Einleitung
Frakturen des oberen Sprunggelenks (OSG) gehören zu den häufigsten Frakturen des Menschen.
In Deutschland wurden im Jahr 2012 fast 75 000 Patienten stationär unter dieser Diagnose
behandelt. Personen jeden Alters sind betroffen, das Durchschnittsalter liegt bei
knapp über 50 Jahren. Meist entsteht eine Sprunggelenkfraktur durch ein indirektes
Trauma durch Umknicken auf unebenem Untergrund, häufig im Rahmen von Sportverletzungen
oder Freizeitaktivitäten wie Laufen oder Springen. In einem Drittel der Fälle sind
Alkoholeinfluss und rutschige Flächen als Mitverursacher feststellbar. Wichtig ist
es, das Verletzungsausmaß nicht zu unterschätzen. Hierfür müssen alle am oberen Sprunggelenk
beteiligten anatomischen Strukturen beurteilt werden. Dazu gehört außer dem Außen-
und Innenknöchel das Sprungbein, der äußere Seitenbandapparat, die dorsolaterale Tibiakante
(Volkmann-Dreieck), die ventrolaterale Tibiakante (Tubercule de Chaput), das innere
Seitenband, die Gelenkkapsel, die proximale Fibula (Verletzungstyp Maisonneuve) und
die Syndesmosenbänder sowie die Membrana interossea. Der begleitende Weichteilschaden
hat ebenfalls eine Auswirkung auf das Behandlungsergebnis.
Fraktureinteilung
Klassifikation nach Danis-Weber (1966)
Die im klinischen Alltag gebräuchlichste Klassifikation ist die nach Weber, die auch
die Grundlage der AO-Klassifikation bildet. Hierbei wird die Frakturklassifikation
nach anatomisch-pathologischen Kriterien anhand des Röntgenbilds vorgenommen. Sie
bezieht sich ausschließlich auf die Höhe der Fibulafraktur in Bezug zur Syndesmose,
ist einfach anwendbar, aber berücksichtigt nicht die Verletzung der medialen Strukturen.
Damit ist keine sichere Aussage zur Stabilität möglich, mit Ausnahme der Weber-C-Frakturen,
die grundsätzlich als instabil gelten. Eine sichere Aussage zur OP-Indikation lässt
sich anhand dieser Klassifikation, insbesondere bei den häufigen Typ-B-Frakturen,
nicht treffen.
Weber-B-Fraktur ([Abb. 1])
Abb. 1 A.–p.-Röntgenaufnahme einer Weber-B-Fraktur.
-
schräge und spiralförmige Fibulafrakturen mit Beginn auf Höhe der vorderen Syndesmose
-
weiter Bereich von Verletzungsursachen ohne Differenzierung der verschiedenen Mechanismen
und Aussage über die jeweils erforderliche Therapieform
-
Weber-B entspricht nach Lauge-Hansen
Weber-C-Fraktur ([Abb. 2])
Abb. 2 A.–p.-Röntgenaufnahme einer Weber-C-Fraktur.
-
alle Fibulafrakturen oberhalb der Syndesmose
-
Weber C entspricht Pronations-Eversions-Verletzungsmuster (ab Schweregrad 3) nach
Lauge-Hansen
-
Therapie: grundsätzlich operativ
Bei kombinierter Innenknöchelfraktur wird von einer bimalleolaren Fraktur gesprochen,
bei gleichzeitig vorliegender Fraktur der dorsalen Tibia von einer trimalleolaren
Fraktur. Die Fraktur des hinteren Tibiakantenfragments wird Volkmann-Fraktur genannt,
obwohl sich Herr Volkmann nachweislich nicht mit der Thematik auseinandergesetzt hat.
Genetische Klassifikation nach Lauge-Hansen (1942)
Hierbei handelt es sich um eine Fraktureinteilung, die den Unfallmechanismus zugrunde
legt. Die Sprunggelenkverletzungen werden in 4 Grundtypen eingeteilt, je nach Stellung
des Fußes zum Unfallzeitpunkt ([Abb. 3] und [Tab. 2]).
Abb. 3 Schematische Darstellung der 4 Frakturtypen der Lauge-Hansen-Klassifikation.
Tab. 1 Klassifikation nach Danis-Weber.
