Für die Therapie des atypischen hämolytisch-urämischen Syndroms (aHUS) steht heute
mit Eculizumab, einem humanisierten monoklonalen Antikörper gegen C5, eine effektive
und gut verträgliche Therapie zur Verfügung. Umso wichtiger ist die Abgrenzung gegenüber
anderen Formen der thrombotischen Mikroangiopathie (TMA), die sich klinisch oft sehr
ähnlich darstellen können. Die schnelle Diagnose und Therapie kann hierbei entscheidend
für die Prognose der Patienten sein.
Bei der TMA handelt es sich um eine primäre Schädigung der Endothelzellen durch Entzündungen,
Infektionen oder die Einwirkung toxischer Substanzen. Nachfolgend kommt es zur mechanischen
Hämolyse und Thrombozytenaktivierung mit Thrombenbildung, erläuterte Prof. Michael
Wiesener, Erlangen.
Unkontrollierte Komplement-aktivierung bei aHUS im Vordergrund
Ein wichtiger Pathomechanismus kann dabei die unkontrollierte Komplementaktivierung
sein, die beim aHUS im Vordergrund steht. Gekennzeichnet ist das aHUS durch die Kombination
von mikroangiopathischer hämolytischer Anämie, Thrombozytopenie und Multiorgankomplikationen.
Die Erstmanifestation kann in jedem Lebensalter erfolgen.
Grundsätzlich handelt es sich um ein lebensbedrohliches Krankheitsbild: Schon mit
der ersten klinischen Manifestation versterben 33–40 % der aHUS-Patienten oder werden
terminal niereninsuffizient [
1
]. Die dahinter stehende Komplementkaskade ist heute gut bekannt. Die Aktivierung
von C3 zu C3b führt über die C5-Konvertase u. a. zur Bildung des potenziell autoaggressiven
Membranangriffkomplexes C5b-9, der zu Hämolyse, Entzündung und Thrombose führt. Bei
aHUS findet man verschiedene Mutationen von Faktoren wie Faktor H, I oder MCP, die
normalerweise hemmend auf diese Kaskade einwirken. Bei bis zu 50 % der aHUS-Patienten
lassen sich bisher noch keine Mutationen nachweisen.
aHUS ist eine Ausschlussdiagnose
Wichtigste Differenzialdiagnosen des aHUS sind die thrombotisch-thrombozytopenische
Purpura (TTP) und das durch Shiga-Toxin ausgelöste STEC-HUS. Eine TTP lässt sich durch
die verminderte Aktivität von ADAMTS13 diagnostizieren, der Nachweis von Shiga-Toxin
im Stuhl belegt STEC-HUS, sagte Wiesener. Weitere Faktoren wie Autoimmunerkrankungen,
Medikamente, Infektionen, Schwangerschaft oder Tumorerkrankungen können ein aHUS zudem
demaskieren. Hinweisend für eine aHUS-Diagnose können auch familiäre Belastung, erneute
TMA-Manifestationen und ein rascher Transplantatverlust nach Nierentransplantation
sein.
Frühzeitige Therapie mit Eculizumab verbessert Outcome
Die Differenzialdiagnose ist somit wichtig für die Therapieentscheidungen. Bei aHUS
ist nach der notfallmäßigen Plasmapherese bis zum Vorliegen der ADAMTS13-Testergebnisse
eine Umstellung auf den seit 2011 für diese Indikation zugelassenen Antikörper Eculizumab
(Soliris®) möglich, der selektiv die C5-Aktivierung hemmt. Dabei korreliert ein früher Einsatz
von Eculizumab mit einem besseren Outcome, berichtete PD Nils Heyne, Tübingen.
Belegt wurde die Wirksamkeit von Eculizumab in 2 prospektiven klinischen Studien [
2
]. An Studie 1 (C08-002) nahmen 17 Jugendliche und Erwachsene mit progredienter TMA-Manifestation
teil, 20 aHUS-Patienten an Studie 2 (C08-003) mit chronischer Nierenkrankheit und
lange bestehender Erkrankung. Innerhalb von 26 Wochen zeigte sich in beiden Studien
eine weitgehende Normalisierung der hämatologischen Parameter sowie ein Erhalt bzw.
eine Verbesserung der Nierenfunktion. Weitere Plasmapheresen waren nicht nötig. Bei
den Patienten mit progredientem aHUS wurde deutlich, dass die Patienten von einem
möglichst frühen Behandlungsbeginn profitieren.
Lang anhaltender Erfolg unter Langzeit-Therapie
86 % der Patienten beider Studien setzten die Therapie im Rahmen einer offenen Verlängerungsstudie
über 2 Jahre fort [
3
], [
4
]. In beiden Studien zeigte sich, dass die Effektivität in Bezug auf hämatologische
Parameter auch über diesen Zeitraum aufrechterhalten werden kann, berichtete Heyne.
Darüber hinaus wurde eine deutliche Verbesserung der Nierenfunktion beobachtet, die
kontinuierlich über 2 Jahre weiter zunahm. Besonders deutlich wurde dies bei den Patienten
mit lange bestehendem aHUS, die bereits eine chronische Niereninsuffizienz aufwiesen
und dennoch eine deutliche Zunahme der eGFR über die Zeit zeigten. Innerhalb des zweiten
Jahres stieg hier der Anteil von Patienten mit einer Abnahme des Serumkreatinins um
mindestens 25 % noch einmal von 35 % auf 55 % an.
Die Langzeitverträglichkeit war sehr gut. Die Häufigkeit unerwünschter Ereignisse
blieb über die 2-jährige Studiendauer konstant oder nahm ab. Somit steht für Patienten
mit aHUS unabhängig vom Mutationsnachweis heute eine sehr gut verträgliche und effektive
Langzeittherapie zur Verfügung, sagte Heyne.
Maria Weiß, Berlin
Dieser Beitrag entstand mit freundlicher Unterstützung der Alexion Pharma Germany
GmbH, München.
Die Beitragsinhalte stammen vom Symposium "Neue Daten und Erfahrungen mit Eculizumab
in der aHUS-Therapie", 07.10. 2013, unterstützt von der Alexion Pharma Germany GmbH,
München, auf der 5. Jahrestagung der DGfN, Berlin.
Die Autorin ist freie Journalistin.