Zeitschrift für Phytotherapie 2014; 35(03): 106-110
DOI: 10.1055/s-0034-1371728
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Harnwegsinfektionen
© Haug Verlag in MVS Medizinverlage Stuttgart GmbH & Co. KG

Neue Aspekte zur Wirkung von Phytotherapie bei Harnwegsinfektionen

Karin Kraft

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Publication Date:
25 June 2014 (online)

 

Zusammenfassung

Prävention und Therapie von Harnwegsinfektionen waren in den letzten Jahrzehnten fast ausschließlich eine Domäne der Antibiotika. Dagegen beschränkte sich die Rolle der Phytotherapeutika allenfalls auf die adjuvante Behandlung, da der Fokus der Medizin auf der antimikrobiellen Wirkung lag, die bei den meisten Drogen sehr schwach ausgeprägt ist. Auch die seit Langem bekannte Förderung der Durchspülung der Harnwege änderte nichts an ihrer mangelnden Attraktivität, zumal bis heute klinische Studien weitgehend fehlen, die die empirisch guten Behandlungsergebnisse mit Phytotherapeutika objektivieren. Inzwischen wird jedoch die Gabe von Antibiotika wegen der Resistenzproblematik u.a. beim akuten unkomplizierten Harnwegsinfekt infrage gestellt. Neue Erkenntnisse zu Virulenzfaktoren von uropathogenen E. coli (UPEC) führten zu ersten In-vitro-Studien, die eine mögliche Wirkung von verschiedenen pflanzlichen Drogen bei der Motilität, der Modifikation der Hydrophobie der Bakterienoberfläche und bei der Fimbrienfunktion von UPEC beschreiben. Auch die Fähigkeit der UPEC zur Kolonisation und zur Bildung eines Biofilms sind mögliche Angriffspunkte pflanzlicher Drogen. Klinische Studien dazu fehlen noch. Die unterschiedlichen Wirkfaktoren der einzelnen pflanzlichen Drogen rechtfertigen jedoch die empirisch gefundenen Kombinationen und weisen auf deren Potenzial hin, das größer sein dürfte, als bisher angenommen.


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Summary

New aspects on the effect of herbal medicine for urinary tract infections
In the last few decades, the prevention and therapy of urinary tract infections was almost exclusively a domain of antibiotics. The role of herbal medicinal drugs was limited to adjuvant treatment, because the anti-microbial effect of most drugs is at best very weak. Their low attractivity also persisted due to the hitherto absence of clinical trials that could offer objective and empirical results on treatment. Meanwhile the use of antibiotics for treatment of uncomplicated urinary tract infections was put into question due to the resistance problem.

The increasing knowledge on virulence factors of uropathogenic E. coli (UPEC) initiated in-vitro studies, describing effects of various herbal drugs on the motility, the hydrophobicity of the bacterial surface and the fimbria function of UPEC. Further possible points of action by herbal drugs are the colonization and the formation of a biofilm by UPEC. The broad spectrum of these pharmacological actions of the various herbal drugs has not been tested in clinical trials until now. However, they justify empirically proven effects of herbal combinations and indicate that their potential might be greater than previously has been assumed.


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Akute Harnwegsinfektionen sind besonders bei Frauen häufig und neigen zu Rezidiven. Im Alter von 15–39 Jahren haben 15,2% der Frauen mindestens einen Harnwegsinfekt/Jahr, von den 40–59-Jährigen gilt dies für 11,4%, im Alter von 60–79 Jahren sind es noch 9,7%. Während Harnwegsinfekte bei Frauen zumeist unkompliziert (uncomplicated urinary tract infections, UTI) sind, d.h. spontan und komplikationslos ausheilen, sind sie bei Kindern, Schwangeren, Männern sowie Patienten mit Veränderungen an den Harnwegen nie unkompliziert ([1]). UTI wurden stets über 3–7 Tage mit Antibiotika behandelt. Die alleinige Gabe von pflanzlichen Durchspülungsmitteln, z.B. als Tee, ist jedoch bei asymptomatischer Bakteriurie, chronischen bakteriell verursachten Zuständen nach Pyelonephritis, Urethritis oder Zystitis, die zu 75–95% durch uropathogene E. coli (UPEC) hervorgerufen werden (80–90% der ambulanten Infektionen und 30–50% der im Krankenhaus erworbenen Harnwegsinfektionen) und zur Rezidivprophylaxe sinnvoll ([2]).

