend kann empfohlen werden, dass die Teilnehmerinformation immer beim Betroffenen
verbleiben sollte, damit er sie jederzeit nachlesen kann. Den Teilnehmenden sollten
2 Exemplare der Einwilligungserklärung ausgehändigt werden. Ein Exemplar wird unterschrieben
an die Wissenschaftlerin/den Wissenschaftler zurückgegeben und das zweite behält die
Studienteilnehmerin/der Studienteilnehmer für die persönlichen Unterlagen.
Für die informierte Zustimmung muss die erforderliche Einsichtsfähigkeit vorhanden
sein. Bei Studien mit dementen oder psychisch erkrankten Patienten könnten informierte
Einwilligungen in Frage kommen, die stellvertretend für die Patienten durch Angehörige
oder ihren gesetzlichen Betreuer getätigt werden; allerdings gibt es dazu keine klaren
gesetzlichen Bestimmungen [5]. Bei Befragungen von Minderjährigen muss über deren Einsichtsfähigkeit eine Annahme
getroffen werden: Kann ein Minderjähriger die Konsequenzen der Verwendung seiner Daten
übersehen, dann kann er über eine Teilnahme entscheiden, sonst ist die Einwilligung
des gesetzlichen Vertreters einzuholen. Eine klare Altersgrenze gibt es hier nicht,
vielmehr ist es jeweils eine Einzelfallentscheidung. Bei Minderjährigen unter 14 Jahren
ist jedoch grundsätzlich davon auszugehen, dass sie die Folgen einer Einwilligung
nicht überblicken können und somit eine Einwilligung der gesetzlichen Vertreter notwendig
ist [2]. Im Lebensabschnitt von 14 bis 18 Jahren ist dennoch sinnvoll, den betroffenen Minderjährigen
und die Erziehungsberechtigten zu informieren und von beiden den „informed consent“
einzuholen.
Die schriftliche Einwilligungserklärung muss aufbewahrt werden, solange personenbezogene
Forschungsdaten vorhanden sind. Die Einwilligungserklärung wird nicht mehr benötigt,
wenn die Forschungsdaten anonymisiert werden. Dann muss diese sie vernichtet werden
(§ 84 SGB X, § 35 BDSG).
Verwendung ergänzender Daten aus weiteren Datenquellen
Verwendung ergänzender Daten aus weiteren Datenquellen
Ergänzend zu den Primärdaten können weitere Daten aus anderen Datenquellen, wie z. B.
aus dem Reha-Entlassungsbericht oder mittels eines Kurzfragebogens, ausgefüllt durch
den behandelnden Arzt, hinzugefügt werden, um bspw. die genaue Diagnose für die Auswertung
zu nutzen. Dazu ist es notwendig, diese weiteren Zweckbestimmungen im Datenschutzkonzept
ausdrücklich zu benennen und zu begründen (siehe Ausführungen zu Datensparsamkeit,
Angemessenheit, Geeignetheit). In der Teilnehmerinformation muss ausdrücklich erwähnt
werden, bei welchen Stellen die ergänzenden Daten erhoben werden sollen, warum und
um welche Daten es sich handelt. Für jede Stelle (Datenquelle) muss eine inhaltlich
hinreichend bestimmte Einwilligung für konkret zu übermittelnde Daten vorhanden sein.
Nutzung von Sozialdaten in der Rehabilitationsforschung
Nutzung von Sozialdaten in der Rehabilitationsforschung
Sozialdaten sind personenbezogene Daten und Daten juristischer Personen, die bei Sozialleistungsträgern
für deren Aufgabenerfüllung nach dem Sozialgesetzbuch anfallen. Im Allgemeinen werden
Sozialdaten nicht für Forschungszwecke erhoben. Eine Nutzung für die Forschung stellt
eine Zweckänderung dar. Die vorhandenen Sozialdaten bei den Sozialleistungsträgern
oder in den Reha-Einrichtungen dürfen für Forschungszwecke nur verwendet werden, wenn
eine Rechtsvorschrift aus dem SGB dies ausdrücklich zulässt (Zulässigkeitsgrundsatz).
