physiopraxis 2013; 11(09): 24-26
DOI: 10.1055/s-0033-1357242
physiowissenschaft
© Georg Thieme Verlag Stuttgart - New York

Internationale Studienergebnisse


Subject Editor:
Further Information

Publication History

Publication Date:
20 September 2013 (online)

 

Aufwärmprogramm – Statisches Stretching verringert Kraft

Sportler machen vor Training und Wettkampf häufig statische Stretchingübungen, um ihre körperliche Leistungsfähigkeit zu erhöhen. Ob Stretching diese Erwartung tatsächlich erfüllen kann, war bislang jedoch nicht klar – einige Studien sprachen dafür, andere dagegen. Drei Wissenschaftler der Universität Zagreb/Kroatien führten daher eine Metaanalyse durch. Ihr anschließendes Fazit: Stretching sollte als alleinige Aufwärmmaßnahme generell vermieden werden.

Die Wissenschaftler konnten 104 Studien ausmachen, die sich mit dem Thema befassen. Sie fanden heraus, dass sich Stretching eindeutig negativ auf Maximalkraft und Explosivkraft auswirkt – und zwar unabhängig von Alter, Geschlecht oder Trainingsstatus der Probanden. Dies galt vor allem für eine Stretchingdauer von ≥45 Sekunden.

Einige Studien zeigen jedoch, dass Stretching möglicherweise das Verletzungsrisiko verringert. Daher empfehlen die Autoren, zu untersuchen, ob Stretchingübungen von kürzerer Dauer (z. B. 15–30 s), die innerhalb eines umfassenden Aufwärmprogramms durchgeführt werden, die Muskelleistungsfähigkeit ebenfalls beeinträchtigen.

josc

Scand J Med Sci Sports 2013; 23: 131–148


#

Knie-OP – Flexion schadet genähtem Meniskus nicht

Nach einer Meniskusnaht wird Patienten häufig geraten, starke Belastungen und große Beugewinkel zu vermeiden, um die Naht nicht zu gefährden. Doch eine Studie an Leichen konnte diese Vorgabe nicht bestätigen.

Forscher brachten in die Menisken von zehn Leichen Tantalkügelchen ein. Mit deren Hilfe wollten sie mittels Röntgenaufnahme herausfinden, wie sich ein Meniskus während einer Beugebelastung verändert. Bei der ersten Röntgenaufnahme waren die Menisken intakt. Vor der zweiten fügten ihnen die Forscher einen 2,5 cm langen longitudinalen Riss zu, vor der dritten nähten sie den Riss. Wenn die Tantalkügelchen bei einem gerissenen bzw. genähten Meniskus mehr auseinanderweichen als bei einem intakten, ist das ein Zeichen dafür, dass sich die Risskanten voneinander entfernen.

Zoom Image
(Prometheus. Allgemeine Anatomie und Bewegungssystem. 3. Aufl. Grafik: K. Wesker. Stuttgart: Thieme; 2011)

Die Aufnahmen zeigten, dass auch vermehrte Beugewinkel keinen Einfluss auf den Abstand der Risskanten haben. Somit spricht laut der Forscher nichts dafür, nach einer Meniskusnaht restriktiv nachzubehandeln.

josc

Am J Sports Med 2013; doi: 10.1177/0363546513496216


#

OSG-Distorsion – Bone Bruise braucht keine Therapie

Ein Bone Bruise, im Deutschen auch als „Knochenprellung“ bezeichnet, ist eine Schädigung des subchondralen Knochens. Er entsteht aufgrund einer einmaligen Stoßbelastung, die vom Gelenkknorpel auf den Knochen übertragen wird. Wissenschaftler aus England, den Niederlanden und Italien führten nun ein Literaturreview durch, um herauszufinden, ob ein infolge eines Supinationstraumas entstandener Bone Bruise im Sprunggelenk therapiebedürftig ist.

