Dialyse aktuell 2014; 18(06): 326-327
DOI: 10.1055/s-0034-1384727
Forum der Industrie
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Nierentransplantation – Eine optimierte De-novo-Immunsuppression ermöglicht bessere Langzeitergebnisse

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Publikationsdatum:
04. September 2014 (online)

 
 

Obwohl Fortschritte bei der immunsuppressiven Therapie das Risiko einer akuten Transplantatabstoßung verringert haben, konnten die Langzeitergebnisse nach Nierentransplantationen nicht signifikant verbessert werden [ 1 ]. Dies bleibt weiterhin eine Herausforderung, denn das 5-Jahres-Transplantatüberleben liegt in Europa bei Empfängern von postmortalen Spendernieren bei 77 % und das 10-Jahres-Überleben nur bei 56,5 % [ 2 ]. Dabei wird die Nephrotoxizität der Calcineurininhibitoren (CNIs) als eine hauptsächliche Ursache für die Entwicklung einer chronischen Transplantatnephropathie mit dem Risiko eines später folgenden Transplantatverlustes angesehen. Die Nephrotoxizität kann möglicherweise durch eine mTOR-Inhibitor basierte Therapie (mTOR: mammalian Target Of Rapamycin), welche direkt nach der Transplantation mit dem mTOR-Inhibitor Everolimus in Kombination mit reduziertem Ciclosporin (CsA) und Kortikosteroiden ohne Effektivitätsverlust verringert werden.

Everolimus (Certican®) hat wegen seiner vielfältigen Eigenschaften das Potenzial, das Langzeitergebnis einer Nierentransplantation zu verbessern, betonte Prof. Josep M. Campistol, Barcelona (Spanien), auf dem Symposium „Improving outcomes in kidney transplantation: de novo immunsuppression options“ in Frankfurt am Main. Dazu gehören u. a. eine niedrige Inzidenz an akuten Abstoßungsreaktionen, antiproliferative und antimaligne Effekte sowie eine Protektion gegen opportunistische Infektionen wie z. B. Cytomegalievirus (CMV).

Die genannten Effekte basieren auf der Inhibition wichtiger Signalwege durch Everolimus. Dabei wird der mTOR-Signalweg gehemmt, so können Tumorzellproliferation, Angiogenese und Virusreplikation [ 3 ] in ihrer Aktivität reduziert werden. Damit hat Everolimus einen zentralen Einfluss auf verschiedene Signalwege, was sich auf das Transplantatüberleben auswirken kann.

Schutz gegen akute Abstoßung

Studiendaten unterstützen den Einsatz von Everolimus nach einer Nierentransplantation. So zeigte die offene randomisierte Phase-IIIb-Studie A2309 [ 4 ], dass mit Everolimus eine bis zu 60-prozentige Reduzierung von CsA ein Jahr nach der Transplantation möglich ist, ohne dass die Wirksamkeit beeinträchtigt wird. Über 800 De-novo-Nierenempfänger waren mit einer Everolimusdosis von 1,5 mg bzw. 3,0 mg (die 3,0-mg-Dosierung ist in der EU nicht zugelassen) täglich in Kombination mit einer verringerten CNI-Dosierung randomisiert und mit einem Kontrollarm – MPA (Mycophenolic Acid) plus CNI-Standarddosierung – verglichen worden.

Im Ergebnis erwies sich Everolimus nach 12 Monaten bzgl. des kombinierten primären Studienendpunkts aus tBPAR (treated Biopsy-Proven Acute Rejection), Transplantatverlust, Tod oder „loss to follow up“ (kein Kontakt mehr zum Patienten) als nicht unterlegen. Der Studienendpunkt trat in der Everolimusgruppe (1,5 mg) bei 25,3 % und in der MPA-Gruppe bei 24,2 % der Patienten auf. Ebenso erwies sich die mittlere eGFR (estimated Glomerular Filtration Rate) nach Monat 12 im Everolimuskollektiv als nicht unterlegen (54,6 vs. 52,2 ml/min/1,73 m2 im Kontrollarm). Die Inzidenz an unerwünschten Ereignissen war in den Therapiearmen vergleichbar.


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Weitere Vorteile der mTOR-Inhibitor-Therapie

Weitere Daten zeigen, dass die Therapie mit Everolimus plus reduzierter CNI-Dosierung auch anderweitig Vorteile bringen kann. Die A2309-Studie zeigte [ 5 ], dass die Inzidenz der CMV-Infektion über einen Zeitraum von 24 Monaten unter der Behandlung mit De-novo-Everolimus 1,5 mg täglich im Vergleich zu MPA signifikant verringert war. Sie betrug 1,5 % im Everolimusarm und 9,2 % im MPA-Arm (p = 0,004; Abb. [ 1 ]).

