Pneumologie 2013; 67(10): 539-540
DOI: 10.1055/s-0033-1360546
Pneumo-Fokus
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Hot Topic – Lungenkrebs: CT-Screening besonders bei hohem Risiko empfohlen

Contributor(s):
Martin Bischoff
Kovalchik SA, Tammemagi M, Berg CD et al.
Targeting of Low-Dose CT Screening According to the Risk of Lang-Cancer Death.

N Engl J Med 2013;
369: 245-254
The National Lung Screening Trial Research Team.
Results of Initial Low-Dose Computed Tomographic-Screening for Lung Cancer.

N Engl J Med 2013;
368: 1980-1991
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Publication Date:
06 November 2013 (online)

 

Studie 1 Ein Screening mittels Niedrigdosis-CT kann mehr Todesfälle infolge eines Bronchialkarzinoms verhindern als das Thorax-Röntgen. Besonders ausgeprägt ist der Benefit bei Rauchern mit mittelhohem bis hohem Risiko. Allgemein akzeptiert ist, dass ein Screening Hochrisikopatienten vorbehalten bleiben sollte. Doch wie eine Hochrisikopopulation im Hinblick auf die Lungenkrebserkrankung genau zu definieren ist, ist bisher unklar.

Methoden Im National Lung Screening Trial (NSLT) reduzierte das Screening mittels Niedrigdosis-CT die Lungenkrebsmortalität bei Rauchern zwischen 55 und 74 Jahren mit einem Minimum von 30 Packungsjahren und Rauchstopp vor längstens 15 Jahren relativ zum Thorax-Röntgen um 20 %. S. A. Kovalchik et al. ordneten in ihrer Studie die insgesamt 53 454 Raucher der NLST-Studie entsprechend ihrer Risikolage mit Hilfe eines validierten Vorhersagemodells einer von 5 Quintilen zu: In Quintile 1 wurden Teilnehmer mit einem 5-Jahresrisiko für Lungenkrebs von 0,15 bis 0,55 % eingeordnet, Quintile 5 bildeten Teilnehmer mit einem Risiko > 2 %.

Ergebnisse Die Zahl der Lungenkrebs-Todesfälle pro 10 000 Personenjahre, die durch das CT-Screening im Vergleich zum Röntgen verhindert werden konnte, nahm mit den Risikoquintilen von 0,2 in Quintile 1 bis hin zu 12,0 in Quintile 5 zu. Der Trend war mit p = 0,01 statistisch signifikant. Umgekehrt nahm das Verhältnis der Anzahl von Personen mit falsch positiven Ergebnissen relativ zu den durch das CT-Screening verhinderten Todesfällen über die Risikoquintilen signifikant ab: Von 1.648 in Quintile 1 bis zu 65 in Quintile 5. Die Zahl der Patienten, die gescreent werden müssen, um einen Todesfall an Bronchialkarzinom zu verhindern, nahm von Quintile 1 bis Quintile 5 von 5276 auf 161 ab.

Fazit Bisher wird ein Low-dose-CT-Screening für Patienten empfohlen, die die NLST-Einschlusskriterien erfüllen. Die Studie liefert den empirischen Beleg dafür, dass der Personenkreis weiter eingeengt werden könnte z. B. auf Patienten der Quintilen 3 bis 5. Denn auf diese Gruppe entfielen 88 % der durch das Screening verhinderten Todesfälle und 64 % der falsch positiven Ergebnisse. Auf die Patienten der Quintile 1 dagegen nur 1 %. wenig signifikant, weder nach 6 (55,92 vs 51,25 %) noch nach 12 Monaten (66,45 vs 60 %). Die Häufigkeit von Nebenwirkungen (Pneumonie, Arrythmien und Pneumothorax) war in den beiden Gruppen nahezu gleich.

Kovalchik SA, Tammemagi M, Berg CD et al.
Targeting of Low-Dose CT Screening According to the Risk of Lang-Cancer Death.
N Engl J Med 2013; 369: 245–254.

Lungenkrebsscreening: Spiral-CT dem Thorax-Röntgen überlegen

Studie 2 Lungenkrebs trägt weltweit am meisten zur hohen Krebsmortalität bei. Ein Screening mittels niedrig dosiertem Spiral- CT ist besser als das Thorax-Röntgen geeignet, die Sterberate zu senken. Dies ist das Ergebnis des US-amerikanischen National Lung Screening Trials (NLST).

