Pneumologie 2013; 67(12): 651-652
DOI: 10.1055/s-0033-1363055
Pneumo-Fokus
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Auszeichnung – Doktorandenpreis 2013 der Deutschen Lungenstiftung

Further Information

Publication History

Publication Date:
09 December 2013 (online)

 

    Im Rahmen des 54. Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin wurde im März der mit 6000 € dotierte Doktorandenpreis der Deutschen Lungenstiftung verliehen. Der Preis für die beste klinische Arbeit wurde geteilt. Ausgezeichnet wurden Dr. Elena Matrosovich, Nürnberg, für ihre Dissertation mit dem Titel "Einfluss der Zielvolumenfunktion bei der nichtinvasiven Positivdruck-Beatmung auf die Schlafqualität" und Dr. Benjamin Waschki, Großhansdorf. Der Preis für die beste experimentelle Arbeit ging an Dr. Helen Meyer-Martin, Mainz. Den Inhalt ihrer Doktorarbeiten haben B. Waschki und H. Meyer-Martin kurz zusammengefasst.

    Körperliche Inaktivität ist der stärkste Prädiktor für die Mortalität von Patienten mit COPD: Eine prospektive Kohortenstudie [ 1 ]–[ 2 ]
    Dr. Benjamin Waschki

    Die chronisch obstruktive Lungenerkrankung (COPD) ist eine bedeutsame und in ihrer Häufigkeit zunehmende Ursache für Morbidität und Mortalität weltweit. Zusätzlich zur persistierenden und fortschreitenden Atemwegsobstruktion ist die COPD charakterisiert durch Komorbiditäten, wie z. B. kardiovaskuläre Erkrankungen, Diabetes mellitus, Muskelabbau und Depressionen [ 3 ]. Klinische Parameter wie der Ernährungszustand, der Schweregrad der Dyspnoe und die körperliche Belastbarkeit sind neben der Atemwegsobstruktion als relevante Prädiktoren der Mortalität etabliert worden.

    Patienten mit COPD weisen – unabhängig vom Nikotinkonsum – eine deutlich erhöhte Prävalenz von kardiovaskulären Erkrankungen auf, bis zu einem Drittel aller Patienten verstirbt daran [ 4 ]. Bisher wurde jedoch keine nichtinvasive Methode zur kardiovaskulären Prognoseabschätzung von ambulanten COPD-Patienten untersucht. Auch die prognostische Aussagekraft von Fettgewebshormonen wie dem Adiponektin, welches bei Patienten mit COPD erhöht ist [ 5 ] und eine prognostische Bedeutung bei Gesunden hat [ 6 ], ist bei der COPD bislang unbekannt. Die körperliche Aktivität, definiert als jeglicher durch Muskeltätigkeit hervorgerufener

    Energieverbrauch [ 7 ], ist ab dem mittleren Stadium der COPD deutlich reduziert [ 8 ] und ein bedeutsamer Prädiktor der Mortalität von Gesunden [ 9 ]. Bisher war die prognostische Aussagekraft der objektiv gemessenen körperlichen Aktivität zur Vorhersage der Sterblichkeit bei Patienten mit COPD noch nicht untersucht worden.

    Die Ziele dieser Dissertation lauteten:

    1. den prognostischen Wert von objektiv gemessener körperlicher Aktivität von Patienten mit COPD zu bestimmen und mit einem breiten Spektrum von etablierten Prädiktoren der Mortalität zu vergleichen,

    2. die prognostische Bedeutung von nichtinvasiven Parametern des kardiovaskulären Status, inflammatorischer Blutparameter und Fettgewebshormonen zu evaluieren und

    3. das beste Vorhersagemodell unabhängiger Risikofaktoren für die Mortalität von COPD-Patienten zu identifizieren.

    In dieser prospektiven Beobachtungsstudie wurden 170 ambulante Patienten mit COPD aller Schweregrade umfassend untersucht. Die körperliche Aktivität im häuslichen Alltag wurde mit einem gut validierten Multisensor-Armband, welches Aktivitätsparameter wie den Energieumsatz und die Schrittzahl bestimmen kann, für die Dauer von 5–6 Tagen gemessen. Der Energieumsatz wurde korrigiert für den Ruheumsatz als Physical Activity Level (PAL; der gesamte tägliche Energie geteilt durch den Ruheumsatz) angegeben. Zusätzlich wurde ein breites Spektrum an etablierten und potenziellen Prädiktoren der Mortalität gemessen: Lungenfunktion (FEV1 und IC/TLC), körperliche Belastbarkeit (6-Minuten-Gehtest), globale Herzfunktion (NT-proBNP im Serum), echokardiografische Rechtsherzfunktion (Tei-Index), systolische Linksherzfunktion (Ejektionsfraktion) und diastolische Linksherzfunktion (Verhältnis der transmitralen E- zur A-Welle), allgemeine Arteriosklerose (Knöchel-Arm-Index mittels Dopplersonografie), Body-Mass-Index, Muskelstatus (fettfreie Masse in der Bioimpedanzmessung), systemische Inflammation (hs-CRP, Interleukin-6, Fibrinogen), Adipokine (Adiponektin und Leptin) sowie die Lebensqualität, Dyspnoe und depressive Symptome (St. George Respiratory Questionnaire, modifizierte Dyspnoeskala des Medical Research Council und Beck’sches Depressionsinventar). Zudem wurden etablierte prognostische Indices, wie z.B. der BODE- und ADO-Index, berechnet.