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Abb. 1 In der Studie A2309 wurde eine Verringerung der CMV-Infektionen unter der Therapie mit De-novo-Everolimus in Kombination mit einer minimierten CNI-Dosierung beobachtet. [nach [ 4 ], [ 5 ], [ 6 ]
BKV = BK-Virus, CMV = Cytomegalievirus, CNI = Calcineurininhibitor, EVR = Everolimus, MPA = Mycophenolic Acid

Auch eine gepoolte retrospektive Analyse von 3 randomisierten, prospektiven Studien [ 7 ] mit insgesamt 2004 De-novo-Nierentransplantatempfängern ergab eine geringere Rate an CMV-Infektionen unter Everolimus im Vergleich zu MPA (jeweils in Kombination mit CsA). Die Patienten hatten entweder 1,5 mg oder 3,0 mg (nicht zugelassen) Everolimus pro Tag mit einer reduzierten oder Standarddosierung von CsA erhalten, die Kontrollgruppen MPA mit einer CsA-Standarddosierung. Eine CMV-Prophylaxe wurde je nach Maßgabe des jeweiligen Zentrums durchgeführt, war aber nicht vorgeschrieben.

Die Kaplan-Meier-Analyse zeigte, dass eine CMV-Virämie und -Infektion signifikant weniger unter Everolimus als unter MPA auftrat. Bei einer Dosierung von 1,5 mg Everolimus blieben 93,5 % der De-novo-Transplantatempfänger ohne ein CMV-Ereignis nach 780 Tagen. Unter MPA betrug die Rate 85,2 %. Die Analyse dokumentierte eine signifikante Verringerung der Inzidenz von CMV-Infektion/Syndrom und -Virämie bei mit Everolimus behandelten Patienten, besonders bei solchen ohne CMV-Prophylaxe.

Auch das BK-Virus (BKV) stellt bei Transplantationen ein relevantes Problem dar, weil eine BKV-Infektion zum Verlust des Transplantats führen kann. In der Studie A2309 [ 5 ] erwies sich die Inzidenz einer solchen Infektion unter der Therapie mit Everolimus 1,5 mg plus verringerter CsA-Dosierung nach 24 Monaten mit 0,7 % als signifikant geringer als unter MPA 1,44 g plus CsA-Standarddosierung mit 4,8 % (p = 0,004).


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Tumorinzidenz und kardiovaskuläres Risiko

Als eine weitere therapeutische Herausforderung nach einer Nierentransplantation gilt das Krebsrisiko, das 3-fach höher ist als in der Allgemeinbevölkerung [ 8 ]. Auch hier konnte belegt werden, dass die Inzidenz im Therapiearm mit Everolimus 1,5 mg täglich plus verringerter CsA-Dosierung nach 12 Monaten mit 3,3 % und nach 24 Monaten mit 8 % gegenüber der Gruppe unter MPA plus CsA-Standarddosierung mit 5,9 % und 8,8 % niedriger war [ 5 ].

Neben Tumorerkrankungen mit 31 % und Infektionen gehören kardiovaskuläre Krankheiten (CVD) mit 34 % zu den häufigsten Todesursachen bei Patienten [ 9 ]. Ein Hinweis für ein mögliches erhöhtes Risiko für CVD-Ereignisse ist die Hypertrophie des linken Herzventrikels. Die linksventrikuläre Hypertonie (LVH) kann so als Risikomarker für CVD herangezogen werden. So ist die LVH ein Jahr nach der Nierentransplantation mit einem reduzierten Überleben und einem erhöhten Risiko für eine De-novo-Herzinsuffizienz verbunden [ 10 ]. Wie eine randomisierte, kontrollierte Studie (monozentrisch) mit Nierentransplantatempfängern zeigte, war das Therapieregime mit Everolimus plus reduzierter CsA-Dosierung gegenüber einer CsA-Standarddosierung nach einem Jahr Nachbeobachtungszeit mit einem signifikant niedrigeren linksventrikulären Massenindex (LVMi) verbunden [ 11 ]. Ein erhöhter LVMi gilt als Risiko für kardiale Ereignisse.


