physiopraxis 2014; 12(03): 20-24
DOI: 10.1055/s-0034-1372543
physiowissenschaft
© Georg Thieme Verlag Stuttgart – New York

Internationale Studienergebnisse


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Publication Date:
21 March 2014 (online)

 

Riss der Rotatorenmanschette – Mit Übungsprogramm OP vermeiden

Ein spezifisches Übungsprogramm kann bis zu drei von vier Patienten mit einer atraumatischen Ruptur der Rotatorenmanschette vor einer OP bewahren. Das zeigt eine Studie der MOON-Schultergruppe aus den USA.

Die Autoren schlossen 452 Patienten ein, bei denen mindestens eine Rotatorenmanschettensehne ohne erkennbares Trauma gerissen war und bei denen die Indikation zur OP bestand. Bei 70 % war die Supraspinatussehne betroffen, bei 21 % die Supra- und Infraspinatussehne, die restlichen Probanden hatten verschiedene andere Kombinationen von Rissen. Alle Patienten absolvierten ein spezielles, evidenzbasiertes Programm: passive Mobilisationen durch einen Physiotherapeuten im Schnitt einmal pro Woche sowie Heimübungen zur Dehnung und Kräftigung. Nach sechs und zwölf Wochen boten die Autoren den Studienteilnehmern drei verschiedene Optionen an, mit denen sie ihren Zustand beschreiben sollten und die das weitere Prozedere beeinflussten:

  • > „geheilt“ – keine Therapie mehr notwendig

  • > „verbessert“ – Fortsetzung der Therapie mit erneuter Untersuchung nach weiteren sechs Wochen

  • > „keine Verbesserung“ – Angebot einer OP Die Autoren riefen alle Patienten, die nicht operiert wurden, nach einem und zwei Jahren an, um zu fragen, ob sie sich zwischenzeitlich hatten operieren lassen.

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Der „Sleeper Stretch“ zur Dehnung der dorsalen Schultergelenkstrukturen war eine der Übungen, die die Probanden in der Studie durchführten.
(Abb.: L. Bucher)

Das Ergebnis: Lediglich 25 % der teilnehmenden Patienten entschieden sich für eine OP, die meisten davon in der Zeit zwischen der sechsten und zwölften Studienwoche. Nach Abschluss der Untersuchung ließen sich nur noch wenige Teilnehmer operieren. Somit bewahrte die physiotherapeutische Intervention drei Viertel der Studienteilnehmer vor einer OP – angesichts der großen Probandengruppe ein bemerkenswertes Ergebnis.

josc

J Shoulder Elbow Surg 2013; 22: 1371–1379

INTERNET

Das Übungsprogramm dieser Studie finden Sie unter dem Link http://bit.ly/physiopraxis_Rotatorenmanschette.

Smartphone- und Tablet-PC-Besitzer können dazu auch den QR-Code scannen, etwa mit der App barcoo.


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Schlaganfall – Selbstmanagement steigert Lebensqualität

Einen Patienten beim Selbstmanagement unterstützen bedeutet, ihm zu helfen, sich Ziele zu setzen, die er erreichen möchte, oder Probleme zu lösen, die in seinem täglichen Leben aufgrund seiner körperlichen Einschränkungen auftauchen. Forscher aus England und Australien fanden nun heraus, dass davon wahrscheinlich auch Menschen nach Schlaganfall profitieren.

Die Wissenschaftler führten eine systematische Literaturrecherche in elf Datenbanken durch und bewerteten die identifizierten Studien sowohl inhaltlich als auch methodisch. 15 Studien erfüllten die Einschlusskriterien. Es zeigte sich, dass Selbstmanagement die körperlichen Einschränkungen sowie die Lebensqualität von Menschen nach Schlaganfall positiv beeinflusst. Doch wie so oft unterschieden sich die Studien deutlich voneinander: hinsichtlich der Inhalte der angewandten Programme, dem Zeitpunkt und Umfang der Interventionen sowie der angewandten Untersuchungsinstrumente. Dies erschwere laut den Wissenschaftlern die übergreifende Analyse und Vergleichbarkeit. Zudem seien bei einer Reihe der Untersuchungen die Stichprobenumfänge gering beziehungsweise die Methodik mangelhaft. Trotz der insgesamt positiven Ergebnisse der bisherigen Arbeiten empfehlen die Autoren daher groß angelegte und methodisch hochwertige, randomisierte kontrollierte Studien zu diesem Thema.

hoth

Clin Rehabil 2013; 27: 867–878

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Abb.: Monkey Business Images (nachgestellte Situation)

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Peer-Review-Verfahren – Wer wacht über die Wächter?