Frakturtyp
|
Höhe der Fibulafraktur
|
Syndesmosenstabilität
|
A
|
infrasyndesmal
|
intakt
|
B
|
transsyndesmal
|
fraglich intakt
|
C
|
suprasyndesmal
|
nicht intakt
|
Tab. 2 Klassifikation nach Lauge-Hansen.
Richtung der Gewalteinwirkung
|
Stellung des Fußes zum Unfallzeitpunkt
|
|
Supination
|
Pronation
|
seitlich
|
Supination-Adduktion (15,5 %)
|
Pronation-Abduktion (6,0 %)
|
Außenrotation des Talus („Eversion“) bzw. Innenrotation des Unterschenkels gegen den
fixierten Fuß
|
Supination-Eversion (68,5 %)
|
Pronation-Eversion (8,3 %)
|
axial
|
|
Pronation-Dorsalflexion
|
Es werden röntgenologisch klar differenzierbare Typen und Schweregrade beschrieben,
die Auskunft über begleitende Bandverletzungen geben. Diese Klassifikation ist im
skandinavischen und angloamerikanischen Sprachraum weit verbreitet. Sie ermöglicht
eine Analyse des Verletzungsmusters, indem sie ein Verständnis für die Ursache und
das Ausmaß der osteoligamentären Verletzung schafft. Sie ist bedeutsam für die Technik
der geschlossenen Reposition und die Planung des operativen Vorgehens. Ihre Kenntnis
ist somit hilfreich für die Operationsstrategie; somit sollte sich jeder mit Sprunggelenkfrakturen
befasste Arzt damit beschäftigen.
Supinations-Adduktions-Fraktur (SA-Fraktur) ([Abb. 4])
Abb. 4 Fußstellung bei Supinations-Adduktions-Verletzung.
Verletzung unterhalb der Syndesmose und damit nicht Gegenstand dieser Arbeit.
Pronations-Abduktions-Fraktur (PA-Fraktur) ([Abb. 5])
Abb. 5 Fußstellung bei Pronations-Abduktions-Verletzung.
Stadium 1
Stadium 2
Stadium 3
Supinations-Eversions-Fraktur (SE-Fraktur) ([Abb. 6])
Abb. 6 Fußstellung bei Supinations-Eversions-Verletzung.
Die Verletzung beginnt an der vorderen Syndesmose und läuft über die Fibula, das posteriore
Kantendreieck zum Innenknöchel.
Stadium 1
Stadium 2
Stadium 3
Stadium 4
Pronations-Eversions-Fraktur (PE-Fraktur) ([Abb. 7])
Abb. 7 a und b a Fußstellung bei Pronations-Eversions-Verletzung. b Schematische Darstellung des Kraftverlaufs einer Pronations-Eversions-Verletzung.
Die Verletzung nimmt ihren Ausgang am Innenknöchel und verläuft über die vordere Syndesmose,
die Fibula zum posterolateralen Kantendreieck.
Stadium 1
Stadium 2
-
Ruptur der vorderen Syndesmose bzw. knöcherner Ausriss (tibial: Tillaux/Chaput, fibular:
Wagstaffe-Fragment)
-
Ruptur der Membrana interossea cruris
Stadium 3
-
Fraktur der Fibula oberhalb der Syndesmose
-
Sonderform: Maisonneuve-Fraktur (hohe Fibulafraktur, ggf. Luxation des Fibulaköpfchens)
Stadium 4
Diagnostik
Frakturen des oberen Sprunggelenks werden durch eine klinische Untersuchung einschließlich
Erhebung des Unfallmechanismus diagnostiziert. Die klinische Untersuchung hat einen
hohen Stellenwert. Der Syndesmosenschmerz und der Schmerz bei Außenrotation haben
eine so hohe Sensitivität zur Erkennung von Frakturen und Syndesmosenverletzungen,
dass die notwendigen Röntgenuntersuchungen reduziert werden können. Erst nach radiologischem
Frakturausschluss sollte eine Prüfung der Band- und Syndesmosenstabilität erfolgen.
