ergopraxis 2014; 7(06): 40-43
DOI: 10.1055/s-0034-1382278
profession & perspektiven
© Georg Thieme Verlag Stuttgart – New York

Eine Ergotherapeutin in Port-au-Prince – Reha für Haiti

Christina Janssen

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Publication Date:
04 June 2014 (online)

 

2010 brach in Haiti eines der schwersten Erdbeben der Welt aus: Hunderttausende Menschen starben, und Gebäude wurden zerstört. Noch immer ist die Gesundheitsversorgung desolat. Ergotherapeutin Christina Janssen packte ihren Koffer voller Therapiematerial und reiste nach Haiti, um therapeutische Hilfe zu leisten.


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Christina Janssen

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Christina Janssen, Ergotherapeutin BSc, arbeitete viele Jahre im neurologischen Fachbereich in Deutschland und in der Schweiz. Aktuell ist sie im Royal Hospital Donnybrook in Dublin (Irland) tätig. Außerdem engagiert sie sich für die Organisation Global Therapy Group.

Im Oktober 2013 las ich den Aufruf „Therapeuten für Haiti gesucht“. Ich hatte schon lange überlegt, als Ergotherapeutin bei einer Hilfsorganisation im Ausland mitzuarbeiten, und seit dem Erdbeben 2010 beschäftigte mich Haiti sehr. Ich informierte mich über die Organisation Global Therapy Group, die den Aufruf gestartet hatte, und nahm Kontakt zu Donna Hutchinson auf, der Gründerin der Organisation. Sie schickte mir per E-Mail weitere Informationen zum Projekt zu. Wir einigten uns darauf, dass ich die ersten zwei Februarwochen 2014 nach Haiti fliege. Therapeuten, die sich engagieren möchten, zahlen Flug und Unterkunft selbst. Glücklicherweise unterstützten mich Freunde und meine Familie bei der Reise.

Viele junge Menschen nach Schlaganfall

Donna Hutchinson und ihre Freundin Jo Ann Roberts, zwei Physiotherapeutinnen aus den USA, gründeten in Haiti im April 2010 eine kleine ambulante Klinik in der Hauptstadt Port-au-Prince, im Stadtteil Pétionville. Seither organisieren sie, dass freiwillige Physio-, Ergo- und Sprachtherapeuten aus aller Welt für mindestens zwei Wochen vor Ort sind. 2010 behandelten sie noch viele Erdbebenopfer aufgrund von Amputationen und zur Prothesenversorgung. Mittlerweile ist das Ziel, allen Menschen, die Therapie benötigen, eine kontinuierliche Rehabilitation anzubieten.

Über 80 Prozent der Patienten erlitten einen oder mehrere Schlaganfälle, andere kommen nach Schädel-Hirn-Trauma. Aber es sind auch Kinder mit angeborenen Behinderungen dabei.

Bei allen Patienten wird zuerst der Blutdruck gemessen, da der hohe Blutdruck der Grund ist, warum viele Haitianer oft schon mit 40 Jahren einen Schlaganfall bekommen: Sie ernähren sich zu salzreich und trinken zu wenig. Bevor wir die Patienten behandelten, hielten wir sie dazu an, ihre Medikamente regelmäßig einzunehmen und sich gesund zu ernähren. Oder wir verwiesen sie an einen Arzt, der den Blutdruck einstellen sollte.

Viele Haitianer haben schon mit 40 Jahren ein Schlaganfall – oft aufgrund hohen Blutdrucks.

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Ergotherapeutin Christina passt eine Schiene bei einem Mädchen mit Zerebralparese an.
(Abb.: Global Therapy Group)

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Vom Zelt in ein feststehendes Gebäude

In der Klinik arbeitet lediglich Andrew in Vollzeit. Der Haitianer ist seit drei Jahren von Donna fest angestellt. Er macht alles, was organisatorisch anfällt, und führt auch Behandlungen durch. Sein therapeutisches Know-how hat er von Donna und den freiwilligen Helfern gelernt. Denn in Haiti selbst gibt es bisher keine Ausbildung und kein Studium zum Physio- oder Ergotherapeuten. Außerdem arbeitet noch Frantzo halbtags in der Klinik. Er hat einen Kurs in Rehatechnik gemacht und passt die Hilfsmittel an. Regelmäßig kommen freiwillige Therapeuten aus aller Welt. Andrew und Frantzo übersetzen für sie ins Creolische. Dafür war auch ich sehr dankbar.

