ZWR - Das Deutsche Zahnärzteblatt 2015; 124(03): 123-124
DOI: 10.1055/s-0034-1369637
Colloquium
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Keramik – Das Implantatmaterial der Zukunft?

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Publication Date:
11 March 2015 (online)

 

    Um dem Wunsch der Patienten nach biologisch orientierten zahnärztlichen Versorgungen gerecht zu werden, bieten immer mehr Hersteller Keramikimplantate an. Doch wann sind die Titanalternativen indiziert, wann kontraindiziert? Handelt es sich um ein Nischenprodukt? Wie funktioniert überhaupt die Einheilung? Lässt sich damit das Periimplantitisrisiko senken? Und welche Risiken bestehen? Die ZWR-Redaktion sprach darüber mit Prof. Jens Fischer, Leiter Forschung & Entwicklung und Geschäftsbereichsleiter vitaclinical bei VITA Zahnfabrik.

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    ceramic.implant von vitaclinical (Quelle: VITA Zahnfabrik).

    Warum braucht es Keramikimplantate? Wie schätzen Sie die Relevanz ein?


    Prof. Jens Fischer: Keramikimplantate erfüllen den Wunsch der Patienten nach metallfreien Komplettversorgungen. Abgesehen von ihren ästhetischen Nachteilen bergen metallische Versorgungen das Risiko von Korrosion und Materialunverträglichkeit. Im Gegensatz zu Metallen befinden sich Keramiken in einem „chemischen Gleichgewicht“, die Bindungen sind mit Sauerstoff abgesättigt. Eine metallfreie implantatgetragene Versorgung ist möglich seit es gelungen ist, keramische Implantate mit einer mikrostrukturierten Oberfläche zu versehen und so eine dauerhafte Osseointegration zu erreichen. Das bedeutet für den Patienten natürlich große biologische und ästhetische Vorteile. Der Wunsch seitens der Patienten nach keramischen Implantaten wird aus diesem Grund stetig zunehmen.


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    Bereits auf der IDS 2009 wurde über zweiteilige Keramikimplantate diskutiert. Doch bis heute konnten sie sich nicht durchsetzen. Was sind die ­Gründe?


    Fischer: Aus dem täglichen Leben wissen alle, dass keramische Werkstoffe wie z. B. Porzellan empfindlich sind und eher brechen als Metalle. Dadurch entstehen bei potenziellen Anwendern von Keramikimplantaten immer wieder große Bedenken zur Festigkeit. Dies wird oft schon bei einteiligen Keramikimplantaten befürchtet, bei zweiteiligen potenzieren sich die Bedenken. Wir müssen aber daran denken, dass die Festigkeit eines Bauteils nicht nur vom Material, sondern maßgeblich auch von seiner Konstruktion und der Oberflächenqualität abhängt.


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    Etabliert sind dagegen inzwischen einteilige Keramikimplantate. Sie werden heute von etlichen Herstellern angeboten. Nach welchen Kriterien soll sich der Praktiker zwischen den unterschiedlichen Angeboten entscheiden?


    Fischer: Etabliert sind Keramikimplantate wohl nur bedingt. Hier braucht es noch viele Informationen, z.B. welche Implantate klinisch erprobt für welche Indikation geeignet sind usw.


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    Welche Rolle spielt das Implantatdesign, welche die Implantatoberfläche?


    Fischer: Beide Parameter beeinflussen direkt den Erfolg oder Misserfolg von Implantaten, auch von Keramikimplantaten. Hier kommt es darauf an, nicht nur Erfahrungen aus der Titanimplantologie einfach auf die Keramik zu übertragen. Es ist notwendig Grundlagen zu erarbeiten, die den erfolgreichen Einsatz keramischer Implantate vorhersagbar macht. Dies gilt für beide Parameter.


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    Gibt es auch Materialunterschiede, oder ist Zirkonoxid gleich Zirkonoxid?


    Fischer: Hier sprechen Sie den wohl gravierendsten Punkt bei der Beurteilung von Keramikimplantaten an. Für den Anwender sieht das Material fast immer gleich aus, doch es gibt entscheidende Unterschiede. Bei der Pulverchemie angefangen bis zum Sintern oder heiß isostatisch Nachverdichten, beeinflussen diese Prozesse ganz erheblich das Endprodukt, auch wenn das Material am Ende äußerlich gleich aussieht. Zudem hat auch der jeweilige Herstellprozess von Keramikimplantaten großen Einfluss auf das Verhalten des Materials. Zirkonoxid ist also keinesfalls gleich Zirkonoxid.


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    Welche Studien belegen den Erfolg von Keramikimplantaten, gibt es bereits Studien über einen längeren Zeitraum?


    Fischer: Es sind zahlreiche und verschiedenste Studien mit Keramikimplantaten durchgeführt worden. Laborstudien mit Zellkulturen, Tierversuche und klinische Dokumentation belegen, dass einerseits die Zellreaktionen auf rauen Zirkonoxid-Oberflächen, andererseits die Osseointegration und schließlich das Langzeitverhalten mindestens gleichwertig zu Titanimplantaten sind. Interessant erscheint mir die Beobachtung aus unserer klinischen Studie, dass die Weichgewebe-Heilung nach der Insertion deutlich schneller abläuft als bei Titanimplantaten. Sollte dieser Aspekt sich in weiteren Beobachtungen bestätigen, ist dies doch ein ganz wichtiger Aspekt vor allem für ästhetisch anspruchsvolle Rehabilitationen und ein klarer Hinweis auf die hervorragende biologische Verträglichkeit der Keramik.