Die Sozialleistungsträger dürfen die vorhandenen Sozialdaten für eigene Vorhaben der
wissenschaftlichen Forschung oder für Planungsvorhaben im Sozialleistungsbereich nutzen
(§ 67c Abs. 2 Nr. 3 SGB X in Verbindung mit § 75 Abs. 1 SGB X). Andere Stellen können
die Sozialleistungsträger um die Übermittlung von vorhandenen Sozialdaten für Forschungszwecke
bitten. Die Übermittlung an andere Stellen ist in § 75 SGB X geregelt. Aus Gründen
der Gleichbehandlung bei der Zweckänderung der Sozialdaten für die Forschung gelten
für die Sozialleistungsträger und für externe Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler
dieselben Voraussetzungen für die Verwendung der Sozialdaten für Forschungszwecke.
„Forschung“ in dieser Vorschrift bedeutet, dass nur Forschungsprojekte im Sozialleistungsbereich
in Betracht kommen. Forschungsprojekte über historische Persönlichkeiten oder historische
Forschung oder Markt- und Meinungsforschung scheiden damit aus. Zudem muss es sich
um ein „bestimmtes“ Vorhaben handeln, das Thema klar abgegrenzt und der Datenkatalog
festgelegt sein. Die Bestimmtheit verbietet die Verwendung der anfallenden Sozialdaten
für andere Projekte oder für vergleichende Auswertungen.
Voraussetzung für viele Forschungsvorhaben ist, dass die Forschungsdaten Personen
zuordenbar sein müssen. Der Sozialleistungsträger oder die externen Wissenschaftlerinnen
und Wissenschaftler müssen also Forschungsdaten mit Personenbezug erhalten oder die
Zuordnung zum Namen wieder herstellen können. So lange die Identifizierung einzelner
Personen möglich bleibt, wird von Sozialdaten gesprochen.
Kann das Forschungsziel auf andere Weise, nämlich durch Nutzung anonymer Daten erreicht
werden, ist eine Übermittlung der Forschungsdaten ohne Personenbezug aus datenschutzrechtlicher
Sicht immer zulässig (§ 75 Abs. 1 Satz 2 SGB X). Sobald der Personenbezug unwiederbringlich
gelöscht ist, liegen keine Sozialdaten mehr vor (Anonymisierung). Zugleich ist bei
einem solchen Vorgehen der beschriebene Grundsatz der Datenvermeidung erfüllt.
Bleibt jedoch der Personenbezug erhalten, darf die Nutzung oder Übermittlung der Sozialdaten
nicht gegen schutzwürdige Interessen der Betroffenen verstoßen. Dies kann immer nur
im Einzelfall geprüft werden. Am besten, der Betroffene wird zuvor informiert und
um Einwilligung gebeten. Genau dieser Weg wird in Satz 2 der Vorschrift auch verlangt,
zumindest wenn es zumutbar ist. Liegt die Einwilligung vor, darf ausgewertet werden,
was durch die Einwilligung abgedeckt wird.
In Projekten, in denen das öffentliche Interesse an der Forschung das Geheimhaltungsinteresse
des Betroffenen erheblich überwiegt, dürfen Sozialdaten unter Beibehaltung des Personenbezugs
grundsätzlich auch ohne Einwilligung genutzt oder übermittelt werden. Die Übermittlung
bedarf der vorherigen Genehmigung durch die oberste Bundes- oder Landesbehörde, die
für den Sozialleistungsträger, aus dem die Daten herrühren, zuständig ist (§ 75 Abs.