Während der klinischen Untersuchung wird die Schwellung beurteilt, ein Kompartmentsyndrom
ausgeschlossen, Hämatomverfärbungen, Spannungsblasen, Schürfungen, Hautkontusionen,
offene Wunden registriert und auf einen Druckschmerz der Fibula von der Spitze bis
zum Fibulaköpfchen geachtet. Der Weichteilschaden hat Einfluss auf das Behandlungsergebnis.
Radiologische Diagnostik
Standard sind Röntgenaufnahmen des oberen Sprunggelenks in 2 Ebenen, wobei die anteroposteriore
Röntgenaufnahme in 20° Innenrotation des Unterschenkels angefertigt wird. Die 2. Ebene
ist eine exakt seitlich eingestellte Aufnahme des OSG. Zur Beurteilung sind die in
[Abb. 8] gezeigten Landmarks geeignet. Ist die Weite des fibulotibialen Abstands 1 cm oberhalb
des Gelenkspalts (sog. „ligne claire“) über 5 mm, so ist dies ein Hinweis für eine
Syndesmoseninstabilität. Medial sollte der Abstand zwischen Tibia und Talus nicht
erweitert sein („medial clear space“).
Abb. 8 Landmarks zur Beurteilung eines Röntgenbilds des OSG.
Eine Verschiebung des Talus nach lateral um > 2 mm stellt ein Kriterium für eine manifeste
Instabilität dar.
Die „Weber-Nase“ zeigt bei korrekter Fibulalänge auf das Tibia-Plafond und die Fortsetzung
der Kontur der Fibulaspitze am Processus lateralis tali bildet den sog. Weber-Kreis.
Eine CT-Untersuchung ist gelegentlich notwendig und sinnvoll, um begleitende Talusfrakturen
zu detektieren, die Größe und die Fehlstellung des posterolateralen Kantendreiecks
(sog. Volkmann-Dreieck) zu bestimmen oder um die Versorgung komplexer Frakturen besser
planen zu können.
Eine MRT-Untersuchung kann Aufschluss über ligamentäre Verletzungen geben. Zur Frakturdiagnostik
ist das MRT nur eingeschränkt geeignet und wird hauptsächlich zur Abgrenzung von Stressfrakturen
und pathologischen Frakturen eingesetzt. In der Notfalldiagnostik hat eine MR-Tomografie
keinen Stellenwert.
Stressaufnahmen
Zur sicheren Prüfung der Syndesmosenstabilität, insbesondere zur Differenzierung stabiler
von instabilen SupinationsEversions-Frakturen und somit zur Therapiewahl, kann der
sog. „gravitystress“-Test ([Abb. 9]) eingesetzt werden. Der verletzte Fuß hängt dabei passiv über die Unterlage hinaus.
Eine Instabilität der Knöchelgabel kann bei einer so angefertigten Röntgenaufnahme
gut und für den Patienten schonend dargestellt werden.
Abb. 9 a bis c a Patientenposition zum „gravity-stress“-Röntgen. b A.–p.-Röntgenaufnahme einer OSG-Fraktur. c „gravity-stress“-Röntgenaufnahme mit Beweis der Syndesmoseninsuffizienz.
Erstbehandlung
Eine instabile oder dislozierte Fraktur des oberen Sprunggelenks wird im Unterschenkelgipsverband
retiniert. Bei offensichtlicher Fehlstellung soll so zügig wie möglich die Reposition
unter Längszug erfolgen. Hierzu ist meist eine Analgosedierung notwendig. Je länger
die Luxation besteht, umso schwerer ist das Ausmaß der zu erwartenden Weichteil- und
Knorpelschädigung. Nach Reposition wird ein Gipsverband (gespaltener Unterschenkelgips
oder dorsale Unterschenkelgipsschiene) angelegt, wenn die Hautverhältnisse dies zulassen.
Die operative Sofortversorgung der Fraktur innerhalb der ersten 8 Stunden nach Unfall
wird nicht immer organisierbar sein, hat aber klare Vorteile gegenüber der verzögerten
Versorgung. Sie ist wesentlich schonender für die das Sprunggelenk umgebenden Weichteile,
das Frakturhämatom läuft ab, die Infekt- und Hautnekrosegefahr sinken.
Bei nicht retinierbaren Frakturen und bei höhergradigem Weichteilschaden sollte ein
gelenküberbrückender Fixateur externe (mit Kalkaneus-Pin) angelegt werden und die
definitive osteosynthetische Versorgung erfolgt nach Weichteilkonsolidierung.
