Aktuelle Dermatologie 2014; 40(01/02): 44-46
DOI: 10.1055/s-0033-1358895
Kasuistik
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Entwicklung eines Keratoakanthoms fünf Jahre nach Malignem Melanom unter prolongierter Psoriasis-Therapie mit TNF-alpha-Antagonisten[*]

Occurrence of Keratoacanthoma Five Years After Development of Malignant Melanoma During Long Term Treatment of Psoriasis with TNF-Alpha-Antagonists
L. Kowalzick
Klinik für Hautkrankheiten und Allergologie, HELIOS Vogtland-Klinikum Plauen
,
L. Eickenscheidt
Klinik für Hautkrankheiten und Allergologie, HELIOS Vogtland-Klinikum Plauen
› Author Affiliations
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Korrespondenzadresse

Prof. Dr. med. habil. Lutz Kowalzick
Klinik für Hautkrankheiten und Allergologie
HELIOS Vogtland-Klinikum Plauen GmbH
Postfach 100153
08505 Plauen

Publication History

Publication Date:
05 November 2013 (online)

 

Zusammenfassung

Wir berichten über einen 56-jährigen Patienten, der ein spinozelluläres Karzinom vom Typ des Keratoakanthoms gut fünf Jahre nach De-novo-Entstehung eines kutanen Malignen Melanoms unter einer 30-monatigen Behandlung mit TNF-alpha-Antagonisten entwickelte. Wegen einer therapierefraktären mittelschweren Plaque-Psoriasis erhielt er nacheinander Infliximab, Adalimumab und zuletzt Etanercept. Vorher war der Patient über einen Zeitraum von gut 4 Jahren mit Fumaraten, Ciclosporin A und Methotrexat behandelt worden. Vor bzw. zwischen den systemischen Medikamentenbehandlungen waren zwei Serien mit Creme-PUVA bzw. Sole-UVB angewendet worden. Seit der Diagnosestellung des Malignen Melanoms wurde auf weitere UV- und immunsuppressive Systemtherapien der Psoriasis verzichtet und topisch mit Calcipotriol und Betamethasonvalerat behandelt. Der mögliche Zusammenhang zwischen der Entstehung eines Keratoakanthoms und der immunsuppressiven Therapie wird anhand der aktuellen Literatur diskutiert.


Abstract

We report on a male caucasian 56-year-old patient who developed squamous cell carcinoma of the keratoacanthoma type five years after de novo occurrence of cutaneous malignant melanoma at the end of a 30 month period of treatment with TNF-alpha-antagonists. Because of a recalcitrant moderate to severe plaque psoriasis he consecutively received infliximab, adalimumab and etanercept. The patient before was treated over a period of 4 years with fumarates, and for 2 months with ciclosporine A and for 5 weeks with methotrexate. Two cycles of cream PUVA and UVB radiations have been applied before, respectively between systemic medications. Since the diagnosis of malignant melanoma further UV- and systemic immunosuppressive therapy was abolished and the psoriasis treated topically with calcipotriol and betamethasonvalerate. A possible causal connection between development of keratoacanthoma and immunosuppressive treatments is discussed in the light of recent literature.


Kasuistik

Vor 5 Jahren berichteten wir [6] über einen jetzt 56-jährigen Patienten mit Hauttyp II nach Fitzpatrick und früherer häufiger sportlich bedingter Sonnenlichtexposition, bei dem seit über 40 Jahren eine Psoriasis vulgaris vom Plaque-Typ besteht. Vor 13 Jahren erfolgten 14 Sitzungen einer Creme-PUVA-Therapie. Wegen mangelndem Ansprechen wurde daraufhin eine systemische Therapie mit Fumaraten begonnen und für 4 Jahre fortgesetzt. Diese wurde vom Patienten bezüglich ihrer Effektivität schließlich als nicht mehr ausreichend empfunden. Daraufhin erhielt er vor 8 Jahren eine Balneofototherapie mit Sole und Breitspektrum-UV-B über 27 Sitzungen. Nach raschem Rezidiv wurde dann eine systemische Therapie mit Ciclosporin A begonnen, die wegen Blutdruckanstiegen abgebrochen werden musste. Eine systemische Therapie mit Methotrexat wurde mangels therapeutischen Ansprechens beendet.

Daraufhin wurde eine Therapie mit dem TNF-alpha-Antikörper Infliximab (Remicade®) gestartet. Nach initial sehr gutem Ansprechen wurde der therapeutische Effekt allmählich geringer und die Therapie dann vor 6 Jahren zunächst auf Adalimumab (Humira®) und 3 Monate später auf den TNF-alpha-Rezeptorantagonisten Etanercept (Enbrel®) umgestellt.