Seit dem 1. Februar 2014 ist die Klinik ein feststehendes kleines Gebäude, bestehend aus einem großen Raum. Die Jahre zuvor wurden Patienten in wechselnden Gebäuden oder Zelten behandelt. Jetzt ist das Behandeln deutlich angenehmer. Dennoch herrschen keine europäischen Verhältnisse: Strom und Wasser kann sich die Organisation nur begrenzt leisten. Eine Stromleitung mit einer Steckdose ist in der Nähe an einem Baum befestigt. Hier darf die Klinik zweimal pro Woche Strom „anzapfen“. Zweimal in der Woche gibt es fließend Wasser, allerdings nicht in Trinkwasserqualität, sodass Therapeuten ihr Wasser zum Trinken selbst mitbringen. Um dauerhaft Trinkwasser zu haben, ist ein Wasserreinigungssystem erforderlich. Das wäre ein enormer Luxus, denn das Arbeiten ohne fließend Wasser und Strom stellt uns immer wieder vor Herausforderungen. Um beispielsweise eine Schiene zu bauen, muss man auf einen Tag warten, an dem es Strom und Wasser gibt, oder das Gästehaus der Therapeuten aufsuchen.

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Sicher auf das Motorradtaxi zu steigen, ist oft das erste Ziel für Patienten, um mobil zu sein.
(Abb.: Global Therapy Group)

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Wir behandeln kostenlos

Es hat nie geklappt, feste Termine einzuführen. Die Haitianer kommen morgens gegen halb neun und warten, bis sie der Reihe nach behandelt werden. Bis zu 14 Patienten suchen uns täglich auf. In der Regel zweimal pro Woche. Manche leisten sich die „Taxifahrt“ auf dem Motorrad oder werden von einem Angehörigen mit dem Auto gebracht. Viele aber laufen zu Fuß über unwegsames Gelände im Staub und in der Hitze.

Die Behandlung ist kostenlos. Es gibt zurzeit lediglich zwei Patienten, die ihre Therapie bezahlen. Sie sind wohlhabend, und für sie ist es angenehmer, in Haiti behandelt zu werden, als beispielsweise nach Miami (USA) zu fliegen – was sich nur wenige leisten können. Die zahlenden Patienten sind stolz darauf, zu helfen und die Klinik ein bisschen mitzufinanzieren.


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Ein Koffer voller Orthesen

Von Donna wusste ich, dass besonders Hilfsmittel und Orthesen fehlen. Der Bedarf an Fußheberschienen ist groß, denn mit ihnen und mit Hilfe eines Gehstocks können die Patienten oft einigermaßen laufen. Rollatoren nutzen nicht viel: Es gibt keine Bürgersteige, auf der Straße liegt Geröll, und immer wieder sind Gräben zu überqueren. Daher hatte ich im Vorfeld meiner Reise bei der Firma Sporlastic angefragt, ob sie bereit wären uns zu unterstützen. Die Firma schickte mir 20 Neurodynschienen und 20 Fußheberorthesen zu, die ich alle in meinem größten Koffer mitnahm. Vor Ort war es schön zu sehen, wie sicher die Patienten mit der Orthese laufen konnten.

Mit den Patienten mit Hemiparese arbeitete ich viel funktionell. Gemeinsam erarbeiteten wir Dehnungsmöglichkeiten und probierten Tätigkeiten aus, bei denen man Arm und Hand einsetzen kann. Manchmal arbeiteten Andrew und ich zu zweit mit den Patienten. Zum Beispiel trainierten wir das Auf- und Absteigen auf die „Motorradtaxis“ – oft das erste wichtige Ziel, um überhaupt mobil sein zu können.


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Folgen des Bebens sind noch sichtbar

Neben der Arbeit konnte ich auch einiges entdecken. Wunderschön war der Blick oben in den Bergen herunter auf die Hauptstadt. In Downtown Port-au-Prince allerdings sind die Folgen des Erdbebens allgegenwärtig: 90 Prozent der Häuser sind immer noch zerstört. Die Kathedrale ist eine Ruine, und die Menschen verkaufen ihre Waren direkt auf den Straßen.

Wie meine haitianische Gastfamilie mir erklärte, gestaltet sich der Aufbau in Haiti, dem ärmsten Land der westlichen Hemisphäre, deshalb so schwierig, weil es viele korrupte politische Strukturen gibt. Dadurch dass sich der Postverkehr im Land nicht etablieren konnte, liegen Hilfsgüter und andere Materialien oft monatelag beim Zoll, bevor sie abgeholt werden.