2 SGB X). Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler müssen diese Genehmigung einholen
und dabei nachweisen, warum das öffentliche Forschungsinteresse an dem eigenen Projekt
das Geheimhaltungsinteresse der Betroffenen überwiegt. Es muss also ausreichend begründet
werden, warum personenbezogene Daten auch ohne „Wissen und Wollen“ der Betroffenen
zur Erreichung des Forschungsziels erforderlich sind. Die Praxis zeigt aber, dass
die Ziele der meisten Projekte mit anonymen Daten oder mit der Einwilligung der Betroffenen
erreicht werden können, sodass diese Regelung in den wenigsten Fällen zur Anwendung
kommt. Bei jeder Datenübermittlung ist § 78 SGB X zu beachten. Die Wissenschaftlerinnen
und Wissenschaftler dürfen die empfangenen personenbezogenen Forschungsdaten nur zu
dem Zweck verarbeiten oder nutzen, zu dem sie ihnen befugt übermittelt worden sind.
Eine personenbezogene Nutzung dieser Sozialdaten für andere Forschungsprojekte ist
deshalb unzulässig. Zudem müssen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler die
Daten in demselben Umfang geheim halten wie die Sozialleistungsträger.
Einbeziehung von Datenschutzbeauftragten und Ethikkommission
Einbeziehung von Datenschutzbeauftragten und Ethikkommission
Bereits bei der Entwicklung der Abläufe sollte eine Datenschutzbeauftragte/ein Datenschutzbeauftragter
zur Einhaltung des Datenschutzes mit einbezogen werden. Eine Stellungnahme eines Datenschützers
zu seinem eigenen Datenschutzkonzept einzuholen, ist nicht verpflichtend, da es dazu
keine Vorschriften oder Gesetze gibt. Dies ist eine Empfehlung an die Wissenschaftlerin/den
Wissenschaftler, um sich selbst im Rahmen des Forschungsvorhabens abzusichern. Allerdings
kann der Geldgeber fordern, eine Stellungnahme einzuholen. Falls Daten aus Datenquellen
anderer Stellen erhoben werden sollen, kann auch der Datenschutzbeauftragte dieser
Stelle einbezogen werden, insbesondere zur Abstimmung der Teilnehmerinformation und
Einwilligungserklärung. Bei Forschungsvorhaben, die in verschiedenen Regionen durchgeführt
werden, können sich die zuständigen Datenschützer untereinander abstimmen, aber auch
das ist kein Muss.
Das Votum einer Ethikkommission muss eingeholt werden, wenn es sich um medizinische
Forschungsvorhaben handelt, die unter folgende Regelungen fallen: Arzneimittelgesetz,
Medizinproduktegesetz, Röntgen- und Strahlenschutzverordnung oder Transfusionsgesetz.
Ist der Forscher – gemäß der Berufsordnung – einer Ärztekammer angehörig, muss ebenfalls
ein Votum eingeholt werden. In der psychologischen und epidemiologischen Forschung
mit personenbezogenen Daten ist die Einholung eines Ethikvotums gebräuchlich. Alle
Forschungsvorhaben, die nicht unter spezielle Regelungen fallen, können dies freiwillig
tun. Da mittlerweile viele wissenschaftliche Fachzeitschriften das Votum einer Ethikkommission
für die Veröffentlichung von Forschungsdaten fordern, ist es empfehlenswert, ein solches
zu beantragen. Hierbei ist es sinnvoll, neben den Unterlagen zur Studie auch die Stellungnahme
des Datenschutzbeauftragten vorzulegen [5]. Falls das Forschungsvorhaben in mehreren Regionen durchgeführt wird, gibt es eine
federführende Ethik-kommission, die für den Standort des Projektleiters zuständig
ist. Dieses ist die hauptverantwortliche Kommission. Die Ethik-kommissionen der anderen
Regionen sind beteiligte Kommissionen. Diese bewerten die Qualifikationen der Prüfer
und die Geeignetheit der federführenden Ethikkommission und geben dieser jeweils eine
Rückmeldung ihrer Bewertung [6].