    Während einem medianen Beobachtungszeitraum von 48 Monaten verstarben 26 Patienten (15,4 %). Verglichen mit den Überlebenden wiesen die Verstorbenen zu Studienbeginn eine schlechtere Lungenfunktion, reduzierte körperliche Aktivität, geringere körperliche Belastbarkeit, einen schlechteren Ernährungs- und Muskelstatus, beeinträchtigte Rechtsherzfunktion, höhere NT-pro-BNP-Werte, einen niedrigeren Knöchel-Arm-Index, höhere Adiponektin-Spiegel, höhergradigere Dyspnoe, schlechtere Lebensqualität und höhere Mortalitäts-Risiko-Indices auf. Anhand der WHO-Kategorisierung des PAL in eine aktive, wenig aktive und sehr inaktive Lebensweise zeigten sich Unterschiede in der 4-Jahres-Überlebenswahrscheinlichkeit. Cox-Regressionsanalysen zeigten einen linearen Zusammenhang sowohl des PAL als auch der täglichen Schrittzahl mit der Überlebenswahrscheinlichkeit. So war jeder Abfall um 1845 Schritte pro Tag assoziiert mit einer Verdopplung des relativen Sterberisikos. Verglichen mit den etablierten Prädiktoren zeigten der PAL und die Schrittzahl die beste Möglichkeit, zwischen Überleben und Versterben zu diskriminieren.

    Desweiteren waren ein verringerter Knöchel-Arm-Index, ein erhöhter rechtsventrikulärer Tei-Index, höhere Adiponektin-Spiegel und niedrigere Leptin-Spiegel mit einem deutlich erhöhten Mortalitätsrisiko assoziiert. Mit einer multivariaten Cox-Regressionsanalyse konnte gezeigt werden, dass der PAL, der Adiponektin-Spiegel und ein Knöchel-Arm-Index < 1 zusammen das beste Modell unabhängiger Prädiktoren der Mortalität bilden. Dieses Modell erzielte eine bessere Diskriminierung zwischen Versterben und Überleben als die existierenden prognostischen Indices.

    Diese Untersuchung konnte erstmals zeigen, dass objektiv gemessene körperliche Aktivität im Vergleich mit einem breiten Spektrum etablierter prognostischer Marker der stärkste Prädiktor für die Mortalität von Patienten mit COPD ist. Eine mögliche Erklärung für diese Überlegenheit könnte sein, dass die körperliche Aktivität eine Art Integral aus verschiedenen Organfunktionen bildet und somit auch andere prognostisch relevante Informationen enthält. Die biologischen Folgen körperlicher Inaktivität sind komplex. Auswirkungen auf verschiedene inflammatorische Prozesse im menschlichen Körper werden aktuell intensiv untersucht. Diese Arbeit ist eine Bestätigung der gegenwärtigen GOLD-Leitlinie, die regelmäßige körperliche Aktivität als elementare therapeutische Massnahme für Patienten mit COPD aller Schweregrade ansieht [ 3 ].

    Zudem konnten weitere neue Mortalitätsprädiktoren bei COPD identifiziert werden. Adiponektin und Leptin sind Gewebshormone, die in inflammatorischen, diabetischen und atherogenen Prozessen eine Rolle spielen. Die vorliegende Untersuchung konnte zeigen, dass hohe Adiponektin- Spiegel mit der Gesamtmortalität von Patienten mit COPD assoziiert sind.

    Der im klinischen Alltag einfach anzuwendende Knöchel-Arm-Index, berechnet als Quotient aus dem systolischem Blutdruck an den Sprunggelenken und dem der Arme, stellt einen Messwert der arteriellen Verschlusskrankheit und der generalisierten Atherosklerose dar. Zudem weist ein erniedrigter Wert auf ein erhöhtes Mortalitätsrisiko in der Allgemeinbevölkerung hin [ 10 ]. Die eigene Untersuchung zeigt die prognostische Bedeutung des Knöchel-Arm-Index bei COPD-Patienten als Ausdruck des erhöhten kardiovaskulären Risikos.

    Strukturelle Veränderungen des rechten Ventrikels bei schwergradiger COPD sind häufig und zudem mit erhöhter Mortalität verbunden [ 11 ]–[ 12 ]. Die vorliegende Arbeit konnte zeigen, dass auch eine subklinische rechtsventrikuläre Dysfunktion mit dem Überleben von ambulanten Patienten mit COPD aller Schweregrade assoziiert ist. Zuletzt konnte gezeigt werden, dass ein Index bestehend aus körperlicher Aktivität, Adiponektin und Knöchel-Arm-Index das beste Modell unabhängiger Prädiktoren für Mortalität bildet und eine bessere prognostische Aussagekraft als etablierte Risiko-Indices, wie der BODEIndex, aufweist. Dieses Modell deckt unterschiedliche Aspekte der Erkrankung ab, welche durch die bisher existierenden Modelle nicht berücksichtigt werden. Allerdings muss dieser Index vor einer Empfehlung für den klinischen Gebrauch in einer externen Kohorte noch validiert werden.