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Es ist viel Aufbauarbeit erforderlich

Für mich persönlich war es eine bereichernde Erfahrung, dass ich in Haiti eine Woche lang mit Donna Hutchinson zusammenarbeiten konnte und viel über ihr Projekt erfuhr („Nachgefragt“, S. 42). Donna erzählte von dem Mangel an Hilfsmitteln vor Ort. Dringend benötigte Hilfsmittel kommen nur langsam ins Land. Gäbe es eine haitianische Firma, wären zumindest die Transportwege kürzer. Zum anderen sieht sie es als notwendig an, dass weitere ambulante Kliniken oder Praxen in anderen Stadtteilen entstehen, um möglichst vielen Menschen den Zugang zu Therapien zu ermöglichen. Vor allem aber wird es künftig nötig sein, dass in Haiti ein eigenes Ausbildungssystem entsteht, damit dauerhaft qualifizierte Therapeuten vor Ort sind.

Mich haben die zwei Wochen in Haiti in meinem Beruf als Ergotherapeutin bestätigt. Es war ein gutes Gefühl, den Patienten helfen zu können, in ihrem Alltag besser zurechtzukommen. Trotz der Schwierigkeiten mit der eigenen Erkrankung, den traumatischen Erlebnissen und den noch immer spürbaren Folgen des Erdbebens habe ich die Haitianer unglaublich motiviert und fröhlich erlebt. Zu sehen, dass Menschen stundenlang auf die Therapie warten, ohne sich zu beschweren, hat mich gelehrt, geduldiger zu sein. Als das Flugzeug in Port-au-Prince abhob, bin ich mit dem Gefühl geflogen, dass ich nicht das letzte Mal in Haiti war.

Nachgefragt bei Donna Hutchinson

Donna, was hat dich bewegt, nach dem Erdbeben 2010 in Haiti eine ambulante Klinik zu gründen?

Meine Freundin Jo Ann und ich kamen mit anderen freiwilligen Therapeuten zwei Monate nach dem Erdbeben in Port-au- Prince an. Wir wollten unsere Hilfe anbieten, so weit wir konnten. Wir fanden eine Situation vor, in der Patienten ohne weitere therapeutische Nachsorge aus Krankenhäusern entlassen wurden. Oder in der Menschen, die um die Kliniken campierten, weggeschickt wurden. Sie sollten ihren Alltag wieder aufnehmen! Das Problem war aber, dass die Menschen keinen Ort hatten, wohin sie gehen konnten, um beispielsweise nach einer Handverletzung bzw. Operation eine Prothese angepasst zu bekommen oder um Therapie zu erhalten.

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Donna Hutchinson ist Physiotherapeutin. Sie lebt und arbeitet in den USA. 2010 gründete sie die Hilfsorganisation Global Therapy Group in Haiti. Ihr Ziel war ursprünglich, Erdbebenopfer therapeutisch zu versorgen. Mittlerweile möchte sie auch anderen Patienten kontinuierlich Therapie anbieten: Kindern mit Entwicklungsstörungen, jungen Erwachsenen nach Schlaganfällen und älteren Menschen, die zum Beispiel eine Gehhilfe brauchen, um unabhängig zu sein. www.globaltherapygroup.com
(Abb.: Global Therapy Group)

Ich hatte die Idee, dass ich eine ambulante Klinik aufbauen möchte, wo unversorgte Patienten Therapie bekommen können. In meiner ersten Woche ging ich zu einem Treffen, bei dem verschiedene Hilfsorganisationen und Helfer in der Nähe des Flughafens zusammenkamen.

Meine Idee habe ich dort mitgeteilt. Danach kamen jede Menge Leute auf mich zu, vor allem Ärzte, die großes Interesse an der Klinikeröffnung signalisierten. Sie gaben mir ihre Visitenkarten und fragten: „Wann eröffnen Sie und wohin können wir Ihnen die Patienten schicken?“ Als ich zu meiner Freundin Jo Ann zurückkam und ihr erzählte, dass der Bedarf nach Therapie offensichtlich sehr groß ist, war für uns sofort klar, dass wir diese Idee realisieren wollten.

Wie ging es dann los?