Das Peer-Review-Verfahren ist eine Qualitätskontrolle für wissenschaftliche Magazine. Dabei entscheiden ein oder mehrere unabhängige Experten, ob die Qualität einer eingereichten Studie ausreicht für eine Publikation in dem jeweiligen Journal. Der amerikanische Wissenschaftsjournalist John Bohannon testete dieses Verfahren nun, indem er eine frei erfundene Studie bei über 300 Open-Access- Journalen einreichte. Die Ergebnisse waren bemerkenswert.

Bohannon erfand eine Untersuchung mit folgender Hypothese: Eine aus der Flechte gewonnene Substanz kann bestimmte Krebszellen in ihrem Wachstum stoppen sowie deren Bestrahlungsempfindlichkeit steigern. Von dem Manuskript erstellte er hunderte Kopien, bei denen er jedes Mal die Namen der Autoren und Institute (z. B. „Ocorrafoo Obange vom Wassee Institute of Medicine in Asmara, Eritrea“) veränderte, ebenso die Namen von Substanz und Krebszelllinie. In das Manuskript baute er mehrere, für Experten leicht zu erfassende Fehler ein. Beispielsweise zeigt die Hauptabbildung der Studie – im Gegensatz zur Überschrift –, dass die Substanz keinerlei Einfluss auf das Wachstum der Krebszellen hatte. Bohannon schrieb außerdem in der Diskussion, dass die Studienautoren planten, den Wirkstoff bald an Menschen zu testen.

Führend in der Open-Access- Bewegung ist die Public Library of Science (PLoS), die hoch anerkannte Journals in verschiedenen Fachgebieten herausgibt. PLoS, die von Studienautoren kein Geld für eine Publikation verlangt, lehnte Bohannons Studie binnen zwei Wochen ab. Doch mehr als die Hälfte der Journals, bei denen Bohannon eingereicht hatte, akzeptierte sie. Bei einer großen Zahl dieser Journals schien es keinerlei Qualitätskontrolle gegeben zu haben. Zudem verlangten alle, die die Studie akzeptiert hatten, Geld für eine Veröffentlichung.

Erstaunlich war außerdem, dass die Büros der Journals, die Bohannons Studie publizieren wollten, in Ländern mit eher geringer wissenschaftlicher Tradition angesiedelt sind – zum Beispiel Pakistan. Die Geldinstitute, an die die Bezahlungen überwiesen werden sollten, lagen wieder in anderen Ländern, etwa Nigeria und Indien, viele aber auch in den USA.

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Abb.: I. Kisselev/shutterstock.com

Offen blieb die Frage, was gewesen wäre, hätte Bohannon auch bei Journals eingereicht, die nicht „Open Access“ sind.

josc

Nach einer Meldung auf www.DocCheck.de

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Abb.: ase/shutterstock.com

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Schlaganfall – Galvanisch-vestibuläre Stimulation verbessert Sensibilität

Bei der galvanisch-vestibulären Stimulation wird mittels Oberflächenelektroden galvanischer Strom in geringer Intensität auf den Nervus vestibularis und angrenzende Hirnareale appliziert. Forscher der Universität Saarbrücken testeten im Rahmen von zwei Studien die Effekte dieser Stimulation auf Störungen der Oberflächen- und Tiefensensibilität bei Patienten mit rechtshemisphärischen Schlaganfällen.

