Einleitung
In den vergangenen 20 Jahren hat der endoprothetische Gelenkersatz auch an der oberen
Extremität einen rasanten Aufschwung genommen. Die demografische Entwicklung in Europa
lässt erwarten, dass die Anzahl implantierter Endoprothesen an Schulter- und Ellbogengelenken
auch in den kommenden Jahren noch weiter ansteigen wird. Das steigende Durchschnittsalter
der Bevölkerung, der erhöhte Anspruch unserer Patienten bez. Funktionalität und schmerzfreier
Belastbarkeit sowie eine zunehmende Verfügbarkeit immer neuerer, verbesserter Prothesensysteme
auch für die Gelenke der oberen Extremität tragen wesentlich hierzu bei. Auch bez.
der Hand- und Fingergelenke werden ähnlich intensive Anstrengungen unternommen, um
funktionell erfolgreiche und lang haltbare Endoprothesen für unterschiedliche Indikationen
zu entwickeln.
Mit der steigenden Anzahl implantierter Endoprothesen steigt zwangsweise auch die
Gesamtzahl der zu verzeichnenden Komplikationen. Am Schultergelenk ist neben der Prothesenlockerung,
der Infektion und einer Instabilität die periprothetische Fraktur sowie das Versagen
der Rotatorenmanschette zu nennen [1]; am Ellbogengelenk die Prothesenlockerung, die Infektion, die Instabilität, die
Trizepsinsuffizienz, das Versagen allfälliger Kopplungsmechanismen sowie die periprothetische
Fraktur [2]. Die Inzidenz periprothetischer Frakturen wird bei liegender Schulterprothese mit
0,5–3 % angegeben [3], während sie nach primärer Ellbogenendoprothese bei ca. 5 % liegt [4]. Die Gefahr, eine periprothetische Fraktur zu erleiden, ist bei Revisionseingriffen
bzw. nach Prothesenwechsel deutlich höher. Ebenso sind hohes biologisches Alter, schlechte
Knochenqualität, z. B. durch Osteoporose, Osteolysen sowie Weichteilkontrakturen,
erhebliche Riskofaktoren. Die klinische Erfahrung, dass periprothetische Frakturen
sehr häufig im Bereich der Prothesenspitze auftreten, legt auch den Schluss nahe,
dass das Vorhandensein von 2 Impantaten (einer Schulterprothese und einer Ellbogenprothese)
an derselben Extremität durch Stresskonzentration zu einem noch höheren Frakturrisiko
im implantatfreien Zwischensegment führt. Biomechanische Arbeiten konnten aber zeigen,
dass die Länge des implantatfreien Zwischensegments und das Vorhandensein von intramedullärem
Zement in diesem Segment keinen wesentlichen Einfluss auf den resultierenden Stress
und damit auf die Frakturgefahr haben [5].
Periprothetische Frakturen können intraoperativ und postoperativ auftreten. Während
sich intraoperative Frakturen durch eine gute präoperative Planung, sorgfältige operative
Technik und zusätzlich das Adressieren von evtl. vorhandenen Weichteilkontrakturen
vermeiden lassen, sind postoperative periprothetische Frakturen meist durch einen
banalen Sturz bedingt oder treten im Verlauf einer aseptischen Prothesenlockerung
mit Knochenrarefizierung auf. In manchen Studien beträgt die Rate an intraoperativen,
potenziell vermeidbaren periprothetischen Frakturen bis zu 76 %, was die Notwendigkeit
einer genauen präoperativen Analyse und Planung unterstreicht [6].
