Klinische Neurophysiologie 2014; 45(01): 26-27
DOI: 10.1055/s-0033-1360096
Das besondere Bild
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Postpartale Eklampsie mit zerebraler Angiopathie – eine seltene Komplikation im Wochenbett

Postpartum Eclampsia with Cerebral Angiopathy – A Rare Complication of the Puerperium
P. Albrecht
Abteilung für Neurologie und klinische Neurophysiologie, Evangelisches Krankenhaus Wesel
,
B. Lewartowski
Abteilung für Neurologie und klinische Neurophysiologie, Evangelisches Krankenhaus Wesel
,
W. Neukäter
Abteilung für Neurologie und klinische Neurophysiologie, Evangelisches Krankenhaus Wesel
› Institutsangaben
Weitere Informationen

Korrespondenzadresse

Dr. med. Peter Albrecht
Abteilung für Neurologie und klinische Neurophysiologie, Evangelisches Krankenhaus Wesel
Schermbecker Landstraße 88
46485 Wesel

Publikationsverlauf

Publikationsdatum:
12. März 2014 (online)

 

Hintergrund

Eine Eklampsie im Wochenbett kann von einer zerebralen Angiopathie, gekennzeichnet durch die Konstriktion intrakranieller Arterien, begleitet werden. Die klinische Präsentation ist variabel. Kopfschmerzen, Wesensänderungen, epileptische Anfälle sowie schwere fokal-neurologische Defizite können vorkommen [1]. Die Differenzialdiagnose umfasst andere schwerwiegende Erkrankungen des zentralen Nervensystems, die vermehrt im Umfeld von Schwangerschaft und Wochenbett auftreten, wie beispielsweise die Sinusvenenthrombose.


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Fallbericht

Eine 34-jährige Patientin stellte sich 14 Tage nach Entbindung (Gravida 2, Para 1) aufgrund eines erstmaligen, generalisierten epileptischen Anfalls in unserer Notaufnahme vor. Die Patientin berichtete über starke, holozephale Kopfschmerzen. Nach den fremdanamnestischen Angaben der Familie hatte die Patientin in den Tagen zuvor schon über zunehmende Kopfschmerzen berichtet, darüber hinaus sei sie antriebsärmer gewesen. Dies sei zunächst als Depression im Wochenbett gewertet worden. Der klinisch neurologische Befund zeigte eine psychomotorisch verlangsamte, unscharf orientierte Patientin, es bestand eine Hemiparese rechts vom KG 4/5 sowie eine Stand- und Gangataxie. Der Blutdruck lag bei 190/100 mmHg. In der Urinuntersuchung fand sich ein Proteinwert von 50 mg/dl. Das am Aufnahmetag angefertigte zerebrale MRT zeigte in der FLAIR-Sequenz Läsionen hochfrontal und hochparietal, kortikal betont, mit Zeichen der Schrankenstörung nach Kontrastmittelgabe ([Abb. 1a]). Eine MR-Angiografie war zu diesem Zeitpunkt ebenso unauffällig wie eine doppler- und duplexsonografische Untersuchung der intrakraniellen Arterien. Die Untersuchung des Liquors erbrachte eine normale Zellzahl und unauffällige Werte für Glukose, Laktat und Protein. Wir stellten die Diagnose einer Eklampsie im Wochenbett, es erfolgte neben einer antikonvulsiven Therapie eine antihypertensive Behandlung mit Metoprolol und Amlodipin. Klinisch bildete sich die Ataxie sowie die Hemiparese rechts gut zurück, die Kopfschmerzen besserten sich nur gering. In einem Kontroll-MRT 4 Tage nach Aufnahme zeigte sich eine Regredienz der Signalanhebungen in der FLAIR-Sequenz, es waren nun multiple Kaliberschwankungen an den intrakraniellen hirnversorgenden Arterien nachzuweisen ([Abb. 1b]). Entsprechend konnten im transkraniellen Ultraschall langstreckige segmentale Strömungsbeschleunigungen von über 180 cm/s insbesondere der A. cerebri media und der A. cerebri anterior beidseits nachgewiesen werden ([Abb. 2]). Aufgrund dieser Befunde gingen wir jetzt von Spasmen bei einer zerebralen Angiopathie im Rahmen der postpartalen Eklampsie aus. Die Patientin erhielt zusätzlich intravenös Magnesium. Weitere 10 Tage später war die Patientin vollständig beschwerdefrei, der neurologische Befund war unauffällig. MRT- und Ultraschallverlaufskontrollen erbrachten Normalbefunde.

