Dialyse aktuell 2014; 18(05): 250
DOI: 10.1055/s-0034-1381267
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Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Bluthochdrucktherapie bei HD-Patienten mit linksventrikulärer Hypertrophie – ACE-Hemmer oder β-Blocker?

Contributor(s):
Markus van der Giet
Agarwal R, Sinha AD, Pappas MK et al.
Hypertension in hemodialyis patients treated with atenolol or lisinopril: a randomized controlled trial.

Nephrol Dial Transplant 2014;
29: 672-681
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Publication History

Publication Date:
18 June 2014 (online)

 
 

Quelle: Agarwal R, Sinha AD, Pappas MK et al. Hypertension in hemodialyis patients treated with atenolol or lisinopril: a randomized controlled trial. Nephrol Dial Transplant 2014; 29: 672–681

Thema: Es sollte bei Patienten mit regelmäßiger Hämodialysetherapie überprüft werden, welche antihypertensive Therapie sowohl den Blutdruck auch die linksventrikuläre Hypertrophie besser beeinflusst. Es wurden 2 antihypertensive Regime unter Verwendung eines β-Blockers bzw. eines ACE-Hemmers (ACE: Angiotensin Converting Enzyme) untersucht.

Projekt: In einer Open-Label-Studie bekamen je 100 Patienten den ACE-Hemmer Lisinopril oder den β-Blocker Atenolol als antihypertensive Therapie an 3 Tagen pro Woche nach der Dialysetherapie. Einmal im Monat wurde der Blutdruck zu Hause gemessen und ein Zielblutdruck von unter 140/90 mmHg angestrebt. Dies wurde durch eine Anpassung des Trockengewichts, durch eine assoziierte Blutdruckmedikation bzw. auch eine Natriumrestriktion erreicht. Als primärer Endpunkt wurde die Veränderung des linksventrikulären Massenindex nach 12 Monaten untersucht.

Ergebnisse: Zu Beginn der Untersuchung wurde bei allen Patienten eine ambulante Langzeitblutdruckmessung 44 h durchgeführt. Die Blutdruckwerte waren in beiden Gruppen gleich (151,5/87,1 mmHg). Beide Gruppe wurden durch die Therapie bzgl. des Blutdrucks in gleicher Weise besser und es zeigte sich kein signifikanter Unterschied in den beiden Behandlungsgruppen, wenn auch der blutdrucksenkende Effekt in der Atenololgruppe numerisch ausgeprägter war.

In der Lisinoprilgruppe war eine erhöhte Zahl von Blutdruckmedikamenten notwendig und das Trockengewicht war intensiver gesenkt worden. Eine unabhängiges Sicherheitsgremium hat den Initiatoren der Studie einen frühzeitigen Abbruch aufgrund von Unterschieden in der Rate kardiovaskulärer Ereignisse empfohlen. In der Atenololgruppe zeigten sich bei 16 Patienten 20 schwerwiegende kardiovaskuläre Ereignisse, während sich in der Lisinoprilgruppe bei 28 Patienten 43 schwerwiegende Ereignisse zeigten.

Ein kombinierter Endpunkt aus Myokardinfarkt, Schlaganfall, Hospitalisierung bei Herzinsuffizienz bzw. kardiovaskulärer Tod trat bei 10 Patienten in der Atenololgruppe mit 11 Ereignissen ein, während in der Lisinoprilgruppe bei 17 Patienten 23 Ereignisse beobachtet wurden. Die Hospitalisierung aus jeglichem Grund war in der Lisinoprilgruppe signifikant erhöht (RR 1,61; 95-%-KI 1,18–2,19; p = 0,002). In beiden Gruppen zeigte sich eine Verbesserung bei der linksventrikulären Masse, wobei zwischen den Medikamenten kein Unterschied zu bemerken war.

Fazit: Es zeigte sich, dass eine atenololbasierte Therapie in der Behandlung von terminal nierenerkrankten Patienten mit Hypertonie und linksventrikulärer Hypertrophie in Bezug auf kardiovaskuläre Mortalität und auch Risiko für Hospitalisierung gegenüber dem Einsatz von Lisinopril überlegen ist.

Schlüsselwörter: Blutdrucktherapie – β-Blocker – ACE-Hemmer – Hämodialyse – Patienten – linksventrikuläre Hypertrophie

Kommentar

Es ist auch bei Dialysepatienten offensichtlich, dass eine blutdrucksenkende Therapie einen wichtigen Beitrag zur Senkung der kardiovaskulären Mortalität und Morbidität leistet. Während man bei Patienten mit „nur“ Bluthochdruck recht gut weiß, welche antihypertensive Differenzialtherapie für die Morbidität Vorteile erbringt, so ist dies bei Dialysepatienten nicht bekannt, da es schlichtweg nie untersucht worden ist.

Das Ergebnis, dass ein β-Blocker einem ACE-Hemmer überlegen sein könnte, ist vielleicht auf den ersten Blick sehr verblüffend. So haben wir doch in den letzten Jahren immer wieder in Studien die Überlegenheit von ACE-Hemmern in der Therapie für das kardiovaskuläre Risiko gezeigt bekommen. Eine Metaanalyse von 2009 [ 1 ] identifizierte nur 8 randomisierte Studien, die sich mit der gezielten Behandlung von Blutdruck unter Dialyse beschäftigten und auch eine Tendenz zur Überlegenheit der ACE-Hemmer zeigten.

In der vorliegenden Studie erscheint Atenolol dem Lisinopril überlegen zu sein. β-Blocker sind bekannt dafür, dass sie sehr gut die gefahrvolle sympathische Überaktivierung, wie sie auch besonders bei Dialysepatienten beobachtet werden kann, blockieren können. Hierbei blockieren β-Blocker die sympathische Aktivität v. a. im Herzen, inhibieren aber nicht die allgemeine sympathische Aktivität. ACE-Hemmer zeigen hier keinen Effekt.

Da wir in der vorliegenden Kohorte einen sehr hohen Anteil von herzinsuffizienten Patienten haben, kann sich dieser Effekt durch die β-Blockade besonders herausstellen. Vergleicht man die Ereignisrate in der Studie mit Registerdaten des USRDS (United States Renal Data System), dann zeigt sich, dass die Ereignisrate auch in der Lisinoprilgruppe sehr niedrig war, aber Atenolol in der Situation einen noch besseren Schutz bietet. Also versagt Lisinopril nicht, sondern Atenolol wirkt noch besser. Wichtig ist aber, dass die β-Blockade eine besondere Wirkung bei Dialysepatienten zu haben scheint und ggf. eine First-Line-Therapie bei Dialysepatienten mit Bluthochdruck darstellt, um der besonderen Situation der sympathischen Überaktivierung entgegenzutreten.

Prof. Dr. Markus van der Giet, Berlin


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  • Literatur

  • 1 Heerspink HJ, Ninomiya T, Zoungas S et al. Effect of lowering blood pressure on cardiovascular events and mortality in patients on dialysis: a systematic review and meta-analysis of randomised controlled trials. Lancet 2009; 373: 1009-1015

  • Literatur

  • 1 Heerspink HJ, Ninomiya T, Zoungas S et al. Effect of lowering blood pressure on cardiovascular events and mortality in patients on dialysis: a systematic review and meta-analysis of randomised controlled trials. Lancet 2009; 373: 1009-1015