Dialyse aktuell 2013; 17(10): 572-573
DOI: 10.1055/s-0033-1363871
Forum der Industrie
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Schwerpunkt sHPT – Nephrologie Up2Date 2013 – Praxisnähe als Erfolgskonzept

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Publication Date:
20 January 2014 (online)

 
 

Die Veranstaltung "Nephrologie Up2Date" steht für eine abwechslungsreiche und interaktive Fortbildung zum Thema sekundärer Hyperparathyreoidismus (sHPT). Bei der diesjährigen Veranstaltung in Berlin wurde ein Therapiealgorithmus vorgestellt, der aktuell in der Fachzeitschrift "Nieren- und Hochdruckkrankheiten" erschienen ist und vom Erstautor Dr. Christoph C. Haufe, Erfurt, zur Diskussion gestellt wurde. Einen weiteren Themenschwerpunkt bildete das Projekt "PSB Niere", dessen Ziel es ist, für die ganzheitliche Betreuung von Nierenpatienten psychosoziale Fachkräfte in nephrologischen Zentren zu etablieren.

"Nephrologie Up2Date" ist eine Veranstaltungsreihe, die seit über 5 Jahren von AbbVie (ehemals Abbott) erfolgreich durchgeführt wird. Auch im Herbst 2013 kamen wieder Nephrologen aus dem gesamten Bundesgebiet nach Berlin, um an der besonderen Fortbildungsveranstaltung teilzunehmen. Das Seminar zeichnet sich vor allem durch eine intensive Teilnehmerinteraktion aus. Eingeteilt in Teams werden die Teilnehmer via TED-System zur aktiven Mitarbeit motiviert und können über ein Nachrichtensystem jederzeit Themen und Fragestellungen an die Referenten herantragen. Diese wiederum greifen das situative Feedback auf und leisten so eine auf die individuellen Wünsche der Teilnehmer zugeschnittene Fortbildung. Das garantiert Verständlichkeit der Information, Relevanz und Aktualität.

Auch die Auswahl der Themen sowie besondere Programmhighlights sorgten für Abwechslung. So stand in Berlin der Besuch des anatomischen Instituts der Charité auf dem Programm, wo die Teilnehmer unter Anleitung von Prof. Sebastian Bachmann, Dr. Birgit Rudolph und Prof. Ralf Kettritz Einblick in histologische Arbeitsschritte erhielten, welche zwischen Nierenbiopsie und gesichertem Befund liegen, was für klinisch tätige Nephrologen in der Regel eine "black box" darstellt und daher besonders begeisterte.

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Abb. 1 Schematische Darstellung des sHPT-Therapieschemas.
nach [ 1 ]

Diskussion von Kasuistiken

Neben der Exkursion sorgte auch der Praxisbezug der Themen für eine kurzweilige Fortbildung. Ein halber Vormittag war der Besprechung eigener Kasuistiken und "Problemfälle" gewidmet. Dieser Praxisbezug ist gerade in der Therapie des sekundären Hyperparathyreoidismus (sHPT) wichtig, da die Leitlinien hier nur vage Behandlungsempfehlungen aussprechen und die klinisch tätigen Nephrologen oft auf ihre eigenen Erfahrungen angewiesen sind. Entsprechend hoch waren der Diskussionsbedarf der Teilnehmer und das Interesse, eigene Kasuistiken vorzustellen und sich den Rat der Kollegen einzuholen.

Mehrere Nephrologen, namentlich PD Dr. Vincent M. Brandenburg, Aachen, Prof. Dr. Helmut Geiger, Frankfurt, Dr. Christoph C. Haufe, Erfurt, und Prof. Dr. Frank Strutz, Wiesbaden, hatten sich zudem Anfang des Jahres zusammengetan und einen Therapiealgorithmus entwickelt, der im November in der Fachzeitschrift "Nieren- und Hochdruckkrankheiten" erschienen ist [ 1 ]. Haufe unterstrich den pragmatischen Anspruch des Therapieschemas: "Die Empfehlungen sollen im praktischen Alltag helfen. Sie resultieren aus der Auswertung der vorliegenden Studienlage und aus aktuellen pathophysiologischen Erkenntnissen. Sie haben ausdrücklich nicht den Anspruch von Leitlinien, geben aber eine praxisnahe – und, wie wir denken, allgemein konsensfähige – Interpretation an die Hand."


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Praxisnahes Stufenschema zur Therapie des sHPT

In der ersten Stufe des vorgestellten Algorithmus wird für alle Patienten mit Vitamin-D-Mangel ab dem CKD-Stadium 3 eine Supplementation mit nativem Vitamin D empfohlen. "Zum einen kann natives Vitamin D in diesem Stadium noch das PTH senken", so Haufe und verwies auf Daten von Zisman et al. [ 2 ], "zum anderen wirkt der Ausgleich eines Vitamin-D-Mangels präventiv im Hinblick auf die Entstehung des sHPT. Darüber hinaus sollte man nicht die zahlreichen pleiotropen Effekte dieser Medikation vergessen, die eine Substitution generell sinnvoll erscheinen lassen." Daher empfehlen die Autoren auch die Beibehaltung dieser Therapie in den späteren Stadien, unabhängig davon, ob dann zur PTH-Kontrolle andere Substanzen zum Einsatz kommen.