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Abb. 1a) MRT des Zerebrums am Aufnahmetag, Flair-Sequenz, transversale Schnittebene: Diffus verteilte Läsionen hochfrontal und hochparietal sowie kortikal betont. In den kontrastmittelangehobenen Sequenzen (hier nicht dargestellt) deutliche Schrankenstörung dieser Läsionen. b) MR-Angiografie 4 Tage nach Aufnahme: Multiple Kaliberschwankungen an den hirnversorgenden Arterien, teilweise perlschnurartiger Aspekt.
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Abb. 2 Transkranieller Ultraschall 4 Tage nach Aufnahme: Farbduplexsonografische Darstellung einer Stenose der A. cerebri anterior rechts. Im Dopplerfrequenzspektrum stellen sich erhöhte Strömungsgeschwindigkeiten bis 200 cm/s dar. Darüber hinaus sind Alias-Phänomene auch in der mit dargestellten, ebenfalls stenosierten, ipsilateralen A. cerebri media erkennbar.

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Diskussion

Eine Eklampsie im Wochenbett kann unabhängig vom Schwangerschaftsverlauf mit bis zu 20 Tagen Latenz nach Entbindung auftreten [2] [3]. Die Diagnose der begleitenden zerebralen Angiopathie basierte auf der protrahiert auftretenden Vasokonstriktion der intrakraniellen Arterien. Da diese in der MR-Angiografie und im transkraniellen Ultraschall eindeutig nachweisbar war, verzichteten wir auf eine digitale Subtraktionsangiografie. Obwohl der Verlauf, wie bei unserer Patientin, zumeist gutartig ist, kommen schwere Verläufe mit Hirninfarkten und intrazerebralen Blutungen vor [1].

Aus unserer Sicht unterstreicht dieser Fall daher die Notwendigkeit einer frühzeitigen und gezielten Diagnostik, wenn im Wochenbett neurologische Symptome auftreten. Da sich die Gefäßspasmen erst im Verlauf entwickeln können, ist eine wiederholte Bildgebung mit Darstellung der intrakraniellen Arterien unverzichtbar. Der Ultraschall stellt hierbei eine ausgezeichnete, nicht invasive Methode zur Verlaufskontrolle dar [4] [5].


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  • Literatur

  • 1 Fugate JE, Ameriso SF, Ortiz G et al. Variable presentations of postpartum angiopathy. Stroke 2012; 43: 670-676
  • 2 Mas JL, Lamy C. Stroke in pregnancy and the puerperium. J Neurol 1998; 245: 305-313
  • 3 Dziewas R, Stögbauer F, Ringelstein EB et al. Late onset postpartum eclampsia: a rare and difficult diagnosis. Journal of neurology 2002; 249: 1287-1291
  • 4 Bogousslavsky J, Despland PA, Regli F et al. Postpartum cerebral angiopathy: reversible vasoconstriction assessed by transcranial Doppler ultrasounds. Eur Neurol 1989; 29: 102-105
  • 5 Kubo S, Hiroyuki N, Toshiaki T et al. Headache Associated With Postpartum Cerebral Angiopathy: Monitoring With Transcranial Color Coded Sonography. Headache: The Journal of Head and Face Pain 2002; 42: 297-300

Korrespondenzadresse

Dr. med. Peter Albrecht
Abteilung für Neurologie und klinische Neurophysiologie, Evangelisches Krankenhaus Wesel
Schermbecker Landstraße 88
46485 Wesel

  • Literatur

  • 1 Fugate JE, Ameriso SF, Ortiz G et al. Variable presentations of postpartum angiopathy. Stroke 2012; 43: 670-676
  • 2 Mas JL, Lamy C. Stroke in pregnancy and the puerperium. J Neurol 1998; 245: 305-313
  • 3 Dziewas R, Stögbauer F, Ringelstein EB et al. Late onset postpartum eclampsia: a rare and difficult diagnosis. Journal of neurology 2002; 249: 1287-1291
  • 4 Bogousslavsky J, Despland PA, Regli F et al. Postpartum cerebral angiopathy: reversible vasoconstriction assessed by transcranial Doppler ultrasounds. Eur Neurol 1989; 29: 102-105
  • 5 Kubo S, Hiroyuki N, Toshiaki T et al. Headache Associated With Postpartum Cerebral Angiopathy: Monitoring With Transcranial Color Coded Sonography. Headache: The Journal of Head and Face Pain 2002; 42: 297-300

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Abb. 1a) MRT des Zerebrums am Aufnahmetag, Flair-Sequenz, transversale Schnittebene: Diffus verteilte Läsionen hochfrontal und hochparietal sowie kortikal betont. In den kontrastmittelangehobenen Sequenzen (hier nicht dargestellt) deutliche Schrankenstörung dieser Läsionen. b) MR-Angiografie 4 Tage nach Aufnahme: Multiple Kaliberschwankungen an den hirnversorgenden Arterien, teilweise perlschnurartiger Aspekt.
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Abb. 2 Transkranieller Ultraschall 4 Tage nach Aufnahme: Farbduplexsonografische Darstellung einer Stenose der A. cerebri anterior rechts. Im Dopplerfrequenzspektrum stellen sich erhöhte Strömungsgeschwindigkeiten bis 200 cm/s dar. Darüber hinaus sind Alias-Phänomene auch in der mit dargestellten, ebenfalls stenosierten, ipsilateralen A. cerebri media erkennbar.