Nach den neueren Leitlinien muss bei der UTI nicht immer sofort eine antibiotische Therapie begonnen werden. Vielmehr werden – auf dem Hintergrund der zunehmenden Resistenz der Erreger und der international propagierten Reduktion der Therapie mit Antibiotika – rein symptomatische Therapien, z.B. mit 3 × 400 mg Ibuprofen, aber auch komplementärmedizinische Methoden als Alternativen erwähnt ([3], [4]). Allerdings wird beispielsweise in der S3-Leitlinie „Brennen beim Wasserlassen“ hinsichtlich der Einnahme von Präparaten aus Bärentraubenblättern oder einer Kombination aus Kapuzinerkressenkraut und Meerrettichwurzel bei UTI aufgrund von unzureichenden klinischen Studiendaten keine Empfehlung ausgesprochen. Aus dem gleichen Grund ist die Empfehlung bei dysurischen Beschwerden für Zubereitungen aus Wacholderbeeren, Birkenblättern, Brennnesselkraut, Goldrutenkraut, Hauhechelwurzel und Orthosiphonblättern offen ([4]) (Abb. 1).

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Abb.1: UTI: Noch keine Empfehlung für Phytothera peutika in Leitlinien.
© Dynamic Graphics

Bisher wurde in den entsprechenden Lehrbüchern die empirische Verwendung von pflanzlichen Drogen bei UTI mit einem erhöhten Harnfluss infolge der Hyperosmolarität des Urins bzw. mit spasmolytischen, antiphlogistischen und/oder antimikrobiellen bzw. bakteriostatischen Effekten pflanzlicher Inhaltsstoffe begründet ([5]). Als Beispiel soll eine neuere In-vitro-Studie dienen, in der die antimikrobielle Aktivität der in einem Kombinationspräparat aus Kapuzinerkressenkraut und Meerrettichwurzel enthaltenen Mischung aus Benzyl-, Allyl- und Phenylethylisothiocyanaten bei klinisch relevanten Keimen geprüft wurde: Unter anderem wurden Candida spp. sehr stark gehemmt, etwas schwächer wirksam war die Mischung bei S. aureus, S. pyogenes und E. coli. Sowohl die gegenüber Antibiotika resistenten als auch nichtresistente Stämme reagierten jedoch vergleichbar empfindlich ([6]).

Studienlage

Neuere klinische Studien zu den bisher postulierten Wirkungen sind kaum verfügbar. In einer dreiarmigen kontrollierten Kohortenstudie wurden 476 Patienten mit akuter UTI mit einem Kombinationspräparat aus Kapuzinerkressenkraut und Meerrettichwurzel (3–5 × 4 Kapseln/Tag) behandelt. Die Wirksamkeit war vergleichbar zu Standardantibiotika, die Verträglichkeit jedoch deutlich besser ([7]). Kürzlich wurde ein Review mit 17 klinischen Studien mit insgesamt 3115 Patienten zu Sicherheit, Verträglichkeit und zu adjuvanten Wirkungen einer im Handel erhältlichen Kombination aus Tausendgüldenkraut (Centaurium erythraea), Liebstöckelwurzel (Levisticum officinale) und Rosmarinblättern (Rosmarinus officinalis) publiziert. Diese Kombination war bei der Prävention und Therapie von UTI bei Erwachsenen und Kindern zur Standardtherapie vergleichbar wirksam, die Zahl der Rezidive war jedoch geringer. Auch Kinder, bei denen ein vesico-ureteraler Reflux chirurgisch revidiert wurde, profitierten von einer prophylaktischen Therapie mit dieser Kombination. Bei Schwangeren mit Pyurie nahmen die Symptome bei adjuvanter Therapie mit dieser Kombination rascher ab. Die Verträglichkeit war sehr gut, es wurde nur eine unerwünschte Wirkung (ein Exanthem) berichtet. Teratogene, embryotoxische oder fetotoxische Wirkungen oder sonstige negative Einflüsse auf die Gesundheit der Kinder, deren Mütter während ihrer Schwangerschaft behandelt wurden, fanden sich nicht. Es muss hier allerdings kritisch angemerkt werden, dass die Qualität der Studien nicht immer hohen Standards genügt ([8]).