Wenn die PTH-Spiegel erhöht sind oder im Trend ansteigen, ist "first line" eine orale Therapie mit aktivem Vitamin D (Calcitriol oder Alfacalcidol) in zunächst niedriger Dosis indiziert. Da nicht nur der Vitamin-D-Mangel, sondern auch die gestörte Phosphatelimination den sHPT anheizten, hob Haufe die Notwendigkeit der Phosphatkontrolle bereits im prädialytischen Stadium der Niereninsuffizienz besonders hervor.

Bleibt dennoch die gewünschte PTH-Korrektur aus, so kann die Dosis des aktiven Vitamin-D-Präparats erhöht werden oder eine Umstellung auf Paricalcitol erfolgen. Bei einer Therapie mit herkömmlichen Vitamin-D-Analoga müssen jedoch die Serum-Kalzium- und Serum-Phosphat-Spiegel im Blick behalten werden, da sie die intestinale Kalzium- und Phosphatretention steigern. Hohe Kalzium- wie auch hohe Phosphatspiegel korrelieren mit einer erhöhten Mortalität [ 3 ] und dürften daher nicht ignoriert werden.

Spätestens, wenn bei den herkömmlichen Vitamin-D-Analoga wegen des Hyperkalzämierisikos keine Dosissteigerung mehr möglich ist, sollte eine Umstellung auf einen der beiden Nebenschilddrüsenantagonisten Paricalcitol oder Cinacalcet erfolgen. Während letzterer erst im Dialysestadium zugelassen ist, kann Paricalcitol auch bei nicht dialysepflichtigen Patienten eingesetzt werden und für eine effektive PTH-Senkung mit deutlich geringerer Beeinflussung der Kalziumspiegel als Calcitriol oder Alfacalcidol sorgen. Auch bei Dialysepatienten ist eine Monotherapie mit Paricalcitol zur sHPT-Therapie gut geeignet, wie die Autoren des Therapiealgorithmus hervorheben. In der IMPACT-SHPT-Studie [ 4 ] war Paricalcitol Cinacalcet bzgl. der Erreichung des KDOQI-PTH-Zielbereichs überlegen.

"Für das Dialysestadium stehen uns grundsätzlich 2 spezifische Nebenschilddrüsenantagonisten mit komplementärem Nebenwirkungsprofil zur Verfügung. Durchaus nicht selten ist das Absetzen oder zumindest die Reduzierung der herkömmlichen Vitamin-D-Medikation bereits in der Prädialyse notwendig, damit PTH, Kalzium und Phosphat in Balance gehalten werden können – dann ist Paricalcitol die einzige Therapieoption. Lässt sich der sHPT damit gut kontrollieren, besteht auch nach Eintritt in die Dialysepflichtigkeit keine Notwendigkeit, die Medikation umzustellen", so Haufe. Wichtig sei aber – und das gelte für beide Nebenschilddrüsenantagonisten – die Therapie dynamisch an den PTH-Verlauf sowie an die Entwicklung des Serumkalziums, -phosphats und der alkalischen Phosphatase anzupassen.

Wird jedoch in Monotherapie keine zufriedenstellende PTH-Senkung erreicht, können die beiden Präparate auch kombiniert gegeben werden, wie Haufe ausführte. Erst wenn die Palette der medikamentösen Therapieoptionen sorgfältig und voll ausgeschöpft ist, sollte die Parathyreoidektomie erwogen werden.

Noch bis Februar 2014!
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Nicole Scherhag, Mainz

"Auf ein Wort": Psychosoziale Begleitung beim Umgang mit Ihrer Nierenerkrankung
Jeden Montag von 16:00–18:00 Uhr
Tel.: 06732/9659827
auf-ein-wort@bnev.de


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Zur ganzheitlichen Therapie gehört auch die psychosoziale Beratung der Patienten

Die "Nephrologie Up2Date"-Veranstaltung beschäftigte sich jedoch nicht nur mit der medikamentösen Therapie von chronisch Nierenkranken, sondern eröffnete mit dem Beitrag von Diplom-Sozialpädagogin Nicole Scherhag des Bundesverbandes Niere e. V. eine andere Perspektive der Patientenversorgung: Sie stellte das Projekts "PSB Niere" vor, dessen Ziel es ist, Stellen für die psychosoziale Begleitung in Nierenzentren zu etablieren, die das medizinische Team ergänzen. Dadurch, dass die Patienten immer älter werden und mehr Begleiterkrankungen aufweisen, sind auch die Ansprüche an die Versorgung vielschichtiger geworden. Probleme wie Demenz oder Depression, die auch Fragen im Hinblick auf die häusliche Versorgung aufwerfen, sind bei Dialysepatienten nicht selten.

