Z Geburtshilfe Neonatol 2014; 218(4): 138
DOI: 10.1055/s-0033-1362670
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Geburtshilfe
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Geburtsmodus – Vaginale Entbindung nach vorangegangener Sectio

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Publikationsdatum:
20. August 2014 (online)

Hintergrund: Nach einer vorangegangenen Sectio caesarea muss zur Minimierung der maternalen und fetalen Risiken eine Beratung der Schwangeren zum Geburtsmodus (elektive Resectio vs. vaginaler Entbindungsversuch) erfolgen. Zum Abschätzen der individuellen Wahrscheinlichkeit für eine erfolgreiche vaginale Geburt können hierbei zwei bereits in den USA validierte Vorhersagemodelle von Grobman et al. angewendet werden: in der Frühschwangerschaft das „entry-to-care“ (ETC)- bzw. bei Wehenbeginn das „close-to-delivery“ (CTD)-Modell. Schoorel et al. prüfen die Übertragbarkeit dieser beiden Vorhersagemodelle auf die niederländische Bevölkerung.

Methoden: Für die retrospektive Kohortenstudie wurden im Jahr 2010 mit Hilfe der Geburtenverzeichnisse an 17 niederländischen Kliniken die Daten von 763 Einlingsschwangerschaften mit vorangegangener Sectio caesarea und geplanter vaginaler Entbindung bzw. elektiver Resectio am Termin (≥ 37 SSW) erhoben und gemäß der beiden Grobman-Modelle ausgewertet. Die Vorhersagemodelle umfassen unter anderem die Variablen maternales Alter, Body Mass Index, Ethnie, vorangegangene Geburtsmodi, Gestationshypertonie, Zervixbefund und Geburtseinleitung. Zur Validierung der Vorhersagemodelle wurde das Outcome der angestrebten Spontangeburt (erfolgreich vs. nicht erfolgreich) herangezogen und für jede Patientin die individuelle Wahrscheinlichkeit berechnet. Die diskriminative Performance der Modelle wurde mit Hilfe der area under the curve (AUC) einer Receiver Operating Characteristic (ROC) ausgedrückt. Die Berechnung der prädiktiven Performance erfolgte mit Hilfe von Kalibrierkurven und der Hosmer-Lemeshow (H-L)-Statistik.

Ergebnisse: Von 763 Schwangeren mit vorangegangener Sectio strebten 515 (67 %) eine vaginale Geburt an, 248 (33 %) erhielten eine elektive Resectio und 371 (72 %) entbanden tatsächlich vaginal, woraus sich eine Vaginalgeburtsrate nach Sectio von 49 % (371/763) ergab. Schwangere mit vorangegangener Spontangeburt bzw. Spontangeburt nach Sectio strebten häufiger eine vaginale Geburt an. Auf der Basis des ETC-Modells hatten Schwangere, die eine Spontangeburt anstrebten, eine signifikant höhere mittlere Wahrscheinlichkeit (p < 0,00) für eine erfolgreiche vaginale Entbindung (72 ± 14 %) als Schwangere, die eine elektive Resectio wählten (64 ± 14 %). Die ROC des ETC- bzw. des CTD-Modells hatten eine AUC von 68 % (95 % CI 63–72 %) bzw. 72 % (95 % CI 67–76 %). Mit einem p-Wert von 0,17 für das ETC- und von 0,36 für das CTD-Modell in der H-L-Statistik zeigte sich eine akzeptable Kalibrierung für beide Vorhersagemodelle. Insgesamt wurde für 31 % der Schwangeren eine erfolgreiche Spontangeburt nach Sectio mit einer Wahrscheinlichkeit von über 80 % vorhergesagt; bei 26 % lag die vorhergesagte Wahrscheinlichkeit bei unter 60 %.

Fazit

Die beiden in den USA entwickelten Vorhersagemodelle bewiesen auch in der niederländischen Bevölkerung eine adäquate Leistungsfähigkeit, und die Autoren halten die Ergebnisse für im wesentlichen auf alle europäischen Länder übertragbar. Sie bevorzugen das CTD-Modell, da es idealerweise eine Geburtsmodus-Beratung der Schwangeren im dritten Trimenon ermögliche, wenn zusätzliche Variablen wie die fetale Gewichtsschätzung und die Notwendigkeit einer Geburtseinleitung bekannt seien, halten jedoch eine weitere Evaluation der Modelle in einem prospektiven Setting für erforderlich.

Dr. Christian Weber, Künzell