Rofo 2014; 186(11): 1043
DOI: 10.1055/s-0034-1369350
DRG-Mitteilungen
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Kinderradiologie in Deutschland – Neue Untersuchungsverfahren verringern das Strahlungsrisiko – personelle Situation des Fachs dramatisch

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Publication Date:
23 October 2014 (online)

 

Presseinformation der AG Pädiatrische Radiologie in der Deutschen Röntgengesellschaft im Rahmen der 110. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin e. V. vom 11.–14.09.2014 in Leipzig

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Prof. Dr. Hans-Joachim Mentzel, Leiter der AG Pädiatrische Radiologie in der DRG.

Leipzig, September 2014. Auf der diesjährigen Jahrestagung der DGKJ präsentierte sich die Arbeitsgemeinschaft Pädiatrische Radiologie der Deutschen Röntgengesellschaft (DRG) mit einer eigenen Session. „Zentrales Thema ist der Einsatz strahlungsarmer Untersuchungsmethoden bei Kindern. Deren Erforschung aber wird schwieriger, weil immer weniger Zentren über kinderradiologische Abteilungen verfügen“, sagt Prof. Dr. Hans-Joachim Mentzel, Leiter der AG und Professor für Kinderradiologie am Universitätsklinikum Jena.

Im wissenschaftlichen Fokus steht der kontrastmittelgestützte Ultraschall

Da der kindliche Organismus in seiner Wachstumsphase wesentlich strahlenempfindlicher ist als der Organismus Erwachsener, fängt der Strahlenschutz bei der Wahl der Untersuchungsmethode an. Häufig heißt die Methode Ultraschall, der bei Säuglingen und Kleinkindern auch zur Untersuchung des Skelettsystems eingesetzt werden kann sowie bei vielen Fragestellungen, die die inneren Organe betreffen. Eine wesentliche Entwicklung der letzten Jahre ist der kontrastmittelverstärkte Ultraschall. „Wir verwenden diese hervorragende Methode bei der Tumordiagnostik, aber auch bei Abklärung innerer Verletzungen wie Milz- oder Leberrupturen und können so Kindern aufwändige CT- oder MRT-Untersuchungen ersparen“, so Mentzel. Besonders geeignet ist die KM-Sonografie bei der seit Jahren etablierten Reflux-Diagnostik: Hier geht es darum, einen möglichen Harnrückfluss von der Blase in die Niere zu diagnostizieren, eine häufige, angeborene oder erworbene Fehlfunktion im frühen Kindesalter, die bei den kleinen Patienten zu chronischen Harnwegsinfektionen führen kann.

Das Kontrastmittel selbst besteht aus mikrokleinen Gasbläschen (Microbubbles), die in die Harnblase gegeben oder in die Blutbahn gespritzt werden und später über die Lunge abgeatmet werden. Gegenüber dem herkömmlichen Ultraschall hat die kontrastmittelverstärkte Sonografie den Vorteil einer deutlich besseren Sichtbarkeit der untersuchten Organe und ihrer Durchblutung. „Zudem löst dieses nichtstrahlende Verfahren röntgendiagnostische Untersuchungsverfahren ab und leistet damit einen Beitrag zum Strahlenschutz unserer jungen Patienten“, so der Jenaer Experte.


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PET / MR – eine vielversprechende Untersuchung gerade in der Kinderradiologie

In der Programmsession wurde ferner eine Untersuchungsmethode vorgestellt, die ebenfalls helfen kann, die Strahlendosis bei Kindern zu reduzieren und gleichzeitig den diagnostischen Mehrwert zu erhöhen. Die Rede ist von PET / MR, einem Kombinationsverfahren, das sowohl den Organstoffwechsel darstellt, als auch detailliert anatomische Informationen liefert. Eingesetzt wird die PET / MR bei kindlichen Tumorerkrankungen. Anders als die schon länger etablierte PET / CT arbeitet das neue Verfahren deutlich strahlungsärmer. Ein Problem ist aber aktuell noch die Verfügbarkeit. So gibt es in Deutschland bislang nur 4 Universitätsstandorte mit PET / MR-Geräten.


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Situation der Kinderradiologie in Deutschland kritisch

„Der technische Fortschritt kann leider nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Situation der Kinderadiologie in Deutschland dramatisch ist“, formuliert Mentzel ein drängendes versorgungspolitisches Problem und führt aus: „Viele Professuren für das Fach bleiben unbesetzt, erst jüngst wurde das Berufungsverfahren an der fusionierten Uniklinik Gießen / Marburg eingestellt. Damit ist das Bundesland Hessen mit ca. 1 Million Kindern ohne eine entsprechend akademisch besetzte universitäre Kinderradiologie. Die Last der Forschung, Lehre und Weiterbildung muss von immer weniger Zentren getragen werden. Zudem ist die Qualität der Versorgung eingeschränkt, wenn Kinderzentren nicht mehr über eine nötige kinderradiologische Expertise verfügen. Das betrifft besonders die kritischen Spezialbereiche wie die Frühgeborenen-Versorgung oder die Krebsmedizin bei Kindern.“ Uneingeschränkt schließen sich die Kinderradiologen damit dem politischen Appell der DGKJ-Kampagne „Rettet die Kinderstation“ an.


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Was ist Kinderradiologie?

Kinder sind keine kleinen Erwachsenen. Sie haben andere und anders verlaufende Krankheiten als Erwachsene. Hauptgebiete der Kinderradiologie liegen in der Neonatologie (Frühchen-Medizin), Kinderonkologie und der Diagnostik von Entwicklungsstörungen. Die Untersuchung von Kindern erfordert mehr Zeit und Einfühlungsvermögen. Auch die Untersuchungsmethoden sind von der Erwachsenenradiologie unterschieden: Da der kindliche Organismus sensibler auf Röntgenstrahlung reagiert, kommt der Sonografie (Ultraschall) eine besondere Bedeutung zu. Die Kinderradiologie ist ein Schwerpunkt der Radiologie. Kinderradiologen verfügen neben der Expertise in der allgemeinen Radiologie über umfangreiche Kenntnisse der Kinderheilkunde. Entsprechend lang ist die Weiterbildungszeit mit in der Regel 7 Jahren. Aktuell praktizieren in Deutschland 110 Kinderradiologinnen und -radiologen. Bei über 12 Millionen Kindern, die in Deutschland leben, ist eine flächendeckende kinderradiologische Versorgung daher nicht mehr sichergestellt.

Weiterführende Informationen
http://www.kinder-radiologie.org/
http://www.drg.de/de-DE/1171/historie-und-visionen-der-gesellschaft-fuer-paediatrische-radiologie
http://www.rettet-die-kinderstation.de/


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Prof. Dr. Hans-Joachim Mentzel, Leiter der AG Pädiatrische Radiologie in der DRG.