Umgang mit Forschungsdaten und deren Veröffentlichung
Umgang mit Forschungsdaten und deren Veröffentlichung
Nach der Erhebung von Forschungsdaten spricht man zunächst von Primärdaten. Je nach
Gestaltung des Projektes können dies anonyme, pseudonyme oder personenbezogene Daten
sein. Bei eigens erhobenen Daten mit Personenbezug schreiben die Datenschutzgesetze
vor, Studiendaten möglichst bald zu pseudonymisieren oder zu anonymisieren (→ Glossar)
(§ 40 Abs. 2 BDSG, § 67c Abs. 5 SGB X). Eine erneute Verknüpfung mit den Namen ist
nur zulässig, wenn dies erforderlich ist. Es sollte Festlegungen geben, wann und zu
welchen Zwecken die Primärdaten den Namen wieder zugeordnet werden dürfen.
Wichtig ist dabei, zwischen einer Pseudonymisierung und der Anonymisierung zu unterscheiden
(§ 3 Abs. 6 und Abs. 6a BDSG). Werden Daten derselben Person aus verschiedenen Quellen
erhoben oder ist eine mehrmalige Befragung des Studienteilnehmers geplant, dann empfiehlt
sich eine Pseudonymisierung (die Ersetzung des Namens durch einen Code). Sollen bspw.
Sozialdaten mit Befragungsdaten verknüpft werden, so muss dem Halter der Sozialdaten
der Name und das Pseudonym genannt werden. Die Sozialdaten werden vom Datenhalter
mit dem Pseudonym gekennzeichnet und nur mit Pseudonym an den Forschenden übermittelt.
Die Zuordnungsliste der Namen zu den Pseudonymen muss getrennt von den Forschungsdaten
und vor Unbefugten geschützt aufbewahrt werden. Dies kann z. B. bei einem Datentreuhänder
erfolgen. Anhand des Pseudonyms können Daten aus verschiedenen Quellen für die Auswertung
verknüpft werden.
Sollen die Daten anonymisiert werden, ist darauf zu achten, dass tatsächlich keine
Person identifizierbar ist. Wenn Daten einer oder weniger Personen mit seltenen Erkrankungen
in Kombination mit weiteren Variablen dargestellt werden und die Fallzahl auf 5 oder
weniger sinkt, können Personen mit zunehmender Wahrscheinlichkeit identifiziert werden.
In datenschutzrechtlicher Diskussion stehen dabei auch personbezogene Faktoren der
Klassifikation der Funktionsfähigkeit, Behinderung und Gesundheit (ICF) [7]. In solchen Fällen sollten die Zellbesetzungen nicht veröffentlicht werden oder
versucht werden, durch Kombination von 2 Ausprägungen einer Variablen die Fallzahl
zu vergrößern.
Folgende Schritte sollten bis zur Anonymität durchgeführt werden:
-
Erhebung der Forschungsdaten aus personenbezogenen Datenquellen;
-
Aufzeichnen der Forschungsdaten ohne Personenbezug (pseudonyme Primärdaten, Datentrennung
nach § 40 BDSG);
-
Löschen der Pseudonyme und Zuordnungslisten vor der Auswertung (anonymisieren);
-
Auswertung und Ergebnisdarstellung mit mindestens faktisch anonymen Daten.
Die Verantwortung dafür liegt bei den Forschenden.