Klassifikation
Periprothetische Frakturen an der oberen Extremität wurden lange Zeit in Anlehnung
an die von Duncan und Masri 1995 angegebene Vancouver-Klassifikation für das proximale
Femur eingeteilt. Diese wurde von Wright und Cofield 1995 sowie Ianotti 1998 für den
Humerus adaptiert. OʼDriscoll und Morrey haben 1999 eine modifizierte Klassifikation
für die periprothetischen Frakturen bei liegender Ellbogenprothese angegeben und davon
auch Behandlungsempfehlungen abgeleitet. Duncan und Haddad haben 2013 den Versuch
unternommen, eine allgemeine, im Alltag gut einsetzbare, verlässlich reproduzierbare
und auf alle Regionen anwendbare systematische Einteilung der periprothetischen Frakturen
zu erstellen und das „Unified Classification System“ (UCS) entwickelt [7]. Dieses einfache Klassifizierungssystem orientiert sich am AO/OTA-System zur Klassifizierung
von Frakturen und lässt sich sowohl auf intraoperativ als auch auf postoperativ entstandene
periprothetische Frakturen anwenden. Es beinhaltet die Lokalisation der Fraktur (welches
Gelenk prothetisch ersetzt ist, z. B. Schultergelenk I, Ellbogengelenk II, Handgelenk
III; welcher Knochen frakturiert ist), den Frakturtyp in Bezug auf das Implantat (A
– apophysär, B – im Bereich des Implantats, C – abseits des Implantats, D – zwischen
2 Implantaten, E – beide Kochen um ein Implantat sind betroffen, F – Fraktur um eine
Hemiprothese), ob das Implantat noch stabil fixiert ist oder gelockert ist, und berücksichtigt
auch die Knochenqualität. Die periprothetischen Frakturen in Höhe des Prothesenschafts
werden weiter, je nach Stabilität der Prothese und Knochenqualität, in B1, B2, und
B3 subklassifiziert (B1 = Prothese stabil und gute Knochenqualität, B2 = Prothese
locker und gute Knochenqualität, B3 = Prothese locker und schlechte Knochenqualität).
Der Sinn eines solchen einfach anwendbaren Einteilungssystems ist nicht nur eine gemeinsame
Sprache in der Beschreibung periprothetischer Frakturen zu sprechen, sondern auch
geeignete Behandlungsstrategien davon ableiten zu können ([Abb. 1]).
Abb. 1 UCS-Klassifikation der periprothetischen Fraktur bei liegender Schulterprothese Typ
I.1-A,B,C. Copyright by AO-Foundation, Switzerland (Schütz M, Perka C. Periprosthetic
Fracture Management. Stuttgart New York: Thieme 2013).
Neben der Frakturlokalisation und ihrer Beziehung zum Prothesenschaft ist es wichtig,
zu beurteilen, ob eine Prothesenlockerung vorliegt oder ob das Implantat noch fest
verankert ist. Weiters gilt es, die mechanische und biologische Kompetenz des verbliebenen
Knochens einzuschätzen.
Behandlung
Neben einer ausführlichen Anamnese bez. Symptombeginn, einem allfälligen Unfallereignis,
und vorbestehendem Funktionszustand der Extremität, ist es bei den häufig betagten
Patienten erforderlich, den Allgemeinzustand sowie relevante Komorbiditäten zu erfassen.
Üblicherweise werden in weiterer Folge Röntgenaufnahmen, wenn möglich in 2 Ebenen,
angefertigt. Die exakte Beurteilung periprothetischer Frakturen und die Frage nach
der Stabilität des Implantats erfordern häufig die Durchführung einer Computertomografie.
Neben der Beurteilung der Stabilität des Implantats ist es beim Vorliegen einer periprothetischen
Fraktur wichtig, das Vorliegen einer Infektion auszuschließen. Neben den üblichen
Laboruntersuchungen wie Blutbild und C-reaktives Protein kann manchmal auch eine Szintigrafie,
insbesondere als Leukozytenszintigrafie, helfen, diese Frage schon präoperativ zu
beantworten. Eine lokale Punktion bzw. Biopsie mit anschließender Anzüchtung erlaubt
ebenfalls in einem hohen Prozentsatz die korrekte Diagnose einer Infektion, vorausgesetzt
der Patient steht nicht unter Antibiotikatherapie. Zusätzlich ist es notwendig, auch
intraoperativ Gewebeproben zu entnehmen und diese einerseits einer bakteriologischen
Untersuchung, aber auch einer histologischen Untersuchung inkl. Schnellschnittdiagnostik,
zuzuführen. So kann intraoperativ nochmals die Diagnosensicherheit deutlich erhöht
werden.
