PPH 2014; 20(04): 177
DOI: 10.1055/s-0034-1384621
Editorial
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

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Michael Schulz
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Publication Date:
23 July 2014 (online)

Spannungsfeld zwischen Autonomie und Fürsorge

Zwangsmaßnahmen sind nach wie vor Teil psychiatrischer Arbeit. Jede Zwangsmaßnahme bedeutet eine schwere Hypothek für alle Beteiligten. Zwangsmaßnahmen finden häufig statt im Spannungsfeld zwischen Autonomie und Fürsorge. Ob ich als Patient eine Zwangsmaßnahme erleiden muss, hängt weniger von meinem Krankheitsbild als von dem Krankenhaus ab, in dem ich aufgenommen werde.

Als Pflegende stehen wir häufig mitten im Geschehen („Frontlineworker“), sind sowohl für die Prävention als auch für die Durchführung von Zwangsmaßnahmen („dirty work“) verantwortlich. Dies gilt sowohl für die „offiziellen“ Zwangsmaßnahmen, wie zum Beispiel Fixierungen oder Isolierungen, als auch für die subtilen Formen von Zwang, denen wir in der Pflege alter Menschen leider auch immer wieder begegnen. Dazu zählen zum Beispiel Sitzmöbel, aus denen die Menschen sich nicht mehr erheben können oder der Einsatz nur schwer zu öffnender Türen.

Pflegende und Ärzte haben gemeinsam die Pflicht, die Zahl der Zwangsmaßnahmen so gering wie möglich zu halten und so professionell wie möglich durchzuführen. Obwohl das Thema so wichtig ist, fehlt es immer noch an einer befriedigenden Datenbasis. Trotzdem gibt es aus der Forschung immer mehr Erkenntnisse, wie dem Zwang mit alternativen Interventionen begegnet werden kann.

Im Rahmen des Schwerpunkts dieser Ausgabe greifen wir das Thema auf und stellen neue Entwicklungen in diesem Bereich vor. Hierzu gehört zum Beispiel das Safewards-Modell des englischen Pflegewissenschaftlers Len Bowers. Hier stehen nicht nur Verhaltensweisen des Personals oder der Patienten im Vordergrund. Vielmehr wird das gesamte Setting in den Blick genommen und Krisenherde analysiert. In einem weiteren Beitrag erläutert Dirk Richter die Grundregeln der Deeskalation.

Wir würden uns wünschen, dass die Erkenntnisse in dieser Ausgabe helfen, Zwang zu vermeiden.