ergopraxis 2014; 7(03): 12-13
DOI: 10.1055/s-0034-1372201
wissenschaft
© Georg Thieme Verlag Stuttgart – New York

Verena Kawaletz und Marion Czech – Die Zumba-Tänzerinnen

Florence Kranz

Subject Editor:
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Publication History

Publication Date:
04 March 2014 (online)

 

In Deutschland leben immer mehr Menschen mit Migrationshintergrund, die häufig auch ergotherapeutische oder logopädische Leistungen in Anspruch nehmen. Haben sie andere Erwartungen an die Therapie als Klienten ohne Migrationshintergrund? Diese Frage haben die Ergotherapeutin und die Logopädin gemeinsam untersucht – am Beispiel der Pädiatrie.


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Foto: B. Zehle

Verena Kawaletz (links) und Marion Czech (rechts) …

… lernten sich in ihrem Bachelorstudium „Gesundheitswissenschaften“ kennen, das sie von 2009 bis 2013 nebenberuflich an der IB-Hochschule Berlin absolvierten. Verena Kawaletz hat nach ihrem Ergotherapie-Examen 2008 vor allem in der neurologischen und geriatrischen Rehabilitation gearbeitet. Seit ihrem Studium erlebt sie eine große Faszination für die gesundheitsbezogene Forschung. Zukünftig würde sie gerne aktiv forschen, zum Beispiel in einem Gesundheitsamt. Ihre aktuelle Tätigkeit als Ergotherapeutin auf einer Wachkomastation des Wohlfahrtswerks Stuttgart macht ihr aber auch Spaß und hat einen großen Vorteil: Die Arbeitszeiten lassen sich gut mit den Bedürfnissen ihrer kleinen Tochter vereinbaren, die noch keinen Kita- Platz erhalten hat. Marion Czech ist „Logopädin mit Leib und Seele“ und seit 2009 in einer logopädischen Praxis angestellt. Sie kann sich ebenso eine Tätigkeit in Forschung oder Lehre vorstellen. Aber nur nebenberuflich. Denn sie möchte ihrer praktischen Arbeit als Logopädin treu bleiben und vielleicht bald eine eigene Praxis gründen.

Kulturelle Erfolgskontrolle für Logopädie und Ergotherapie. Eine Vergleichsstudie.

Die Bachelorarbeit

Die kulturelle Prägung eines Menschen kann sich darauf auswirken, welche Erwartungen er an eine soziale Situation stellt und wie er sie bewertet. Das gilt auch für Therapiesituationen. In ihrer beruflichen Praxis hatten Verena Kawaletz und Marion Czech immer wieder den Eindruck, dass zugewanderte Menschen ihre therapeutische Leistung anders bewerten als Klienten ohne Migrationshintergrund. Sie wollten dieser Vermutung wissenschaftlich auf den Grund gehen und führten zwei Querschnittstudien im pädiatrischen Fachbereich durch. Dazu baten sie die Eltern von Kindern mit und ohne Migrationshintergrund, ihre Zufriedenheit mit der ergotherapeutischen bzw. logopädischen Behandlung auf einem Fragebogen einzuschätzen. Um ein genaues Bild zu erhalten, überprüften sie die Ergebnisse anschließend mit einem Signifikanztest.


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Ergebnisse

Die Ergebnisse der logopädischen Befragung waren nicht signifikant. Nur die ergotherapeutische Befragung bestätigte die aufgestellte Hypothese, dass Eltern ohne Migrationshintergrund zufriedener mit der Behandlung sind als zugewanderte. Insgesamt wurden in der Ergotherapie 30 Eltern befragt, 15 mit und 15 ohne Migrationshintergrund. Den Ergebnissen zufolge schätzen Eltern mit Migrationshintergrund den Therapieerfolg als geringer ein und sind weniger zufrieden mit der Behandlung und ihrem Verlauf. Sie fühlen sich weniger verstanden und in die ergotherapeutische Behandlung einbezogen. Außerdem müssen sie sich stärker überwinden, um ihre Kinder zur Therapie anzumelden. Diese Einschätzung kann mit der kulturellen Prägung der Eltern zusammenhängen. Eltern mit Migrationshintergrund schämen sich unter Umständen, wenn ihr Kind eine Therapie benötigt. Sie haben möglicherweise andere Erwartungen als die Ergotherapeutin, wenn es um familiäre und alltagsbezogene Abläufe geht. Ebenso könnten sie die alltagsbezogenen Tipps und Ratschläge der Ergotherapeutin als unerwünschten Eingriff in ihre familiären Strukturen erleben.


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Fazit

Um die Erwartungen von Klienten mit Migrationshintergrund besser erfüllen zu können, müssen Therapeuten empathisch und offen mit kulturellen Unterschieden umgehen. Dazu sollten sie …

  • > sich vorurteilsfrei mit der Kultur ihrer Klienten auseinandersetzen, um Missverständnisse zu vermeiden,

  • > kulturell bedingte Unterschiede im Umgang mit Gesundheit, Erziehung und Bildung reflektieren,

  • > ihre Klienten nachvollziehbar über den Sinn und Zweck der ergotherapeutischen Behandlung aufklären,

  • > eine offene Kommunikationsweise entwickeln, um kulturelle Gemeinsamkeiten zu entdecken und Unterschiede begreifbar zu machen,

  • > gesellschaftliche sowie familiäre Strukturen und Rollengefüge berücksichtigen, wenn sie zum Wohle eines Kindes auf das Familiengeschehen einwirken wollen,

  • > mögliche Ehr- oder Schamgefühle beachten und Verletzungen vermeiden.

→ Kawaletz V, Czech M. Erarbeitung einer Erfolgskontrolle für eine ergotherapeutische/ logopädische Therapie im ländlichen Bereich des nördlich-mittleren Neckarraumes. Eine Vergleichsstudie zwischen Migranten und Nichtmigranten. Bachelorarbeit an der IB-Hochschule Berlin; 2012


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Foto: B. Zehle