Einleitung
Die chronische Bandinstabilität des oberen Sprunggelenks (OSG) betrifft am häufigsten
den fibularen Bandkomplex nach Ruptur mit inadäquater Behandlung und Fehlverheilung
des rupturierten Lig. fibulotalare anterius (FTA) und des Lig. fibulocalcaneare (FC)
im Rahmen eines Supinationstraumas [12], [23], wobei Zwipp und Tscherne [22] zwischen einer „second-stage“-Ruptur, einem Riss in einer Ligamentnarbe, einer Reruptur
(erneuter Riss in einem stabil verheilten fibularen Band) und einer chronischen Instabilität
mit teils resorbierten, nicht mehr erkennbaren Bandstümpfen unterscheiden. Sie klassifizieren
intraoperativ in narbig-stabil, narbig-instabil, dystop, elongiert und pseudarthrotisch
fehlverheilte fibulare Bänder. Da FTA und FC in 74 % aller Fälle kombiniert zerreißen
[23], kommt es i. d. R. bei insuffizienter Verheilung zur anterolateralen Rotationsinstabilität
(ALRI) des OSG. Nach Pronations-Eversions-Traumen, meist im Rahmen einer PE-/PA-Fraktur
des OSG oder einer rein ligamentären Syndesmosenruptur, kann es bei Nichterkennung
mit insuffizienter Verheilung des Lig. tibiofibulare interosseum zu einer chronischen
Instabilität des distalen Syndesmosenkomplexes kommen, was besonders bei professionellen
Hockeyspielern beobachtbar ist [6], [7], [8], [21]. Extrem selten hingegen kann eine chronische Instabilität des Lig. deltoideum nach
PE-/PA-Fraktur oder einer Pronations-Eversions-Verletzung (Typ I) gesehen werden,
was arthroskopisch häufiger feststellbar ist als allgemein erwartet [11].
Chronische anterolaterale Rotationsinstabilität des oberen Sprunggelenks (ALRI-OSG)
Chronische anterolaterale Rotationsinstabilität des oberen Sprunggelenks (ALRI-OSG)
Anamnese und Befund
Eine funktionelle Instabilität des OSG kann gegenüber einer mechanischen Instabilität
nur radiologisch mittels Stressaufnahme für Taluskippung und -vorschub abgegrenzt
werden.
Gangunsicherheit auf unebenem Gelände nach einem vorausgegangenen relevanten Supinationstrauma
des Fußes, eine nur bedingte Sportfähigkeit (notwendige Knöchelbandage) sowie die
Angst vor dem rezidivierenden Umknicken des Fußes in Sinne der Supination sind typische
Hinweise für eine chronische Instabilität des OSG, welche den Ausschluss einer rein
funktionellen Instabilität erfordern. Typische Befunde einer mechanischen Instabilität
finden sich bei der klinischen Untersuchung im Sinne des Nachweises einer vorderen
Schublade und einer Varuskippung des Talus im Sprunggelenk ([Abb. 1 a, b]). Beweisend hierfür sind ein pathologischer Talusvorschub kombiniert mit einer pathologischen
varischen Kippung des Talus anhand gehaltener Röntgenstressaufnahmen ([Abb. 1 c]), wodurch eine rein funktionelle Instabilität sicher ausgeschlossen werden kann.
Bei jahrelang bestehender ALRI-OSG können zusätzlich relevante Knorpelläsionen in
5 %, eine Tendovaginitis der Peronäalsehnen in 14 %, eine Synovitis des OSG in 24 %
und radiologische Arthrosezeichen im Sinne Bargon I bis II in 38 % gesehen werden
[22].
Abb. 1 a bis c Klinisch-radiologische Diagnostik der mechanischen Instabilität des lateralen OSG:
a Testung der vorderen Schublade. b Varuskippung des Talus. Die Pfeile zeigen auf die Facies malleolaris lateralis tali,
welche unter der Haut indirekt sichtbar wird. c Radiologische Stressuntersuchung zur Taluskippung und zum Talusvorschub mit standardisierter
Ausmessung.
