Kontaktallergien in der Phlebologie
Kontaktallergene sind niedermolekulare, körperfremde Verbindungen, die bei Hautkontakt
als Hapten fungieren und mit körpereigenen Peptiden reagieren können. Dieser Hapten-Peptid-Komplex
wird vom Immunsystem als köperfremd erkannt (Sensibilisierungsphase) [1]
[2]
[3]. Nach erfolgter Sensibilisierung kommt es bei erneutem Allergenkontakt bei einem
Teil der Patienten zur Effektorphase mit einer immunologisch (T-Zell-) vermittelten
Entzündungsreaktion [1]
[2]
[3].
Kontaktallergien auf Lokal- und Wundtherapeutika
Patienten mit einer chronisch venösen Insuffizienz und einem Ulcus cruris venosum
weisen deutlich höhere Sensibilisierungsraten auf als die Normalbevölkerung [4]. Ursächlich scheint hier die vermehrte und dauerhafte Applikation von Lokal- und
Wundtherapeutika zu sein, die im Rahmen von bestehenden Stauungsekzemen oder Ulzerationen
verwendet wurden. Darüber hinaus spielt die gestörte Barrierefunktion der Epidermis,
die ein Eindringen von Allergenen erleichtert, eine mögliche Rolle zu Beginn der Sensibilisierungen
[4]
[5].
Häufige Kontaktallergene bei Patienten mit chronischen Wunden sind Perubalsam, Amerchol
L101 (Paraffinum liq., Emulgator), Duftstoffmix, Wollwachsalkohole, Kolophonium, Aminoglykoside,
PVP Jod [6]
[7]
[8].
Fazit: Bei Hochrisikopatienten sollte im Sinne einer Allergieprävention auf sämtliche potenzielle
Kontaktallergene verzichtet werden. Hier sind Lokaltherapeutika nach dem neuen Rezeptur-Formularium
(NRF) empfehlenswert, die zu Gunsten einer guten Verträglichkeit auf lange Haltbarkeiten
verzichten und deshalb bei Bedarf ohne Konservierungsstoffe und Stabilisatoren hergestellt
werden.
Bei klinischem Verdacht auf eine Kontaktallergie gegen Lokal- und Wundtherapeutika
ist eine Epikutantestung mit der Standardreihe und den in der Wundversorgung eingesetzten
Materialien indiziert.
Kontaktallergien auf Kompressionsmaterialien
Häufig treten unter einer Kompressionstherapie Symptome wie Juckreiz, Brennen oder
Rötung auf [9], die als eine Kontaktallergie auf die „Gummistrümpfe“ gewertet werden.
Medizinische Kompressionsstrümpfe bestehen heute im Wesentlichen aus Elastan (elastischen
Kernfäden) und Polyamid (Umwindematerial, das mit der Haut in Kontakt kommt) [10].
Allergische Reaktionen auf die in Kompressionsstrümpfen verwendeten Materialien Elastan
und Polyamid sind eine Rarität. Einzelfallberichte über eine Kontaktreaktion auf Nylon
existieren [11]. Die in der Literatur beschriebenen allergischen Reaktionen auf Textilien werden
in der Regel nicht durch die synthetischen Textilfasern verursacht, sondern vielmehr
durch Textilveredelungsstoffe oder Farbstoffe, die den Fasern zugesetzt werden. DP
blau 124 und DP blau 106 (Dispersionsfarbmittel des Azo- und Anthrachinin-Typs) besitzen
ein hohes Sensibilisierungspotenzial und werden für dunkle Farbtöne (blau, schwarz)
in großen Mengen verabreicht [12]. Malinauskiene et al. [13] konnten in einer aktuellen Untersuchung zeigen, dass die wiederholt angeschuldigten
Dispersionsfarbstoffe allerdings nur noch selten verwendet werden. Kontaktallergien
auf Kompressionsstrümpfe sind eine Rarität. Systematische Untersuchungen hierzu existieren
nicht. Häufiger sind Irritationen, die durch eine unspezifische Schädigung der Epidermis
zustande kommen [14]. Materialeigenschaften wie Rauhigkeit des Gewebes, Reibung auf der Haut, reduzierte
Feuchtigkeitsaufnahme sowie der materialbedingte okklusive Abschluss durch das Haftband
sind die wahrscheinlichsten Ursachen für eine toxisch-irritative Dermatitis. Prädilektionsstellen
sind die Unterschenkelstreckseiten und der Oberschenkel mit dem Abschluss des Haftbandes
[14].
