Bildanalyse
In der MRT (1,5 Tesla Achieva, Philips, Amsterdam, NL) zeigten die T2w Aufnahmen einen
Zustand nach operierter sakraler Myelomeningozele, aber auch mäanderartig, gleichmäßig
erweiterte intradurale Gefäße, die teilweise bis nach zervikal reichten. Es wurde
der Verdacht auf eine durale AV-Fistel gestellt. Dieser Verdacht wurde in der kontrastmittelverstärkten
MR-Angiografie (CE-MRA) erhärtet (Abb. [1]). Retrospektiv war der Fistelpunkt in den T2w Aufnahmen der MRT-Untersuchung zu
identifizieren (Abb. [2]). Die spinale Katheterangiografie konnte jeweils mehrere fistelzuführende Äste aus
der A. iliaca interna beidseits als arterielle Zuflüsse dokumentieren. Diese Feeder
speisten ein Gefäßkonglomerat, welches sakral im Narbenbereich der ehemaligen Myelomeningozele
lag. Die venöse Drainage erfolgte über sakrale Venen in lumbale und thorakale intradurale
Venen (Abb. [3]).
Abb. 1 Sagittale T2w MRT-Aufnahme (a) mit deutlich zu erkennenden geschlängelten, dilatierten spinalen Venen als typischem
Hinweis auf eine spinale AV-Fistel. Im beschriebenen Fall lag kein Kongestionsödem
des Myelons vor. Der Konusstand ist auf dem Bild nicht zu erkennen und befindet sich
auf der Höhe L2. Es ist die bei der Patientin bekannte dysrhaphische Störung ersichtlich.
Die CE-MR-Angiografie in „maximum intensity projection“ (b) zeigt ebenfalls die perimedullär erweiterte Drainagevene. Die Pfeile markieren jeweils
die dilatierten, intraduralen Venen.
Abb. 2 Sagittale T2w MRT-Aufnahme mit Darstellung des Zuflusses (Pfeil 1) der AV-Fistel
und der venösen Drainage (Pfeil 2) über die geschlängelt verlaufenden, dilatierten
Venen im Narbenbereich der ehemaligen Myelomeningozele.
Abb. 3 Digitale Substraktionsangiografie mit Darstellung der arteriellen Zuflüsse aus der
A. iliaca interna rechts in Ansicht von rechts anterior (RAO-Projektion) (a) und Kontrastierung des Gefäßkonglomerats (b). Der beginnende venöse Abfluss (Pfeil in c) und das Konglomerat in der Dysrhaphie sind im nicht subtrahierten Bild dargestellt.
Der Pfeil in d zeigt den weiteren venösen Abfluss über eine intradurale, dilatierte Vene.
Diagnose und Verlauf
Diagnose. Es ergab sich die Diagnose einer durch eine durale AV-Fistel verursachten Myelopathie.
Diese AV-Fistel hatte sich im Narbenbereich der ehemaligen Myelomeningozele entwickelt,
die fistelzuführenden arteriellen Äste entstammten der A. iliaca interna.
Verlauf. Das Gefäßkonglomerat war interventionell nur schlecht zu erreichen und wurde über
multiple Zuflüsse versorgt. Daher wurde primär eine operative Totalexstirpation der
Narbe und des Restlipoms mit Resektion der Fistel und Rekonstruktion der Dura durchgeführt.
Eine Kontrollangiografie dokumentierte den kompletten Verschluss der Fistel. Die Wundheilung
wurde durch ein Liquorkissen kompliziert, das sekundär operiert wurde. Danach konnte
die Patienten gut mobilisiert werden. Während sich die Motorik verbesserte, waren
die Gefühlsstörungen der Füße bis zum Zeitpunkt der Entlassung noch nicht rückläufig.
