Kapitel 2: Empfehlungen
2.1 Epidemiologie und Diagnostik
2.1.1 Definitionen
GERD
Die Montreal-Klassifikation soll auf die Aspekte von Nomenklatur, Diagnostik und Therapie
der gastroösophagealen Refluxkrankheit (GERD) angewandt werden.
Konsens
Kommentar
Die bisherige Leitlinie (2005) hatte sich an den Genval Workshop Report [1 ] angelehnt: Eine gastroösophageale Refluxkrankheit liegt vor, wenn ein Risiko für
organische Komplikationen durch einen gesteigerten gastroösophagealen Reflux und/oder
eine signifikante Störung des gesundheitsbezogenen Wohlbefindens (Lebensqualität)
infolge der Refluxbeschwerden besteht. Diese pragmatische Definition klassifizierte
jedoch viele Patienten als GERD, die Symptome wie Sodbrennen aufweisen, obwohl nur
die Minderheit der pH-metrisch erfassten sauren Refluxepisoden mit Symptomen oder
mit einer endoskopisch fassbaren Ösophagitis korreliert. Darüber hinaus lässt der
Genval Workshop Report eine Überlappung mit der funktionellen Dyspepsie zu und vermischt
die Definition der Krankheitsentität GERD mit diagnostischen Arbeitskriterien für
den klinischen Gebrauch [2 ].
Die Montreal Klassifikation gibt dagegen die erste allgemein gültige und verbindliche
nosologische Definition der gastroösophagealen Refluxkrankheit (GERD) vor: Eine GERD
entwickelt sich, wenn der Reflux von Mageninhalt störende Symptome und/oder Komplikationen
verursacht [3 ]. Sie schließt den pathophysiologischen Prozess des gastroösophagealen Reflux ebenso
ein wie eine symptombasierte Definition zur klinischen Anwendung der Definition. „Störende
Symptome und/oder Komplikationen“ lässt ausreichende Variabilität der Beurteilung
der Intensität zu, in der Patienten die Symptome oder Folgen einer GERD als beeinträchtigend
empfinden. Auch asymptomatische Patienten mit einer GERD-Komplikation (z. B. Barrett-Ösophagus)
werden durch die Montreal-Klassifikation erfasst. Die Definition ist unabhängig von
speziellen Messverfahren und erfasst Patienten schon allein durch die Symptomatik.
Andererseits klassifiziert sie GERD aber auch – unabhängig vom Vorliegen klinischer
Symptome – ausschließlich aufgrund des technischen Refluxnachweises (pH-Metrie, Impedanz)
oder des Nachweises von Refluxfolgen (Endoskopie, Histologie, Elektronenmikroskopie)
+ Symptome. Schließlich legt die Montreal-Klassifikation nicht fest, ob das Refluat
sauer, schwach sauer, basisch oder gasförmig sein muss.
Die Montreal-Klassifikation ist durch deutsche und italienische Expertengruppen validiert
und von der American Gastroenterological Association übernommen worden, sie dient
der European Medicinal Agency als Definition in ihren Leitlinien [4 ]
[5 ]
[6 ]
[7 ]
[8 ].
Der Begriff GERD subsummiert:
erosive Refluxösophagitis verschiedener Schweregrade (ERD)
nicht erosive Refluxkrankheit (NERD)
hypersensitiver Ösophagus
extraösophageale Manifestationen
Komplikationen der GERD
funktionelle Refluxbeschwerden
Barrett-Ösophagus
Unter pathophysiologischen und therapeutischen Aspekten wird zwischen primärer und
sekundärer Refluxkrankheit unterschieden.
Komplikationen der GERD können sich in der Speiseröhre (z. B. Ösophagitis, Stenosen,
Barrett) sowie extraösophageal „atypisch“ manifestieren. Hier zählen Laryngitis, chronischer
Husten, Asthma und Zahnerosionen zu den etablierten extraösophagealen Syndromen, während
die Assoziation zwischen GERD und Pharyngitis, Sinusitis, idiopathischer Lungenfibrose
und rezidivierender Otitis media in der Diskussion ist.
Eine enge Korrelation von GERD zu Atemwegserkrankungen, Asthma und Schnarchen ist
ebenso beschrieben wie zu nächtlicher Insomnie, Benzodiazepin-Abusus, Müdigkeit am
Tage und Bluthochdruck [9 ]. Ein kausaler Zusammenhang zwischen GERD und Asthma bzw. obstruktiver Schlafapnoe
konnte jedoch nicht nachgewiesen werden [10 ]. Eine Assoziation zwischen H. pylori Infektion und GERD liegt nicht vor [11 ].
GERD ist die häufigste ösophageale Ursache des noncardiac chest pain (NCCP), der u. a.
als atypische Manifestationsform der GERD aufgefasst wird [12 ]. NCCP bezeichnet wiederkehrende retrosternale Schmerzen, die nicht von ischämischen
Herzschmerzen zu unterscheiden sind, obwohl kardiale Schmerzursachen ausgeschlossen
wurden. Über 50 % der NCCP-Patienten haben eine pathologische Säurebelastung des distalen
Ösophagus, 68 – 90 % der NCCP-Patienten sprechen auf probatorische PPI-Therapie an
[13 ]
[14 ]
[15 ]
[16 ].
