Anzahl der Krebskranken und Erkrankungsmuster
Mit zunehmender Lebenserwartung steigt die Zahl der Krebserkrankungen und Krebstoten.
Deshalb und durch
die verbesserten Optionen der Früherkennung steigt die prozentuale Krebsrate einer
älter werdenden
Bevölkerung an. Bei Männern ist der Lungenkrebs weiterhin die führende Krebstodesursache,
bei Frauen ist
es der Brustkrebs. Magenkrebs geht seit Jahrzehnten bei uns deutlich zurück. Nur in
Ländern wie
Portugal, Chile und Japan mit einem hohen Salzkonsum, überwiegend durch gesalzenen
Fisch, bleibt die
Magenkrebsrate hoch. Lungenkrebs nimmt bei Frauen seit Jahren stetig zu und hat bei
den unter
Vierzigjährigen bereits das Niveau der Männer erreicht (▶ Abb.
[
1
]).
Abb. 1 Selten sind in der Onkologie die Zusammenhänge so eindeutig wie beim Rauchen – aktuell
abzulesen an der steigenden Lungenkrebsrate der Frauen. (© Thieme Verlagsgruppe/Christoph
Frick)
Weltweit erkranken jährlich etwa 12 Mio. Menschen an Krebs, von denen mehr als die
Hälfte an dieser
Krankheit sterben. Bei Nutzung der Möglichkeiten zur Krebsprävention wäre eine Reduzierung
der
Krebstoten um mindestens die Hälfte möglich. Deutschland liegt im internationalen
Vergleich bei der
Krebshäufigkeit in Industrieländern im oberen Bereich. In wirtschaftlich armen Ländern
spielen die bei
uns häufigsten Tumoren an Darm, Brust und Prostata eine untergeordnete Rolle, dafür
finden sich häufiger
Krebserkrankungen des Magens und der Leber. Diese Krebsfälle sind vornehmlich auf
fehlende Möglichkeiten
einer hygienisch einwandfreien Lagerung von Lebensmitteln zurückzuführen.
Die Krebsinzidenz in Deutschland liegt jährlich bei fast einer halben Million, sie
ist bei Männern etwas
häufiger als bei Frauen. Männer leiden am häufigsten an Krebs von Prostata, Darm und
Lunge, bei Frauen
sind es Brust, Darm, Gebärmutter und Lunge. Bei Frauen folgt die Krebsmortalität der
Inzidenz, bei
Männern ist es Krebs an Lunge, Darm und Prostata.
In Deutschland steigen die absoluten Zahlen für Neuerkrankungen im Vergleich zu den
Vorjahren. So sind
die Krebsformen, für die es in Deutschland systematische Früherkennungsmaßnahmen gibt,
seit der
Einführung dieser Untersuchungsprogramme häufiger diagnostiziert worden (z. B. Krebs
an Brust, Darm und
Haut).
Der WCRF-Report zur Krebsprävention
1997 veröffentlichte der World Cancer Research Fund eine umfassende Auswertung aller
Veröffentlichungen
zum Thema Krebs und Ernährung. Die 2. Auflage aus dem Jahr 2007 wurde durch die Themen
Übergewicht und
körperliche Aktivität erweitert ([14], [15]). Seit der Zeit erscheinen jährlich Aktualisierungen des Reports zu den verschiedenen
Krebsformen. Auf der Basis der gewonnenen Erkenntnisse formulierten die Experten 10
Empfehlungen zu
Krebsprävention.
Empfehlung 1: So schlank wie möglich bleiben.
Das Körpergewicht sollte während der Kindheit und im Jugendalter im unteren Bereich
des normalen BMI und
für Erwachsene innerhalb des normalen Bereichs liegen (BMI 21–23). Da eine Körpergewichtszunahme
mit
zunehmendem Alter nachteilig ist, wird empfohlen, eine Zunahme des Körpergewichts
und des Bauchumfangs
im Erwachsenenalter zu vermeiden. Die lebenslange Beibehaltung eines normalen Körpergewichts
könnte eine
der wichtigsten Maßnahmen zum Schutz vor Krebserkrankungen sein. Normales Körpergewicht
schützt außerdem
gegen eine Reihe anderer häufig auftretender, chronischer Erkrankungen.
Übergewicht ist besonders stark assoziiert mit einem erhöhten Krebsrisiko für Darm,
Bauchspeicheldrüse,
Brust und Nieren. Ein Übergewicht von 20–30 % gilt bereits als Risiko. Bei einer Kombination
von Rauchen
und Alkoholkonsum steigt das Risiko schon ab 15 % Übergewicht.
Eine Zunahme des Körpergewichts mit zunehmendem Alter gilt als normal und unproblematisch,
wenn es sich
in Grenzen hält und kann sogar einen gewissen Schutz gegen Krebs und Schlaganfälle
im Alter bieten
([3]). Die viszerale Adipositas (Apfelform) und die damit einhergehende
Entwicklung einer Insulinresistenz und Hyperinsulinämie haben einen größeren Einfluss
auf die Entstehung
von Krebs- und Herz-Kreislauf-Erkrankungen als der BMI. Die Weltgesundheitsorganisation
benutzt deshalb
den Bauchumfang von 80 cm für Frauen und von 94 cm für Männer als eine zuverlässigere
Grenze zum
Übergewicht; diese Werte entsprechen etwa einem BMI von 25.