Therapie
Konservative Behandlung ALRI-OSG:
-
Eigenreflex- und Pronatorentraining
-
lateraler Schuhabsatzkeil von 0,5 cm
-
Rückfußpronierende Schuheinlagen
Vor der Entscheidung zu einer operativen Maßnahme sollte grundsätzlich im 1. Schritt
der Behandlung nach Diagnosestellung einer mechanischen OSG-Instabilität des fibularen
Bandapparats eine konsequente, konservative Therapie mit Eigenreflex- und Pronatorentraining
mit wenigstens 10 Therapieeinheiten erfolgen. Kommt es darunter zu einer dynamischen
Stabilisierung des OSG, kann eine operative Maßnahme zurückgestellt werden. Bei Versagen
konservativer Maßnahmen, einschließlich Schuhaußenranderhöhung um 0,5 cm oder pronatorisch
wirkender Schuheinlage, kommen bei fehlenden Kontraindikationen zur Operation anatomische
Rekonstruktionstechniken in Betracht.
OP-Techniken
Je nach intraoperativem Befund und zusätzlicher Pathologie (z. B. Rückfußvarus) kommt
in erster Linie die direkte Bandrekonstruktion eines ossär-pseudarthrotisch, dystop
oder elongiert fehlverheilten Bandes ([Abb. 2]) in Betracht, bei narbig instabil verheiltem FTA oder FC die gedoppelte Periostlappenplastik
([Abb. 3]). Nur bei notwendigem Ersatz beider Bänder ist im eigenen Vorgehen die anatomische
Ersatzplastik mit halber Peronaeus-brevis-Sehne mit Knochenblock von der Basis des
Metatarsale V empfehlenswert ([Abb. 4]). Bei chronischer ALRI-OSG kombiniert mit Rückfußvarus hat sich die valgisierende
Kalkaneus- und/oder zusätzliche valgisierende supramalleoläre Osteotomie bewährt ([Abb. 5]).
Abb. 2 a bis c Direkt anatomische Rekonstruktionstechniken bei insuffizienter Verheilung der vorhandenen
fibularen Bandstrukturen: a Ablösung des elongierten Lig. fibulocalcaneare mit kleinem Knochenblock, um es unter
Verkürzung in einen 4,5er-Bohrkanal am anatomischen Ort hineinzuziehen. b Verkürzende Re-Insertion eines elongierten Lig. fibulotalare posterius. c Technik der Re-Insertion eines pseudarthrotisch fehlverheilten Fragments mit anhängendem
Lig. fibulotalare anterius und Lig. fibulocalcaneare nach Anfrischen der Pseudarthroseregion
an der Fibula und mit Fixation des ossären Fragments mittels kleiner Zuggurtungs-
oder Schraubenosteosynthese.
Abb. 3 a und b Periostlappenersatzplastik bei atrophem oder nicht mehr rekonstruierbarem FTA oder
FC: a Zum Ersatz des FTA wird ein gedoppelter, mind. 5 cm langer und 1,5 cm breiter Periostlappen
präpariert und nach Doppelung an der Fibula mit transossärer Naht gesichert und anschließend
am gelenknahen Talushals mit kleinem freiem Knochenblock eingedübelt, heute mit bioresorbierbarem
„bone anchor“ fixiert. b Analoges Verfahren zum Ersatz des FC, wobei hier zur notwendigen Doppelung ein Perioststreifen
von mind. 10 cm Länge präpariert werden muss.
Abb. 4 Bei atrophen Verhältnissen des FTA und FC wird im eigenen Vorgehen ein freier halber
Peronaeus-brevis-Span mit kleinem Knochenblock von der Basis des 5. Mittelfußknochens
zum anatomischen Ersatz beider Bänder verwendet. Die unterschiedlich starken Bohrungen
am Kalkaneus ermöglichen eine gute Verankerung durch den in den Kalkaneus hineingezogenen
Knochenblock.
Abb. 5 a bis d Doppelosteotomie-Technik bei relevantem Rückfußvarus und chronischer ALRI. Hier wird
bei pseudarthrotischer Fehlverheilung des FTA und FC (a) und 24° Rückfußvarus in der Saltzman-Projektion (b) im eigenen Vorgehen neben der Fixation des pseudarthrotischen Fragments an der Fibula
mit Minischrauben eine valgisierende Kalkaneus-Osteotomie nach Dwyer durchgeführt.