Am Ende aller Datenerhebungen sind Namen und Kontaktdaten aus datenschutzrechtlicher
Sicht nicht mehr erforderlich und müssen gelöscht werden, wenn nicht durch Gesetz
oder andere zwingende Regelungen eine Aufbewahrungs- oder Archivierungspflicht besteht,
z. B. durch den Geldgeber/Förderer. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler müssen
dann jedoch gewährleisten, dass die Löschung der personenbezogenen Daten nach Ablauf
der Archivierungspflicht tatsächlich erfolgt. Bei der Löschung müssen auch die Einwilligungen
und Namenslisten gelöscht werden, die ebenfalls einen Personenbezug haben. Alle Auswertungen
und Ergebnisdarstellungen sollten anonym erfolgen, selbst wenn die Primärdaten während
der Archivierungspflicht noch den Namen zugeordnet werden könnten. Die Daten müssen
für den gesamten Zeitraum vor Missbrauch geschützt werden (Zugriff durch Fremde, Nutzung
für andere Projekte usw.). Das stellt einen erheblichen Aufwand dar und kann über
längere Zeiträume betrachtet auch kostenintensiv sein. Neben datenschutzrechtlichen
Forderungen sprechen also auch eigene Interessen der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler
an einer „schlanken und kostengünstigen Verwaltung“ für die frühzeitige Anonymisierung
der Forschungsdaten.
Rechtsfolgen bei Verstößen
Rechtsfolgen bei Verstößen
Wird den Regelungen zum Datenschutz in der Forschung nicht entsprochen, kann es in
der Folge zu Schadensersatzforderungen (§ 7ff BDSG), einer Geldstrafe oder zu einem
Freiheitsentzug von bis zu 2 Jahre kommen. Dieses ist in § 44 BDSG (Strafvorschriften)
und in § 85a SGB X (Strafvorschriften) festgelegt.
Für öffentliche Stellen gilt gemäß § 8 BDSG das Prinzip der Gefährdungshaftung bei
automatisierter Datenverarbeitung, d. h., die Schadensersatzpflicht besteht unabhängig
von einem Verschulden. § 8 Abs. 2 BDSG formuliert den Anspruch auf Schmerzensgeld
bei einer schweren Verletzung des Persönlichkeitsrechts. Der Image-Schaden für die
betroffenen Wissenschaftlerin/den Wissenschaftler ist ebenfalls zu bedenken.
Archivierung der Daten
Eine Empfehlung zur „Sicherung guter wissenschaftlicher Praxis“ der Deutschen Forschungsgemeinschaft
(DFG) lautet, dass Primärdaten für 10 Jahre „auf haltbaren und gesicherten Trägern“
[8] aufbewahrt werden sollen, um jeden Vorgehensschritt zwecks Überprüfung transparent
zu halten [8]. Eine generelle gesetzliche Pflicht zur Archivierung wissenschaftlicher Primärdaten
besteht jedoch nicht. Aus datenschutzrechtlicher Sicht kann diese Ordnungsmäßigkeit
ohne die vollständige Aufbewahrung aller personenbezogenen Daten gewährleistet werden.
Zum Beispiel könnten bestimmte Arbeitsschritte von unabhängiger Stelle revisionssicher
(→ Glossar) geprüft und dokumentiert werden. Denkbar wäre auch, bestimmte Arbeitsschritte
mit personenbezogenen Daten über einen Datentreuhänder abwickeln zu lassen, wie in
dem Beispiel aus der Praxis in diesem Beitrag.
Maßgeblich für den Aufbewahrungszeitraum sollte dabei nicht das Alter der Daten selbst
sein, sondern – auch im Sinne der Nachnutzbarkeit – das Datum einer Veröffentlichung,
die auf diesen Daten beruht [9]. Der Zeitraum der Archivierung kann sich also erheblich verlängern, wenn bspw. erhobene
Daten für mehrere Publikationen verwendet werden.
