Mit Karl Holubar hat die deutschsprachige Dermatologie einen ganz Großen ihres Faches
verloren. Bei jedem seiner Auftritte spürten Gesprächspartner oder Auditorium, dass
eine unverwechselbare Persönlichkeit präsent war. Die seismografisch von ihm ausgehenden
Schwingungen reichten von faszinierend und mitreißend bis zu stillen introvertierten
Momenten, aus denen gelegentlich auch Enttäuschungen zu spüren waren. Mit dem charmanten
österreichischen Klang seiner Stimme, dem rauschenden Fluss seiner Worte mit heraussprudelnden
Fakten, Namen, Gegebenheiten und Zahlen wurden seine Auftritte stets zu etwas Besonderem.
Nicht jeder konnte alles aus diesen kaleidoskopischen Passagen aufnehmen
Karl war stets um das Wohl der Dermatologie und der Dermatohistorie bemüht, und so
hat er viele Kolleginnen und Kollegen durch seine Anteilnahme motiviert und unterstützt.
Zudem war er ein hochbegabter Dermato-Archäologe, der den Boden unseres Faches in
vielen Ländern der Welt nach Zeugnissen und Spuren der Vergangenheit durchsuchte.
Einmal ein Ziel vor Augen, ließ er nicht nach, bis er aus verstaubten Archiven, Kirchenbüchern,
Bibliotheken oder Gesprächen mit Nachfahren das gefunden hatte, was andere nicht erkannt
hatten. Niemand war so wortgewaltig oder beherrschte so viele Sprachen der verschiedenen
Kulturkreise in Wort und Schrift wie er. Dabei blieb es aber nicht aus, dass auch
scharfe Ecken und Kanten hervortraten und verbale sowie schriftliche Auseinandersetzungen
gelegentlich erfolgten. Er selber schien gelegentlich unter diesen Eruptionen zu leiden
und suchte das ausgleichende Gespräch mit Freunden, um derartige Enttäuschungen zu
überwinden. Allein das Zuhören eines Freundes schien für ihn ein Weg zu sein, um aus
den düsteren Stunden herauszukommen. Sein überraschender Tod am Tag der Heiligen Drei
Könige machte uns sehr betroffen.
Abb. 1 Professor Karl Holubar.
Karl studierte Medizin in Wien und promovierte 1960. Die Ausbildung zum Dermatologen
begann er an der renommierten Wiener Universitätshautklinik, gefolgt von einem ersten
Forschungsaufenthalt 1958 bei Professor Rudi Cormane (1925 – 1987) in Amsterdam. Die
Habilitation behandelt das Basalzell-Nävus-Syndrom, das auch als Handbuchbeitrag von
Josef Jadassohn (1863 – 1936) im Ergänzungsband Alfred Marchionini (1899 – 1965) III,
3A publiziert wurde. Seinen zweiten Forschungsaufenthalt verbrachte er 1972 bis 1973
als Research Fellow bei Professor Ernest Beutner (1923 – 2013) in Buffalo, USA. Zurück
in Wien hatte er eine steile Karriere vor sich: Extraordinarius an der I. Universitätshautklinik
und Kommissarischer Leiter der Klinik 1980/1981. Mutig war sein Entschluss als Ordinarius
an die Hautklinik der Hebräischen Universität Jerusalem (1983 – 1986) zu gehen, eine
glänzend gemeisterte Herausforderung, da er Sprache und Schrift des Landes beherrschte
und viele Freundschaften aufbauen konnte.
Nochmals profilierte Karl sich 1986 mit der Habilitation für das Fach Geschichte der Medizin an der Wiener Universität und bekleidete von 1989 – 2001 als Professor und Vorstand
das Institut für Geschichte der Medizin in der Währinger Straße. Es war die Metamorphose vom wissenschaftlich-klinischen
Dermatologen zum Medizinhistoriker, dem nun die altehrwürdige Institution, die noch
aus der Kaiserzeit stammte, übertragen wurde. In dieser dritten Phase seines Lebens
zeigte Karl seine besondere Stärke. Wissenschaftliche Aufsätze, Buchkapitel und Monografien
sprudelten in diesen Jahren aus dem Institut, alles sorgfältig recherchiert. Karl
ahnte, dass manch verborgener Schatz in den Archiven des Instituts lagerte. Wie ein
Sherlock Holmes entdeckte er bislang unbekannte Dokumente, vor allem künstlerisch
wertvolle Zeichnungen und Aquarelle des 18. und 19. Jahrhunderts aus den Händen begabter
Arzt-Künstler-Generationen. Mit Freude arbeitete er sich durch die aus dem Ausland
zugestifteten Buchbestände hindurch. So entstanden eine Reihe eindrucksvoller Artikel,
Bücher und Atlanten zu medizinhistorischen Themen, die er mit großer Begeisterung
zusammen mit Kolleginnen und Kollegen verfasste.
