Rofo 2014; 186(4): 425-426
DOI: 10.1055/s-0034-1368943
Radiologie und Recht
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Leserbrief zum Beitrag „Anforderungen an die Qualifikation und die Überwachung von nichtärztlichem Personal im Strahlenschutz Fortschr Röntgenstr 2014; 186(1): 91-94 – Ergänzende Anmerkungen zum zitierten Urteil des Verwaltungsgerichtshofes Baden-Württemberg vom 17.12.2012 (Az.: 10 S 1340/12) und zur „ständigen Aufsicht“ im Strahlenschutzrecht

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Publication Date:
01 April 2014 (online)

 

    Die Autoren berichten über dieses inzwischen rechtskräftige Urteil und ziehen daraus Schlüsse für den Bereich der Röntgenverordnung. Zu bedenken ist allerdings, dass das Urteil sich mit einem Einzelfall beschäftigt und eine Verallgemeinerung daher mit besonderem Vorbehalt zu betrachten ist. Die vom VGH beurteilte Fragestellung beschäftigt sich vorrangig damit, ob die Aufgabenerfüllung der MTRA-Tätigkeit bei der Strahlenbehandlung gleichwertig durch die vom Kläger vorgesehenen beiden Arzthelferinnen erfolgen könnte; es geht also um die Bewertung von „Ersatzmaßnahmen“ des Klägers gegenüber den Forderungen der Genehmigungsbehörde.

    Der VGH stellt richtigerweise die rechtliche Einordnung der Richtlinie Strahlenschutz in der Medizin und die alleinige rechtliche Verbindlichkeit der Strahlenschutzverordnung für das Genehmigungsverfahren fest. Dennoch ist für die Praxis der Genehmigungs- und Aufsichtsbehörden diese Richtlinie von grundlegender Bedeutung. Festzustellen ist dazu auch, dass die Richtlinie unter Beteiligung der fachlich betroffenen Kreise entstanden ist, was dem VGH bei der Bewertung offensichtlich nicht bekannt wurde. Die Richtlinie beschreibt die für die Umsetzung der Strahlenschutzverordnung wesentlichen Sachverhalte auf heute üblichen fachlichen Standard. Weitergehend als nur für die Umsetzung der Strahlenschutzverordnung erforderlich, beschreibt die Richtlinie deshalb auch Sachverhalte und rechtliche Vorgaben, die im jeweiligen Tätigkeitsbereich von der Behörde bzw. dem Anwender ebenfalls zu beachten sind.

    Der VGH bemängelt, dass bei der therapeutischen Anwendung ionisierender Strahlung die Forderung nach einer „unmittelbaren Aufsicht“ durch einen im Strahlenschutz fachkundigen Arzt in der Richtlinie gestellt wird (s. Abschnitte 5.2.2, 6.3.1 und Anlage B 10 der Richtlinie). Diese strenge Forderung ist für die technisch mitwirkenden Personen nicht in der Strahlenschutzverordnung enthalten. Ebenso ist diese Forderung nicht für die Ärzte ohne die erforderliche Fachkunde im Strahlenschutz dort enthalten. Im gleichfalls anzuwendenden ärztlichen Berufsrecht hat diese Forderung der unmittelbaren Aufsicht jedoch ihren Ursprung:

    Zitat : „Eine Delegation von Leistungen, die die Qualifikation eines weitergebildeten Facharztes erfordern, an einen anderen Arzt, der nicht über die entsprechende Facharztqualifikation verfügt, ist nur zulässig, wenn die Delegation im Rahmen der Weiterbildung des anderen Arztes erfolgt und wenn sich der delegierende Arzt in unmittelbarer Nähe des anderen Arztes aufhält oder er sich zuvor davon überzeugt hat, dass der andere Arzt über ausreichende Erfahrung mit der Erbringung dieser einzelnen Leistung verfügt.“ Auszug aus „Persönliche Leistungserbringung - Möglichkeiten und Grenzen der Delegation ärztlicher Leistungen-„, Bundesärztekammer und Kassenärztliche Bundesvereinigung, Abschnitt IV. Delegation an ärztliche Mitarbeiter, Stand: 29.08.2008

    Regeln, die für die Behandlung bei Ärzten in der Weiterbildung gelten, können meines Erachtens erst recht nicht für Arzthelferinnen usw. unbeachtet bleiben. Für den VGH war jedoch diese berufsrechtliche Fragestellung nicht grundlegender Verfahrensgegenstand und blieb im Urteil ohne Beachtung.