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    Stichwort Sofortbelastung: Manche Hersteller empfehlen nach der Insertion von einteiligen Keramikimplantaten das Tragen spezieller Schutzschienen, um das Implantat während der Einheilungsphase zu schützen. Was sind die Gründe? Und: Ist das Tragen einer Schutzschiene ein Muss?


    Fischer: Nun, die Gründe für spezielle Schutzschienen kommen wohl aus den entstandenen Erfahrungen einer verzögerten Osseointegration des jeweiligen Implantats. Wir von vitaclinical hatten unter anderem als Entwicklungsziel, das Tragen einer Schutzschiene während der Einheilung möglichst zu umgehen, denn für den Patienten ist es eine Erleichterung ohne Schutzschiene auskommen zu können. Mit den Ergebnissen unserer klinischen Multicenterstudie konnten wir nachweisen, dass das Tragen einer Schutzschiene während des Einheilprozesses von ceramic.implant tatsächlich kein Muss ist. Das Implantatdesign, die osseokonduktive Oberfläche, das chirurgische Vorgehen und ein außer Kontakt geschliffenes Provisorium sind die Rahmenbedingungen bei denen das Tragen der Schutzschiene entfallen kann.


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    Wann konkret sind einteilige Keramikimplantate indiziert, wann kontraindiziert?


    Fischer: Bei der Indikation von einteiligen Keramikimplantaten ist eine gute Primärstabilität entscheidend. Um diese Primärstabilität zu erreichen, sind ein ausreichendes Knochenangebot und eine gute Knochenqualität wichtigste Voraussetzungen. Bei der Zementierung der Suprakonstruktion muss sichergestellt sein, dass der entstehende Zementspalt maximal 1,5-2,0mm subgingival liegen darf. So ist die Hauptindikation aus unserer Sicht das Seitenzahngebiet im OK und UK. Zusammen mit einer geeigneten prothetischen Versorgung ist damit eine unter biologischen, funktionellen und ästhetischen Kriterien hohe Qualität der Versorgung zu erreichen.


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    Lässt sich im Frontzahnbereich mit zweiteiligen Titanimplantaten mit Zirkonoxid-Abutment einfacher oder schwieriger ein ästhetisches Ergebnis erzielen als mit einteiligen Zirkonimplantaten?


    Fischer: Grundsätzlich hat man mit einem Zirkonoxidimplantat den Vorteil, dass auch der Implantatkörper zahnfarben ist, was bei einer dünnen Gingiva den dunklen Schatten des Titanimplantats vermeidet. Voraussetzung ist natürlich, dass eine prothetische Versorgung ohne abgewinkeltes Abutment möglich ist.


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    Was muss man im Gegensatz zu Titanimplantaten beim Inserieren beachtet?


    Fischer: ceramic.implant wurde keramikgerecht designt. Dies bedeutete für uns unter anderem, auf ein selbstschneidendes Gewinde zu verzichten. Durch das Vorschneiden eines Gewindes kann das Absprengen von Partikeln aus der Implantatoberfläche – so wie es für selbstschneidende Titanimplantate in der Literatur beschrieben wird – vermieden werden. Zudem kann das Gewinde des Implantats keramikgerecht gerundet werden und man vermeidet damit Spannungsspitzen.


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    Was ist bei der prothetischen Versorgung anders als bei Titan?


    Fischer: Nun zuerst sollte man bei der Versorgung von keramischen Implantaten auch bei der prothetischen Versorgung metallfrei bleiben. Allgemein wird beobachtet, dass Komplikationen bei Implantaten häufig in der prothetischen Versorgung auftreten. Durch die fehlende Resilienz von Implantaten im Vergleich zu natürlichen Zähnen kommt es auf Implantaten zu einer wesentlich höheren Belastung der prothetischen Versorgung. Diese Belastung kann zu kleineren oder größeren Abplatzungen der Verblendkeramik führen.

    Deshalb müssen wir Implantat und prothetische Versorgung als Gesamtlösung verstehen und beurteilen. Es genügt nicht, wenn allein das Implantat der Belastung widersteht. Für uns ist die Hybridkeramik VITA ENAMIC das Material der Wahl auf ceramic.implant. Die hohe Elastizität des Materials bei gleichzeitig keramik-ähnlichen Eigenschaften imitiert die Resilienz des natürlichen Parodonts.

    Herr Prof. Fischer, vielen Dank für das Gespräch!

    Gi/ZWR

    Korrespondenzadresse
    Prof. Dr. Dr. Jens Fischer
    Leiter Forschung & Entwicklung
    VITA Zahnfabrik
    Postfach 1338 79704 Bad Säckingen
    j.fischer@vita-clinical.com

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    Prof. Dr. Dr. Jens Fischer

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    ceramic.implant von vitaclinical (Quelle: VITA Zahnfabrik).
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    Prof. Dr. Dr. Jens Fischer