Vor 5 Jahren stellte sich der Patient mit einem rötlichen Tumor am Oberarm vor, der sich binnen der 2 Monate zuvor auf vorher unauffälliger Haut entwickelt hatte. Daraufhin erfolgte eine Exzisionsbiopsie. Die Histologie ergab ein superfiziell spreitendes Malignes Melanom im Stadium I a. Es erfolgte eine Nachexzision des Malignen Melanoms mit 1 cm Sicherheitsabstand. Die Etanercept-Therapie wurde daraufhin beendet. Eine systemische Psoriasistherapie mit Etretinat (Neotigason®) wurde nach 2 Monaten wegen mangelndem Effekt wieder beendet. Seitdem erhielt der Patient ausschließlich eine topische Therapie seiner Psoriasis mit calcipotriol- und kortikosteroid-haltigen Externa, worunter zwar keine vollständige Abheilung der Psoriasis-Symptome, wohl aber eine Symptomkontrolle erreicht werden konnte. Über 5 Jahre erfolgte, wegen des möglicherweise erhöhten Tumorrezidiv-Risikos nach längerer immunsuppressiver Systemtherapie, eine Tumornachsorge mit klinischen Untersuchungen, Lymphknotensonografien und S-100-Untersuchungen in halbjährlichen Abständen ohne Anzeichen für ein Tumorrezidiv.

Zwei Monate später stellte sich der Patient mit einem zwischenzeitlich rasch gewachsenen, hautfarbenen, symmetrischen, zentral etwas eingezogenen, hyperkeratotischen, verrukösen, ca. 1 cm durchmessenden Tumor unterhalb der rechten Klavikula vor. Die klinische Verdachtsdiagnose auf ein Keratoakanthom wurde mittels Exzisionsbiopsie bestätigt ([Abb. 1]). Auf eine vorher erwogene erneute systemische Therapie der Psoriasis mit neuen, nicht gegen TNF-alpha gerichteten Biologika nach 5-jähriger Rezidivfreiheit eines Low-risk-Melanoms wurde daher zunächst verzichtet.

Zoom
Abb. 1 Histologisches Präparat vom Patienten im HE-Schnitt: exophytischer, symmetrisch aufgebauter, spinozellulärer Tumor mit zentralem hyperkeratotischem Pfropf. Diagnose: Keratoakanthom.

Diskussion

Unter Therapie mit TNF-alpha-Antagonisten stieg das Risiko bei über 19 000 Patienten mit rheumatoider Arthritis (RA) oder Osteoarthritis, an einem nicht-melanozytären Hauttumor zu erkranken, auf das 1,24-Fache, bei gleichzeitiger Einnahme von Methotrexat auf das 1,97-Fache [2]. Nach einer anderen Untersuchung fand sich dieses Risiko etwa um das 2-Fache erhöht, während keine Erhöhung des Melanomrisikos festgestellt wurde [1]. In einer Phase-III-Studie zur Langzeit-Effizienz und -Sicherheit von Etanercept über mindestens 84 Wochen bei 464 Patienten mit moderater bis schwerer Plaque-Psoriasis wurde das Auftreten von 0,3 Basalzellkarzinomen pro 100 Patienten-Jahre beschrieben [10].

Das Auftreten von multiplen spinozellulären Karzinomen einschließlich von solchen vom Typ des Keratoakanthoms wurde bei einem 56-jährigen Patienten mit schwerer Psoriasis während einer zweimonatigen Therapie mit Etanercept beschrieben. Dieser australische Patient erhielt vor der Biologica-Therapie über 9 Jahre Methotrexat und anschließend über einen Zeitraum von 5 Jahren PUVA-Therapien [7]. Ähnliches wurde auch über einen chronisch lichtexponierten 76-jährigen Patienten mit rheumatoider Arthritis berichtet, der multiple spinozelluläre Karzinome, einschließlich solche vom Typ des Keratoakanthoms, vier Monate nach Beginn einer Therapie mit Infliximab und Methotrexat entwickelte [3].

Der hier präsentierte Patient mit hartnäckiger mittelschwerer Psoriasis erhielt über einen Zeitraum von 6 Jahren und 10 Monaten praktisch ununterbrochen eine immunsuppressive Therapie, davon die letzten 2 Jahre und 6 Monate mit TNF-alpha-Antagonisten. Gut 5 Jahre nach dem Auftreten eines Malignen Melanoms, das bislang rezidivfrei blieb, und der Beendigung der Therapie mit Etanercept kam es jetzt zum Auftreten eines Keratoakanthoms.