Latexallergie
Naturgummilatex birgt aus allergologischer Sicht mehrere Probleme. Zum einen konnten
bislang zahlreiche wasserlösliche Latexproteine als Auslöser einer Sofort-Typ-Allergie
(IgE-vermittelt) nachgewiesen werden [15]. Die klinischen Manifestationen reichen von einer Kontakturtikaria (perkutaner Kontakt)
über das Asthma bronchiale (Schleimhautkontakt) bis hin zu schwerwiegenden Anaphylaxien.
Zum anderen müssen zur Gewährleistung der Materialeigenschaften dem Naturgummilatex
zahlreiche Substanzen wie z. B. Vulkanisationsbeschleuniger zugesetzt werden. Diese
Zusatzstoffe sind hauptsächlich für allergologische Manifestationen vom verzögerten
Typ (Kontaktallergien) verantwortlich [15].
In der Kompressionstherapie findet Naturgummilatex (Elastodien) heute nur noch vereinzelt
in Flach- und Rundstrickware Verwendung. Eine versteckte Latexquelle in der Kompressionstherapie
stellen selbsthaftende kohäsive Fixier- und Kompressionsbinden, wie sie in Mehrkomponentenkompressionsverbänden
verwendet werden, dar [16]. Hier führt ein Latexauftrag auf den Binden dazu, dass die Bindentouren aufeinander
haften, ohne dass die Binden auf der Haut und den Haaren kleben. Die klinische Symptomatik
reicht von allergischen Kontaktekzemen bis hin zu Sofort-Typ-Reaktionen.
Fazit: Bei vorbekannter Latexallergie/-sensibilisierung und fehlender eindeutiger Deklaration
„latexfrei“ empfiehlt sich aufgrund des vielfältigen Sortiments eine direkte Kontaktaufnahme
mit den Herstellern, um die individuelle Materialzusammensetzung zu prüfen [14].
Arzneimittelallergien in der Phlebologie
Heparinallergie
Immunreaktionen auf subkutan oder intravenös verabreichte Heparine können sich in
Form einer Sofort-Typ-Allergie (Urtikaria, Angioödeme, anaphylaktischer Schock), einer
Typ-II-Reaktion (Heparin-induzierte Thrombozytopenie) oder Typ-IV-Spät-Typ-Allergien
(erythematöse und ekzematöse Hautveränderungen am Injektionsort) präsentieren [17]. Sofort-Typ-Reaktionen werden selten beobachtet. Spät-Typ-Reaktionen auf subkutan
verabreichte hoch- und niedermolekulare Heparine treten dagegen relativ häufig auf
[18]. Nach einer Latenzzeit von 7 – 14 Tagen kommt es zu juckenden oder brennenden, erythematösen,
teilweise auch ekzematösen Plaques an den Injektionsstellen ([Abb. 1]). Selten folgt ein generalisiertes Ekzem oder Exanthem [19]. Aufgrund der hohen Kreuzreaktivität zwischen unfraktionierten und niedermolekularen
Heparinen sollten diese bei nachgewiesener Spät-Typ-Allergie in subkutaner Applikationsform
nicht mehr eingesetzt werden [17]
[20]. Therapeutische Alternativen sind je nach Indikation rekombinantes Hirudin (i. v.)
oder direkte Thrombininhibitoren [17]. Fondaparinux kann ebenfalls nach erfolgreicher allergologischer Abklärung als Ausweichpräparat
eingesetzt werden [21]. Hier ist allerdings zu beachten, dass bei längerer Therapiedauer das Risiko für
eine Kreuzreaktion steigt. Bei dringender medizinischer Indikation zur intravenösen
Heparinapplikation und vorbeschriebener Spät-Typ-Allergie zeigt paradoxerweise die
intravenöse Applikation von unfraktioniertem Heparin eine gute Verträglichkeit und
ist in Notfällen auch ohne eine vorherige Allergiediagnostik möglich [22].