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Forschung geht in neue Richtung: Virulenzfaktoren

Die bereits genannte Resistenzproblematik hat dazu geführt, dass sich die Forschung seit einigen Jahren intensiver mit den Interaktionen von UPEC und anderen Erregern mit dem betreffenden Wirtsorganismus befasst. Kurz gefasst sind inzwischen folgende Faktoren bekannt:

Die verschiedenen UPEC-Serotypen besitzen Gene, die spezifische Virulenzfaktoren kodieren. Sie sind deshalb durch unterschiedliche funktionelle und virulente Eigenschaften charakterisiert. Diese spielen eine wichtige Rolle bei der Pathogenität, da sie die Abwehr des Wirtsorganismus überwinden und damit eine Persistenz oder Rückfälle von UTI verursachen können. Wichtige Virulenzfaktoren sind

  • > eine hydrophobe Zelloberfläche, die die Koloniebildung fördert,

  • > das Ausmaß der Motilität der UPEC, die ihre Ausbreitungstendenz charakterisiert,

  • > haarähnliche Anhangsgebilde der Zell - oberfläche (Fimbrien) der UPEC, die für ihr Anhaften an die Wirtsgewebe sorgen und sie vor dem Herausspülen aus dem Harntrakt mit dem Urin schützen (Abb. 2).

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Abb.2: Uropathogenes E. coli mit sichtbar gemachten Fimbrien.
(© PLoS Biology Vol. 4/9/2006, e314)

Die Fimbrien sind aus unterschiedlichen Adhäsinen zusammengesetzt. Man unterscheidet zwischen P-Fimbrien, die durch die Pap-Gene (pyelonephritis-associated pili) in 3 unterschiedlichen Subklassen (PapG Klasse I, II und III) kodiert werden, SFimbrien und F1C-Fimbrien ([9]).

Die P-Fimbrien interagieren mit P-Antigenen auf den Erythrozyten und den Blasenzellen ([10]). Diese P-Antigene stellen Glykolipide mit einer typischen Galactose-(α1→4)-Galactose-β-Disaccharidsequenz dar. Die Bindungsstellen für diese Antigene auf der Bakterienseite befinden sich auf der nach außen gerichteten Seite der P-Fimbrien. E. coli mit P-Fimbrien finden sich gehäuft bei komplizierten UTI, die oft auch mit der Infektion und Entzündung von Nierengewebe einhergehen; allerdings wurden auch bei UTI P-Fimbrien-UPEC diagnostiziert ([11]). Bei den S-Fimbrien dient die sog. S-fim-Einheit als Bindungsstruktur zu Sialyl-Galactose-Resten auf den Körperzellen, bei den F1C-Fimbrien interagiert die F1C-fim-Einheit mit Oligosacchariden mit den typischen komplementären Strukturelementen GalNAc-(1→4)-Gal der Blasenzellen ([12]). Wahrend S-fim-E.-coli-Serotypen eher selten bei UTI diagnostiziert werden ([11]), finden sich F1C-E. coli mit einer Inzidenz von ca. 14% ([13]). Durch antiadhäsiv wirksame Stoffe kann die Adhäsinwirkung, d.h. das Anheften der Bakterien an die Blasenzellen, wirksam gehemmt werden ([14]).


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UPEC als Biofilm auf Gewebe und kathetern

Die UPEC beginnen entsprechend dem Vorhandensein der genannten Virulenzfaktoren nach dem Anheften an die Wirtsgewebe zu wachsen und breiten sich als Monolayer an der Oberfläche aus. Es bilden sich Mikrokolonien, die sich wieder auflösen oder aber einen Biofilm bilden können. Beim Anheften von UPEC an Blasenepithelgewebe lockert sich der normalerweise sehr gut abdichtende einzellige Epithelzellverband. Damit ist dessen Barrierefunktion gestört, die spezifisch repariert bzw. regeneriert werden muss ([15]). Bei Verlangsamung oder Störung dieses Vorganges wird das Blasengewebe durch die UPEC weiter kolonisiert, insbesondere dringen sie in Zellzwischenräume und in tiefer liegende Gewebebereiche verstärkt ein und können dort als Mikrokolonien oder Biofilme sehr lange persistieren. Daher können bei kurzfristiger Schwächung der lokalen Immunabwehr (z.B. Kältereiz) rekurrierende Infektionen auftreten ([16]). Die UPEC-Biofilme überziehen jedoch nicht nur menschliche Gewebe, sondern auch Gegenstände, die in den Körper eingebracht worden sind, wie z.B. Dauerkatheter in der Harnblase (Abb. 3). In Biofilmen sind die Bakterien gegenüber der Wirkung von Antibiotika relativ gut geschützt.

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Abb.3: Problemfall Dauerkatheter: UPEC sind als Bestandteil eines Biofilms auf dem Kathetermaterial vor Antibiotikawirkungen gut geschützt.
(© Thieme Verlagsgruppe/Alexander Fischer)

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Mit Arzneipflanzen gegen Virulenzfaktoren?

Da Phytotherapeutika bei Patienten mit UTI empirisch weitaus besser wirksam sind als es die bisher in klinischen Studien dokumentierten Effekte vermuten lassen, liegt es nahe, auch die Wirkung von pflanzlichen Extrakten auf Virulenzfaktoren von UPEC zu untersuchen. Derartige Arbeiten sind jedoch erst in geringer Anzahl verfügbar.