Bei jeder periprothetischen Fraktur ist eine potenziell mögliche Infektion durch Blutuntersuchungen,
evtl. Szintigrafie bzw. Punktion/Biopsie auszuschließen.
Periprothetische Frakturen bei liegender Schulterprothese
Periprothetische Frakturen bei liegender Schulterprothese
Periprothetische Frakturen stellen ca. 11 % aller Komplikationen nach Schultergelenktotalendoprothesen
dar. Häufiger betreffen sie den Humerus, während am Glenoid aseptische Lockerungen
und Knochendefekte das größere Problem darstellen. Mangels systematischer Studien
gibt es für die Behandlungsrichtlinien der periprothetischen Humerusfrakturen keine
klare Evidenz.
Bei den Typ-A-Verletzungen (Tuberkulumfrakturen bei stabiler Prothese) kann bei unverschobenen
oder minimal verschobenen Frakturen eine konservative Therapie mit Ruhigstellung bis
zur knöchernen Konsolidierung erfolgen. Bei erheblich dislozierten Fragmenten führen
wir bei Hemiprothesen oder anatomischen Totalendoprothesen eine Refixation meist mit
Faden- oder Drahtzerklagen durch.
Typ-B-Verletzungen sind Frakturen in Höhe des Prothesenschafts bzw. unmittelbar um
die Prothese. Diese werden i. d. R. operativ behandelt. Die bevorzugte Operationsmethode
richtet sich nach der Frakturform und der aktuellen Stabilität der Verankerung des
Prothesenschafts im Knochen. Zusätzlich spielt die Knochenqualität eine bedeutende
Rolle in der Entscheidungsfindung. Intraoperative Frakturen in Höhe des Prothesenschafts
werden mit Zerklagen versorgt und mit einem längeren Prothesenschaft intramedullär
überbrückt. Bei guter Knochenqualität ist eine zementfreie Implantation möglich, bei
schlechter Knochenqualität bevorzugen wir die zementierte Fixationstechnik, wobei
darauf geachtet werden muss, dass kein Zement in den Frakturspalt eindringt und in
der Folge die knöcherne Heilung verhindert. Zusätzlich können Strut Grafts (kortikale
Knochenspäne aus der Knochenbank) zur extramedullären Überbrückung der Frakturzone
in Kombination mit Zerklagen verwendet werden. Dies führt zu einer Erhöhung der primären
Stabilität. Fällt die periprothetische Fraktur erst nach Implantation der Prothese
auf, kann sie mit einer additiven Plattenosteosynthese unter Verwendung von winkelstabilen
Implantaten wie der LCP (= Locking Compression Plate) mit winkelstabilen Kopfverriegelungsschrauben
und proximaler Fixation mit zusätzlichen Kabelzerklagen oder einem verriegelbaren
Plattenaufsatz (Locking Attachment Plate) stabilisiert werden. Inlays für die Plattenlöcher
zum Durchziehen der Zerklagekabel erhöhen weiter die Stabilität. Postoperative periprothetische
Frakturen in Höhe des Prothesenschafts oder nahe der Prothesenspitze werden bei stabil
verankerter Prothese und guter Knochenqualität (B1) mit einer überbrückenden Plattenosteosynthese
versorgt. Bei schlechter oder mäßiger Knochenqualität können überbrückende Strut Grafts
die Fraktur suffizient stabilisieren. Biomechanische Untersuchungen periprothetischer
Frakturen am Femur konnten eine deutlich höhere Stabilität bei Kombination einer winkelstabilen
Plattenosteosynthese mit Strut Grafts und Kabelzerklagen zeigen [8]. Weiters konnte gezeigt werden, dass die Kombination von Zerklagen und Schrauben
biomechanisch günstiger ist als die reine Fixation der Platte ausschließlich mit Zerklagen
[9] und dass Zerklagen keine relevanten Störungen der lokalen Blutversorgung am Kortex
verursachen wie lange angenommen [10]. Auch die Position der monokortikalen Schrauben und der Zerklagen hat einen bedeutenden
Einfluss auf die Steifigkeit des Konstrukts [11]. Im Falle einer bereits bestehenden Gelenkskontraktur ist eine Arthrolyse für die
Reduktion der Belastung im Frakturbereich Voraussetzung für ein gutes funktionelles
Ergebnis ([Abb. 2]).