    #
    • 1 Waschki B, Kirsten A, Holz O et al. Physical activity is the strongest predictor of all-cause mortality in patients with COPD: a prospective cohort study. Chest 2011; 140: 331-342
    • 2 Waschki B. Physical activity is the strongest predictor of all-cause mortality in patients with COPD: a prospective cohort study. Dissertation. Universität Hamburg; 2013
    • 3 Vestbo J, Hurd SS, Augusti AG et al. Global Strategy for the Diagnosis, Management and Prevention of Chronic Obstructive Pulmonary Disease, GOLD Executive Summary. Am J Respir Crit Care Med 2012; 187: 347-365
    • 4 Decramer M, Janssens W. Chronic obstructive pulmonary disease and comorbidities. The Lancet Respiratory Medicine 2013; 1: 73-83
    • 5 Tomoda K, Yoshikawa M, Itoh T et al. Elevated circulating plasma adiponectin in underweight patients with COPD. Chest 2007; 132: 135-140
    • 6 Poehls J, Wassel CL, Harris TB et al. Association of adiponectin with mortality in older adults: the Health, Aging, and Body Composition Study. Diabetologia 2009; 52: 591-595
    • 7 Chodzko-Zajko WJ, Proctor DN, Fiatarone Singh MA et al. American College of Sports Medicine position stand. Exercise and physical activity for older adults. Med Sci Sports Exerc 2009; 41: 1510-1530
    • 8 Watz H, Waschki B, Meyer T et al. Physical activity in patients with COPD. Eur Respir J 2009; 33: 262-272
    • 9 Manini TM, Everhart JE, Patel KV et al. Daily activity energy expenditure and mortality among older adults. JAMA 2006; 296: 171-179
    • 10 Fowkes FG, Murray GD, Butcher I et al. Ankle brachial index combined with Framingham Risk Score to predict cardiovascular events and mortality: a meta-analysis. 2008; 300: 197-208
    • 11 Stuart-Harris CH, Hanley T. Chronic bronchitis, emphysema and cor pulmonale. Bristol: John Wright and Sons; 1957
    • 12 Traver GA, Cline MG, Burrows B. Predictors of mortality in chronic obstructive pulmonary disease. A 15-year follow-up study. Am Rev Respir Dis 1979; 119: 895-902

    • 1 Waschki B, Kirsten A, Holz O et al. Physical activity is the strongest predictor of all-cause mortality in patients with COPD: a prospective cohort study. Chest 2011; 140: 331-342
    • 2 Waschki B. Physical activity is the strongest predictor of all-cause mortality in patients with COPD: a prospective cohort study. Dissertation. Universität Hamburg; 2013
    • 3 Vestbo J, Hurd SS, Augusti AG et al. Global Strategy for the Diagnosis, Management and Prevention of Chronic Obstructive Pulmonary Disease, GOLD Executive Summary. Am J Respir Crit Care Med 2012; 187: 347-365
    • 4 Decramer M, Janssens W. Chronic obstructive pulmonary disease and comorbidities. The Lancet Respiratory Medicine 2013; 1: 73-83
    • 5 Tomoda K, Yoshikawa M, Itoh T et al. Elevated circulating plasma adiponectin in underweight patients with COPD. Chest 2007; 132: 135-140
    • 6 Poehls J, Wassel CL, Harris TB et al. Association of adiponectin with mortality in older adults: the Health, Aging, and Body Composition Study. Diabetologia 2009; 52: 591-595
    • 7 Chodzko-Zajko WJ, Proctor DN, Fiatarone Singh MA et al. American College of Sports Medicine position stand. Exercise and physical activity for older adults. Med Sci Sports Exerc 2009; 41: 1510-1530
    • 8 Watz H, Waschki B, Meyer T et al. Physical activity in patients with COPD. Eur Respir J 2009; 33: 262-272
    • 9 Manini TM, Everhart JE, Patel KV et al. Daily activity energy expenditure and mortality among older adults. JAMA 2006; 296: 171-179
    • 10 Fowkes FG, Murray GD, Butcher I et al. Ankle brachial index combined with Framingham Risk Score to predict cardiovascular events and mortality: a meta-analysis. 2008; 300: 197-208
    • 11 Stuart-Harris CH, Hanley T. Chronic bronchitis, emphysema and cor pulmonale. Bristol: John Wright and Sons; 1957
    • 12 Traver GA, Cline MG, Burrows B. Predictors of mortality in chronic obstructive pulmonary disease. A 15-year follow-up study. Am Rev Respir Dis 1979; 119: 895-902