Bei Verfügbarkeit von Primärdaten in Papierform ist die Archivierungspflicht als erfüllt
anzusehen. Interessanter jedoch und in zunehmendem Maße wichtig ist die Archivierung
digital verfügbarer Primärdaten. Die Empfehlungen zur Aufbewahrung und Bereitstellung
wissenschaftlicher Primärdaten der DFG definieren einen Rahmen, der für die Datenarchivierung
festlegt, welche Daten archiviert werden, welches Organisationskonzept anzuwenden
ist, welche Standards einzuhalten sowie welche Metadaten anzuwenden sind [10]. Insbesondere wird auch die freie Zugänglichkeit von Daten geregelt, jedoch bleiben
die Belange schützenswerter, personenbezogener Daten unberücksichtigt. Grundsätze
zum Umgang mit Forschungsdaten definiert auch die Allianz der deutschen Wissenschaftsorganisationen
[11], die diesen Aspekt zumindest in allgemeiner Form erwähnt: „Dabei sind die wissenschaftlichen
und rechtlichen Interessen der Forscherinnen und Forscher, der Schutz persönlicher
Daten von Probanden, Patienten und anderen von den erhobenen Daten betroffenen Personen
sowie weitere Verpflichtungen gegenüber Dritten – etwa Kooperationspartnern – zu beachten“.
Insbesondere der Schutzaspekt persönlicher Daten steht dabei im direkten Konflikt
zur Forderung der DFG nach freiem Zugang zu den Daten. Daher sind geeignete Archivierungsformen
zu wählen, die beiden Anforderungen gerecht werden. Die Situation verkompliziert
sich weiter, wenn ein Geldgeber für ein Forschungsvorhaben weitere Anforderungen stellt
– im Zweifelsfall muss zwischen Wissenschaftlern, Geldgebern und Datenschützern eine
jeweils passende Lösung vereinbart werden [12], die natürlich die rechtlichen Rahmenbedingungen einhält. Dem Aspekt der Aufbewahrung
und ggf. des „freien Zugangs zu personenbeziehbaren Primärdaten“ kommt deshalb bei
der Planung und Gestaltung des Forschungsprojektes von Anfang an eine wesentliche
Bedeutung zu. Falls die Forschenden die Absicht verfolgen, die Primärdaten mit Personenbezug
der Fachöffentlichkeit relativ frei oder sogar jedermann über das Internet zugänglich
zu machen, dann ist das datenschutzrechtlich nicht verboten. Von jedem Beteiligten
muss dann die Einwilligung vorliegen, mit dieser Art der Veröffentlichung einverstanden
zu sein.
Werden personenbezogene Daten automatisiert verarbeitet, müssen insbesondere Maßnahmen
zur Zutritts-, Zugangs-, Zugriffs-, Weitergabe-, Eingabe-, Auftrags- und Verfügbarkeitskontrolle
sowie zum Trennungsgebot unternommen werden (Anlage zu § 9 BDSG bzw. zu § 78a SGB
X – „8-Punkte-Katalog“). Automatisiert ist die Verarbeitung, wenn Erhebung, Verarbeitung
oder Nutzung personenbezogener Daten durch Verwendung von Computern geschieht.
Das Wort „insbesondere“ deutet an, dass es sich nicht um eine abschließende Aufzählung
handelt, sondern dass die konkreten Maßnahmen immer vom Schutzbedarf der Daten abhängig
sind. Die Anlage zu § 9 BDSG oder zu § 78a SGB X bestimmt seit ihrer Anpassung im
Jahr 2010, dass als Maßnahmen für die Zugangs-, Zugriffs- und Weitergabekontrolle
dem Stand der Technik entsprechende Verschlüsselungsmethoden eingesetzt werden sollten.
Wesentlich sind folgende Punkte:
-
Das Trennungsgebot: Daten, die für einen bestimmten (Forschungs-)Zweck erhoben wurden,
müssen getrennt von Daten anderer (Forschungs-)Zwecke verarbeitet werden. Die Trennung
von verschiedenen Projekten muss nicht vollständig physikalisch (auf getrennten Computern)
erfolgen, sondern kann auch als „logische Trennung“ in Verbindung mit den folgenden
Kontrollpunkten erreicht werden.