Krankheitsbild
AVM. Spinale arteriovenöse Malformationen (AVM) werden unterschieden in intramedulläre
und perimedulläre AVM, welche beide als angeboren gelten, und die häufigere, erworbene
durale AV-Fistel [1]. In der Regel treten sie thorakal oder lumbal auf und zeigen Zuflüsse aus segmentalen
Arterien. Die venöse Drainage erfolgt meist über konsekutiv dilatierte perimedulläre
Venen.
Myelomeningozele. Die Myelomeningozele, ein Subtyp der dysrhaphischen Störungen, ist als Herniation
von Leptomeningen und variablen Anteilen des Nervengewebes durch einen angeborenen
ossären Defekt der Wirbelsäule definiert. Es ist eine relativ häufig angeborene Störung
(Inzidenz 1 : 2000), deren Ursache ein fehlender Neuralrohrschluss ist. Die klinischen
Symptome hängen von Lage und Ausprägung der Myelomeningozele ab. Dysrhaphien sind
mit anderen, vor allem neurologischen Pathologien assoziiert. Die Entwicklung einer
duralen AV-Fistel im Bereich einer Myelomeningozele ist sehr selten.
Diskussion
AV-Fistel und Dysrhaphie. Das kombinierte Auftreten einer dysrhaphischen Störung mit einer duralen AV-Fistel
ist sehr selten und wurde bisher weltweit nur 9-mal beschrieben. Die Ätiologie der
Koexistenz ist unklar. In den meisten beschriebenen Fällen wird von einer erworbenen
duralen AV-Fistel in der dysrhaphischen Störung ausgegangen, da die Symptome erst
im mittleren Erwachsenenalter langsam progredient auftraten. Djindjian et al. sahen
die Ursache der Fistelbildung in einer lokalen Hypervaskularisation in der Dysrhaphie
[2]. Sato et al. postulierten eine gestörte Angiogenese im lipomatösen Gewebe der Lipomyelodysplasie
[3].
Durale AV-Fistel. Am häufigsten betroffen von duralen AV-Fisteln am Spinalkanal sind Männer mittleren
Alters. Typischerweise treten eine progressive Paraparese, Sensibilitätsstörungen,
Impotenz und Blasen- und Mastdarmstörungen auf. Die Ursache der chronischen Myelonschädigung
ist insbesondere die venöse Hypertonie in den drainierenden Gefäßen und die konsekutive
venöse Kongestion im Myelon. Diese kann zu einer sekundären chronischen Hypoxie führen.
Meist entwickelt sich somit eine langsam progressive, initial oft unspezifische Symptomatik.
Bildgebung. Um eine lange Schädigungsdauer des Rückenmarks zu vermeiden, ist eine frühe Diagnose
wichtig. Die Untersuchung der Wahl ist eine spinale MRT-Untersuchung. In den T2w Aufnahmen
können medulläre Ödeme und dilatierte spinale Venen gezeigt werden. In den T1w Aufnahmen
mit Kontrastmittel können auch kleine gestaute Venen erkannt werden. Mit der CE-MRA
können die Diagnose und häufig auch die Lokalisation des Fistelpunktes der AV-Fistel
bestimmt werden. Die definitive Diagnose und exakte Lokalisation der Fistel können
aber meist nur mittels einer spinalen Angiografie bewiesen werden. So waren auch in
dem hier präsentierten Fall die zuführenden Arterien aus der A. iliaca interna erst
mittels einer Angiografie sicher zu identifizieren. Diese Feeder aus der A. iliaca
interna sind bei duralen AV-Fisteln am Spinalkanal sehr selten.
Das T2-Myelopathiesignal kann meist als erstes indirektes Zeichen der fistelinduzierten
Myelopathie gefunden werden [4]. Bei manchen Patienten mit AV-Fistel kann aber der typische Nachweis der ausgeprägt
dilatierten Venen oder das spinale Kongestionsödem gänzlich fehlen, was die Diagnosestellung
einer AV-Fistel extrem erschwert.