    Die vom VGH angeführte „Erreichbarkeit innerhalb von 15 Minuten“ bei der ständigen Aufsicht verdient eine genauere Betrachtung danach, ob die Erreichbarkeit für Aufgaben im Strahlenschutz oder ob diese für die ärztliche Tätigkeit bei der Strahlenbehandlung erforderlich ist. Während in Abschnitt 4.3 der Richtlinie (Strahlenschutzanweisung) diese Zeitspanne ausdrücklich für die Erreichbarkeit des Strahlenschutzbeauftragten beschrieben wird, ist in Anlage B 10 diese Regelung auf „eine Person mit der für diese Anwendung erforderlichen Fachkunde im Strahlenschutz“ aufgeweitet – hier könnte daher auch der Medizinphysikexperte oder eine MTRA für Aufgaben im Strahlenschutz gerufen werden. Die anschließende Entscheidungskompetenz liegt beim Strahlenschutzbeauftragten. Kann aus Gründen des Strahlenschutzes diese Zeitspanne sinnvoll sein und angewendet werden, weil z. B. die Bestrahlungseinrichtung kurzfristig abgeschaltet werden kann, so könnte aus Gründen der erforderlichen ärztlichen Aufgabenerfüllung diese Zeitspanne nicht akzeptabel sein. Die ausführliche Risikoabwägung des VGH betrachtet jedoch lediglich den Aspekt des Strahlenschutzes und der dafür erforderlichen Aufsicht. Daher ist im Einzelfall die Übertragung des Urteiles des VGH auf die Praxis sehr differenziert zu prüfen.

    Die vom VGH beurteilte Fragestellung bewertet rechtlich, ob die Aufgabenerfüllung der MTRA-Tätigkeit gleichwertig durch die vom Kläger vorgesehenen beiden Arzthelferinnen erfolgen könnte. In § 82 StrlSchV werden Berufsgruppen genannt, die ausschließlich bei der Anwendung am Menschen beteiligt sein dürfen. Andere Berufsgruppen werden dadurch grundsätzlich bei der Anwendung am Menschen ausgeschlossen, selbst wenn die jeweilige Berufsgruppe umfangreich im Strahlenschutz ausgebildet ist. Ich möchte dazu die Beratungen zum Einsatz der Medizinphysiker bzw. der Medizinphysikexperten (MPE) in Erinnerung rufen. Nur dem MPE ist seit der erfolgten Änderung der Strahlenschutzverordnung 2011 die eingeschränkte technische Mitwirkung gestattet.

    Die „technische Mitwirkung“ bei der jeweiligen Anwendung ionisierender Strahlung ist dem in § 82 Abs. 2 Strahlenschutzverordnung genannten Personenkreis pauschal gestattet. Weder im Strahlenschutzrecht noch im MTA-Gesetz ist weitergehend ausgeführt, was „technische Mitwirkung“ exakt beschreiben soll. Nach meinem Verständnis handelt es sich hier um einen unbestimmten Rechtsbegriff, genau so wie z. B. die „erforderliche Fachkunde im Strahlenschutz“. Abhängig von der zu erfüllenden Aufgabe und den beruflichen Vorkenntnissen sind die durch die Anforderungen des Strahlenschutzes bedingten zusätzlichen Anforderungen differenziert zu betrachten. In der Richtlinie sind dazu auch aus heutiger Sicht keine ausreichenden Erläuterungen aufgeführt (siehe Abschnitte 5.2.2, 6.5 und Anlage B 10). Die erforderlichen strahlenschutzfachlichen Bedingungen sind ebenso dort nicht genannt. Die Themenstellung wurde bereits bei der Entstehung der Richtlinie erörtert, musste damals aber noch offen bleiben.

    Der VGH hat für die Strahlenbehandlung die Beschreibung „nur unterstützende Tätigkeit“ für Arzthelferinnen bei der technischen Mitwirkung nicht gebilligt. Dass diese Unterstützung ein Teilbereich der technischen Mitwirkung sein kann, der sich durch die Qualifikation des Berufsbildes der MFA zur Behandlungsassistenz usw. ergibt, wird vom VGH nicht betrachtet. Da der Kläger in der mündlichen Verhandlung die Kombination MTRA mit MFA ablehnte und auf dem alleinigen Einsatz von zwei MFA bestanden hatte, konnte für den VGH dieser Themenbereich leider offenbleiben. Wie würde der VGH urteilen, wenn andere Berufsgruppen aus dem breiten Spektrum der in § 82 Abs. 2 Nr. 4 StrlSchV Genannten, z. B. Logopäden, zur Bewertung stehen? Zu bedenken ist ferner, dass eine gewachsene Arbeitsteilung Arzt/MTRA besteht. Diese bewährte Aufgabenteilung wirkt bis in die Ausbildung der Strahlentherapeuten hinein. Daher können bestimmte technische Aufgabenteile nicht vom im Strahlenschutz fachkundigen Arzt „beaufsichtigt“ werden. Der VGH geht aber selbst davon aus, dass es unterschiedliche Überwachungsumfänge wegen der unterschiedlichen Risiken bei der Strahlenbehandlung geben muss. Ich bin sicher, dass die Behörden dieser notwendigen Differenzierung bei der technischen Mitwirkung häufiger Berufsgruppen sich zukünftig stellen werden.

    Dipl.-Phys. Günter Roos
    Ministerialrat a. D. Mainz


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