Empfehlung 2: Körperliche Aktivität sollte ein Teil des täglichen Lebens sein.
Mindestens 30 Minuten pro Tag sollte man moderat körperlich aktiv sein, vergleichbar
mit schnellem Gehen.
Für die Verbesserung der Leistungsfähigkeit sollten 60 Minuten moderate oder 30 Minuten
intensive
körperliche Aktivität angestrebt werden.
Die meisten Bevölkerungsgruppen, insbesondere solche, die in industrialisierter und
städtischer Umgebung
leben, sind körperlich weniger aktiv als sie es naturgemäß sein sollten. Körperliche
Aktivität kann das
Risiko für einige Krebsarten (Dickdarm, Brust, Gebärmutterschleimhaut, Prostata) mit
einiger
Wahrscheinlichkeit senken und beugt Übergewicht vor. Bestimmte Alltags-/Freizeitaktivitäten
wie
Gartenarbeit, Tanzen und handwerkliche Beschäftigungen können genauso wichtig sein
([2]) wie die üblichen sportlichen Aktivitäten Laufen, Fahrrad fahren und
Schwimmen.
Empfehlung 3: Der Verzehr energiedichter Lebensmittel sollte begrenzt werden.
Zuckerhaltige Getränke sind zu meiden. Fast Food sollte, wenn überhaupt, nur selten
verzehrt werden. Der
Konsum energiedichter Lebensmittel und gezuckerter Getränke nimmt derzeit weltweit
zu und trägt
vermutlich zum globalen Anstieg von Übergewicht bei. Energiedichte Lebensmittel (> 225 kcal/100 g)
verdrängen oft energiearme Lebensmittel (< 125 kcal/100 g) mit hoher Nährstoffdichte.
Gezuckerte
Getränke tragen nur wenig zur Sättigung bei – hier liegt einer der Hauptgründe für
Übergewicht,
besonders bei Jugendlichen, die oft große Mengen dieser ungünstigen Durstlöscher konsumieren
([13]).
Empfehlung 4: Überwiegend pflanzliche Lebensmittel verzehren.
Täglich sollten mindestens 400 g Gemüse und Obst sowie zu jeder Mahlzeit gering verarbeitetes
Getreide
und/oder Hülsenfrüchte verzehrt werden. Der Konsum von stark verarbeiteten, stärkehaltigen
Lebensmitteln
sollte begrenzt werden. Die vorliegenden Daten zeigen, dass die meisten Kostformen,
die gegen
Krebserkrankungen schützen, überwiegend aus pflanzlicher Nahrung bestehen (▶ Abb.
[
2
]).
Abb. 2 Prävention kann durchaus lecker sein: Einfach mehr Pflanzliches auf den Tisch. (©
Thieme Verlagsgruppe/Chris Meier)
Pflanzliche Lebensmittel wie Gemüse, Obst, Getreide, Hülsenfrüchte und Nüsse enthalten
alle Nährstoffe,
die sich auch in tierischen Lebensmitteln finden, ausgenommen Vitamin B12 ([9]). Lakto-ovo-Vegetarier nehmen Vitamin B12 mit Milchprodukten und
Ei auf, Veganer sind auf angereicherte Lebensmitteln oder Supplemente angewiesen ([10]). Ballaststoffe sowie eine große Anzahl antikanzerogener Verbindungen wie
Carotinoide, Flavonoide und Glucosinolate, finden sich nur in pflanzlichen Lebensmitteln.
Empfehlung 5: Den Verzehr von rotem Fleisch (Rind, Schwein, Schaf, Ziege) begrenzen. Den Verzehr
von
verarbeitetem Fleisch (gepökelt, gebeizt, geräuchert) vermeiden.
Menschen, die regelmäßig Fleisch verzehren, sollten nicht mehr als 500 g pro Woche
essen; davon sollte
sehr wenig, wenn überhaupt, stark verarbeitet sein. Die Daten zeigen, dass viele Lebensmittel
tierischer
Herkunft einen wichtigen Beitrag zur Nährstoffversorgung leisten und gesundheitsförderlich
sind, solange
sie in mäßiger Menge verzehrt werden.
Ein hoher Verzehr von rotem Fleisch ist u. a. aufgrund des Hämeisengehalts mit einem
erhöhten Risiko für
Dickdarmkrebs verbunden. Der hohe Gehalt an Methionin im tierischen Protein (Fleisch,
Milchprodukte)
kann bei übermäßigem Verzehr problematisch sein ([11]). Eine
Methioninrestriktion wird als eine mögliche Krebstherapie diskutiert und eine vegane
Ernährung als
Ernährungstherapie bei Krebs vorgeschlagen ([4]). Der Abbau von Methionin
führt zur Bildung von toxischem Homocystein sowie Schwefelsäure, die eine Belastung
für das
Säure-Basen-Gleichgewicht darstellt.
