Herr Professor Schneider, wie gut ist aus Ihrer Sicht die medizinische Versorgung
von SLE-Patienten in Deutschland?
Schneider: Wenn man Deutschland weltweit im Vergleich sieht, dann haben wir sicher eine sehr
gute medizinische Versorgung auch für unsere SLE-Patientinnen (etwa 90 % der Erkrankten
sind meist junge Frauen) und -Patienten. Im Vergleich zum SLE bei Schwarzen und Hispanics
ist die Erkrankung in der deutschen Bevölkerung eher milde ausgeprägt, wir sehen zum
Beispiel nicht so viele rasche Organversagen.
Etwas größere Schwierigkeiten haben wir in Deutschland sicher mit dem sog. Off-label-use,
dem Einsatz von zugelassenen Medikamenten in nicht zugelassener Indikation. Solche
Medikamente werden etwa für ein Viertel aller Lupus-Patientinnen und -Patienten in
Deutschland eingesetzt.
Wo sehen Sie bei SLE-Patienten den größten Handlungs- und Behandlungsbedarf?
Schneider: Natürlich ist vieles optimierbar in der medizinischen Versorgung von SLE-Patientinnen
und Patienten. Die wichtigsten Beispiele für mich:
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Der SLE ist in Deutschland nicht gut genug bekannt, sowohl bei Ärzten als auch bei
Laien, dadurch wird er oft zu spät erkannt und behandelt.
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Kortison wird oft, meist aus Unsicherheit unkritisch eingesetzt, weil SLE-Patienten
es immer und für immer bräuchten – die Diagnose SLE ohne Aktivität ist jedoch keine
Indikation für Kortison. SLE-Erkrankte gehören deshalb in die Behandlung von Spezialzentren.
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Antimalariamittel werden zu selten eingesetzt – eigentlich sind sie das „Aspirin“
für die SLE-Patienten – sollten also immer eingesetzt werden, wenn keine Kontraindikation
besteht.
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Auch wenn die Erkrankung sehr komplex ist, sollten die Patientinnen und Patienten
so gut geschult sein, dass sie ihre Erkrankung im Alltag weitgehend selbstständig
händeln können.
Welches sind für Sie die wichtigsten Therapieziele bei der SLE-Behandlung?
Schneider: Das Therapieziel ist Remission, das heißt keine aktive Erkrankung unter möglichst
wenig Therapie. Das soll die Patienten vor den oben angesprochenen dauerhaften Schäden
schützen und ihnen ein Leben mit möglichst wenigen Ein-schränkungen ermöglichen.
Welche Rolle spielt dabei die Lebensqualität der Patienten?
Schneider: Die Lebensqualität der Patientinnen und Patienten ist der Standard, an dem sich alle
Konzepte zum SLE messen lassen müssen. Dabei besteht aktuell (noch) die große Schwierigkeit,
wie wir die ausgeprägte Müdigkeit richtig einordnen und angehen können.
Wie verändern moderne Biologika Ihren Therapiealltag – und müssen Rheumatologen eventuell
lernen, umzudenken?
Schneider: Wir denken gerne um, wenn es unseren Patientinnen und Patienten hilft. Das haben
wir ja bei anderen entzündlich rheumatischen Erkrankungen gezeigt. Beim SLE scheint
das wie immer alles etwas komplexer zu sein. Wir sind glücklich, eine neue Substanz
zugelassen zu haben. Momentan besteht unsere Aufgabe darin zu erkennen, wie wir diese
Substanz möglichst optimal zum Nutzen unserer SLE-Patientinnen und Patienten einsetzen.