Abb. 2 a bis e Periprothetische Fraktur einer 89-jährigen Patientin nach häuslichem Sturz: stabiler
Prothesenschaft, kontraktes Schultergelenk, inverse Langschaftprothese mit Zerklagen
und Strut Grafts sowie Arthrolyse des Gelenks. a Primäres Röntgen. b, c Postoperative Röntgen (2 Ebenen). d, e Röntgenkontrollen 4 Monate postoperativ (2 Ebenen).
Periprothetische Frakturen im Bereich des Prothesenschafts mit Lockerung der Prothese
werden i. d. R. mit einem Prothesenwechsel und einer Langschaftprothese versorgt.
Hierbei soll der neue Prothesenschaft deutlich über die Fraktur nach distal reichen.
Zusätzliche Zerklagen werden je nach Frakturform angewandt ([Abb. 3]). Bei schlechter Knochenqualität erhöhen zusätzliche Strut Grafts in überbrückender
Anordnung die Stabilität. Diese werden mit Zerklagen (bevorzugt Doppelzerklagen) fixiert.
Abb. 3 a bis d Periprothetische Fraktur in Höhe der Prothese mit lockerem Prothesenschaft – Versorgung
mit Prothesenwechsel auf eine inverse Langschaftprothese und zusätzliche Zerklagen:
a, b Primäre Röntgen (2 Ebenen). c, d Postoperative Röntgenbilder (2 Ebenen).
Bei den Typ-C-Verletzungen liegt die periprothetische Fraktur deutlich distal der
Prothese am Humerusschaft. In Abhängigkeit von der Frakturform und der Dislokation
der Fraktur können diese Frakturen bei stabiler Prothese auch konservativ mit einem
Brace behandelt werden. Unserer Erfahrung nach benötigen diese Frakturen insbesondere
bei kontrakten Schultergelenken jedoch sehr lange zur Konsolidierung, sodass wir auch
hierbei zu einer operativen Stabilisierung neigen. Bei initial konservativer Therapie
und ausbleibender knöcherner Heilung 12 Wochen nach dem Unfall sollte jedenfalls ein
Verfahrenswechsel hin zu einer operativen Versorgung erwogen werden. Die winkelstabile
Verplattung mit und ohne Strut Grafts mit winkelstabilen Schrauben, Zerklagen und
evtl. einer Locking Attachment Plate sind dann die erfolgversprechenden Therapieverfahren
([Abb. 4]).
Abb. 4 a bis c Periprothetische Fraktur distal des Prothesenschafts versorgt mit winkelstabiler
Plattenosteosynthese mit Schrauben und Zerklagen. a Primäres Röntgen. b, c Postoperative Röntgenbilder (2 Ebenen).
Periprothetische Frakturen bei liegender Schulterprothese werden häufig operativ behandelt.
Bei stabiler Prothese ist die winkelstabile Verplattung evtl. mit Anlagerung zusätzlicher
überbrückender Knochenspäne (Strut Grafts) mit winkelstabilen Schrauben, Zerklagen
und zusätzlichen verriegelbaren Plattenaufsätzen erfolgversprechend, während bei lockerer
Prothese der Wechsel auf eine Langschaftprothese evtl. mit zusätzlicher Augmentation
des Frakturbereichs indiziert ist.