Gerade diese Menschen sind aber häufig nicht in der Lage, den "Behördendschungel" zu durchschauen: Sie wissen nicht, wohin sie sich wenden können, um Unterstützung zu erhalten – vom Behindertenausweis, der Beantragung der Rente bis hin zur Anerkennung einer Pflegestufe. Sie wenden sich mit ihren Sorgen und Nöten oft an das medizinische Team, das damit einer zusätzlichen zeitlichen Belastung ausgesetzt ist, zumal die Kenntnisse in sozialen Fragen oft fehlen und erst aufwendig recherchiert werden müssen. Die Patienten adressieren den Arzt oder das Pflegepersonal auch häufig mit psychischen Problemen und reagieren frustriert, wenn sie dort über die medizinische Versorgung hinaus keine ausreichenden Gesprächsangebote erhalten.

Eine psychosoziale Fachkraft kann das abfedern. Sie entlastet das medizinische Team und sorgt für eine "Rundumversorgung" und hohe Patientenzufriedenheit. Sie kann auch bei Problemen zwischen Patient und Arzt als Mediator herangezogen werden, z. B. bei einer mangelnden Compliance (im Hinblick auf die Medikamenteneinnahme oder Diät) oder zur Beratung und Vorbereitung von neuen Therapieschritten (z. B. wenn ein Verfahrenswechsel notwendig wird oder eine Operation, evtl. sogar Amputation, ansteht). "Ein großer Vorteil des Angebots der PSB Niere ist, dass soziale und psychologische Themen in einer Hand liegen. Das ist meines Erachtens ein Königsweg, denn beides bedingt sich gegenseitig. So sind es häufig soziale Ängste, die Patienten in eine Depression treiben – umgekehrt fällt ein depressiver Patient, der keinen Elan hat, seine Ansprüche gegenüber den Behörden geltend zu machen, schnell in die Armut", erläuterte Scherhag. "Eine im Zentrum angesiedelte psychosoziale Fachkraft ist daher wichtig".

Kleinere Zentren, die mit der Finanzierung einer solchen Fachkraft überfordert seien, könnten auch über flexible Beschäftigungsmodelle nachdenken, in denen eine Fachkraft für mehrere Zentren zuständig sei, die sich die Kosten teilen. "Wir hoffen, dass sich die Einrichtung der PSB eines Tages zum Regelangebot in der nephrologischen Versorgung etabliert", so Scherhag. Wie dringend das notwendig sei, habe zuletzt das Pilotprojekt des Patiententelefons "Auf ein Wort" gezeigt (siehe Infokasten), das mit der Unterstützung von AbbVie noch bis Februar 2014 läuft. "Wir werden mit Anfragen förmlich überrannt".

PSB Niere ist ein Projekt des Bundesverbandes Niere e. V. Als Patientenorganisation hat dieser es sich zur Aufgabe gemacht, die Notwendigkeit und den bestehenden Bedarf an psychosozialer Begleitung zu erforschen und die Umsetzung in einen festen Bestandteil der Behandlung in die Wege zu leiten. "Die psychosoziale Begleitung soll langfristig Teil eines umfassenden Qualitätsmanagements in der Nierenersatztherapie werden", so Scherhag.

Dr. Bettina Albers, Weimar

Dieser Beitrag entstand mit freundlicher Unterstützung der AbbVie Deutschland GmbH & Co. KG, Ludwigshafen.
Die Beitragsinhalte stammen von der Veranstaltung "Nephrologie Up2Date", Berlin, 21.–22.09.2013, veranstaltet von der AbbVie Deutschland GmbH & Co. KG, Ludwigshafen, und wurden von Dr. Bettina Albers (Medizinjournalistin) zusammengestellt.


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  • Literatur

  • 1 Haufe C et al. Nieren- und Hochdruckkrankheiten 2013; 11: 496-502
  • 2 Zisman AL et al. Am J Nephrol 2007; 27: 36-42
  • 3 Block GA et al. Am J Kidney Dis 1998; 31: 607-617
  • 4 Ketteler M et al. Nephrol Dial Transplant 2012; 27: 3270-3278

  • Literatur

  • 1 Haufe C et al. Nieren- und Hochdruckkrankheiten 2013; 11: 496-502
  • 2 Zisman AL et al. Am J Nephrol 2007; 27: 36-42
  • 3 Block GA et al. Am J Kidney Dis 1998; 31: 607-617
  • 4 Ketteler M et al. Nephrol Dial Transplant 2012; 27: 3270-3278

 
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Abb. 1 Schematische Darstellung des sHPT-Therapieschemas.
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Nicole Scherhag, Mainz