Außerhalb des Krankenhauses, in dem wir als freiwillige Helfer arbeiteten, gab es eine freie, nutzbare Fläche. Die Fläche hatte eine Rampe, um Patienten in Rollstühlen hinzufahren. Außerdem waren gerade US-amerikanische Bauarbeiter da. Die baten wir, für uns eine Holzkonstruktion zu erstellen und ein Zeltdach als Sonnenund Regenschutz darüberzuspannen. Das war unsere „Klinik“.

Es gab in Haiti kaum einen Ort, wohin die Menschen zur Nachsorge bzw. Reha gehen konnten. Das wollte ich ändern.

Jo Ann und ich verpflichten uns nicht nur, diese Klinik ins Leben zu rufen, sondern auch für zwei Jahre freiwillige Therapeuten zu organisieren. Es verwundert mich heute noch, dass alles buchstäblich aus dem Nichts aufgetaucht ist. Zum Beispiel die Tatsache, dass ein Schild für die Klinik erforderlich war, damit Patienten und Ärzte zu uns finden konnten. Wäre ich zu Hause in den USA gewesen, dann hätte ich irgendwo ein Stück Pappe oder Folie aufgetrieben und mit Filzstift beschrieben, aber ich war in Haiti – also woher nehmen? Zufällig stolperte ich über eine 1,50 m große Rolle mit Folie: Das Problem war gelöst. Ich hatte oft das Gefühl, dass wir die Dinge anzogen. Die Energie um mich herum war das Aufregende in meinem Leben. Ich habe gelernt, nicht zögerlich zu sein, sondern etwas zu tun und sich dem auch völlig zu verpflichten.

Gab es eine Geschichte, die dir besonders in Erinnerung bleibt?

Sehr bewegende Momente habe ich mit Judeline erlebt. Ich lernte sie kennen, da war sie 15 Jahre alt. Sie hatte rechts eine Beinamputation, einen versteiften Knöchel links und Verletzungen an der rechten Hand, sodass sie kaum berührt werden durfte. Bis auf ihre Mutter und Judeline war die gesamte Familie bei dem Erdbeben umgekommen. Als ich sie das erste Mal sah, lag das Mädchen einfach nur im Klinikbett und starrte an die Decke. Sie war traumatisiert, wollte sich nicht bewegen. Ihre Mutter musste sie immer hochnehmen und tragen. Das Mädchen war 1,76 m groß, ihre Mutter aber viel kleiner, und es sah sehr mühsam aus, wie die Mutter ihre Tochter trug. Wir sagten zu Judeline: Komm, du musst aufstehen und raus aus dem Bett. Sie wehrte sich anfangs dagegen, aber nach einer Woche hatten wir sie so weit, dass sie zumindest im Rollstuhl saß und sogar selbst ein wenig in der Klinik umherfuhr. In der Woche darauf zeigten wir ihr, mit Unterarmgehstützen zu laufen. Sie erlaubte uns sogar, ihren Arm zu berühren. Es dauerte fast ein Jahr, bis sie mit meinem Sohn tanzte, der zu diesem Zeitpunkt mit in Haiti war. Es ist noch immer unglaublich beeindruckend, Judelines Verlauf zu sehen – gerade weil es so schwer war, sie am Anfang überhaupt zu motivieren. Zu einem späteren Zeitpunkt nahm sie mich einmal in den Arm und sagte: Donna, ihr habt mir mein Leben zurückgegeben. Ich kann wieder laufen und zur Schule gehen. Das zu hören, bleibt mir unvergessen.

Was waren deine größten Herausforderungen als Gründerin der Organisation?

Eigentlich bin ich sehr organisiert und sehe das gesamte Bild und wie sich die Dinge zusammenfügen. Daher war es gerade zu Beginn eine große Herausforderung, einen Schritt nach dem anderen zu gehen, ohne einen genauen umfassenden Plan zu haben. Jo Ann und ich wussten nur, dass wir einen Ort brauchen, an dem die Patienten Therapie bekommen können. Wir hatten aber keine konkrete Vorstellung, wie das funktionieren soll. Ich musste lernen, ein Problem am Tag zu lösen und das zu tun, was gerade anstand. Ich vertraute darauf, dass sich die Dinge fügen werden und dass wir irgendwann ein festes Klinikgebäude haben. Die große Herausforderung war es, nicht zu wissen, ob sich die Probleme lösen lassen und ob wir am Ende erfolgreich mit unserer Idee sein würden. Denn ich habe so viel investiert, und das Wissen, dass das Projekt jeden Moment scheitern könnte, ist sehr belastend.