Periprothetische Frakturen bei liegender Ellbogentotalendoprothese
Periprothetische Frakturen bei liegender Ellbogentotalendoprothese
Die Literaturlage zur Behandlung periprothetischer Frakturen bei liegender Ellbogenprothese
ist sehr limitiert. Die Komplikationsrate nach Ellbogenprothetik ist vergleichsweise
hoch, hat sich aber trotz vermehrter Anwendung in den letzten Jahrzehnten durch eine
Verbesserung der operativen Technik und Fortschritte im Prothesendesign deutlich reduziert.
So wurde die Komplikationsrate von Morrey et al. [18] in einer Metaanalyse mit 27,9 % angegeben. Die aseptische Lockerung stellt die häufigste
Komplikation dar, während die periprothetischen Frakturen einen deutlich geringeren
Anteil an der Gesamtkomplikationsrate haben. Nach OʼDriscoll und Morrey beträgt die
Rate an periprothetischen Frakturen bei der primären Ellbogenprothese ca. 5 % [4]. Die Behandlung periprothetischer Frakturen am Ellbogengelenk ist ganz wesentlich
vom verwendeten Prothesendesign abhängig. Während bei Hemiprothesen oder ungekoppelten
Prothesen der unversehrte Seitenbandapparat für die Stabilität unumgänglich ist und
somit auch die Integrität der Kondylen und des radialen und ulnaren Pfeilers am distalen
Humerus wiederhergestellt werden muss ([Abb. 5]), ist bei teilgekoppelten oder gekoppelten Prothesen der Erhalt der Kondylen für
das Ergebnis nicht maßgebend [12] (Abb [6]). Somit müssen bei Hemiprothesen und ungekoppeltem Prothesendesign die Typ-A-Frakturen
(Kondylenfrakturen) am Humerus operativ behandelt werden, während sie bei den teilgekoppelten
oder gekoppelten Prothesen verzichtbar sind. Treten diese Frakturen intraoperativ
auf, können die Fragmente bei teilgekoppelten oder gekoppelten Prothesen mit Nähten
fixiert oder reseziert werden. An der Elle sollten die dislozierten A-Frakturen am
Olecranon (II.2-A1), bei insuffizientem Streckapparat bei allen Prothesentypen revidiert
und stabil refixiert werden.
Abb. 5 a und b Hemiprothese am Ellbogengelenk mit rekonstruiertem radialem Pfeiler.
Abb. 6 a und b Teilverblockte Prothese (Coonrad-Morrey – Zimmer®) mit resezierten Kondylen.
B-Frakturen sind bei liegender Ellbogenprothese oft mit erheblichen Osteolysen vergesellschaftet.
Intraoperative Frakturen werden bei ausreichender Knochenqualität mit Zerklagen und
einem langen Revisionsschaft versorgt, während bei schlechter Knochenqualität Strut
Grafts zusätzliche Stabilität bringen. Ist der Prothesenschaft schon zementiert, ist
bei guter Knochenqualität besonders humeral, aber auch an der Elle eine Plattenosteosynthese
mit Schrauben und Drahtzerklagen möglich ([Abb. 7]). Postoperative B-Frakturen bei stabilem Prothesenschaft liegen oft nahe an der
Prothesenspitze. Je nach Knochenqualität können diese mit winkelstabilen Platten und
Zerklagen sowie mit Strut Grafts versorgt werden ([Abb. 8]). Bei lockerem Prothesenschaft erfolgt ein Prothesenwechsel und je nach Knochenqualität
wird zusätzlich eine extramedulläre Stabilisierung mit einem Strut Graft vorgenommen.
Bei ausgeprägten Osteolysen und Knochendefekt sowie aufgetriebenem Knochen kann zusätzlich
zum Strut Graft noch vor Implantation des Revisionsschafts die Auffüllung des Markraums
mit Spongiosa notwendig sein (= „impaction grafting“). Sind die Knochendefekte noch
ausgeprägter, bleiben als Ausweg nur der Aufbau mit einem Allograft-Prothesen-Composit
(= gesamtes Knochenstück aus der Knochenbank mit Revisionsprothese) oder die Implantation
des ulnaren Stems in den Radius, wobei aber Pro- und Supination (die Unterarmumwendbewegung)
verloren geht.