Bei ihrer umfangreichen Recherche fanden die Autoren neun passende Studien – allerdings keine randomisierten kontrollierten Untersuchungen oder prospektive Kohortenstudien, sondern lediglich Fallstudien. Es zeigte sich, dass die klinische Prognose dieser Art von Bone Bruises grundsätzlich gut ist: In einem Zeitraum von sechs bis zwölf Monaten nach dem Defekt haben sich die MRT-Aufnahmen normalisiert. Aktuell weist laut des Autorenteams nichts darauf hin, dass irgendeine Art von Therapie – etwa eine temporäre Entlastung – den Defekt schneller regenerieren lässt, als wenn man auf eine spezielle Behandlung verzichtet. Lediglich die primäre Verletzung, nämlich die Bandläsion, müsse therapiert werden.

josc

Knee Surg Sports Traumatol Arthrosc 2013; 21: 1261–1268


#

Knie-Arthroskopie – Lange Eingriffsdauer erhöht Komplikationsrate

Die Komplikationsrate innerhalb von 30 Tagen nach einer Kniegelenkarthroskopie (ASK) ist äußerst gering. Achten Operateure allerdings auf bestimmte Faktoren, kann diese Rate wahrscheinlich nochmals deutlich sinken. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie von Christopher Martin und seinen Kollegen aus Iowa/USA.

Zoom Image
(Marcell Mizik/shutterstock.de)

Die Orthopäden analysierten die Daten von über 12.000 Patienten, die am Kniegelenk arthroskopiert worden waren. Bei lediglich 1,6 % kam es innerhalb von 30 Tagen zu größeren (z. B. Lungenembolie, Nachoperationen) oder kleineren Komplikation (z. B. Wundinfekt, Transfusionsbedarf). Allerdings fanden die Orthopäden Faktoren, welche das Komplikationsrisiko erhöhten, zum Beispiel:

  • > Operationen in dem Monat vor der ASK (Risikoerhöhung um Faktor 6)

  • > OP-Dauer von mehr als eineinhalb Stunden (Faktor 1,8)

  • > Patientenalter zwischen 50 und 65 Jahre im Vergleich zu einem unter 40 (Faktor 1,5)

  • > präoperativ vorhandene Gerinnungsstörung (Faktor 3,8)

  • > präoperative Dyspnoe (Faktor 3,3)

Die Autoren raten daher zu möglichst kurzen Operationszeiten und dazu, auf nicht zwingend notwendige Arthroskopien zu verzichten, wenn der Patient im Monat zuvor schon einmal operiert wurde.

josc

J Bone Joint Surg Am 2013; doi: 10.2106/JBJS.L.01440


#

Chronische Schmerzen – „Erlernter Nichtgebrauch“ auch bei Patienten mit CRPS?

Patienten mit CRPS nutzen ihre betroffene Extremität meist weniger als zuvor. Um diesen verringerten Gebrauch zu beschreiben, wird in der Literatur häufig der auf einer neurophysiologischen Störung basierende Begriff „Neglekt“ verwendet. Der Physiotherapeut und Neurowissenschaftler David Punt und seine Co-Autoren sehen diesen Begriff jedoch als unpassend an. Ihrer Meinung nach beschreibt der in der Neurorehabilitation häufig verwendete Begriff „erlernter Nichtgebrauch“ das Problem treffender. Man erklärt bislang damit, warum Patienten nach einer Hirnläsion ihre Extremitäten nicht oder nur vermindert im Alltag einsetzen und vermehrt Kompensationsstrategien nutzen, obwohl ihre motorische Funktion noch vorhanden ist. Auf der Annahme des „erlernten Nichtgebrauchs“ entwickelte übrigens der Neurowissenschaftler Edward Taub die sogenannte Constraint-induced Movement Therapy. Dabei wird der nicht betroffene Arm, beispielsweise mit einer Schiene, an seiner Aktivität gehindert und damit der betroffene Arm zum Einsatz gezwungen.

In ihrer Schlussfolgerung mahnen die Forscher an, dieses Phänomen stärker zu untersuchen und ggf. ähnliche Interventionsstrategien wie die von Edward Taub entwickelten einzusetzen, um dagegen anzugehen.

hoth

Pain 2013; 154: 200–203


#

Rehabilitation – Post-OP: Ab ins Wasser

Postoperative Physiotherapie im Wasser verbessert Schmerzen und Funktion ebenso gut wie die Therapie an Land. Wundbedingte Komplikationen treten durch „Wassergymnastik“ ebenfalls nicht häufiger auf. So lautet das Fazit australischer Forscher nach einem systematischen Literaturreview.