Empfehlung 6: Begrenzung des Konsums alkoholischer Getränke.
Der Konsum alkoholischer Getränke sollte auf nicht mehr als 2 Gläser pro Tag für Männer
und ein Glas
(10–15 g Alkohol) pro Tag für Frauen begrenzt werden. Alkoholkonsum ist mit einem
erhöhten Krebsrisiko
für Mund, Rachen, Speiseröhre, Dickdarm und Brust verbunden. Eigentlich sollte zur
Krebsprävention kein
Alkohol getrunken werden. Aber ein moderater Alkoholkonsum senkt wahrscheinlich das
Risiko einer
koronaren Herzkrankheit und verringert das Auftreten von Bluthochdruck, Diabetes und
Krebs (Dickdarm,
Eierstock und Prostata) ([1]). Eine gesunde Leber kann kleine Mengen an
Alkohol problemlos abbauen, dennoch bleibt es ein allgemeines Zellgift, auch für das
Gehirn.
Empfehlung 7: Begrenzung des Salzkonsums. Der Verzehr von verschimmelten Getreide oder Hülsenfrüchten
ist zu vermeiden.
Der Verzehr von gepökelten, gesalzenen oder salzigen Lebensmitteln ist zu vermeiden;
Lebensmittel sollten
ohne Salz haltbar gemacht werden. Ein hoher Salzkonsum kann das Magenkrebsrisiko u.
a. durch eine
Schädigung der Magenwand sowie Synergismen mit anderen Kanzerogenen erhöhen. Da ein
hoher Salzkonsum bei
salzsensitiven Menschen den Bluthochdruck fördert ([5]) und der größte
Teil Salz mit vorgefertigten Lebensmitteln, besonders Fertigprodukte, Fast Food, Käse,
Wurst und Brot,
aufgenommen wird, sollte im Haushalt Salz sehr sparsam eingesetzt werden. Salzfreie
Gewürze und Kräuter
stellen gesunde Alternativen zu Salz dar ([7]).
Die Aufnahme von Aflatoxinen aus Schimmelpilzen steht im direkten Zusammenhang mit
Leberkrebs, der
besonders in tropischen Ländern häufig zu finden ist.
Empfehlung 8: Der Nährstoffbedarf sollte ausschließlich durch Lebensmittel gedeckt werden.
Nahrungsergänzungsmittel werden für die Krebsprävention nicht empfohlen. Ergebnisse
mit hoch dosierten
Supplementen können nicht auf die ganze Bevölkerung übertragen werden. Eine allgemeine
Empfehlung,
Nahrungsergänzungsmittel zur Prävention von Krebserkrankungen einzusetzen, könnte
unerwartete und
nachteilige Wirkungen mit sich bringen. Deshalb wird eine Erhöhung der Zufuhr relevanter
Nährstoffe
mittels der üblichen Kost vorgezogen.
Hoch dosierte Supplemente können die Nährstoffabsorption anderer Nährstoffe beeinflussen
und das
Krebsrisiko erhöhen ([6]). So kann hoch dosiertes, isoliertes
Beta-Carotin als Supplement (nicht als Lebensmittel) das Lungenkrebsrisiko von Rauchern
und eine zu hohe
Kalziumzufuhr (über 1,5 g/Tag) wahrscheinlich das Prostatakrebsrisiko erhöhen.
Zwei Sonderempfehlungen gelten weltweit:
Empfehlung 9: Mütter sollten stillen; Säuglinge sollten gestillt werden.
Säuglinge sollten möglichst bis zu 6 Monaten ausschließlich gestillt werden; danach
sollte mit der
Einführung von Beikost begonnen werden. Die wissenschaftlichen Daten für Krebs und
andere Krankheiten
zeigen, dass dauerhaftes, ausschließliches Stillen sowohl die Mutter als auch das
Kind schützen (▶
Abb.
[
3
]). Stillen ist gut für Säugling und Mutter und es
minimiert das Risiko, im späteren Lebensverlauf an Krebs zu erkranken ([12]).
Abb. 3 Prävention von Anfang an: Stillen hilft Kind und Mutter. (© PhotoDisc)
Empfehlung 10: Für ehemalige Krebspatienten gelten die Empfehlungen zur Krebsprävention.
Ehemals an Krebs Erkrankte sollten von ausgebildeten Ernährungsfachkräften betreut
werden. Wenn möglich
(und wenn es keine anderen Empfehlungen gibt), sollten die Empfehlungen für Ernährung,
gesundes
Körpergewicht und körperliche Aktivität eingehalten werden. Menschen, die von Krebs
betroffen waren,
befürchten eine Wiederkehr der Krankheit. Diese Angst selbst ist ein Risikofaktor,
der durch gezielte
Angstvermeidungsschulung verringert werden kann ([8]).