Demenz – Ergotherapie wirkt!
Demenz – Ergotherapie wirkt!
Strukturierte, klientenzentrierte ergotherapeutische Interventionen wirken sich positiv
auf Lebensqualität, Affekte und Funktionen von Menschen mit mittlerer oder schwerer
Demenz aus. Zu diesem Ergebnis kommt ein HTA-Bericht, an dem die Ergotherapeutin Carola
Habermann von der Berufsfachschule für Ergotherapie in Rosenheim mitgearbeitet hat.
Die beteiligten Forscher recherchierten in 32 elektronischen Datenbanken und werteten
insgesamt 14 Arbeiten aus. Elf dieser Studien untersuchten die Wirksamkeit ergotherapeutischer
Behandlungen, drei die Kosteneffektivität. Den Ergebnissen zufolge profitieren Betroffene
von einem aktivitätsorientierten Funktions- und Fertigkeitstraining, das mentale,
physische und affektive Funktionen anspricht oder der Sturzprävention dient. Gezieltes
kognitives Training wirkt zudem bei leichten und mittleren Demenzformen. Im fortgeschrittenen
Krankheitsstadium erzielt dieses Angebot aber nur noch geringe Effekte. Multikomponentenprogramme
kombinieren verschiedene therapeutische Angebote miteinander wie Entspannungsmaßnahmen,
Erinnerungsarbeit oder Umfeldanpassung. Je nach Zusammensetzung wirken sie sich positiv
auf das Verhalten oder die Lebensqualität der Betroffenen aus. Eine wichtige Rolle
spielen außerdem die Beratung und das Training von Angehörigen. Ein gezieltes Angebot
kann sie entlasten und ihre Betreuungskompetenzen verbessern, zum Beispiel mit dem
„Tailored Activity Program“. Es vermittelt den Angehörigen Strategien, um angemessen
mit den Klienten zu kommunizieren und sie zu ausgewählten Aktivitäten anzuleiten.
Trainieren und unterstützen Therapeuten die Angehörigen mit einem solchen Multikomponentenprogramm,
können sie zudem die Heimeinweisung von Menschen mit einer Alzheimer-Erkrankung hinauszögern.
Die Forscher geben zu bedenken, dass elf der 14 Studien deutliche methodische Mängel
aufweisen. Trotz dieser Einschränkung empfehlen sie den Einsatz ergotherapeutischer
Verfahren, um die Symptome einer mittleren oder schweren Demenz zu verringern.
fk
Schriftenreihe Health Technology Assessment 2013; doi: 10.3205/hta000115L
Klientenzentrierung – Doch kein Allheilmittel?
Klientenzentrierung – Doch kein Allheilmittel?
Die Klientenzentrierung hat sich mittlerweile in der Ergotherapie etabliert. Sie besitzt
in der Theorie viele Vorteile gegenüber herkömmlichen Herangehensweisen und führt
beispielsweise zu einer größeren Klientenzufriedenheit und Compliance. Positive Auswirkungen
auf funktionale Voraussetzungen, Gesundheitsverhalten oder Gesundheitsstatus lassen
sich bisher allerdings nicht ausreichend belegen. Daher untersuchte die Ergotherapeutin
Isaline Eyssen in ihrer Doktorarbeit am VU Medisch Centrum in Amsterdam, welche Effekte
die klientenzentrierte Ergotherapie bei Menschen mit Multipler Sklerose erreicht.
An der Cluster-randomisierten Studie nahmen insgesamt 269 Klienten und 29 Ergotherapeuten
teil. 156 Klienten erhielten eine auf dem Canadian Practice Process Framework (CPPF)
basierende klientenzentrierte ergotherapeutische Behandlung, während 113 das reguläre
Angebot durchliefen. Die Forscher setzten vor der Intervention sowie nach vier Monaten
verschiedene nicht näher bezeichnete Assessments ein und führten nach acht Monaten
eine Follow-up-Messung durch. Den Ergebnissen zufolge steigert die klientenzentrierte
Ergotherapie die Qualität des Therapieprozesses und die Lebensqualität, sie wirkt
sich im positiven Sinne stärker auf die Gesundheit der Klienten aus und erreicht höhere
Effekte im Hinblick auf Partizipation und Autonomie. Die reguläre Behandlung reduziert
hingegen physische Symptome wie Ermüdung und erhöht die Lebensqualität hinsichtlich
Schmerz und Vitalität. Die Forscher schlussfolgern, dass die reguläre Ergotherapie
zu besseren funktionellen Ergebnissen führt als der klientenzentrierte Ansatz. Dies
könnte daran liegen, dass die klientenzentrierte Befunderhebung viel Zeit einnimmt
und so weniger Raum für die eigentliche Behandlung bleibt. Außerdem besteht bei der
klientenzentrierten Vorgehensweise die Gefahr, dass die Therapeuten ihre Klienten
überfordern, indem sie ihnen zu viel Verantwortung für funktionelle Verbesserungen
aufbürden.