-
Zugangs-, Zugriffs- und Eingabekontrolle: Insbesondere durch eine Benutzerverwaltung
kombiniert mit einem Rechte- und Rollenkonzept muss gesteuert werden, welche Personen
die Computer und die Programme in Betrieb nehmen dürfen. Jedem Nutzer muss eine der
Aufgabe entsprechende Zugriffsrolle zugeordnet werden, die festlegt, auf welche Datensätze
oder Teildatensätze lesend/schreibend zugegriffen werden darf. Die Nr. 3 der Anlage
zu § 9 BDSG oder zu § 78a SGB X verlangt auch die Protokollierung der Zugriffe. Nachvollziehbar
muss sein, wer wann auf welche Daten zugegriffen hat und welche Veränderungen gegebenenfalls
vorgenommen wurden. Die Nr. 5 der Anlage zu § 9 BDSG oder zu § 78a SGB X verlangt
auch, dass erkennbar sein muss, wer die Eingaben getätigt hat (Eingabekontrolle).
-
Weitergabekontrolle: Bei automatisierter Weitergabe personenbezogener Forschungsdaten
an andere Stellen oder Personen muss insbesondere gewährleistet werden, dass während
der Übertragung keine unbefugte Kenntnisnahme oder Veränderung erfolgt. Hier ist eine
Verschlüsselung das Mittel der Wahl. Auch das ist keine triviale Aufgabe, da Sender
und Empfänger dieselbe Technologie verwenden müssen und der Schlüssel zum Ver- oder
Entschlüsseln auf einem „sicheren Weg“ ausgetauscht werden muss.
-
Verfügbarkeitskontrolle: Daten müssen verfügbar sein und vor zufälliger oder mutwilliger
Beschädigung und Zerstörung geschützt werden. Üblich sind regelmäßige Sicherheitskopien,
die auch gegen unbefugte Kenntnisnahme geschützt werden sollten (Verschlüsselung).
Bei der Löschung von Daten muss auch gewährleistet werden, dass die Sicherheitskopien
gelöscht werden. Bei der Aussonderung „alter Festplatten“ oder Austausch bei Defekt
muss an eine mechanische oder magnetische Zerstörung gedacht werden.
Primärdaten sollten deshalb stets pseudonym gespeichert werden, also ohne die Namen
der Betroffenen. Die Zuordnungsliste sollte getrennt und am besten auf einem anderen
Medium, also Papier oder einem getrennt gespeicherten Datenträger mit restriktiven
Zugriffsrechten aufbewahrt werden. Die Primärdaten gelten datenschutzrechtlich zwar
immer noch als personenbeziehbar und die obigen Kontrollgebote müssen umgesetzt werden.
Allerdings würde ein Verlust oder eine beiläufige Kenntnisnahme durch Unbefugte nicht
dazu führen, dass personenbezogene Daten bekannt werden.
Forschungsdaten und personenbezogene Daten müssen auch während der Archivierung getrennt
voneinander gespeichert werden, um eine Rückverfolgbarkeit zu Individuen zu erschweren
(§ 40 BDSG). Sensible Daten dürfen nicht auf einem mobilen Rechner gespeichert und
auch nicht ohne geeigneten Schutz (Verschlüsselung und Signatur [→ Glossar]) per E-Mail
versendet werden (siehe Punkt „Weitergabekontrolle“).