Der entnommene Kalkaneuskeil wird zur zusätzlichen Valgisierung nach supramalleolärer
Tibiaosteotomie interponiert und mit 3,5er-Platte gesichert (c), um durch diese Doppelosteotomie die Rückfußachse zu korrigieren (d).
Nachbehandlung
Statt Tenodese immer anatomische Rekonstruktion, Periostlappenplastik oder anatomische
Sehnenersatzplastik. Bei Rückfußvarus zusätzliche Valgisierungsoperation des Fersenbeins.
Bei stabiler anatomischer Rekonstruktion kann nach Wundheilung in einer Knöchelorthese
(z. B. Caligaloc®) und unter Vollbelastung des Fußes nachbehandelt werden. Danach
sollte grundsätzlich ein Eigenreflex- und Pronatorentraining erfolgen ([Abb. 6]). Ratsam ist die anschließende Nachbehandlung mit Verordnung einer lateralen Absatzerhöhung
um 0,5 cm oder einer pronatorisch wirkenden Einlage für einige Monate postoperativ.
Abb. 6 Die Nachbehandlung nach fibularen Bandrekonstruktionen beinhaltet nach 6-wöchiger
Protektion in einer supinatorisch hemmenden Orthese (z. B. Caligaloc®) grundsätzlich
das Eigenreflextraining auf dem Therapiekreisel. Dies sollte initial im Sinne der
eindimensionalen Schiffschaukel, anschließend mehrdimensional mit Halbkugel beidbeinig,
erst danach einbeinig mind. in 10 Therapieeinheiten durchgeführt werden.
Chronische distale Syndesmoseninstabilität
Chronische distale Syndesmoseninstabilität
Anamnese und Befund
Pronationstraumen bei Hockeyspielern führen oft zur vollständigen Zerreißung des distalen
Syndesmosenkomplexes.
Die Patienten berichten i. d. R. über eine zuvor erlittene Knöchelfraktur im Sinne
einer PE- oder PA-Fraktur des OSG, die operativ versorgt worden war. Seltener wird
über eine konservativ behandelte, vermeintlich „isolierte Volkmann-Fraktur“ oder ein
relevantes Pronationstrauma z. B. beim Hockeysport [7], [8], [22] berichtet. Typische Beschwerden sind die Gangunsicherheit, besonders beim Treppabsteigen,
das Instabilitätsgefühl in der Knöchelgabel meist beim Gehen auf unebenem Gelände
sowie der häufig angegebene Schmerz im Bereich des anteromedialen OSG. Dieser ist
erklärbar durch die pathologische Führung des Talus aufgrund der nach dorsal abweichenden
Fibula, was zum Impingement zwischen medialem Talus und Innenknöchel führt. Sowohl
bei frischer als auch bei veralteter oder chronischer Syndesmoseninstabilität ist
der klinische Stabilitätstest ([Abb. 7 a]) wegweisend und die Durchleuchtungsstressaufnahme ([Abb. 7 b]) beweisend.
Abb. 7 a und b Klinisch-radiologische Stresstestung der Sprunggelenksgabel bei Verdacht auf Ruptur
des Lig. tibiofibulare interosseum: a Unter Aussparung der Fibula, z. B. mit der linken Hand, wird mit der rechten Hand
der Kalkaneus nach lateral gedrückt, wobei klinisch ggf. eine leicht federnde Instabilität
gespürt werden kann. Zur sicheren Differenzialdiagnostik eines Risses nur des vorderen
Syndesmosenbands gegenüber einer zusätzlichen Ruptur des Lig. tibiofibulare interosseum
wird entsprechend der klinischen Testung das OSG durchleuchtet (b). Dadurch kann im Seitenvergleich ein erweiterter „espace clair“ und ein pathologisch
erweiterter „medial clear space“ bei Ruptur des Lig. tibiofibulare interosseum dokumentiert
werden.
