ZWR - Das Deutsche Zahnärzteblatt 2014; 123(05): 237-238
DOI: 10.1055/s-0034-1377094
Colloquium
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Für die postendodontische Versorgung bietet sich heute die Bulkfüll-Technik an – Genauso wichtig wie die Wurzelkanalbehandlung selbst

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Publication Date:
11 June 2014 (online)

 

Prof. Dr. Michael Naumann, Klinik für zahnärztliche Prothetik der Universität Ulm, zählt zu seinen Therapieschwerpunkten heute insbesondere die Wurzelkanalbehandlung einschließlich der post­endodontischen Versorgung. Wie das Vorgehen in der Praxis auf dem aktuellen Stand der Wissenschaft aussieht, erläutert er im Interview.

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M. Naumann

? Herr Prof. Naumann, wo endet eigentlich die endodontische Behandlung?

Prof. Dr. Michael Naumann: Bei endodontischen Behandlungen geht es nicht nur um die Aufbereitung, Reinigung und Füllung von Wurzelkanälen. Auch die Qualität der koronalen Restauration ist entscheidend für den endodontischen Gesamterfolg. Es ist wissenschaftlich erwiesen, dass ein Zusammenhang zwischen der eigentlichen endodontischen Behandlung und der koronalen Restauration besteht. Dr. Trope kam in einer Studie [ 1 ] zu diesem Ergebnis: „Die Erfolgsquote von Zähnen mit guter Wurzelkanalobturation ging bei schlechter koronaler Restauration von circa 90 auf 44 % zurück.“ Sieht man sich die Resultate genau an, so muss man zu dem Schluss kommen, dass einem koronal dichten adhäsiven Verschluss eine ähnlich wichtige Rolle wie der Wurzelkanalbehandlung selbst zukommt.

? Welche Methode ist die beste für die definitive Restauration endodontischer Zugangskavitäten?

Naumann: Ganz klar eine adhäsive Füllung. Adaptation, Dichtigkeit und Stabilisation der Restzahnsubstanz sind besser als bei anderen Methoden, vorausgesetzt, es ist noch genügend Restzahnsubstanz vorhanden.

? Wie viel Zeit sollte zwischen der Obturation der Wurzelkanäle und der definitiven Restauration der Zugangskavität liegen?

Naumann: Möglichst wenig. Wie Dr. Trope feststellte, kann eine mangelhafte koronale Restauration leicht zur Reinfektion des Kanalsystems führen. Dies würde das Gesamtresultat und die Lebensdauer der Wurzelkanalfüllung beeinträchtigen. Eine mögliche Folge wäre eine Entzündung im apikalen Bereich.

? Welches Vorgehen würden Sie Ihren Kollegen empfehlen?

Naumann: Ich rate immer zu einer sofortigen definitiven Restauration, idealerweise in derselben Sitzung. Man sollte eine gute endodontische Behandlung nicht durch eine mittelmäßige koronale Restauration gefährden.

? Dafür braucht der behandelnde Zahnarzt das richtige Füllungsmaterial. Wozu raten Sie?

Naumann: Auf dem aktuellen Stand der Technik bietet sich ein Bulkfüll-Komposit an, namentlich SDR (Dentsply). Es lässt sich mit einer Schichtstärke von 4 mm in einem Guss in eine Kavität einbringen. Dabei zeichnet es sich durch einen besonders geringen Polymerisationsstress aus – und durch eine hohe Zuverlässigkeit auch bei einem hohen C-Faktor, wie ihn zum Beispiel Endo-Kavitäten aufweisen. Darum eignet sich dieses Material beim koronalen Verschluss in besonderer Weise.

? Wurzelkanalbehandlung und koronaler Verschluss sind im Hinblick auf den Therapieerfolg offenbar sehr eng miteinander verwoben. Welche Rolle spielt die Kompatibilität der verwendeten Materialien?

Naumann: Da sprechen Sie einen wichtigen Aspekt an. Kompatibilität ist nicht immer gegeben, speziell zwischen Produkten von unterschiedlichen Herstellern, was sich natürlich negativ auf das Behandlungsresultat auswirken kann. Zertifizierte Behandlungssysteme, wie etwa das Dentsply Endo-Resto-System, bieten hier eine Zusammenstellung von Produkten mit einwandfreier, vom Hersteller garantierter Kompatibilität.

? Was sind die entscheidenden Bestandteile dieses Komplettsystems?

Naumann: Es enthält eine ganze Reihe unverzichtbarer Produkte, zum Beispiel den Wurzelkanalsealer AH Plus und das universell einsetzbare Etch&Rinse-Adhäsiv XP Bond für die koronale Restauration. Als äußerst nützlich erweist sich dabei der AH Plus Cleaner, eine spezielle Reinigungsflüssigkeit zur effektiven Entfernung von nicht abgebundenem AH Plus. Diese Vorbehandlung sorgt für eine ungestörte Interaktion zwischen Dentin und Adhäsiv und damit für eine optimale Haftung. Die entscheidende Komponente ist für mich aber das selbstnivellierendes Bulkfüll-Komposit SDR.

