intensiv 2014; 22(02): 62-63
DOI: 10.1055/s-0034-1371342
Kolumne
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Das Glück

Heidi Günther
Further Information

Publication History

Publication Date:
07 March 2014 (online)

Das Glück ist das einzige, das sich verdoppelt, wenn man es teilt. (Albert Schweitzer)

Unlängst hatte die ARD wieder einmal eine Themenwoche. Es ging um das Glück im Allgemeinen und im Besonderen. Ich bin nicht gerade ein typischer und schon gar kein treuer ARD-Zuschauer, aber wenn es um das Glück geht, bin ich dabei. Vielleicht kann ich ja noch etwas lernen, bekomme einen todsicheren Tipp, wie ich das Quäntchen Glück, das ich so oft vermisse, doch noch zu mir holen kann, oder stelle am Ende sogar fest, dass ich eigentlich schon recht glücklich bin. Und weil sich so prominente Menschen wie Günther Jauch und Dr. Eckart von Hirschhausen des Themas angenommen haben, konnte ja nichts schief gehen.

Dabei fiel mir ein, dass ich mich schon einmal in epischer Breite mit dem Thema Glück befasst habe. Als ich in irgendeinem Sommer in den Urlaub nach Spanien fuhr, hatte ich mir ein bisschen Lesestoff mitgenommen. Zwischen Müßiggang beim Sonnenbaden, diversen Besuchen in den Chiringuitos an der Costa Blanca (… begleitet von der schwierigen Entscheidung: Trinke ich einen Gin Tonic oder doch lieber ein Glas Sekt?) und den unbedingt notwendigen Shoppingtouren will ich doch immer ein bisschen Schöngeist und Bildung in meinen Urlaub bringen. Dazu sollte mir der ewige Literaturnobelpreisanwärter (da fehlt offensichtlich ein bisschen Glück) Philipp Roth, mein Fast-Lieblingsschriftsteller John Irwing (der ja immer einen besonderen Blick auf das Glück seiner Protagonisten wirft), Spannung durch Henning Mankell (da hat der Täter meist gar kein Glück) und Trivialität durch Judith Lennox verhelfen. Das klappt auch immer sehr gut, denn alle oben erwähnten Schriftsteller sind Garanten für gute Unterhaltung und ich empfehle sie jedem, der gern liest, wärmstens weiter.

Beim Abflug auf dem Flughafen in München wollte ich, um die offensichtlich unvermeidliche verspätete Abflugzeit zu überbrücken, meinen Lesestoff noch ein bisschen aufstocken und kaufte mir ein „GEO Wissen“. Ich war fasziniert. 162 Seiten zum Thema Glück und seine verschiedenen Betrachtungsweisen, inklusive einem achtseitigen Test, dessen Ergebnis mir sagen sollte, wo ich gerade stehe.

(Den habe ich mir übrigens jetzt noch einmal herausgesucht und bin zu folgendem Ergebnis gekommen: Wäre ich ein Mann und zwischen 66 und 75 Jahre alt, so wäre ich der glücklichste Mensch. Ich will dieses fragwürdige Ergebnis aber nicht den Autoren anlasten, denn in der Legende wurde der Test als wissenschaftlich fundiert und international anerkannt ausgewiesen. Es wird wohl an mir liegen und soll damit eine Aufforderung sein, bestimmte Haltungen und Ansprüche zu überdenken.)

Schon das Vorwort der Zeitschrift brachte mich zum Nachdenken und weckte mein Interesse. Sätze wie „Schätzten Menschen sich in früheren Zeiten schon dann als glücklich und zufrieden, wenn sie einigermaßen heil durchs Leben kamen, so arbeiten sich heute viele in einer Art hedonistischer Tretmühle ab. Und erliegen dem Irrtum, Glück sei nichts weiter als eine endlose Aneinanderreihung von positiven Erlebnissen unter Ausschluss von Mühsal, Krankheit und Pech“ machten mich nachdenklich. Was ist für mich eigentlich nötig um glücklich zu sein? Das große Gefühl? Liebe? Glaube? Reichtum? Attraktivität? Mutterschaft? Wettstreit? (Das waren die Themenbereiche aus dem Inhalt des GEO zum Thema Glück.) Ich denke, ein bisschen von allem wäre nicht schlecht. Aber habe ich überhaupt Gründe, an meinem Glück zu zweifeln? Ich bin gesund, habe eine schöne Arbeit, einen erwachsenen Sohn, der seinen Weg geht. Ich habe Freunde, auf die ich mich verlassen kann, eine schöne Wohnung und drei Wochen im Jahr verbringe ich in Spanien und lasse es mir gut gehen. Ich halte mich für zuverlässig und zielstrebig, bin meist freundlich und umgänglich, bodenständig, manchmal ein wenig misstrauisch, selten aggressiv, nie rivalisierend. Und wenn ich den Ausführungen des GEO glauben darf, steht es um mich und mein Glück gar nicht so schlecht. Verhaltensauffällige Ausnahmen meinerseits bestätigen ja ohnehin nur die Regel, und dann sind sowieso die anderen daran schuld.

Dennoch bleiben ein paar Wünsche offen, um das perfekte Glücksgefühl zu empfinden. Ein bisschen mehr Geld wäre nicht schlecht und manchmal auch nötig, ein bisschen mehr Zeit für Freunde und Familie, mal wieder ein Erfolgserlebnis. Aber wie ich auch schon ohne GEO wusste, muss ich selbst etwas dafür tun. Jeder kennt ja das mit dem Glück und dem Schmied.

Ein Hoffnungsschimmer für scheinbar glücklose Tage ist, wie ich lesen konnte, dass ich auch von meinen Mitmenschen und deren Glück profitieren kann. Ich kann mir gewissermaßen von ihrem Glück etwas abzweigen. Gemäß einer US-Studie vergrößert sich mein Glück allein durch die direkte Beziehung zu einem glücklichen Menschen um ca. 15 Prozent. Immer her damit, das ist doch schon mal was!

Ich kann also alle Menschen in meinem Umfeld nur auffordern, immer schön glücklich zu sein. Und wenn es mir dann so richtig gut geht, gebe auch ich gern etwas ab.

Ihre

Heidi Günther