Antimikrobielle Aktivität

In einer In-vitro-Untersuchung wurden Extrakte aus Birkenblättern (Betula pendula), Schachtelhalmkraut (Equisetum arvense), Kraut des Kahlen Bruchkrauts (Herniaria glabra), Waldmeisterkraut (Galium odoratum), Brennnesselkraut (Urtica dioica) und Preiselbeerblättern (Vaccinium vitisidaea) hinsichtlich ihrer antimikrobiellen Aktivität und ihrer Wirkung auf Virulenzfaktoren, die bei der Gewebekolonisation und Biofilmbildung von UPEC-Stämmen von Bedeutung sind, geprüft ([17]). Diese diuretisch und antiinflammatorisch wirksamen pflanzlichen Drogen enthalten v.a. Flavonoide, Glykoside, Saponine, Tannine und Terpenderivate ([18], [19]). Die antimikrobielle Aktivität nahm in der Reihenfolge H. glabra, V. vitis-idaea, B. pendula, E. arvense, U. dioica und G. odoratum ab. Für die Unterschiede bei der dosisabhängigen Empfindlichkeit des getesteten auto-aggregierenden UPEC gegenüber diesen Extrakten sind nach Ansicht der Autoren Saponine, Tannine und Terpene verantwortlich ([17]).


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Hemmung der Biofilmproduktion

Auch die verschiedenen Virulenzfaktoren wurden durch diese Extrakte beeinflusst. Die Hydrophobie der Oberfläche des E.-coli-Stamms nahm allerdings nur nach der Exposition gegenüber hohen Konzentrationen von Waldmeister- und Brennnesselkrautextrakt ab, während die anderen Extrakte unwirksam waren. Durch Extrakte von Birken- und Brennnesselblättern in hohen Konzentrationen wurde die Beweglichkeit des E.-coli-Stamms reduziert (p < 0,05), hohe Konzentrationen von Schachtelhalm- und Waldmeisterkraut wirkten dagegen motilitätsfördernd. Alle Extrakte wiesen eine Antibiofilmaktivität auf, die am stärksten ausgeprägt nach 4–6 Tagen der Inkubation mit den E. coli war (Reduktion auf ca. 2% der Kontrolle [100%]. Diese starke Hemmung der Biofilmproduktion wurde noch nach 9- bis 10-tägiger Inkubation durch die Extrakte von Schachtelhalm- und Bruchkraut sowie von Preiselbeerblättern aufrechterhalten. Durch Waldmeister- und Brennnesselkrautex - trakt wurde diese Produktion zu diesem Zeitpunkt deutlich geringer gehemmt (Reduktion auf 20–40%), während der Birkenextrakt nicht länger wirksam war ([17]). Möglicherweise sind hierbei Flavonoide beteiligt ([16]).


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Fimbriensynthese und -anhaftung

Hohe Konzentrationen von Extrakten aus Birkenblättern, Schachtelhalm-, Waldmeister- und Brennnesselkraut und niedrige und hohe Konzentrationen von Preiselbeerblätterextrakt hemmten zudem die Fimbriensynthese des E.-coli-Stamms. Dies wird vermutlich durch den Tanningehalt der Extrakte bedingt. Tannine haben zudem eine große Strukturähnlichkeit zu Antigenen auf Blasen- und Nierenzellen und können durch ihre Bindung an die Fimbrien deren Anhaften an das Wirtsgewebe verhindern ([17]).

In einer weiteren In-vitro-Arbeit beeinträchtigten wässrige Extrakte aus Goldrutenkraut (S. virgaurea subsp. virgaurea und S. virgaurea subsp. alpestris) zwar nicht das Wachstum von C. albicans, E. coli und verschiedenen anderen Bakterien, jedoch wurden sowohl Entstehung als auch Aufrechterhaltung des durch C. albicans gebildeten Biofilms stark gehemmt, möglicherweise infolge der enthaltenen Saponine ([18]).


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Hemmung der Adhäsion

Die antiadhäsiven Wirkungen verschiedener pflanzlicher Extrakte auf den UPECStamm A 2980, der stark adhärent, aber nicht zytotoxisch ist, wurden in einer weiteren In-vitro-Arbeit untersucht. Extrakte aus Queckenrhizom (Agropyron repens) und Maisgriffeln (Zea mays) reduzierten die bakterielle Adhäsion durch eine Hemmwirkung auf Adhäsionsproteine der Bakterienaußenseite. Extrakte aus Birkenblättern, Orthosiphonblättern und Brennnesselkraut wirkten ebenfalls deutlich antiadhäsiv, hier wurden jedoch UPEC-bindende Stellen der Blasenzellen als Angriffspunkt identifiziert. Bei Kombination der Extrakte aus Queckenrhizom bzw. Maisgriffeln mit Auszügen aus Orthosiphonblättern ergaben sich signifikante synergistische Effekte ([19], [20]).