? Welche Anforderungen muss ein Komposit bei der Restauration endodontischer Zugangskavitäten unbedingt erfüllen?

Naumann: Vor allem muss es, zusammen mit dem Adhäsiv, an den koronalen Rändern und den obturierten Kanälen eine gute und verlässliche Dichtigkeit bieten. Und dass sich in möglichst kurzer Zeit eine homogene Füllung erzielen lässt, ist den meisten Zahnärzten ebenfalls wichtig.

? Wird das von Ihnen bevorzugte Komposit SDR diesen Anforderungen gerecht?

Naumann: Meiner Erfahrung nach ja. Dank der Fließfähigkeit und Selbstnivellierung ist die Adaptation der mit SDR gelegten Füllungen exzellent, selbst bei Zugangskavitäten mit komplexer Geometrie. Zudem ist SDR in Inkrementen à 4 mm applizierbar, also in der sogenannten „Bulkfüll-Technik“.

? Allerdings handelt es sich um ein fließfähiges Komposit. Zeigen solche Produkte nicht üblicherweise einen höheren Schrumpfungsstress und folglich eine geringere Randdichtigkeit?

Naumann: Zumeist schon. Aber hier ist es anders. SDR zeigt einen außerordentlich geringen Schrumpfungsstress, der bis zu 60 % niedriger ist als bei konventionellen Kompositen.

? Welche klinischen Vorteile ergeben sich aus diesen Eigenschaften?

Naumann: Gerade bei Kavitäten mit hohem C-Faktor, wie sie bei Wurzelkanalbehandlungen die Regel sind, kann ein fließfähiges Komposit mit geringem Schrumpfungsstress von großem Vorteil sein. In einer kürzlich publizierten Studie der Universität Leuven [ 2 ] zeigte SDR bei Inkrementstärken bis 4 mm eine hervorragende Mikrozugfestigkeit im Verbund mit dem Kavitätenboden, während ein konventionelles Komposit bei Applikation in nur einem Inkrement schon in 2,5 mm tiefen Kavitäten versagte.

Dies lässt den Schluss zu, dass SDR auch in der Bulkfüll-Technik eine sehr gute Haftung und Dichtigkeit bietet. Eine Studie der Universität Erlangen [ 3 ] bestätigt diese Einschätzung – mittels Farbpenetrationstest wurde bei SDR eine hohe koronale Dichtigkeit nachgewiesen.

? Und wenn trotz allem eine Revision nötig wird?

Naumann: Die schlechte Nachricht dazu lautet: Das lässt sich bekanntlich nach wie vor nicht in 100 % aller Fälle vermeiden. Die gute Nachricht: Bei endodontischen Revisionen erleichtert SDR den Zugang zu den Kanaleingängen und dem Obturationsmaterial, weil dank seiner hohen Transluzenz die Guttapercha gut zu erkennen ist. Dies verringert die Gefahr von Perforationen.

? Für welche Indikationen würden Sie SDR an Kollegen weiterempfehlen, und wo liegen die Grenzen?

Naumann: Für mich ist es das ideale postendodontische Füllungskomposit. Es vereint exzellente koronale Dichtigkeit, einfache Applikation und erhebliche Zeitersparnis. Die Grenzen sind erst dort erreicht, wo der koronale Defekt so groß ist, dass er eine indirekte Restauration erfordert. Abgesehen von den speziellen Anforderungen der endodontischen Therapie kann ich SDR auch als Standardkomposit für die routinemäßige Füllungstherapie empfehlen, besonders bei tiefen, ausgedehnten Kavitäten.

Das Interview führte Dr. Chrstian Ehrensberger

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Beispiel einer Füllungstherape. a) Zahn 46 unmittelbar nach Obturation mit Guttapercha. b) Bulkfüllung mit SDR: Selbstnivellierung und Kavitäten-Adaptation. c) Finale Situation mit Ceram X mono+ als Deckschicht. (Fotos: Dr. Marcus Holzmeier, Crailsheim)

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  • Literatur

  • 1 Roy HA, Trope M. Int Endod J 1995; 28: 12-18
  • 2 Van Ende A et al. Dental materials 2013; 29: 269-277
  • 3 Ebert J. Universität Erlangen, Deutschland: Daten auf Anfrage

  • Literatur

  • 1 Roy HA, Trope M. Int Endod J 1995; 28: 12-18
  • 2 Van Ende A et al. Dental materials 2013; 29: 269-277
  • 3 Ebert J. Universität Erlangen, Deutschland: Daten auf Anfrage

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M. Naumann
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Beispiel einer Füllungstherape. a) Zahn 46 unmittelbar nach Obturation mit Guttapercha. b) Bulkfüllung mit SDR: Selbstnivellierung und Kavitäten-Adaptation. c) Finale Situation mit Ceram X mono+ als Deckschicht. (Fotos: Dr. Marcus Holzmeier, Crailsheim)