In einer ersten Arbeit untersuchten sie zehn Gesunde, sieben Patienten mit rechtsseitiger Hirnläsion und einem linksseitigen Neglekt sowie 15 Patienten mit linksseitiger Läsion ohne Neglekt. Mithilfe eines optoelektronischen Messgerätes stellten sie die genaue Position beider Unterarme fest. Ein Untersucher bewegte nun den Arm aus verschiedenen Ausgangspositionen in eine definierte Zielposition, während die Probanden sagen sollten, wann der Arm die Zielposition erreicht hat. Bei den Patienten mit Neglekt verbesserte die galvanische Stimulation mit der rechtsseitig angelegten Kathode den Positionssinn signifikant – 20 Minuten nach der Stimulation sogar bis hin zu einem normalen Ausmaß. Eine Scheinstimulation veränderte bei diesen Patienten nichts. Bei Patienten ohne Neglekt zeigte die Galvanisation keinen Effekt, bei Gesunden verschlechterte dich der Positionssinn sogar.

In ihrer zweiten Arbeit untersuchten die Forscher den Effekt der Behandlung auf die Oberflächensensibilität. Sie verteilten zwölf Patienten mit rechtsseitiger Hirnläsion und Störung der Oberflächensensibilität des linken Armes auf zwei Gruppen. Die erste erhielt die galvanische Stimulation in verschiedenen Modalitäten, die zweite bekam keine Behandlung. Die Stimulationsgruppe verbesserte ihre Oberflächensensibilität signifikant – egal, ob die Anode oder die Kathode auf der rechten Kopfseite lag. Bei der zweiten Gruppe änderte sich die Sensibilität nicht.

Die Forscher zeigen damit, dass sich die galvanische Stimulation positiv auf die Oberflächen- und Tiefensensibilität auswirkt. Sie empfehlen Studien, welche die Langzeitwirkung der Behandlung nach wiederholter Anwendung untersuchen.

hoth

Front Hum Neurosci 2013; 7: 90

Neurorehabil Neural Repair 2013; 27: 497–506


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Bildgebung – MRT lässt Knorpelschäden kleiner erscheinen

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Abb.: bork/shutterstock.com

Im MRT sehen Knorpelschäden offenbar häufig kleiner aus, als sie in Wirklichkeit sind. Zu diesem Schluss kamen amerikanische Wissenschaftler vom Ohio State University Medical Center in Columbus, Ohio.

Die Forscher ermittelten bei 77 Patienten, die wegen eines oder mehrerer hochgradiger Knorpelschäden arthroskopiert werden sollten, die Größe der Knorpeldefekte jeweils im MRT und während der OP. Anschließend verglichen die Forscher die beiden Werte. Sie stellten fest, dass 74 % der analysierten Knorpelschäden im MRT kleiner aussahen als bei der Arthroskopie, 15 % erschienen in der Bildgebung größer.

josc

Am J Sports Med 2013; 41: 590–595


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Koxarthrose – Läufer seltener betroffen als Walker

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Abb.: Maridav/shutterstock.com

Dieses Ergebnis überrascht sicherlich viele: Menschen, die regelmäßig laufen gehen, bekommen seltener eine Koxarthrose oder eine Hüft-TEP als diejenigen, die „nur“ walken. Zu diesem Ergebnis kamen Wissenschaftler aus Kalifornien, USA.

In der Studie wurden 74.752 Läufer analysiert – so viele wie noch nie zuvor. Während eines rund siebenjährigen Follow-up bekamen 2004 davon Koxarthrose und 259 eine Hüft-TEP. Dagegen hatten von den 14.625 analysierten Walkern innerhalb eines im Schnitt knapp sechs Jahre dauernden Follow-up 696 eine Koxarthrose entwickelt und 114 eine Hüft-TEP erhalten. Schon eine frühere Studie hatte gezeigt, dass die Knorpeldicke in Hüft- und Kniegelenk bei Läufern größer ist als bei Nicht-Läufern.

josc

Med Sci Sports Exerc 2013; 45: 1292–1297


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Der „Sleeper Stretch“ zur Dehnung der dorsalen Schultergelenkstrukturen war eine der Übungen, die die Probanden in der Studie durchführten.
(Abb.: L. Bucher)
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Abb.: Monkey Business Images (nachgestellte Situation)
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Abb.: I. Kisselev/shutterstock.com
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Abb.: ase/shutterstock.com
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Abb.: bork/shutterstock.com
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Abb.: Maridav/shutterstock.com