Es ist gut denkbar, dass dieser Tumor als Folge länger zurückliegender UV-Expositionen beim Sport und durch UV-Therapien der Psoriasis unabhängig von der prolongierten immunsuppressiven Therapie entstanden ist. Auf der anderen Seite ist es vorstellbar, dass die längerdauernde Therapie mit Immunsuppressiva einschließlich Ciclosporin, Methotrexat und zuletzt TNF-alpha-Antagonisten auch 5 Jahre nach ihrer Beendigung einen zusätzlichen begünstigenden kausalen Faktor darstellt. So entwickelten Patienten unter Cyclosporin-Therapie, verglichen mit der Zeit vor Therapiebeginn, siebenmal bzw. knapp dreimal häufiger spinozelluläre Karzinome, wenn sie über mindestens 200-mal mit PUVA bzw. über mindestens 36 Monate mit Methotrexat vorbehandelt wurden [8]. Die AWMF-Leitlinie zur Psoriasis beinhaltet als Kontraindikation für eine Ciclosporin-Therapie lediglich die gleichzeitige Lichttherapie oder PUVA-Vortherapie mit kumulativ > 1000 J/cm2. Eine Aussage über jeweils zurückliegende immunsuppressive bzw. UV-Therapien findet sich dagegen nicht.

Die Therapie der Psoriasis mit TNF-alpha-Antagonisten wurde von uns nach Auftreten des Malignen Melanoms abgebrochen, da das Risiko, erneut an einem Malignom zu erkranken, bei britischen Patienten mit RA unter diesen Medikamenten deutlich höher war als unter Basistherapeutika, während bei Patienten ohne Tumorvorerkrankung kein Unterschied in der Malignomentwicklung zwischen beiden Therapiearmen erkennbar war [11].

Eine erneute Therapie mit TNF-alpha-Antagonisten sollte auch mehr als 5 Jahre nach der Erkrankung an einem Low-risk-Melanom nicht wieder begonnen werden, da in zwei Fällen Spätmetastasierungen unter einem neu begonnenen TNF-alpha-Antagonisten bei Patienten mit 6 – 9 Jahre vorher entfernten Low-risk-Melanomen (Stadium I a bzw. I b) auftraten [4].

Bei unserem Patienten haben wir nach dem bislang rezidivfreien Verlauf über 5 Jahre erwogen, eine Psoriasis-Therapie mit dem IL-12/IL-23-Antagonisten Ustekinumab oder einem IL-17-Antagonisten einzuleiten. Auch wenn das Neuauftreten von Nicht-Melanom-Hautkrebs unter Ustekinumab (Stelara®) mit 0,6 bis 0,7 pro 100 Patientenjahre unter der Rate bei mit Plazebo therapierten Patienten laut Fachinformation bei 1,1 lag, liegen keine Erfahrungen mit der Behandlung bzw. der Weiterbehandlung bei Patienten vor, die vor bzw. während der Therapie an Malignomen erkrankt waren [5] [9]. Laut Fachinformation sollen daher alle mit Ustekinumab behandelten Patienten, insbesondere die über 60 Jahre und solche, die früher eine längere immunsuppressive Therapie oder PUVA-Therapie erhalten haben, bezüglich des Auftretens von Nicht-Melanom-Hautkrebs überwacht werden. Wir haben nunmehr von einer erneuten immunsuppressiven Systemtherapie bei unserem Patienten abgesehen.

Weitere Langzeitstudien im Hinblick auf die Inzidenz von Melanomen und Nicht-Melanom-Hautkrebs unter TNF-alpha-Antagonisten oder anderen immunsuppressiv wirksamen Biologika, auch nach Ende der Therapie, wären wünschenswert.



Interessenkonflikt

Der Autor gibt an, dass kein Interessenkonflikt besteht.

Danksagung

Wir danken Herrn Dr. med. Christoph Seidl, Partnerschaft Pathologie Hof, für die histologischen Untersuchungen.

* Herrn Prof. Dr. Theodor Nasemann zum 90. Geburtstag gewidmet.



Korrespondenzadresse

Prof. Dr. med. habil. Lutz Kowalzick
Klinik für Hautkrankheiten und Allergologie
HELIOS Vogtland-Klinikum Plauen GmbH
Postfach 100153
08505 Plauen


Zoom
Abb. 1 Histologisches Präparat vom Patienten im HE-Schnitt: exophytischer, symmetrisch aufgebauter, spinozellulärer Tumor mit zentralem hyperkeratotischem Pfropf. Diagnose: Keratoakanthom.