Indikationen zur Operation
Indikationen zur Operation
Nur stabile, nicht dislozierte Frakturen (Fragmentverschiebung < 2 mm) können konservativ
behandelt werden. Schwerkraftgestützte Stressaufnahmen oder Belastungsaufnahmen im
Stehen sind für die Entscheidungsfindung hilfreich, also etwa die Differenzierung
einer SE-2Fraktur und einer SE-3- oder -4-Fraktur, wobei letztere sich nicht für die
konservative Therapie eignen. Eine ligamentäre oder knöcherne Syndesmoseninstabilität
und Verletzungen des medialen Kompartiments müssen somit sicher ausgeschlossen sein.
In seltenen Fällen liegen allgemeine Kontraindikationen gegen eine Operation/Narkose
vor, die ein konservatives Vorgehen notwendig machen.
Die operative Therapie ist für alle offenen Frakturen, für Frakturen mit Gefäß- oder
Nervenverletzung, für dislozierte, instabile und nicht retinierbare Frakturen indiziert,
ebenso bei höhergradigem geschlossenen Weichteilschaden.
Definitionsgemäß ist jede Fraktur des oberen Sprunggelenks eine Fraktur mit Gelenkbeteiligung.
Die operative Therapie ist dabei erwiesenermaßen (Evidenzniveau 2b) der konservativen
überlegen. Jede Maisonneuve-Verletzung gilt als instabil, ebenso isolierte Syndesmosenverletzungen
bei radiologisch nachgewiesener Malleolengabelinsuffizien-
Risiken und Komplikationen
Risiken und Komplikationen
Für konservative und operative Maßnahmen gibt es allgemeine sowie spezielle Risiken,
über die der Patient sorgfältig aufgeklärt werden muss.
Akute Komplikationen
-
Kompartmentsyndrom
-
Schmerzen
-
Druckstellen im Stützverband
-
Thrombose und Embolie
-
Peronäusläsion
-
Entwicklung eines „complex regional pain syndrome“ (CRPS I/Morbus Sudeck)
-
Durchblutungsstörungen
-
sekundäre Dislokation
-
Infektionen (in bis zu 2 % der Fälle)
-
Wundheilungsstörungen, Wundrandnekrose und Ausbildung eines Wundhämatoms
-
Implantatlockerung, -ausbruch, Schraubenfehllage
Langfristige Komplikationen
-
Einsteifung des Gelenks
-
Verbleib von Bewegungseinschränkungen
-
Arthrosebildung (Früh- und Spätformen des Verschleißes), insbesondere bei bleibenden
Fehlstellungen (in 10 % der Fälle)
-
Schmerzen
-
chronische Schwellung
-
Atrophie von Knochen und Muskeln, ausbleibende Knochenbruchheilung mit Pseudarthrose
(sehr selten)
OP-Technik
Ziel der operativen Behandlung ist die anatomische Reposition und Retention der Frakturfragmente
bei Ermöglichung einer frühfunktionellen Nachbehandlung. Die Gelenkflächenkongruenz
wird wiederhergestellt sowie Länge, Achse und Rotation, ebenso die ligamentäre Stabilität
der Knöchelgabel. Meist erfolgt die Operation in Rückenlage, seltener in Bauch- oder
Halbseitenlage bei notwendigem dorsalen Zugang, in Allgemein- oder Spinalanästhesie.
Eine perioperative Single-Shot-Antibiose wird empfohlen. Am Oberschenkel wird eine
Blutsperrenmanschette angelegt, um in Blutsperre oder -leere operieren zu können.
Fuß und Unterschenkel werden beweglich abgedeckt.
