Z Gastroenterol 2014; 52(2): 235
DOI: 10.1055/s-0033-1362268
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Editorial – Kolonkapselendoskopie

Thomas Eisenbach
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Publication Date:
17 February 2014 (online)

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

in Hof und Umgebung wird im Rahmen eines Modellprojektes der AOK Bayern die Kolonkapselendoskopie als Alternative zur Koloskopie eingesetzt. (Bericht s. u.). Gibt es wirklich gute Gründe für die Darmkapsel, wie es die Internetseite des Projektes verspricht (http://darmkapsel.de/aok/)? Attribute wie schonend, modern und patientenfreundlich oder der Hinweis auf ein fehlendes Hygienerisiko sind suggestiv und wenig überzeugend. Die Darmreinigung, die für die meisten Menschen der unangenehmste Teil der Darmspiegelung ist, ist die gleiche und muss sogar noch gewissenhafter durchgeführt werden. Es ergeben sich viele Fragen:

  • Ziel des Projektes ist es, zu evaluieren, ob die Zahl der Teilnehmer/-innen an der Krebsvorsorge zugenommen hat. Warum wird eine neue Methode auf Kosten der AOK mit so begrenzter Fragestellung und nicht als kontrollierte wissenschaftliche Studie evaluiert?

  • Die Kolonkapselendoskopie ist mit ca. 1000 Euro sehr teuer. Ist das Engagement der AOK inhaltlich wie wirtschaftlich angemessen, d. h. ist die Darmkrebsvorsorge damit noch kosteneffektiv?

  • Warum werden bestehende Leitlinien (DGVS 2013/ESGE 2012) übergangen und dem Patienten (auch dem Patienten mit familiärer Tumorbelastung!) eine Kapselendoskopie als gleichwertige (oder gar bessere) Alternative zur konventionellen Koloskopie angeboten?

Die wissenschaftlichen Daten sind sehr begrenzt und die aktuelle Leitlinie der DGVS zum kolorektalen Karzinom erkennt die Kolonkapsel (noch) nicht als Alternative zur Vorsorge an. Gerne beteiligt sich der bng an Studien, um die offenen Fragen zu klären. Immerhin ist in dem Modellprojekt sichergestellt, dass alle Polypen, die entdeckt werden, direkt im Rahmen einer ergänzenden Koloskopie abgetragen werden. Unklar ist, wie die Kolonkapsel im Lichte der aktuellen Rechtsprechung (OLG Hamm Az. – 3 U 57/13 -) zu bewerten ist und wer für ein übersehenes Karzinom haftet.

Ein breites Angebot der Kapselendoskopie könnte von den Menschen, die eher mit Angst auf die Koloskopie sehen, quasi als Bestätigung ihrer Ängste gewertet werden. Warum nimmt die AOK – entgegen ihrer sonstigen Gepflogenheiten – für ein durchaus umstrittenes Modellprojekt viel Geld in die Hand, um ohne Not eine nicht evaluierte Untersuchungsmethode zu promoten? Heiligt der Zweck etwa das Mittel? – Die Diskussion ist eröffnet!