Abb. 1 Ekzemplaques um die Injektionsstellen bei Heparinallergie auf subkutan appliziertes
Certoparin (Mono Embolex®).
Differenzialdiagnosen der Heparinallergie
Die bedeutendste Differenzialdiagnose zum Heparin-Ekzemplaque ist die Heparin-induzierte
Hautnekrose, ein Symptom der Heparin-induzierten Thrombozytopenie (HIT), die initial
ebenfalls mit einem Erythem um die Einstichstelle einhergeht [23]
[24]. Eine frühzeitige Hautbiopsie kann hier diagnostisch weiterhelfen [23]. Eine zeitnahe Diagnose ist von essentieller therapeutischer Relevanz, da bei einer
Heparin-induzierten Thrombozytopenie erneute Applikationen von unfraktionierten oder
niedermolekularen Heparinen im Rahmen der Therapie wie auch der Allergiediagnostik
kontraindiziert sind.
Fazit: Nach dem Ausschluss einer Heparin-induzierten Thrombozytopenie und Vorliegen einer
Spät-Typ-Allergie gegen subkutan applizierte Heparine ist eine standardisierte stufenweise
Allergiediagnostik mit Hauttests, subkutanen ggfs. intravenösen Provokationstestungen
indiziert.
Allergien auf Polidocanol (Thesit®, Aethoxysklerol®)
Polidocanol ist eine grenzflächenaktive Substanz mit einer oberflächenbetäubenden
Wirkung. Polidocanol wird als Arzneistoff, als pharmazeutischer Hilfsstoff und als
kosmetischer Inhaltsstoff verwendet. Äußerlich angewendet dient Polidocanol der Juckreizlinderung,
die intravenöse Applikation dient der Verödung von Varizen. Allergische Kontaktdermatitiden
nach kutaner Applikation (allergische Reaktionen vom verzögerten Typ) sind beschrieben
[25]. Mithilfe einer Epikutantestung kann dieser Verdacht einfach und zielgerichtet bestätigt
werden. Sofort-Typ-Reaktionen auf Polidocanol (Aethoxysklerol®) mit anaphylaktoiden bzw. anaphylaktischen Reaktionen höheren Grades nach z. B. Varizenverödungen
sind selten [26] und manchmal nur schwer von vasovagalen Reaktionen zu unterscheiden. Problematisch
ist auch die Aussagekraft der Prick- und Intrakutantestungen. Im Rahmen der Besenreiserverödung
wie auch der Prick- und Intrakutantestung mit Aethoxysklerol® kann es um die Einstichstelle zu einer Quaddelbildung kommen ([Abb. 2]). Diese Reaktion ist nicht als lokal allergische Hautreaktion zu werten, sondern
vielmehr als eine medikamentös-toxische Reaktion mit vermutlich direkter Histaminfreisetzung
und somit als falsch positive Reaktion, diagnostisch schwer einzuordnen.
Abb. 2 Nicht-allergische Quaddelbildung um die Injektionsstellen nach Besenreiserverödung
mit Aethoxysklerol.
Hinzu kommt, dass im Tiermodell paravasal appliziertes Aethoxysklerol® in Konzentrationen ab 2 % eine Gewebetoxizität mit der Gefahr von Hautnekrosen aufweist
[27] und somit aus diagnostischen Gründen höher konzentriertes Aethoxysklerol® nicht verwendet werden darf.
Fazit: Sofort-Typ-Reaktionen auf Aethoxysklerol® sind als Einzelfallberichte beschrieben. Ob es sich hierbei um eine immunologische
Reaktion (IgE-vermittelt) oder eine nicht-immunologische Reaktion (Intoleranzreaktion)
handelt, ist bislang nicht geklärt. Systematische Daten existieren nicht. Die Hauttestungen
sind aufgrund der Toxizität von Polidocanol nur eingeschränkt durchführbar und ihre
Aussagekraft ist limitiert.