Man benötigt folgendes Instrumentarium:
-
Grundinstrumentarium für Knochen- und Weichteilchirurgie
-
Repositionszangen, gelegentlich Arthrodesenspreizer
-
Konventionelle und winkelstabile Platten und Schrauben aus dem Kleinfragmentinstrumentarium
-
Kirschner-Drähte, ggf. Zuggurtungsset
-
bei zweizeitigem Vorgehen: Fixateur externe
-
Bildwandler, wenn vorhanden 3-D-Bildverstärker (3-D-BV)
Chirurgische Strategie
Osteosynthese der Fibulafraktur
Distale Fibulafrakturen (Typ Weber B)
Die Außenknöchelfraktur wird über eine laterale Längsinzision versorgt. Auf eine genaue
Längen- und Torsionswiederherstellung der Fibula ist zu achten. Kriterien für die
korrekte Reposition sind der Weber-Kreis und die Weber-Nase. Die Reposition wird zunächst
mit einer spitzen Repositionszange gehalten. Dann wird die Zugschraube senkrecht zur
Fraktur gebohrt, um eine Kompression zwischen den Fragmenten zu erzeugen. In der Regel
wird zur weiteren Sicherung zusätzlich eine Drittelrohrplatte angebracht ([Abb. 10]).
Abb. 10 a und b a Präoperative Aufnahmen einer trimalleolaren Weber-B-Fraktur. b Postoperative Aufnahmen einer trimalleolaren WeberB-Fraktur.
Die Platte ist lateral oder dorsolateral an der Fibula anzubringen.
Die dorsale Plattenlage bringt eine bessere Weichteildeckung mit sich. Bei osteoporotischem
Knochen sollten winkelstabile Platten bevorzugt verwendet werden. Die Platte wird
der Fibula anmodelliert und dann sukzessive mit Kortikalisschrauben besetzt, wobei
darauf zu achten ist, dass die Schrauben distal die mediale Kortikalis nicht überragen
und damit zu Knorpelschäden am Talus führen. Distal können auch Spongiosaschrauben
eingebracht werden.
Hohe Fibulafraktur
Bei langstreckigen Spiralfrakturen ist es sinnvoll, 2 oder mehr Zugschrauben zu verwenden.
Bei Trümmerzonen, wie sie bei osteoporotischem Knochen häufig anzutreffen sind, wird
eher eine Rekonstruktionsplatte zur Anwendung kommen. Die Platte wird nicht vorgebogen
und überbrückt den mehrfragmentären Bereich als sog. Brückenplatte. Zur Reposition
der Fraktur kann direkter Zug angewendet werden durch eine an der Außenknöchelspitze
angebrachte Repositionszange ([Abb. 11]). Hierdurch läuft man Gefahr, mit der Repositionszange das distale Fibulaende zusätzlich
zu frakturieren. Alternativ kann eine indirekte Reposition über einen temporär angebrachten
Fixateur externe erfolgen ([Abb. 12]). Eine weitere Repositionsmethode ist die sog. „Push-and-pull“Technik, die in [Abb. 13] gezeigt wird. Es wird zunächst die Brückenplatte angebracht und distal fixiert.
Dann wird proximal des proximalen Plattenendes eine Schraube in die Fibula eingebracht,
um zwischen diese Schraube und das Plattenende einen Arthrodesenspreizer setzen zu
können, über den dann die Frakturreposition erleichtert wird.
Abb. 11 Schematische Darstellung des Repositionsmanövers bei Weber-C-Fraktur mit Repositionszange.
Abb. 12 Schematische Darstellung des Repositionsmanövers bei Weber-C-Fraktur mit temporärem
Fixateur externe.
Abb. 13 Schematische Darstellung des Repositionsmanövers bei Weber-C-Fraktur mit Arthrodesenspreizer
und „Push-and-pull“-Technik.
Versorgung der Syndesmosenverletzung
Bei jeder Weber-B- oder -C-Fraktur ist intraoperativ die Stabilität der Syndesmose
zu überprüfen.
