Aktuelle Urol 2014; 45(01): 13-14
DOI: 10.1055/s-0034-1366937
Referiert und kommentiert
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Prostatakarzinom – Kürzerer Penis nach Therapie des Prostatakarzinoms

Rezensent(en):
Bettina Rakowitz

Urology 2013;
81: 130-135
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Publikationsverlauf

Publikationsdatum:
05. Februar 2014 (online)

 
 

Die Behandlung eines Prostatakarzinoms kann eine reduzierte Penisgröße zur Folge haben – ein zwar beschriebener aber bisher wenig beachteter Effekt. Parekh et al. zielten mit ihrer Studie auf die Inzidenz bei unterschiedlichen therapeutischen Methoden sowie auf die Effekte der Penisverkürzung hinsichtlich Lebensqualität und „treatment regret“.
Urology 2013; 81: 130–135

mit Kommentar

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Die Behandlung des Prostatakarzinoms kann eine Penisverkürzung zur Folge haben. Parekh et al. empfehlen, den Patienten vor der Wahl der Therapie über dieses Risiko aufzuklären. (Bild: Wetter A et al. Röfo 2006; 178: 385–390)

Die einzelnen Behandlungsmethoden des Prostatakarzinoms führen in unterschiedlichem Maß das Risiko einer Penisverkleinerung oder -verkürzung mit sich. Ein subjektiv kleinerer Penis wiederum reduziert deutlich die Lebensqualität und steigert signifikant das Bedauern des Patienten, sich für diese Therapie entschieden zu haben. Die zugrunde liegende Studie umfasste 948 Männer mit steigendem PSA-Wert nach der Erstbehandlung eines nicht metastasierten Adenokarzinom der Prostata. Die Wahrnehmung einer reduzierten Penisgröße und die damit verbundenen emotionalen Folgen wurden per Fragebogen ermittelt. 510 (53,8 %) Patienten hatten eine radikale Prostatektomie, 225 (23,7 %) unterzogen sich einer Hormontherapie kombiniert mit Radiatio (perkutan oder Brachytherapie) und 213 (22,5 %) einer alleinigen Radiatio. Das Alter der Patienten lag zu 75,6 % zwischen 60 und 80 Jahren. 22,3 % der Teilnehmer waren jünger, 2 % waren älter. Mögliche Komorbiditäten wurden in kardial (171 Patienten) und nichtkardial (530 Patienten) unterschieden.

Inzidenz nach Prostatektomie und Hormontherapie höher

Insgesamt klagten 25 Teilnehmer über eine reduzierte Penisgröße. Die Inzidenz betrug bei chirurgischer Intervention 3,73 % und bei Radiatio plus Hormontherapie 2,67 %. Von den Patienten mit alleiniger Radiatio beklagte keiner eine Penisverkürzung. Gegenüber alleiniger Strahlentherapie ist das Risiko einer Penisverkleinerung damit bei Prostatektomie und bei Radiatio plus Hormontherapie signifikant erhöht. Zwischen diesen beiden Therapieoptionen besteht hingegen kein signifikanter Unterschied hinsichtlich der Inzidenz einer Penisverkleinerung. Alter oder Komorbiditäten waren nicht mit einer reduzierten Penisgröße nach Behandlung assoziiert.


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Emotionale Auswirkungen

Eine multivariate Analyse ergab, dass im Falle einer Penisverkürzung deutlich mehr Patienten die gewählte Therapie bereuten (Odds Ratio (OR) 3,37; 95 %-Konfidenzintervall (KI) 1,37–8,26; P = 0,0079). Auch zeigte sich eine gesteigertes Risiko für eine Beeinträchtigung derjenigen Emotionen, die eng mit der Penisgröße verknüpft sind (OR 2,36; 95 %-KI 1,02–5,47; P = 0,044). Die allgemeine Lebenszufriedenheit war bei den Betroffenen ebenfalls reduziert (OR 2,35; 95 %-KI 0,997–5,546; P = 0,0507).

Fazit

Eine Prostatektomie wie auch eine Therapie durch Radiatio plus Hormontherapie hat im Gegensatz zu alleiniger Strahlentherapie deutlich häufiger einen subjektiv verkleinerten Penis zur Folge. Dieser Nebeneffekt habe dann emotionale Auswirkungen und lasse den Patienten häufiger die gewählte Behandlung bereuen. Die Autoren empfehlen daher, dass behandelnde Ärzte den Patienten bei der Wahl der therapeutischen Maßnahme über die Möglichkeit dieses selten erwähnten Nebeneffekts ausführlich informieren.


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Kommentar

Ist es wirklich so einfach?