Ein Beleg für die rein ligamentäre distale Syndesmoseninsuffizienz sind entweder der
pathologisch erweiterte „espace clair“ (> 5 mm), das verminderte „overlapping“ (< 5 mm)
bzw. der pathologisch erweiterte „medial clear space“ (> 2,5 mm) anhand von OSG-Belastungsaufnahmen
im Stehen mit 20° Innenrotation beider Füße ([Abb. 8 a]). Alternative Beweise sind die Erweiterung der Knöchelgabel in der axialen und/oder
frontalen CT-/MRT-Schnittebene ([Abb. 8 b] und [c]) bzw. die standardisiert gehaltene Syndesmosenröntgenstressaufnahme ([Abb. 8 d]).
Abb. 8 a bis d Radiologischer Nachweis einer chronischen Syndesmoseninstabilität: a Bei Belastungsaufnahmen im Stehen mit 20° Innenrotation beider Füße sollte der „espace
clair“ unter 5 mm betragen und das „overlapping“ mehr als 5 mm. Der „medial clear
space“ sollte nicht mehr als 2,5 mm betragen. b Die CT zeigt in der frontalen Schicht (oben) den pathologisch erweiterten „espace
clair“. In der koronaren Schichtung (unten) ist die erweiterte Distanz zwischen Fibula
und Tibia prima vista erkennbar. c Die MRT kann sowohl in der frontalen als auch in der koronaren Schicht die instabile
Vernarbung des Lig. tibiofibulare interosseum deutlich machen. d Standardisierte Syndesmosenstressaufnahmen mit dem Telos-Gerät zeigen rechts neben
dem erweiterten „espace clair“ den erweiterten „medial clear space“.
Therapie
Da eine konservative Behandlung nach vollständiger Diagnostik mit Ausschluss einer
Fibulaverkürzung oder -fehlrotation mit dem Nachweis einer rein ligamentären distalen
Syndesmoseninsuffizienz nicht zielführend ist und nur bei Kontraindikation zur Operation
als Orthesenbehandlung in Betracht käme, ist i. d. R. eine operative Korrektur angezeigt.
Da im eigenen Verständnis eine artifizielle Synostose zwischen Fibula und Tibia seit
den Untersuchungen von B. G. Weber [20] als präarthrotische Deformität gilt, wird im europäischen Raum die Ligamentersatzplastik
empfohlen. Während Castaing (zitiert in [23]) mit einer ganzen Peronaeus-brevis-Sehne das vordere und hintere Syndesmosenband
ersetzt, wird im eigenen Vorgehen [8] mit der distal gestielten halben Peronaeus-longus-Sehne das vordere interossäre
und das hintere distale Syndesmosenband im Sinne einer 3-Punkt-Fixierung anatomisch
ersetzt ([Abb. 9]). Für die sichere Einheilung des transponierten Sehnenspans wird eine Syndesmosenschraube
gesetzt [8], die nach 8 Wochen in Lokalanästhesie entfernt werden kann. Bei zusätzlich notwendiger
Osteotomie der Fibula zur Verlängerung, Rotationskorrektur oder zwecks Exploration
einer Volkmann-Fragment-Verheilung in ca. 10 % der Fälle, wird in der persönlichen
Technik die halbe Peronaeus-brevis-Sehne zum Ersatz nur des mittleren und vorderen
Bandes verwendet ([Abb. 10]).
Abb. 9 Anatomische Ersatzplastik des distalen Syndesmosenkomplexes mit 3-Punkt-Fixierung
des vorderen, mittleren und hinteren Zügels der distal gestielten Peronaeus-longus-Sehne.