Hierzu wird mit einem Einzinker Zug nach laterodorsal auf die Fibula ausgeübt und
unter Durchleuchtung die Erweiterung des tibiofibularen und talotibialen Gelenkspalts
beurteilt. Bei nachgewiesener Syndesmoseninstabilität (entsprechend den Frakturtypen
nach LaugeHansen PA 3 und 4, SE 3 und 4, PE 1 und 2) wird die Fibula in der Inzisur
der Tibia eingestellt. Hierzu wird eine große Repositionszange mit Spitzen auf Höhe
der Gelenklinie vom Innenknöchel auf den Außenknöchel („tip-to-toe“) aufgesetzt. Dann
wird eine Stellschraube gebohrt 2 cm oberhalb des Tibia-Plafonds parallel zur Gelenklinie
etwa 30° von dorsal nach ventral ansteigend, sodass typischerweise 3 Kortikales gefasst
werden. Dieser Winkel entspricht der Rotationsebene des Sprunggelenks. Die Schraube
kann eine der plattenbesetzenden Schrauben ersetzen, soll aber keinesfalls durch das
distale Fibulotibialgelenk verlaufen. Die Stellschraube ist keine Zugschraube. Druck
auf das Gelenk soll durch die Einbringung der Stellschraube nicht ausgeübt werden,
sie ist auch kein Repositionsinstrument. Alternative Techniken mittels flexibler Implantate
oder resorbierbarer Schrauben können grundsätzlich denselben Zweck wie die Stellschraube
erfüllen, sind aber kostspieliger.
Eine intraoperative 3-D-Bildwandler-Untersuchung ist zur korrekten Lagebestimmung
und Repositionsbeurteilung sehr hilfreich ([Abb. 14]).
Abb. 14 Intraoperative Repositionskontrolle und Einstellung der Fibula in der Inzisur mit
dem 3-D-BV.
In Studien konnte gezeigt werden, dass intraoperativ in etwa 20 % der Fälle Fehlpositionierungen
der Fibula in der Tibiainzisur, zusätzliche Fragmente und Implantatfehllagen festgestellt
werden. Im eigenen Krankengut konnte die Revisionsrate durch intraoperative Anwendung
des 3-D-BVs auf nahezu 0 % gesenkt werden.
Knöchern kann die Syndesmose mit einem Fragment an der Fibula ausreißen. Dieses Fragment
wird Wagstaffe-Fragment genannt. Die Refixation erfolgt i. d. R. mit einer Schraubenosteosynthese.
Der knöcherne Syndesmosenausriss an der Tibia wird mit Tubercule de Tillaux-Chaput
bezeichnet. Auch dieses Fragment wird schraubenosteosynthetisch versorgt. Bei sehr
kleinen oder schaligen Fragmenten kann eine transossäre Naht oder Nahtankerrefixation
erforderlich sein ([Abb. 15]). Werden solche Fragmente nicht erkannt oder nicht refixiert, kann das die korrekte
Einstellung der Fibula in der Inzisur verhindern.
Abb. 15 a bis c a Tubercule de Chaput-Fragment bei Pronations-Eversions-Fraktur präoperativ. b Tubercule de Chaput-Fragment postoperativ. c Postoperatives Röntgenbild a.–p. mit korrekt eingestellter Sprunggelenkgabel.
Ob bei einer Maisonneuve-Fraktur eine Osteosynthese der kniegelenksnahen Fibulafraktur
erfolgen muss oder nicht, ist strittig. Bei wenig dislozierten Frakturen kann darauf
verzichtet werden. Zur Stabilisierung der Syndesmose werden dann 2 Stellschrauben
eingebracht. Bei komplexeren Fibulafrakturen wird die korrekte Längen- und Rotationseinstellung
der Fibula erleichtert durch eine direkte Reposition der proximalen Fibulafraktur
([Abb. 16 a, b]). Der N. peronaeus muss in seinem frakturnahen Verlauf geschont werden. Liegt eine
primäre Peronäsläsion vor, sollte der Nerv ohnehin dargestellt, neurolysiert oder
bei Zerreißung mit Interponaten versorgt werden.
Abb. 16 a und b a Röntgenaufnahmen einer hohen Fibulafraktur präoperativ. b Röntgenaufnahmen einer hohen Fibulafraktur postoperativ.
Osteosynthese der Innenknöchelfraktur
Verschobene Innenknöchelfrakturen, die meist im Bereich des Gelenkwinkels lokalisiert
sind, werden geschlossen oder offen reponiert und mit Zugschrauben versorgt, bei schlechter
Knochensubstanz können Unterlegscheiben verwendet werden. Alternativverfahren ist
die Zuggurtungsosteosynthese.
Unversorgt führen Innenknöchelfrakturen zu einer Varusfehlstellung des Talus.
Der Zugang wird epimalleolar gerade oder leicht geschwungen angelegt.