Um geeignete Archivierungsformen entwickeln bzw. auswählen zu können, definiert das
Open Archive Information Systems Referenzmodell (OAIS) einen Rahmen, bestehend aus
den Aufgabenbereichen Datenübernahme, Datenaufbewahrung, Datenmanagement, Systemverwaltung,
Planung der Langzeitarchivierung und Zugriff [13]. In Anlehnung an das OAIS hat die Physikalisch-Technische Bundesanstalt (PTB) das
ArchiSave Schutzprofil entwickelt [14], das einen Katalog an Sicherheitsanforderungen für die Entwicklung digitaler Langzeitarchive
definiert. Durch den kontrollierten Einsatz von Archivsystemen gemäß OAIS/ArchiSafe
ist den Anforderungen an die Archivierung Genüge getan. Alternativ zu einem komplexen
Archivsystem kann ein Datenschutzrechner eingesetzt werden. Mit sicherem Passwort
geschützte, eingeschränkt zugängliche Datenschutzrechner ohne Netzanschluss speichern
Daten und stellen sie auswertbar zur Verfügung. Die Anforderungen an ein sicheres
Passwort sollten dazu möglichst in einer Passwortrichtlinie festgelegt sein, die regelmäßig
weiterentwickelt wird. Auf dem Datenschutzrechner können Daten zusätzlich verschlüsselt
und elektronisch signiert werden [15]. Wichtig ist, dass Archivierungsverfahren regelmäßig aktualisiert werden müssen,
um mit dem technischen Wandel in Sicherheitsverfahren, Datenformaten und verwendeten
Datenträgern Schritt zu halten [16]. Für die zu archivierenden Daten bedeutet dies, dass die technischen Anforderungen
an Datenformate so gering wie möglich ausfallen sollten. Ideal ist die Verwendung
einfachster Textformate und weitverbreiteter Medienformate für Bild-, Video-, Audiodaten.
Insgesamt ist die Langzeitarchivierung (insbesondere komplexerer Datenformate) ein
noch nicht standardisiert lösbares Problem, das im Einzelfall betrachtet werden muss
und das Gegenstand aktueller Forschungsvorhaben ist [17].
Fazit
Wenn bei einem Forschungsprojekt auf personenbezogene Daten zugegriffen werden soll
oder die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler mit personenbezogenen Daten umgehen,
ist die Beachtung des Datenschutzes eine Rechtspflicht. Daher muss für die Wissenschaftlerin/den
Wissenschaftler der vertrauliche Umgang mit personenbezogenen Daten eine Selbstverständlichkeit
sein. Den potenziellen Studienteilnehmerinnen und -teilnehmern muss das Projekt und
insbesondere der Umgang mit „ihren Daten“ transparent und verständlich beschrieben
werden (Teilnehmerinformation). Forschungsdaten mit Personenbezug dürfen regelmäßig
erhoben werden, wenn eine informierte Einwilligung des Betroffenen vorliegt. Diese
muss freiwillig, also ohne Druck oder Zwang abgegeben worden sein. Diese Vorgehensweisen
entsprechen den Gesetzen und stehen im Einklang mit den Persönlichkeitsrechten der
Betroffenen und den Ethikgrundsätzen des Weltärztebundes (informed consent). Die Praxis
zeigt auch, dass es regelmäßig gelingt, Sozialdaten für die Forschung zu verwenden,
dabei aber bereits vor der Datenübermittlung die Namen durch Pseudonyme zu ersetzen
oder die Daten völlig zu anonymisieren. Gelingt es, Sozialdaten bei der Datenquelle
völlig zu anonymisieren, dürfen diese ohne Zustimmung des Betroffenen ausgewertet
werden. Bei einem Forschungsvorhaben ist zu empfehlen, sowohl zur Absicherung der
Wissenschaftlerin/des Wissenschaftlers als auch der Studienteilnehmerin/des -teilnehmers,
die Vorgehensweise von einem Datenschützer prüfen zu lassen. Dazu zählt die Aufklärung
und Information der zu Befragenden, der Umgang mit den Forschungsdaten wie Datenhaltung,
Auswertung und Veröffentlichung. Bei der digitalen Datenhaltung ist zu empfehlen,
einen IT-Fachmann oder Dokumentar hinzuziehen, um die Daten sicher zu speichern und
zu archivieren.
Datenschutz in der rehabilitativen Forschung muss im Interesse der Forschenden als
auch der Studienteilnehmenden eingehalten werden. Nur bei der Berücksichtigung aller
datenschutzrelevanten Aspekte in einem Forschungsprojekt kann von einem vertraulichen
Umgang mit personenbezogenen Daten und der Wahrung der Persönlichkeitsrechte gesprochen
werden.