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Eine gute Nierenfunktion zu erhalten ist essenziell

Damit Komplikationen und Risiken nach einer Nierentransplantation vermieden werden können, besteht das erste und wichtigste Ziel darin, eine gute renale Funktion aufrecht zu erhalten, betonte Prof. Franco Citterio, Rom (Italien). Denn dies ist mit einem längeren Transplantatüberleben, einem längeren Überleben der Patienten sowie einer besseren Lebensqualität verbunden. So konnte gezeigt werden, dass ein Jahr nach der Transplantation Patienten mit einer eGFR von weniger als 40 ml/min ein signifikant schlechteres Transplantatüberleben hatten als solche mit einer eGFR von mehr als 40 ml/min [ 12 ]. Deshalb besteht die Herausforderung darin, die Transplantatfunktion langfristig zu erhalten. Dies scheint in vielen Fällen noch nicht zu gelingen, denn ein Drittel der Patienten haben ein Jahr nach der Transplantation eine schlechtere Nierenfunktion [ 13 ].

Auch die Kosten für das Gesundheitswesen sind bei einer schlechten Nierenfunktion ein Jahr nach der Transplantation nicht unerheblich und unterstützen die Bedeutung einer guten renalen Funktion. So stiegen in einer Studie die Gesundheitskosten dann, wenn die eGFR-Werte unter 45 ml/min fielen. Die Kosten für Patienten mit einer eGFR von 20 ml/min ein Jahr nach der Transplantation waren um 17 500 US-Dollar höher als die Referenzwerte [ 14 ].

Citterio kam zu dem Schluss, dass eine schlechte Nierenfunktion 12 Monate nach der Transplantation viele Konsequenzen wie ein erhöhtes CVD-Risiko, ein Risiko für Transplantatversagen und ein gesteigertes Mortalitätsrisiko beinhaltet. Da die CNIs bei der akuten Abstoßungsreaktion zwar hoch wirksam, aber auch eine nephrotoxische Wirkung haben, sollte deren Einsatz nach der Transplantation optimiert werden. Die A2309-Studie zeigte, dass bei vergleichbarer Effizienz eine deutliche Reduktion von CsA möglich ist [ 4 ]


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Die Forschung geht weiter

Wie Prof. Björn Nashan, Hamburg, ausführte, geht die Forschung mit Everolimus weiter. So wird in der offenen, prospektiven und randomisierten Studie ATHENA bei De-novo-Nierentransplantatempfängern ein Standardregime gegen ein everolimusbasiertes Regime in Kombination mit CsA oder Tacrolimus geprüft. Damit soll die Nichtunterlegenheit bezüglich der Nierenfunktion in mindestens einem der Therapieregimes mit Everolimus, verglichen mit der Standardbehandlung, 12 Monate nach der Transplantation belegt werden.

In der derzeit größten Nierentransplantationsstudie mit über 2000 geplanten Patienten (TRANSFORM) [ 15 ] wird die Therapie mit Everolimus 1,5 mg täglich plus niedrig dosiertem CNI (Ciclosporin oder Tacrolimus) mit MPA plus einer CNI-Standarddosierung (Ciclosporin oder Tacrolimus) verglichen. Bei der auf einen Überlegenheitsnachweis ausgerichteten Studie wird erstmals ein innovativer Endpunkt aus einer Kombination aus behandelter BPAR, „graft loss“, Tod und eGFR eingesetzt (FDA, Workshop 2012). Dem innovativen Studiendesign zufolge soll die Assoziation zwischen akuter Abstoßung und Nierenfunktion bewertet werden (ClinicalTrials.gov-Identifier: NCT01950819).

Dr. Ralph Hausmann, Frankfurt am Main

Dieser Beitrag entstand mit freundlicher Unterstützung der Novartis Pharma GmbH, Nürnberg.
Die Beitragsinhalte stammen vom Symposium „Improving the outcomes in kidney transplantation: de novo immunsuppression options“, 16./17.05.2014, Frankfurt am Main, und vom FDA Workshop 2012: „Endpoints in Clinical Trials of Kidney Transplantation“, veranstaltet von der Novartis Pharma GmbH, Nürnberg.
Der Autor ist freier Journalist.


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Abb. 1 In der Studie A2309 wurde eine Verringerung der CMV-Infektionen unter der Therapie mit De-novo-Everolimus in Kombination mit einer minimierten CNI-Dosierung beobachtet. [nach [ 4 ], [ 5 ], [ 6 ]
BKV = BK-Virus, CMV = Cytomegalievirus, CNI = Calcineurininhibitor, EVR = Everolimus, MPA = Mycophenolic Acid