Aktuelle Urol 2013; 44(06): 426-427
DOI: 10.1055/s-0033-1363047
Referiert und kommentiert
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Radikale Zystektomie – Offen oder roboterassistiert?

Contributor(s):
Elke Ruchalla

J Urol 2013;
189: 541-547
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Publication History

Publication Date:
26 November 2013 (online)

 
 

Bei muskelinvasiven Harnblasenkarzinomen ist die radikale Zystektomie im Allgemeinen nicht zu umgehen. Die erhebliche Morbidität beinhaltet auch die häufige Komplikation der benignen Striktur der ilioureteralen Anastomose. Als mögliche Ursachen werden entzündliche oder ischämische Reaktionen des Gewebes durch die operative Manipulation diskutiert. Die Auswirkung der unterschiedlichen Handhabung des Gewebes im Vergleich zur roboterassistierten und offenen Operationsweise sowie anderer möglicher klinischer Parameter hat eine Arbeitsgruppe aus den USA untersucht.
J Urol 2013; 189: 541–547

mit Kommentar

Christopher Anderson und Kollegen aus Nashville, USA, haben die Daten von 478 konsekutiven Patienten mit muskelinvasivem Blasenkarzinom ausgewertet. Bei allen Patienten war eine radikale Zystektomie erfolgt, in 375 Fällen auf konventionelle offene Weise (78,5 %), bei 103 mittels einer roboterassistierten Laparoskopie. Beurteilt wurde die Häufigkeit von ilioureteralen Anastomosenstrikturen und zwischen den beiden Gruppen verglichen.

Insgesamt traten über einen Nachbeobachtungszeitraum von 8,2 Monaten bei 45 Patienten 60 benigne ilioureterale Strikturen auf (9,4 %): 17 Strikturen bei 13 Patienten (12,6 %) in der laparoskopisch operierten Gruppe und 43 Strikturen bei 32 Patienten (8,5 %) in der offen operierten Gruppe – ein statistisch nicht signifikanter Unterschied.

Die Kaplan-Meier-Schätzungen für die Wahrscheinlichkeit, über die Jahre 1 bzw. 2 postoperativ eine Striktur zu entwickeln, unterschieden sich ebenfalls nicht: mit 89,4 % bzw. 86,7 % für die offene Technik und 86,1 % bzw. 78,6 % für die roboterassistierte Technik.

Somit war die Häufigkeit von benignen Strikturen der ilioureteralen Anastomose beim Vergleich der konventionellen, offenen Zystektomie mit dem roboterassistierten Verfahren identisch. Body-Mass-Index, Invasionstiefe des Tumors, Lymphknotenbefall, Blutverlust und Operationsdauer hatten keinen Einfluss auf die Häufigkeit des Auftretens einer ilio-ureteralen Striktur.

Die Autoren geben zu bedenken, dass die Nachbeobachtungszeit schwankt, und die Häufigkeit somit unterschätzt werden könnte. Zudem seien die Gruppen teilweise heterogen zusammengesetzt und randomisierte Studien würden möglicherweise zu anderen Ergebnissen führen.

Fazit

Die roboterassistierte laparoskopische Zystektomie führt vergleichbar häufig zu benignen Strikturen der ilioureteralen Anastomose wie die offene Technik, schlussfolgern die Autoren. Dabei fanden sich keine spezifischen Faktoren, die unabhängig mit dem Auftreten einer Striktur verbunden waren.

Kommentar

Roboterchirurgie allein kein Garant für gute Ergebnisse

Ureterointestinale Anastomosenstrikturen sind eine bekannte und gefürchtete Komplikation nach radikaler Zystektomie und Harnableitung, weil sie oft mit einer irreversiblen Nierenschädigung einhergehen. Zudem sind minimalinvasive endoskopische Verfahren nur bei kurzstreckigen Strikturen gelegentlich erfolgreich, oft bedarf es einer offenen operativen Revision [ 1 ].

Die Häufigkeit ureterointestinaler Anastomosen nach radikaler Zystektomie und Harnableitung beträgt ca. 3 % in repräsentativen Patientenserien mit Langzeitbeobachtung [ 2 ], [ 3 ].