Methoden Zwischen August 2002 und April 2004 wurden insgesamt 53 454 asymptomatische Personen (Männer und Frauen im Alter zwischen 55 und 74 Jahren) aus 33 amerikanischen Zentren in die Studie eingeschlossen. Die Patienten rauchten noch oder hatten zumindest in den zurückliegenden15 Jahren geraucht und dabei mindestens 30 Packungsjahre erreicht. Das Screening im Rahmen der Studie sollte jährlich über einen Zeitraum von 3 Jahren durchgeführt werden. 26 722 Teilnehmer wurden randomisiert einer Gruppe zugeteilt, bei der ein Niedrigdosis-CT durchgeführt wurde, 26 732 erhielten ein Thorax-Röntgen. Die Testergebnisse galten bei Vorliegen von Knoten oder anderen verdächtigen Befunden als positiv. Einem ersten geplanten Screening unterzogen sich 98 % aller Teilnehmer. In der CT-Gruppe waren es 26 309 von 26 715 (98,5%), in der Röntgen-Gruppe nahmen 26 035 von 26 724 (97,4%) an der Vorsorge teil. Der Anteil der Personen, die dabei positiv gescreent wurden, lag in der CT-Gruppe mit 27,3 % (7 191 von 26 209) höher als in der Röntgen-Gruppe mit 9,2 % (2 387 von 26 035). Die Rate stieg mit zunehmendem Alter und der Anzahl an Packungsjahren leicht an. Mindestens eine weitere diagnostische Maßnahme erfolgte bei 6 369 (90,4 %) respektive bei2 176 (92,7 %) Teilnehmern. In 5 717 (81,1 %) bzw. 2 010 Fällen (85,6 %) wurde eine bildgebende Untersuchung durchgeführt, bei 297 (4,2 %) bzw. 121 (5,2 %) Patienten wurde eine Probeexzision vorgenommen. Lungenkrebs wurde bei 292 Personen (1,1 %) in der CT-Gruppe und bei 190 (0,7 %) in der Röntgen-Gruppe diagnostiziert. Die Tumore befanden sich im Stadium I bei 158 vs. 70 und in den Stadien IIb- IV bei 120 vs. 112 Studienteilnehmern.

Ergebnisse Wie erwartet, erbrachte das Screening mit dem Niedrigdosis-CT beim ersten Screening mehr positive Testergebnisse als das Röntgen. Es wurden auch mehr Biopsien und andere invasive Eingriffe durchgeführt. Zudem wurden mehr Lungentumore im frühen und ähnlich viele im fortgeschrittenen Stadium entdeckt. Sensitivität und Spezifität betrugen 93,8 % und 73,4 % für das niedrig dosierte CT bzw. 73,5 % und 91,3 % für das Thorax-Röntgen.

Fazit Die Ergebnisse der NLST-Studie decken sich mit entsprechenden Angaben in der Literatur zum Screening mit einem Niedrigdosis-CT beziehungsweise mit dem Thorax-Röntgen. Sie deuten darauf hin, dass sich die Sterblichkeit bei Lungenkrebs in Zentren mit einem im Umgang mit dem CT erfahrenen Personal senken lässt.

The National Lung Screening Trial Research Team.
Results of Initial Low-Dose Computed Tomographic-Screening for Lung Cancer.
N Engl J Med 2013; 368:1980–1991.

Kommentar

Die Ergebnisse des US-amerikanische National Lung Screening Trials (NLST) belegen den potenziellen Nutzen der Niedrigdosis-CT zur Lungenkrebsfrüherkennung bei Personen mit einem hohen Lungenkrebsrisiko. Im NLST wurde bei 55- bis 74-jährigen Rauchern oder Ex-Rauchern mit einem Zigarettenkonsum von mind. 30 Packungsjahren durch jährliches CT-Screening über 3 Jahre eine Senkung der Lungenkrebssterblichkeit um 20 % gegenüber einer jährlichen Untersuchung mit Thoraxübersichtsaufnahmen nachgewiesen. Durch Subgruppenanalysen können die Personengruppen, die von einer regelmäßigen Niedrigdosis-CT profitieren würden, noch näher definiert werden.

Daraus resultieren in den USA Empfehlungen mehrerer Fachgesellschaften, zuletzt des National Comprehensive Cancer Network (NCCN), für eine jährliche Niedrigdosis-CT bei Rauchern oder Ex-Rauchern in der genannten Altersgruppe mit einem Zigarettenkonsum von mind. 30 Packungsjahren oder bei über 50-jährigen Rauchern mit mind. 20 Packungsjahren und einem zusätzlichen Risikofaktor.

Auch in Deutschland ist davon auszugehen, dass die gleichen Risikogruppen von einer jährlichen Niedrigdosis-CT profitieren können. Es gibt jedoch bisher nur wenige Zentren, die über praktische Erfahrungen mit der Früherkennung des Lungenkarzinoms mit Niedrigdosis-CT verfügen. Größtes Problem ist hierzulande die Gesetzeslage, da die Röntgenverordnung eine individuelle Krankheitsfrüherkennung nicht als Indikation für eine Untersuchung mit Röntgenstrahlen vorsieht. Das Bundesamt für Strahlenschutz sucht gegenwärtig zusammen mit den zuständigen medizinischen Fachgesellschaften nach geeigneten Wegen, das vorhandene „graue Screening“ zu beenden und einen entsprechenden Rahmen für die Lungenkrebsfrüherkennung zu schaffen.

Die aktuelle, rasch wachsende Datenlage belegt überzeugend, dass durch ein indikationsbegrenzendes Screening von Risikogruppen sich möglicherweise ein Verfahren abzeichnet, die unverändert, extrem schlechte Prognose des Lungenkarzinom durch frühzeitiges Erkennen zu verbessern.

Priv. Doz. Dr. Dag Wormanns und Prof. Dr. Christian Grohé, Berlin


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