Die kulturellen Unterschiede brachten ebenfalls einige Schwierigkeiten mit sich. Nach dem Erdbeben 2010 waren sehr viele Nationen vor Ort. Ich erinnere mich zum Beispiel daran, dass japanische Helfer in das Krankenhaus kamen, in dem wir anfangs auch waren. Sie brachten jede Menge Hilfsmittel mit. Allerdings verstauten sie diese in einem Raum und schlossen ihn ab, bis sie wiederkamen. Das konnte ich nicht verstehen. Ich dachte mir, können die Hilfsmittel denn nur genutzt werden, wenn ihr hier seid und sonst nicht? Es war eine große Herausforderung, die Vorstellungen der verschiedenen Nationalitäten und natürlich in erster Linie die Vorstellungen der Haitianer zu vereinen und niemandem zu nahe zu treten oder zu verärgern.

Eine gegenwärtige Herausforderung ist natürlich das Geld. Es bleibt immer das Problem, Geld für jeden Monat zu haben, um die laufenden Kosten der Klinik wie Gehälter, Strom und Wasser zahlen zu können. Das bedeutet für mich, an Menschen heranzutreten, sie um Geld für die Organisation zu bitten und vor einer größeren Gruppe darüber zu sprechen. Außerdem ist es gar nicht so einfach, an freiwillige Therapeuten zu kommen, die zwei Wochen oder gerne auch länger mithelfen können. Ich versuche Überzeugungsarbeit zu leisten, dass Haiti kein so gefährlicher Ort ist, wie häufig vermutet wird, und dass man dorthin reisen kann. Außerdem braucht man beispielsweise nicht auf Kinder spezialisiert zu sein, um mithelfen zu können. Jede noch so einfache Therapie ist sinnvoll und verbessert die Lebenssituation der Patienten, weil sie sonst gar keine Therapie erhalten würden.

Judeline, ein Mädchen mit Beinamputation, wollte sich nicht mehr bewegen. Nach einem Jahr Therapie tanzte sie mit meinem Sohn.

HAITI

Inselstaat in der Karibik


Die Republik Haiti liegt im Westen der Karibikinsel Hispaniola. Im Osten liegt die Dominikanische Republik. Heute leben circa neun Millionen Menschen auf Haiti, mehr als eine Million davon in der Hauptstadt Port-au-Prince. Nach der französischen Kolonialzeit war Haiti der reichste Staat Lateinamerikas. Inzwischen zählt er jedoch zu den am wenigsten entwickelten Ländern.

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Abb.: Henrie/fotolia.de

Gibt es etwas, was du an der Lebensart der Haitianer schätzt und mitnimmst?

Die Menschen in Haiti lassen sich nicht so sehr von den Problemen herunterziehen. Sie finden immer etwas zum Lächeln und Lachen. Schon miteinander zu reden und ein gutes Gespräch zu führen ist Anlass genug, dass der Tag als schön empfunden wird. Ich wache zum Beispiel zu Hause auf und habe ein Dach über dem Kopf, mehr als genug zu essen und ein Auto, und trotzdem denke ich: Oh, ich muss heute noch so viel erledigen, und es gibt so viele Probleme, um die ich mich kümmern muss. Dann denke ich: Stopp, die Haitianer wachen auf und wissen, dass sie oft nicht genug zu essen haben, und sie schlafen in einem Zelt. Aber das hält sie nicht davon ab, ihren Tag zu genießen und zu lächeln. Warum soll ich mir also durch Probleme den Tag verderben lassen?

Das Gespräch führte Christina Janssen.


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Ergotherapeutin Christina passt eine Schiene bei einem Mädchen mit Zerebralparese an.
(Abb.: Global Therapy Group)
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Sicher auf das Motorradtaxi zu steigen, ist oft das erste Ziel für Patienten, um mobil zu sein.
(Abb.: Global Therapy Group)
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Donna Hutchinson ist Physiotherapeutin. Sie lebt und arbeitet in den USA. 2010 gründete sie die Hilfsorganisation Global Therapy Group in Haiti. Ihr Ziel war ursprünglich, Erdbebenopfer therapeutisch zu versorgen. Mittlerweile möchte sie auch anderen Patienten kontinuierlich Therapie anbieten: Kindern mit Entwicklungsstörungen, jungen Erwachsenen nach Schlaganfällen und älteren Menschen, die zum Beispiel eine Gehhilfe brauchen, um unabhängig zu sein. www.globaltherapygroup.com
(Abb.: Global Therapy Group)
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Abb.: Henrie/fotolia.de