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Beispiel: Dauerkatheter-assoziierte UTI

In-vivo-Studien mit Hinweisen auf die Beeinflussung von Virulenzfaktoren von UPEC durch Phytotherapeutika liegen bislang kaum vor. Derartige Untersuchungen könnten jedoch sehr wohl eine klinische Bedeutung erlangen. So kommt es bei Patienten mit Harnblasendauerkathetern regelmäßig zur mikrobiellen Kolonisierung und Entwicklung eines Biofilms, wodurch gehäuft UTI auftreten, die mit Antibiotika behandelt werden. In einer randomisierten, kontrollierten Studie bei 61 Patienten mit Rückenmarksverletzungen wurde deshalb die Dauerkatheter-assoziierte UTI für 5 bzw. 10 Tage mit Antibiotika behandelt mit dem Ziel, die Wirksamkeit der kürzeren Therapiedauer zu prüfen. Bei allen Patienten wurde eine klinische Heilung am Ende der Therapie erreicht, auch die Ergebnisse der mikrobiologischen Untersuchungen unterschieden sich nur unwesentlich zwischen beiden Therapiegruppen. Allerdings traten in der kürzer behandelten Gruppe häufiger Rezidive auf. Nebenwirkungen wie eine Diarrhöe und, weit schwerwiegender, eine Clostridium-difficile-Kolitis waren in beiden Gruppen gleich häufig ([21]). Eine kürzer dauernde Antibiotikatherapie wird somit mit einem höheren Rezidivrisiko erkauft, das ist ein klarer Hinweis auf die Bedeutung der Virulenzfaktoren. Zudem besteht auch unter einer nur kurz andauernden antibiotischen Therapie die Gefahr einer enteralen Fehlkolonisation. Damit gibt es gute Gründe, nach weiteren Therapiemöglichkeiten in dieser Situation zu suchen.

In einer einfach blinden, randomisierten, kontrollierten Pilotstudie erhielten ambulante Patienten mit Dauerkathetern, die sich alle 30 Tage zum Katheterwechsel vorstellten, entweder eine Kombination aus Extrakten aus Goldrutenkraut, Orthosiphon- und Birkenblättern sowie Cranberry einmal täglich über 30 Tage oder keine Therapie. Primäres Zielkriterium war die Zahl der positiven Harnkulturen nach 30 Tagen. In der Behandlungsgruppe (n = 43) war die Harnkultur bei 10 Patienten, in der Kontrollgruppe (n = 30) bei 16 Patienten positiv (p = 0,013). Dies ist ein erster Hinweis darauf, dass die Ergebnisse der oben aufgeführten In-vitro-Studien tatsächlich eine klinische Relevanz haben könnten ([22]).


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Fazit

Die gezielte Kombination unterschiedlicher pflanzlicher Drogen in Blasen-Nieren-Tees, die empirisch entwickelt wurden, erscheint somit auch aufgrund unterschiedlicher molekularer Targets der einzelnen Drogen gerechtfertigt und sollte deshalb in der klinischen Praxis vermehrt bei UTI, aber adjuvant auch bei komplizierten Harnwegsinfektionen genutzt werden. Klinische Studien sind für die verschiedenen Indikationen jedoch erforderlich, um eine allgemeine Akzeptanz bei den behandelnden Ärzten zu erreichen.

Interessenkonflikt
Die Autorin erklärt, dass kein
Interessenkonflikt besteht

Online

http://dx.doi.org/10.1055/s-0034-1371728


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Prof. Dr. med. karin kraft

Lehrstuhl für Naturheilkunde
Zentrum für Innere Medizin
Universitätsmedizin Rostock
Ernst-Heydemann-Str. 6
18057 Rostock
karin.kraft@med.uni-rostock.de

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Abb.1: UTI: Noch keine Empfehlung für Phytothera peutika in Leitlinien.
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Abb.2: Uropathogenes E. coli mit sichtbar gemachten Fimbrien.
(© PLoS Biology Vol. 4/9/2006, e314)
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Abb.3: Problemfall Dauerkatheter: UPEC sind als Bestandteil eines Biofilms auf dem Kathetermaterial vor Antibiotikawirkungen gut geschützt.
(© Thieme Verlagsgruppe/Alexander Fischer)