Abb. 10 a bis d Bei chronischer distaler Syndesmoseninsuffizienz und zusätzlich notwendiger Osteotomie
der Fibula bei Verkürzung, Fehlrotation, Pseudarthrose oder notwendiger Osteotomie
zur Korrektur eines fehlverheilten Volkmann-Fragments empfiehlt sich die einfachere
Variante der distalen Syndesmosenersatzplastik mit freiem halbem Peronaeus-brevis-Span
(a) zum Ersatz des Lig. tibiofibulare interosseum und des Lig. tibiofibulare anterius.
b Fallbeispiel einer Fehlverheilung des Volkmann-Fragments mit partieller Nekrose des
Tubercule de Chaput kombiniert mit Erweiterung der Incisura fibularis tibiae 9 Monate
nach auswärtiger Versorgung einer PE-Fraktur bei einer 29-jährigen Patientin. Nach
Osteotomie der Fibula zur Überprüfung der evtl. notwendigen Osteotomie des fehlverheilten
Volkmann-Fragments wird die Stabilität der Sprunggelenksgabel mit halbem freiem Peronaeus-brevis-Span
– wie in a schematisch gezeigt – wiederhergestellt. c Das intraoperative Röntgenbild (links) zeigt die Osteosynthese der Fibula mit Stellschraube
durch das distale Schraubenloch und einen kaum erkennbaren Gelenkspalt. Die postoperative
CT (rechts) lässt die Bohrkanäle und Position der Fibula erkennen. d Die 3-Jahres-Kontrolle zeigt hingegen eine wesentlich bessere Gelenksituation. Die
Patientin ist völlig beschwerdefrei und hat eine sehr gute Funktion des OSG.
Die anatomische Syndesmosenersatzplastik aller 3 Syndesmosenbänder ist physiologischer
als eine artifiziell angestrebte Synostose.
Nachbehandlung
Nach Wundheilung erfolgt diese grundsätzlich im Unterschenkelgehcast in Rechtwinkelstellung
des Fußes mit 20 kp Teilbelastung für 8 Wochen. Nach entsprechender Weichteilbehandlung
wird nach der 8. Woche postoperativ die Syndesmosenstellschraube in Lokalanästhesie
entfernt und eine krankengymnastische Übungsbehandlung mit zunehmender Vollbelastung
in den folgenden 3–4 Wochen angeordnet.
Chronische Bandinstabilität des Lig. deltoideum
Chronische Bandinstabilität des Lig. deltoideum
Nach Empfehlungen von Hintermann [10] wird das elongierte Deltoid unter Verkürzung re-inseriert. Bei relevantem Rückfußvalgus
wird eine additive varisierende und/oder verlängernde Kalkaneusosteotomie zusätzlich
durchgeführt.
Diskussion
Während bei der chronischen ALRI-OSG bis in die 1980er-Jahre hinein über 50 verschiedene
Operationsmethoden empfohlen wurden, haben sich diese seit den Erkenntnissen zur supinationshemmenden
Wirkung der Tenodesen kombiniert mit posttraumatischer Arthrose im Langzeitergebnis
auf heute wenige, aber rein anatomisch orientierte Operationstechniken mit autologem
Gewebe reduziert [4], [11], [12], [13], [15], [16], [17], [18], [19], [22], [23]. Wenngleich Broström bereits 1966 [2] auf einfache, an der Anatomie und Biomechanik orientierte Techniken hinwies, haben
sich anatomische Rekonstruktionsverfahren erst seit den 1980er-Jahren etabliert, obwohl
noch 1994 an deutschen Kliniken in 33 % der Fälle einer chronischen ALRI-OSG (n = 4845)
Tenodesetechniken angewandt wurden [1]. Während im eigenen operativen Vorgehen bei isolierter OSG- oder kombinierter OSG-/USG-Instabilität
bis in die 1990er-Jahre noch die sog. Elmsilie-Tenodese durchgeführt und empfohlen
wurde [23], ist diese in den letzten 10 Jahren im eigenen Vorgehen nicht mehr notwendig geworden.
Dies deshalb, weil durch die transossär geführte Verkürzung eines elongierten Lig.
fibulocalcaneare immer eine ausreichende Stabilität des subtalaren Gelenks erzielt
werden konnte. In der Literatur werden für anatomisch-rekonstruktive Verfahren wie
die direkte Bandrekonstruktion, die Periostlappenplastik oder der Ersatz von FTA und
FC mit gestielten oder freien Sehnenspänen sehr gute und gute Resultate sowohl in
Bezug auf die Funktion als auch auf die Stabilität beschrieben [4], [11], [12], [13], [15], [16], [17], [18], [19], [22], [23]. Eine kürzliche anatomische Studie [3] zeigt die unmittelbare nahe Nachbarschaft von FTA und FC sowie die häufige Doppelanlage
des FTA, sodass die anatomisch-orientierten Ersatzplastiken [4], [15], [16], [18], [19], [23] Grundlagen für die volle Funktion des Fußes bei biomechanischer Stabilität darstellen.