Neben den onkologischen Ergebnissen ist die Lebensqualität nach den unterschiedlichen Therapieoptionen für das Prostatakarzinom ein wichtiger Faktor für die Zufriedenheit eines Patienten mit der gewählten Therapieform. Daher sollte die Möglichkeit der Änderung von Potenz und Kontinenz nach einer Therapieform im Beratungsgespräch von Arzt und Patient sorgfältig im Rahmen der Therapieentscheidung abgewogen werden. Auch das Auftreten einer Penisverkürzung nach Hormonentzugstherapie [ 1 ] sowie nach kombinierter Hormon- und Strahlentherapie ist in der Literatur beschrieben [ 2 ]. Die Diskussion um eine Penisverkürzung nach Prostatektomie wird kontrovers geführt. Während eine signifikante Penisverkürzung kurz nach Prostatektomie beobachtet wurde [ 3 ]–[ 5 ], zeigte sich dieser Effekt im weiteren Verlauf als vollständig rückläufig [ 4 ] bzw. trat gar nicht erst auf [ 6 ]. Zudem zeigte sich, dass Alter, Ausmaß der Nervschonung sowie die postoperative Erholung der Erektionsfähigkeit unabhängige protektive Faktoren gegen die Penisverkürzung sind [ 7 ].

Tritt im Verlauf nach einer gewählten Prostatakarzinomtherapie Bedauern über die gewählte Therapieoption auf, so kann dies auf multiple Faktoren zurückgeführt werden. Bisherige Arbeiten zeigen, dass das onkologische Ergebnis, die Angst vor einem Rezidiv, Inkontinenz, erektile Dysfunktion und weitere Aspekte, wie z. B. die Qualität des Aufklärungsgesprächs vor der Therapie, die Zufriedenheit des Patienten nach der Therapie maßgeblich beeinflussen [ 8 ]–[ 10 ].

Zahlreiche Limitationen aufgrund hoher Komplexität des Themas

In der aktuell vorliegenden Arbeit wird bei Prostatakarzinompatienten erhoben, ob eine postinterventionelle Penisverkürzung Einfluss auf das Bedauern der initialen Therapieentscheidung hat. Dieser interessanten Frage ist ein hochkarätiges Autorenteam nachgegangen. Trotz der großen Patientenzahl, weist die Studie relevante Limitationen auf. Diese Limitationen sind größtenteils auf die Komplexität von „Untersuchungen zur postinterventionellen Penislänge“ zurückzuführen. Beispielsweise wurde in der vorliegenden Studie keine standardisierte Messung der Penislänge durchgeführt. Ein weiterer Aspekt ist, dass das Bedauern der initialen Therapieentscheidung wahrscheinlich durch das eingetretene Rezidiv beeinflusst wurde.

Durch Erhebung der individuellen Patienteneinschätzung versuchen die Autoren der Studie diese Einschränkungen zu reduzieren. Die individuelle Einschätzung des Patienten hat selbstverständlich ein großes Gewicht, muss jedoch nicht zwangsläufig mit einer objektiv messbaren Penisverkürzung einhergehen und wurde darüber hinaus mithilfe nicht validierter Fragen durchgeführt [ 6 ]. Eine weitere Limitation ist die mangelnde Berücksichtigung von Informationen zur präund postinterventionellen Potenz, zur Verwendung von PDE-5-Hemmern, zur gewählten Therapieform (z. B. einseitig vs. beidseitig nerverhaltendes Vorgehen bei der Operation) sowie der Qualität des präinterventionellen Aufklärungsgesprächs. Neben diesen Limitationen wird mit der großen Heterogenität der eingeschlossenen Zentren ein weiterer Unsicherheitsfaktor in die Analyse integriert. Ein entsprechend großer Bias ist daher bei der Interpretation der Ergebnisse vorauszusetzten.

Umfassende und transparente Patientenaufklärung wichtig

Zusammenfassend ist die angeführte Methodik der Erhebung der Penislänge eingeschränkt und die Wahl der Kovariablen für die multivariate Analyse so überschaubar, dass die Ergebnisse z. T. spekulativ sind. Obwohl die Autoren eine wichtige Frage adressieren, sind die Daten leider so limitiert, dass die Analysen der gesamten Komplexität des Themas der Beeinflussung der Patientenzufriedenheit durch eine Penisverkürzung nicht ausreichend gerecht werden konnten. Basierend auf dieser Arbeit zeigt sich erneut, dass neben einer guten Therapie, auch eine im Vorfeld umfassende und transparente Patientenaufklärung zu potenziellen postinterventionellen Einschränkungen der Lebensqualität notwendig ist, um eine hohe postinterventionelle Patientenzufriedenheit zu gewährleisten.

Dr. Jonas Schiffmann, PD Dr. Lars Budäus, Hamburg


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Dr. Jonas Schiffmann


ist Assistenzarzt an der Martini-Klinik am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf

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PD Dr. Lars Budäus


ist Leitender Arzt an der Martini-Klinik am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf

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Die Behandlung des Prostatakarzinoms kann eine Penisverkürzung zur Folge haben. Parekh et al. empfehlen, den Patienten vor der Wahl der Therapie über dieses Risiko aufzuklären. (Bild: Wetter A et al. Röfo 2006; 178: 385–390)