Das Team schloss acht Studien in sein Review ein, an denen Patienten nach Knie- und Hüft-TEP-OP, Rotatorenmanschettennaht sowie Rekonstruktion des vorderen Kreuzbands teilgenommen hatten. Die Therapie hatte entweder in Einzelbehandlungen oder in einer Gruppe stattgefunden und begann zwischen vier und vierzehn Tagen post-OP.

Unterm Strich verbesserten sich alle Patienten gleichermaßen – egal, ob sie post-OP nur Wassergymnastik bekommen hatten, nur Therapie „an Land“ oder eine Kombination. Somit eignet sich diese Therapie gut als Ergänzung oder Alternative zur konventionellen Physiotherapie.

josc

Arch Phys Med Rehabil 2013; 94: 138–148


#

Forschung – Bobath-Vereinigung lobt Preis aus

Die Vereinigung der Bobath-Therapeuten Deutschlands e. V. möchte die wissenschaftliche Arbeit von Ergotherapeuten, Logopäden und Physiotherapeuten fördern und vergibt daher ab dem Jahr 2014 einen Wissenschaftspreis. Prämiert werden Arbeiten, die nicht älter als drei Jahre sind, sich mit therapeutischen Interventionen in der neuropädiatrischen oder neurologischen Reha befassen und so auch einen Beitrag zur Weiterentwicklung der Bobath-Therapie leisten können. Der Preis ist mit 1.000 Euro dotiert und wird alle zwei Jahre vergeben. Die erste Bewerbungsfrist endet am 31.12.2013.

Weitere Infos gibt es unter www.bobath-vereinigung.de“ > „Wissenschaftsbeirat“ > „Forschung“.


#

Die Prismen – einer Prismenbrille ...

... sorgen dafür, dass der Patient vor ihm befindliche Gegenstände mit 10- bis 15-gradiger Abweichung wahrnimmt. Setzt er die Brille nach etwa 15 Minuten ab, hat er sich an die Abweichung gewöhnt und nimmt sie weiterhin wahr. Diese Überkompensation kann bei Menschen mit Neglekt bis zu drei Tage anhalten und hilft ihnen dabei, ihr Blickfeld zu erweitern.

fk

Mehrholz J. Hrsg. Neuroreha nach Schlaganfall. Stuttgart: Thieme; 2011


#

Neglekt – Prismenbrille verbessert Handlungsperformanz

Patienten mit einem leichten Neglekt lernen ihre alltäglichen Aktivitäten besser auszuführen, wenn sie während ihrer physio- oder ergotherapeutischen Behandlung regelmäßig eine Prismenbrille tragen. Zu diesem Ergebnis kam das Team um die Physiotherapeutin Sifra Broeder aus den Niederlanden.

Die Forscher werteten sieben Studien aus, in denen es darum ging, wie sich das Training mit einer Prismenbrille auf die Selbstversorgung, die Fortbewegung, das Lesen oder Schreiben und die selbstständige Alltagsbewältigung von Menschen mit Neglekt auswirkt. Laut einer qualitativ hochwertigen RCT-Studie können die Patienten ihre Alltagstätigkeiten nach drei Monaten signifikant besser ausführen. Auch die übrigen sechs Studien belegten kurz- oder langfristige positive Effekte, erreichten jedoch keine signifikanten Ergebnisse.

Die Forscher empfehlen, die Prismenbrille für einen Zeitraum von zwei Wochen an fünf Tagen pro Woche jeweils 30 Minuten lang in der Physio- oder Ergotherapie einzusetzen. Die Abweichung darf bis zu 12 Grad betragen.

Saja

WTvE 2013; 5: 4–12


#
#
Zoom Image
(Prometheus. Allgemeine Anatomie und Bewegungssystem. 3. Aufl. Grafik: K. Wesker. Stuttgart: Thieme; 2011)
Zoom Image
(Marcell Mizik/shutterstock.de)