Enttäuschend hohe Strikturrate

In der hier diskutierten Studie [ 4 ] berichten die Autoren über eine enttäuschend hohe (9,4 %) ureteroileale Strikturrate nach offener oder roboterassistierter radikaler Zystektomie und dies zudem nach einer kurzen Beobachtungszeit von median lediglich 8,2 Monaten.

  1. Wenn sowohl mit der offenen wie auch mit der roboterassistierten Operationstechnik schlechte funktionelle Ergebnisse erzielt werden, so sei daran erinnert, dass nicht so sehr das Instrument, welches der Chirurg braucht, sondern der Chirurg für das Auftreten von Komplikationen verantwortlich ist.

  2. Werden operationstechnische Fehler gemacht, z. B. exzessive thermische oder mechanische Gewebeschädigung oder eine evertierte Schleimhaut in der Anastomose, welche zu einer Lippenfistel führt, so spielt es keine Rolle, ob diese technischen Fehler mit einem offenen oder roboterassistierten Operationsverfahren gemacht werden. Mit großer Wahrscheinlichkeit wird das Resultat so oder so nicht gut sein.

  3. Über die Gründe, weshalb bei den an der Vanderbilt University operierten Patienten die ureteroileale Strikturrate so hoch ist, kann nur spekuliert werden. Am wahrscheinlichsten dürfte es sich um ein Durchblutungsproblem im Bereich der distalen Harnleiter handeln, entweder, weil diese zu lange belassen und / oder das periureterale Gewebe, welches die periureteralen Gefäße enthält, nicht geschont wurde. Insbesondere bei den extraabdominalen, ureterointestinalen Anastomosen, wie dies bei den roboterassistierten Harnableitungen der Vanderbilt University Patienten der Fall war, müssen die Harnleiter (zu) lange belassen werden.

  4. Die Tatsache, dass angeblich kein signifikanter Unterschied bei der Strikturrate zwischen offener ureteroilealer Anastomose (8,5 %) und roboterassistierter (12,6 %) besteht, heißt nicht, dass die beiden Verfahrenstechniken einander ebenbürtig, resp. gleich schlecht sind. Vielmehr ist es Ausdruck von zu geringen Fallzahlen.

  5. Um das Risiko von ureterointestinalen Strikturen möglichst tief zu halten, haben sich folgende chirurgische Prinzipien bewährt:

    • Die Harnleiter sollten so hoch wie möglich abgesetzt werden, d. h. mindestens auf Höhe der Iliaca-Communis- Kreuzung, um das Risiko einer Ureterischämie zu mindern. Bei der Mobilisation des proximalen Harnleiters soll dieser nicht skelettiert, sondern zusammen mit dem periureteralen Gewebe und den Gefäßen in toto mobilisiert werden.

    • Der distale Ureter soll auf einer Strecke von 1 – 1,5 cm spatuliert und End-zu- Seit mit dem Dünndarmsegment fortlaufend so anastomosiert werden, dass die Mukosa invertiert wird.

    • Das periureterale Gewebe wird an der Dünndarmwand mit Einzelknopfnähten fixiert, um jeglichen Zug von der Anastomose wegzunehmen und um diese gleichzeitig zu decken.

    • Eine Harnleiterschienung vermindert die Strikturrate nicht, aber sofern der Urin durch diese nach außen abgeleitet wird, kann die Wiederaufnahme der Darmtätigkeit signifikant verbessert und das Risiko einer metabolischen Azidose reduziert werden. [ 5 ]

Fazit

Zusammengefasst hängt die Häufigkeit von ureteroilealen Anastomosenstrikturen von verschiedenen operativ-technischen Einzelheiten ab. Diese zu beachten ist wichtiger als der operative Zugangsweg (offen oder roboterassistiert). Ureterointestinale Strikturen können auch nach Jahren auftreten, weshalb Patienten mit Harnableitung einer bildgebenden Kontrolle des oberen Harntrakts bedürfen.

Dr. Gianluca Giannarini und Prof. Urs E. Studer, Bern


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Dr. Gianluca Giannarini


ist stellvertretender Oberarzt an der Universitätsklinik für Urologie am Inselspital in Bern

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Prof. Urs E. Studer


ist Expert Consultant an der Universitätsklinik für Urologie am Inselspital in Bern

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