NOTARZT 2014; 30(01): 24-25
DOI: 10.1055/s-0033-1359943
Fortbildung
EKG-Beispiele
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Akute Rhythmusstörungen – Fallbeispiel 55

P. Rupp
Notfallzentrum Spital Thun, Schweiz
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Korrespondenzadresse

Dr. Peter Rupp
Notfallzentrum Spital Thun
Krankenhausstraße 12
CH-3600 Thun

Publication History

Publication Date:
21 February 2014 (online)

 

Anamnese

Der Ehemann einer 78-jährigen Frau alarmiert den Rettungsdienst, weil seine Frau über „Herzstolpern“ und Schwindel klagen würde. An Vorerkrankungen lassen sich eine koronare Herzerkrankung, eine arterielle Hypertonie und eine COPD in Erfahrung bringen. Die Patientin nimmt Beloc® Zok Mite 1-0-1, Atacand® 16 mg 1-0-0, Spiriva® und bei Bedarf Nitrolingual® Spray.


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Erstbefund

78-jährige Patientin, ansprechbar und allseits voll orientiert, GCS 15, blass, bradykarder, unregelmäßiger Puls, gut palpabel, Herzfrequenz um 50 – 60/min, RR 140/90 mm Hg, SaO2 94 % unter Raumluft, Lunge auskultatorisch unauffällig.

Das sofort abgeleitete EKG zeigte folgenden Befund ([Abb. 1]):

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Abb. 1 EKG beim Eintreffen.

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Fragen

  • Um welche Rhythmusstörung handelt es sich?

  • Besteht eine Behandlungsindikation?

  • Was tun Sie?

Frage I

Um welche Rhythmusstörung handelt es sich?


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Antwort

  1. Schnell oder langsam?
    – bradykard

  2. Regelmäßig oder unregelmäßig?
    – teilweise unregelmäßig

  3. Kammerkomplex breit oder schmal?
    – schmal

  4. Vorhofaktivität vorhanden?
    – ja, mehr P-Wellen als QRS-Komplexe

  5. Verhältnis der P-Welle zum QRS-Komplex?
    oberes EKG:
    Regelmäßige Vorhofaktion mit einer Frequenz von 67/min. Teilweise wird nur jede 2. P-Welle übergeleitet mit einer konsekutiven Kammerfrequenz von 34/min. Teilweise nimmt die PQ-Zeit zu, bis eine Überleitung ausfällt. Dies setzt sich in der unteren EKG-Ableitung fort.


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Beurteilung

Es handelt sich am ehesten um einen AV-Block II Typ Mobitz im Wechsel mit AV-Block II Typ Wenckebach im unteren Teil des EKGs. Rein theoretisch wäre auch ein durchgängiger AV-Block II Typ Wenckebach möglich, da bei einer regelmäßigen 2:1-Blockierung die Zunahme der AV-Überleitungszeit nicht beurteilt werden kann.


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Frage II

Besteht eine Behandlungsindikation?


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Antwort

Die Patientin klagt zwar über Palpitationen und Schwindel, ist aber derzeit respiratorisch und zirkulatorisch stabil. Eine dringliche Behandlungsindikation besteht momentan also nicht. Allerdings kann ein AV-Block II Typ Mobitz rasch in eine komplette AV-Blockierung übergehen. Man sollte daher sowohl betamimetische Medikamente (z. B. Adrenalin) als auch die Möglichkeit einer unverzüglichen externen Schrittmacherstimulation vorbereiten.


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Frage III

Was muss ich tun?


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Antwort

Das Überprüfen von: A – Atemwege freimachen, B – Belüftung/Oxygenierung, C – Kreislauf) und die Anlage eines periphervenösen Zugangs ist obligatorisch. Neben einem kompletten Monitoring (EKG, Sauerstoffsättigung und Blutdruck) sollten die Multifunktionselektroden für eine mögliche externe Schrittmacherstimulation bereits aufgeklebt, oder zumindest bereit gelegt werden. Die Gabe von Sauerstoff bei einer Sättigung von 94 % unter Raumluft ist nicht obligat. Eine weitere präklinische Therapie in diesem Fall ist nicht notwendig, solange die Patientin stabil bleibt.

Zur Therapie einer bradykarden Rhythmusstörung stehen grundsätzlich medikamentöse oder elektrische Behandlungsoptionen zur Verfügung.

Bei zirkulatorisch stabilen Patienten kann zunächst eine medikamentöse Therapie mit Atropin in einer Dosierung von bis zu 0,04 mg/kg KG [1] [2] [3] oder Adrenalin in einer initialen Dosierung von 0,01 mg [2] versucht werden. Beim Vorliegen eines AV-Block II Typ Mobitz ist auf die Gabe von Atropin trotz anders lautender Empfehlung in den derzeit gültigen ERC-Guidelines [4] zu verzichten. Der Grund liegt darin, dass ein AV-Block II Typ Mobitz meist unterhalb des AV-Knotens im HIS-Bündel lokalisiert ist. Dies ist nicht mehr vagal innerviert. Somit kann Atropin den Block selbst nicht beeinflussen, über die Zunahme der Sinusknotenfrequenz und Verbesserung der AV-Überleitung aber zu einer paradoxen Zunahme der Blockierung führen.

Bei instabilen Kreislaufverhältnissen bietet die transthorakale Schrittmacherstimulation die höchste Erfolgswahrscheinlichkeit und sollte unverzüglich vorbereitet werden [4]. Die Elektroden können, wie zur Defibrillation, anterior – anterior oder anterior – posterior geklebt werden. Nach Einstellung der Stimulationsfrequenz (60 – 70/min) wird die Stimulationsenergie so lange erhöht, bis alle Stimuli von einer Kammerantwort gefolgt werden und sich die hämodynamische Situation stabilisiert hat.


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Interessenkonflikt

Der Autor gibt an, dass kein Interessenkonflikt besteht.

  • Literatur

  • 1 Haverkamp W, Breithardt G. Moderne Herzrhythmustherapie. Stuttgart, New York: Georg Thieme Verlag; 2003
  • 2 Zipes D, Libby P, Bonow R, Braunwald E. Braunwald’s Heart Disease. Philadelphia: Elsevier Saunders; 2008
  • 3 Roskamm H, Neumann F-J, Kalusche D, Bestehorn H-P Hrsg. Herzkrankheiten. Berlin, Heidelberg, New York, Hongkong, London, Mailand, Paris, Tokyo: Springer Verlag; 2004
  • 4 European Resuscitation Council Guidelines for Resuscitation 2010. Resuscitation 2010; 13: 559-620

Korrespondenzadresse

Dr. Peter Rupp
Notfallzentrum Spital Thun
Krankenhausstraße 12
CH-3600 Thun

  • Literatur

  • 1 Haverkamp W, Breithardt G. Moderne Herzrhythmustherapie. Stuttgart, New York: Georg Thieme Verlag; 2003
  • 2 Zipes D, Libby P, Bonow R, Braunwald E. Braunwald’s Heart Disease. Philadelphia: Elsevier Saunders; 2008
  • 3 Roskamm H, Neumann F-J, Kalusche D, Bestehorn H-P Hrsg. Herzkrankheiten. Berlin, Heidelberg, New York, Hongkong, London, Mailand, Paris, Tokyo: Springer Verlag; 2004
  • 4 European Resuscitation Council Guidelines for Resuscitation 2010. Resuscitation 2010; 13: 559-620

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Abb. 1 EKG beim Eintreffen.