Abb. 7 a bis l Intraoperative periprothetische Fraktur am Humerusschaft bei schon zementierter Ellbogentotalendoprothese.
Versorgung mit einer winkelstabilen Plattenosteosynthese und Zerklagen am Humerus
sowie Plattenosteosynthese mit Strut Graft und Zerklagen an der Elle. a–d Intraoperative Bildwandlerbilder. e–h Postoperative Röntgenbilder (2 Ebenen). i, j Kontrollröntgen 6 Monate postoperativ (2 Ebenen). k, l Funktionelles Ergebnis.
Abb. 8 a bis m 73-jährige Patientin mit rheumatischer Arthritis und mehrere Jahre nach Implantation
einer Ellbogentotalendoprothese – Lockerung der Prothese, erhebliche Osteolysen, periprothetische
Fraktur am Humerus in Prothesenhöhe. Versorgung mit Langschaftprothese und Strut Grafts
sowie Zerklagen. a, b Primäre Röntgenbilder (2 Ebenen). c, d Postoperative Röntgenbilder (2 Ebenen). e–h Röntgenbilder 3 Jahre später, nach neuerlichem Sturz und periprothetischer Fraktur
am Unterarm (Elle und Speiche), bei stabiler Prothese. i–l Postoperative Röntgen: Versorgung mit winkelstabiler Verplattung an der Elle und
zusätzlicher Augmentation mit Strut Graft und Zerklagen. Intramedulläre Stabilisierung
am Speichenschaft. m Intraoperatives Bild – Versorgung der Elle.
C-Fraturen bei liegender stabiler Ellbogenprothese können, je nach Frakturform, konservativ
oder operativ behandelt werden. Besonders am Unterarm führen wir bevorzugt eine klassische
Plattenosteosynthese durch. Bei schlechter Knochenqualität, z. B. durch erhebliche
Osteoporose, verwenden wir eine winkelstabile LCP-Platte mit winkelstabilen Schrauben
und evtl. Zerklagen. Bei Knochendefekten verwenden wir Strut Grafts zur Überbrückung.
Periprothetische Frakturen bei liegender Ellbogenprothese sind häufig mit erheblicher
Osteolyse kombiniert. Bei stabiler Prothese kommen eine Plattenosteosynthese mit und
ohne Strut Grafts und Zerklagen zur Anwendung, während bei instabiler Prothese ein
Revisionsschaft und zusätzliche Strut Grafts Verwendung finden. Bei extremen Knochendefekten
kann ein Allograft-Prothesen-Composit notwendig sein.
Periprothetische Frakturen zwischen liegender Schulter- und Ellbogenprothese
Periprothetische Frakturen zwischen liegender Schulter- und Ellbogenprothese
Bei Patienten, die sowohl mit einer Schulterprothese als auch mit einer Ellbogenprothese
versorgt sind, kann es bei einem Sturz oder bedingt durch eine Osteolyse zu einer
Fraktur zwischen den beiden Prothesen kommen. Hier muss evaluiert werden, ob beide
Prothesen stabil und intakt sind oder nicht. Die lockere Prothese muss ggf. revidiert
und gewechselt werden, während der Frakturbereich, je nach Knochenqualität, mit einem
Strut Graft oder seltener mit einer Platte überbrückt wird. Die Fallberichte diesbezüglich
sind in der Literatur spärlich und so kann kein evidenzbasierter Behandlungsalgorithmus
angegeben werden. Das Vorgehen muss je nach Situation individuell entschieden werden.
Periprothetische Frakturen bei anderen Prothesen an der oberen Extremität
Periprothetische Frakturen bei anderen Prothesen an der oberen Extremität
Fallserien von Totalendoprothesen an den übrigen Gelenken der oberen Extremität sind
selten. Insbesondere am Handgelenk sind noch keine Prothesensysteme am Markt, welche
die komplexe Kinematik des normalen Handgelenks nachvollziehen können. Demzufolge
ist die Komplikationsrate hoch. In der Literatur wird die Komplikationsrate mit bis
zu 65 % angegeben [13]. Die häufigste Komplikation ist die Osteolyse und das Auslockern der Prothese. Fallsammlungen
von periprothetischen Frakturen bei Prothesen an Handgelenk und Hand sind nicht publiziert.