Bei einer Supinations-Adduktions-Fraktur findet sich häufig eine senkrecht verlaufende
Innenknöchelfraktur, die mit 1–2 waagrecht von medial eingebrachten Zugschrauben osteosynthetisch
versorgt wird. Anteromediale Impressionen des Tibia-Plafonds sollten angehoben und
ggf. mit Spongiosa unterfüttert werden. Ein Trick zur Reposition ist in [Abb. 17] dargestellt. Gelegentlich wird auch an dieser Lokalisation eine Neutralisationsplatte
zur sicheren Retention benötigt.
Abb. 17 Schematische Darstellung der Reposition einer anteromedialen Impression.
Eine reine Ruptur des Lig. deltoideum bedarf keiner zusätzlichen Naht. Bei korrekt
eingestellter Knöchelgabel bilden die Bandenden eine ausreichend stabile Narbe auch
ohne Bandnaht.
Osteosynthese der Tibiahinterkante
In den meisten Lehrbüchern wird die Meinung vertreten, dass eine Osteosynthese der
hinteren Tibiakante notwendig ist, wenn die Fragmentgröße mehr als ein Viertel bis
ein Drittel der Gelenkfläche beträgt. Bei Gelenkstufen von ≥ 2 mm sollten aber unserer
Ansicht nach auch kleinere Fragmente reponiert werden, da das sog. hintere Kantendreieck
Indikator ist für eine Syndesmoseninstabilität und unversorgt eine Subluxation des
Talus ermöglicht.
Günstig ist es in vielen Fällen, die Reposition des hinteren Tibiakantenfragments
vor der Osteosynthese von Innen- und Außenknöchel vorzunehmen, da dann eine direkte
Kontrolle der Reposition durch die Fibulafraktur möglich ist. Auch radiologisch ist
die Repositionskontrolle im seitlichen Strahlengang einfacher, da keine Überlagerungen
durch Osteosynthesematerial die Bildbeurteilung stören. Allerdings stellt sich bei
instabilen Verletzungen das hintere Tibiakantenfragment nach korrekter Reposition
der Fibula und des Innenknöchels wieder gut ein (Repositionsindikator), sodass dann
die Versorgung in anderer Reihenfolge günstiger sein kann.
Die indirekte Verschraubung des sog. Volkmann-Dreiecks ist bei ausreichend großem
Fragment gut möglich.
Nach Frakturdarstellung und Säuberung über die laterale Inzision, die auch zur Fibulaosteosynthese
genutzt wird, wird die Reposition mittels Raspatorium oder Hakenzug durchgeführt oder
mit einer großen Repositionszange, die an den Peronäalsehnen vorbei hinter der Fibula
auf das dorsale Fragment aufgesetzt wird ([Abb. 18]). Dann werden 2 Zugschrauben von ventral nach dorsal unter Bildwandlerkontrolle
über einen kleinen ventralen Zugang senkrecht zur Frakturlinie eingebracht. Bei der
ventralen Inzision sind die Strecksehnen, Äste des N. peronaeus und das ventrale Gefäß-NervenBündel
zu schonen. Das Gewinde der Schraube soll komplett im dorsalen Fragment liegen. Hierzu
muss es manchmal gekürzt werden. Ein zentrales Imprimat muss ausgeschlossen sein.
Bei minderer Knochenqualität kann es sinnvoll sein, Unterlegscheiben zu verwenden.
Abb. 18 Reposition des dorsalen Tibiakantenfragments, klinisches intraoperatives Bild.
Fragmente mit komplexerem Frakturmuster, Gelenkimpressionen oder interponierte Fragmente
werden besser von dorsal unter direkter Sicht versorgt.