Die Forscher empfehlen, die klientenzentrierte Ergotherapie verstärkt auf die Wünsche
und Möglichkeiten des Klienten bezüglich der eigenen Therapiegestaltung abzustimmen.
Dabei sollten Befund- und Behandlungsphase zeitlich in einem angemessenen Verhältnis
zueinander stehen.
Saja
WTvE 2013; 1: 26–33
Massgeschneiderte Intervention – Tailored Activity Program
Massgeschneiderte Intervention – Tailored Activity Program
Ergotherapeuten führen das strukturierte „Tailored Activity Program“ (TAP) in drei
Phasen im Hausbesuch durch. In Phase 1 kommen standardisierte neuropsychologische
und ergotherapeutische Beobachtungsformen zum Einsatz. Diese dienen dazu, Fähigkeiten,
Defizite, Rollen, Gewohnheiten und Interessen der an Demenz erkrankten Klienten zu
evaluieren. Zudem analysiert die Therapeutin das Kommunikationsverhalten der Angehörigen,
die Hilfsmittelsituation sowie potenzielle Barrieren. In Phase 2 wählen die Beteiligten
drei Aktivitäten aus, die individuell auf das mögliche Potenzial des Klienten zugeschnitten
werden. Die Therapeutin leitet Klient und Angehörige intensiv an. In Phase 3 unterstützt
sie entweder beim Transfer der Techniken oder bei weiteren Herausforderungen.
GS
Schriftenreihe Health Technology Assessment 2013; doi: 10.3205/hta000115L
Complex regional pain syndrome (CRPS) – Wirkung von Ergotherapie begrenzt beweisbar
Complex regional pain syndrome (CRPS) – Wirkung von Ergotherapie begrenzt beweisbar
Menschen mit komplexem regionalem Schmerzsyndrom (CRPS) können von einer allgemeinen
ergo- und physiotherapeutischen Behandlung, einer Spiegeltherapie und motorischen
Imaginationsübungen profitieren. Auch wenn die Evidenz gering ist, unterstützen diese
Therapieformen Betroffene darin, ihre Schmerzen zu reduzieren und ihre motorischen
Funktionen zu verbessern. Zu diesem Ergebnis kommen Forscher um den Physiotherapeuten
Neil O‘Connell von der Brunel University London.
In ihrem Cochrane Review werteten die Forscher 19 systematische Übersichtsarbeiten
aus. Die Arbeiten fassten die Ergebnisse von Interventionsstudien zusammen, die neben
der pharmakologischen Behandlung auch die Wirkung von Ergo- und Physiotherapie, Spiegeltherapie
und motorische Imaginationsübungen untersuchten. Die Forscher bewerteten mithilfe
des Grade-Systems, welche empirischen Beweise für die Wirksamkeit der einzelnen Interventionen
vorliegen. Demnach besteht zwar eine Evidenz dafür, dass Ergo- und Physiotherapie
zu positiven Effekten führen, jedoch mit schwacher Beweiskraft. Erste Belege zeigen
zudem, dass Klienten mit CRPS-I stärker von abgestuften motorischen Imaginationsübungen
profitieren als von einer konventionellen Behandlung. Auch die Wirkung der Spiegeltherapie
lässt sich beschränkt beweisen. Tritt die CRPS infolge eines Schlaganfalls auf, kann
sie die Schmerzen reduzieren und die motorischen Funktionen verbessern.
Auch wenn die Forscher bestätigen, dass Menschen mit CRPS von Ergo- und Physiotherapie
profitieren können, bewerten sie die Evidenz als gering, da die zugrunde liegenden
Interventionsstudien deutliche methodische Mängel aufweisen. Sie sehen einen großen
Bedarf an qualitativ hochwertigen Belegen, um evidenzbasierte Empfehlungen für die
Behandlung des komplexen regionalen Schmerzsyndroms entwickeln zu können.
fk
Cochrane Database of Systematic Reviews 2013; doi: 10.1002/14651858.CD009416.pub2
CRPS – Eine Schmerzerkrankung, zwei Erscheinungsformen
CRPS – Eine Schmerzerkrankung, zwei Erscheinungsformen
Das komplexe regionale Schmerzsyndrom bezeichnet verschiedene Funktionsstörungen,
die nach einer Verletzung der Weichteile oder Nerven auftreten. Charakteristisch sind
unverhältnismäßig starke Schmerzen, die mit verschiedenen motorischen und vegetativen
Symptomen einhergehen. Dabei lassen sich zwei Typen unterscheiden:
fk
Autoimmun Rev 2013; 12: 1016–1021