Im Jahr 2001 musste Karl die ihm so liebgewonnene Institution verlassen. Schmerzlich
war, dass in der nachfolgenden Zeit ihm der Zugang zu den Bibliotheksbeständen und
seinem früheren Arbeitsplatz verwehrt wurden, was ihn traurig, ja teilweise verbittert
machte.
Ein letzter ganz großer Wurf gelang ihm mit der Konzeption und gemeinsamen Herausgeberschaft
des im gleichen Jahr verstorbenen Dermatologen und Medizinhistorikers Albrecht Scholz/Dresden
(1940 – 2013) sowie den Professoren Günther Burg/Zürich, Walter H. C. Burgdorf/Tutzing
und Harald Gollnick/Magdeburg mit dem bilingual gestalteten monumentalen Werk Geschichte der deutschsprachigen Dermatologie/History of German Language Dermatology (Wiley-Blackwell, 2009). Unermüdlich hat er sich als Autor und auch darüber hinaus
für die internationale Verbreitung des Buches eingesetzt.
Seine letzten, ebenfalls mit Herzensblut verfassten Beiträge betreffen die Kapitel
über John Thorne Crissey (1924 – 2009), Marie Nicolas Devergie (aîné) (1784 – 1842),
Joseph Plenck (1735 – 1809) sowie das Prooímion für die deutsche Ausgabe 2008 und
die soeben erschienene englische Ausgabe Pantheon of Dermatology. Outstanding Historical Figures (Christoph Löser, Gerd Plewig, Walter H. C. Burgdorf, eds, Springer, 2013).
Sein Curriculum vitae ist reich gefüllt mit klinischen und experimentellen Arbeiten
in den besten Journalen der Welt, zahlreichen Büchern und Buchbeiträgen, einer langen
Liste von Ehrenmitgliedschaften renommierter Fachgesellschaften aller Kontinente sowie
Ehrenbezeichnungen seiner Heimat Österreich. Karl hatte es verstanden, ein internationales
Netz von Freunden aufzubauen und sorgfältig zu pflegen. Durch seine Familie fand Karl
Holubar einen Kontrapunkt, der ihm Ruhe, Sicherheit und Geborgenheit neben den zahlreichen
beruflichen Ämtern und Einladungen in die verschiedensten Winkel der Welt gab. Seine
von ihm so geliebte Gattin Christine, mit der er 52 Jahre verheiratet war, hat ihn
verständnisvoll im Leben begleitet und ihm stets guten Halt gegeben. Die Söhne Karl
und Leopold haben den Eltern viel Freude bereitet. Karl Holubar hat seine letzte Ruhe
auf dem Friedhof von Zeiselmauer vor den Toren der Stadt Wien gefunden.
Abb. 2 Titelseite (New York: Praeger, 1981).
Abb. 3 a, b Titel und Tafel, Österreichische Akademie der Wissenschaften, Wien 1993.
Abb. 4 a, b Skin in Water-Colours, Aquarelles from Hebra’s Department in Vienna (Blackwell, Berlin
2003), Umschlag und Tafel.
Abb. 5 a, b Looking at Eyes and Faces, Ophthalmologic Water-Colours Drawn Largely by Physician-Artists
Vienna late 18th and 19th Centuries (Austrian Academy of Sciences, Vienna 2006), Umschlag
und Tafel.
Abb. 6 Bilinguale Monografie (Wiley-Blackwell, 2009).
Abb. 7 Karl und Christine Holubar bei einer Ehrenpromotionsfeier 2006 in der Universität
Bratislawa/Slowakei.