Hierzu liegt der Patient in Bauch- oder Seitenlage und es wird ein dorsolateraler
Zugang angelegt. Der Hautschnitt liegt zwischen Achillessehne und den Peronäalsehnen
und ist 5–8 cm lang. Die Unterschenkelfaszie wird durchtrennt, der N. suralis geschont
und die Flexor-hallucis-longus-Sehne nach medial beiseite gehalten. Hierdurch wird
das posteriore Gefäß-Nerven-Bündel geschützt. Die hintere Gelenkkapsel wird durchtrennt,
sodass man das obere Sprunggelenk einsehen kann. Das hintere Kantenfragment kann mit
dem anhängenden posterioren Syndesmosenband weggeklappt werden. Ein Gelenkflächenimprimat
wird angehoben, ggf. mit Spongiosa unterfüttert, die man aus der Tibiametaphyse gewinnen
kann. Wenn nötig, wird die Reposition mit einem resorbierbaren Pin gesichert. Dann
wird das hintere Kantenfragment reponiert. Die Osteosyntheseform ist abhängig von
der Fragmentgröße. Es werden Zugschrauben mit oder ohne Unterlegscheiben oder Antigleitplatten
aus dem Kleinfragmentinstrumentarium benutzt ([Abb. 19 a, b]).
Abb. 19 a und b a Schematische Darstellung der direkten Reposition des dorsalen Tibiakantenfragments.
b Prä- und postoperative Röntgenaufnahmen einer Pronations-Eversions-Fraktur Stadium
IV.
Nachbehandlung
Der 1. Verbandswechsel wird einschließlich Entfernung der eingebrachten Drainage am
2. postoperativen Tag durchgeführt. Selbstständiges Anpressen der Fußsohle gegen den
stabilisierenden Verband unterstützt die Entleerung der venösen Plexus, mindert damit
die Thrombosegefahr und hilft beim Abschwellen. In der Regel wird für 6 Wochen ruhig
gestellt im Gipsverband oder einem orthetischen Gipsersatz, der den Vorteil der besseren
Körperpflegemöglichkeit hat. Frühzeitig kann mit aktiven und passiven Bewegungsübungen
des Sprunggelenks für die Dorsalextension und Plantarflexion begonnen werden, unabhängig
davon, ob eine Stellschraube eingebracht wurde. Hierzu wird das Bein aus der Gipsschiene
oder Orthese herausgenommen.
Die notwendige Teilbelastung von 15–20 kg Körpergewicht macht eine medikamentöse Thromboseprophylaxe
erforderlich.
Eingebrachte Stellschrauben werden nach 6–8 Wochen entfernt.
Für diesen Eingriff ist meist eine Lokalanästhesie ausreichend. Erst nach Stellschraubenentfernung
kann schrittweise zur Vollbelastung übergegangen werden. Sportfähigkeit wird etwa
nach 3 Monaten erreicht.
Eine komplette Implantatentfernung ist nicht zwingend erforderlich, kann aber bei
Konflikt mit dem Schaft oder Rand des Schuhes durch das mit wenig Weichteil bedeckte
Osteosynthesematerial nach etwa 1 Jahr erfolgen.
Schlussfolgerung
Voraussetzung für die erfolgreiche Versorgung von Sprunggelenkfrakturen, ist die präoperative
Analyse des Verletzungsausmaßes.
Das Verständnis und die Kenntnis der Lauge-Hansen-Klassifikation hilft hierbei jedem
operativ Tätigen wesentlich weiter als die Limitierung auf die DanisWeber-Klassifikation.
Die Wiederherstellung der Integrität des Knöchelkomplexes ist abhängig von der adäquaten
Diagnose der Frakturelemente. Intraoperativ muss auf die korrekte Wiederherstellung
der Fibulalänge und die Torsionseinstellung in der Tibiainzisur geachtet werden. Eine
intraoperative 3-D-BV-Untersuchung oder ein postoperatives CT ist bei komplexeren
Frakturen zur Erfolgskontrolle notwendig. Die Anlage eines Fixateur externe als Erstmaßnahme
ermöglicht eine geplante definitive Versorgung, etwa bei kritischer Weichteilsituation.
Wesentliches langfristiges Risiko ist die Entwicklung einer posttraumatischen Arthrose
des oberen Sprunggelenks. Der Operateur kann dies beeinflussen, indem die Reposition
so genau wie möglich vorgenommen wird. Gelenkstufen von mehr als 2 mm sollten nicht
akzeptiert werden.
Ein höheres Stadium in der Lauge-Hansen-Klassifikation ist mit schlechteren Ergebnissen
assoziiert.
Das Vorliegen einer Luxationsfraktur steigert das Risiko der Arthroseentwicklung.
Chronische Syndesmoseninstabilitäten sind mit schlechteren funktionellen Ergebnissen
gekoppelt.