Während in der nordamerikanischen Literatur [9], [15] bei chronischer distaler Syndesmoseninsuffizienz die artifizielle Synostose zwischen
Fibula und Tibia empfohlen wird, sind im europäischen Raum Syndesmosenersatzplastiken
als physiologische Methoden empfohlen [8], [23]. Im eigenen Vorgehen konnten durch Verwendung der halben Peronaeus-longus-Sehne
in weit über 100 Fällen keine Nachteile der Sehnenfunktion gesehen werden. Die eigenen
Ergebnisse zeigen auch im Langzeitverlauf, dass nach Ersatz des distalen Syndesmosenbands
trotz bereits nachweisbarer arthrotischer Veränderungen nach PE-/PA-Frakturen nicht
nur bei Rekonstruktion aller 3 Syndesmosenbänder, sondern auch bei einfacher anatomischer
Ersatzplastik nur des vorderen und interossären Syndesmosenbands die bestehenden Arthrosezeichen
i. d. R. nicht progredient sind, sondern Stabilität und Beschwerdefreiheit für den
Patienten bedingen ([Abb. 10]).
Aufgrund der geringen Berichte in der Literatur [10] und der eigenen Erfahrung in nur 3 Fällen einer anatomischen Korrektur des insuffizienten
Lig. deltoideum kann die Effizienz der beschriebenen Methodik nicht ausreichend beurteilt
werden. Wesentlich erscheinen vielmehr additive Maßnahmen zur Beseitigung des Rückfußvalgus
und der pathologischen Innenrotation des Talus durch die varisierende und/oder elongierende
Kalkaneusosteotomie.
Fazit für die Praxis
Nach der heutigen internationalen Literatur werden bei chronischer anterolateraler
Rotationsinstabilität des OSG Tenodesetechniken aufgrund ihrer supinationshemmenden
Wirkung des Fußes mit Begünstigung von Spätarthrosen des OSG abgelehnt. Stattdessen
werden direkt anatomische Rekonstruktionen der fibularen Bänder, Periostlappenersatzplastiken
und der gestielte, freie, autologe Ersatz beider Bänder mit Sehnengewebe empfohlen.
Zur Behandlung der chronischen distalen Syndesmoseninsuffizienz wird im nordamerikanischen
Raum die tibiofibulare Arthrodese, im europäischen Raum die anatomische Ersatzplastik,
möglichst aller 3 tibiofibularen Bänder, mit autologem Sehnengewebe empfohlen. Die
seltene Deltoidinsuffizienz benötigt neben direkter anatomischer Rekonstruktion meist
die additive varisierende und/oder elongierende Kalkaneusosteotomie. Zur Vermeidung
der 3 chronischen Entitäten werden die Erkennung einer akuten Instabilität durch exakte
klinisch-radiologische Stabilitätsprüfung gefordert sowie die Sicherstellung der Ligamentheilung.
Diese erfolgt bei akuter ALRI mittels supinationshemmender Orthese (z. B. Caligaloc®),
bei isolierter Ruptur des Lig. fibulotalare anterius die funktionelle Orthesenbehandlung
ohne einen pronierenden Rückfußkeil der Calicaloc-Schiene (d. h. Abschleifen desselben)
oder die Verwendung anderer nicht pronierender Orthesen. Bei akuter Ruptur des Lig.
tibiofibulare interosseum hilft aufgrund der relevanten Instabilität nur eine operative
Revision der Syndesmose mit korrekter Positionierung der Fibula in die Incisura tibiae
fibularis und anschließender Fixation mittels zweier Stellschrauben, was möglichst
intraoperativ mit 3-D-CT oder postoperativ mittels seitenvergleichendem CT überprüft
werden soll, um die chronische Syndesmoseninsuffizienz zu vermeiden.