Ergebnisse
Die Evidenzlage bez. der periprothetischen Frakturen an der oberen Extremität ist
dürftig. Vieles muss von der Versorgung bei Femurfrakturen bei liegender Hüft- oder
Knieprothese hergeleitet werden. Die publizierten Fallserien sind klein und inhomogen.
Dennoch lassen sich einige grundlegende Richtlinien herausarbeiten. Bei periprothetischen
Humerusfrakturen führt bei lockerer Prothese ein Wechsel auf eine Langschaftprothese
und eine Überbrückung der Frakturzone mit einem Strut Graft zu guten Heilungsraten
und einer guten Funktion. Bei stabiler Prothese und einigermaßen guter Knochenqualität
ist die Plattenosteosynthese mit Schrauben und Zerklagen geeignet, die Fraktur in
einem hohen Prozentsatz zur Ausheilung zu bringen. Die funktionellen Ergebisse nach
Revisionsprothetik bei einer periprothetischen Fraktur nach Schulterprothese sind
sehr gemischt und schlecht vorhersehbar. Ein Großteil der Frakturen kann durch Auswahl
des geeigneten Verfahrens zur Ausheilung gebracht werden. Die funktionellen Ergebnisse
sind sehr unterschiedlich und die Komplikationsraten hoch (bis zu 43 %) [3], [14].
Implanatatversagen nach Endoprothetik am Ellbogengelenk sind häufig mit Osteolysen
kombiniert. Die Ergebisse nach Revisionsendoprothetik sind bei subtiler Indikationsstellung
nach präoperativer Analyse und guter operativer Technik zufriedenstellend. Die Mehrheit
der Fallserien berichtet über gute Heilungsraten der Frakturen, gute Schmerzreduktion
und zufriedenstellende Funktion [15]. In schwierigen Situationen mit schlechter Knochenqualität und Knochendefekten lassen
sich durch die zusätzliche Verwendung von Allografts noch gute Heilungsraten und brauchbare
funktionelle Ergebnisse erzielen [16], [17], [18], wenngleich die Komplikationsraten mit der Komplexizität der rekonstruktiven Maßnahmen
zunehmen.
Zusammenfassung
Periprothetische Frakturen bei liegender Schulter- oder Ellbogenprothese kommen im
klinischen Alltag aufgrund der geringeren Implantationszahlen seltener vor als solche
an der unteren Extremität. Sie sind meist schwierig zu behandeln und bedürfen einer
genauen Analyse und präzisen Indikationsstellung. Ihre Behandlung richtet sich nach
ihrer Lokalisation, der Frakturform, nach der Knochenqualität und nach der Tatsache,
ob die Prothese noch stabil im Knochen verankert ist oder ob eine Schaftlockerung
vorliegt. Die konservative Therapie kommt bei manchen unverschobenen Frakturen im
Bereich der Apophysen (Typ-A-Frakturen) und bei gewissen Typ-C-Frakturen am Humerusschaft
infrage. Ansonsten bevorzugen wir die operative Behandlung abgestimmt auf die Stabilität
der Prothese, die Knochenqualität und die Lage der Fraktur. Am Unterarm bevorzugen
wir auch bei den Typ-C-Frakturen eine operative Frakturversorgung, sofern es der Allgemeinzustand
des Patienten zulässt. Unter Anwendung eines dem Einzelfall angepassten, individuellen
Behandlungskonzepts auf der Basis existierender Guidelines lassen sich diese komplizierten
Verletzungen in einem hohen Prozentsatz zur Ausheilung bringen, wenngleich das funktionelle
Ergebnis manchmal schlecht vorhersehbar ist und die Komplikationsrate mit der Komplexizität
der Fraktur bzw. des Eingriffs zunimmt.