Erosive Refluxerkrankung (ERD)
GERD mit endoskopisch nachweisbaren Läsionen (Erosionen, Striktur, Barrett-Ösophagus)
wird als erosive gastroösophageale Refluxkrankheit (ERD) definiert. Weniger als 50 %
aller Patienten mit typischen GERD-Symptomen haben endoskopisch erkennbare Schleimhautläsionen
[17 ]. Zu den Risikofaktoren der ERD zählen Hiatushernie, starker Alkohol- und Nikotinkonsum
[18 ], hoher BMI [19 ], männliches Geschlecht und H. pylori-Negativität [20 ].
Nicht erosive Refluxerkrankung (NERD)
GERD ohne endoskopisch nachweisbare Läsionen (Erosionen, Striktur, Barrett-Ösophagus)
wird als nicht erosive gastroösophageale Refluxkrankheit definiert (NERD) [21 ]. Sie liegt nur vor, wenn die Beschwerden die Lebensqualität beeinträchtigen. NERD
kann die Lebensqualität (QoL) ähnlich stark beeinträchtigen wie ERD. Gut 50 % aller
Patienten mit typischen GERD-Symptomen haben keine endoskopisch erkennbaren Schleimhautläsionen
[17 ]
[22 ]. Zu den Risikofaktoren der NERD zählen Fehlen einer Hiatushernie, niedriger BMI,
H. pylori Infektion, weibliches Geschlecht und jüngeres Lebensalter [11 ]
[23 ]
[24 ]
[25 ].
Hypersensitiver Ösophagus
Ein hypersensitiver Ösophagus liegt vor, wenn Refluxereignisse formal quantitativ
innerhalb der Norm liegen, aber als Sodbrennen mit positivem Symptomindex perzipiert
werden [26 ]. Die Patienten sprechen daher gut auf eine säuresuppressive Therapie an. Endoskopisch
erkennbare erosive Veränderungen liegen nicht vor. Ösophageale Hypersensitivität kann
durch definierte Ballondistension und durch Säureperfusion nachgewiesen werden [27 ]. Patienten mit hypersensitivem Ösophagus weisen bei ösophagealer Säureperfusion
(Bernsteintest) v. a. bei Perfusion des proximalen Ösophagus eine höhere Schmerzsensitvität
auf als symptomatische ERD-Patienten oder gesunde Kontrollpersonen, während asymptomatische
ERD-Patienten gegenüber Kontrollpersonen vermindert sensitiv sind [26 ]
[28 ]
[29 ]. Ursache ist eine Steigerung der viszeralen Schmerzwahrnehmung unabhängig von der
Intensität des Stimulus und von Störungen der ösophagealen Motilität. An der zugrunde
liegenden Senkung der ösophagealen Schmerzschwelle sind periphere und zentrale Mechanismen
der Schmerzwahrnehmung beteiligt [30 ].
Der hypersensitive Ösophagus ist – neben ösophagealen Motilitätsstörungen und funktionellen
Beschwerden – eine der selteneren Ursachen des NCCP [12 ]. Hier führen physiologische gastroösophageale Refluxereignisse zum NCCP, diese Schmerzen
sprechen daher auf antisekretorische Therapie an. Von den NCCP-Patienten weisen 75 %
psychologische Störungen auf (Panik-, Angststörungen, Depression) [31 ].
Funktionelle Refluxbeschwerden
Patienten mit funktionellen Refluxbeschwerden klagen zwar über Sodbrennen, es liegt
aber weder ein pathologischer Reflux vor (negative pH-Metrie/Impedanz) noch besteht
eine zeitliche Assoziation der Schmerzangaben mit physiologischen Refluxereignissen
(negativer Symptomindex/negativer SAP). Eine säuresuppressive Therapie bleibt daher
ineffektiv. Zu den Risikofaktoren gehören jüngeres Lebensalter, weibliches Geschlecht
und psychologische Komorbidität [12 ]. Die Patienten sind gegenüber mechanischer Schmerzinduktion durch Ballondistension
und im Säureperfusionstest empfindlicher als Patienten mit NERD oder hypersensitivem
Ösophagus; möglicherweise werden ösophageale Mechanonozizeptoren durch säureempfindliche
Chemorezeptoren sensibilisiert [32 ]. Auch bei funktionellen Refluxbeschwerden scheint eine erhöhte afferente ösophageale
Sensitivität vorzuliegen [30 ].
Funktionelle Refluxbeschwerden sind noch seltener als der hypersensitive Ösophagus
Ursache des NCCP [12 ]. Da die Schmerzangaben unabhängig selbst von physiologischen Refluxereignissen sind,
sprechen diese NCCP-Patienten nicht auf antisekretorische Therapie an.
2.1.2 Diagnostik
Symptome und deren Aussagekraft
Für die Diagnostik soll eine subtile Anamnese bzgl. der typischen Refluxbeschwerden
(z. B. Sodbrennen, Säureregurgitation) erhoben werden.
Starker Konsens
Im Rahmen der Anamnese sollten auch weitere mögliche refluxassoziierte Symptome (z. B.
epigastrische Schmerzen, thorakale Schmerzen, Dysphagie, Odynophagie, Brennen im Rachen,
Räuspern) erfragt werden.
Starker Konsens
Im Anamnesegespräch sollen auch andere Beschwerden im Gastrointestinaltrakt, insbesondere
im Kontext funktioneller Erkrankungen (z. B. Symptome des Reizmagens und Reizdarms),
erfragt werden.
Starker Konsens
Kommentar
Folgende typische Refluxsymptome können auftreten: Sodbrennen (brennendes Gefühl hinter
dem Brustbein = heartburn), Brennen im Rachen, saures oder nicht saures Aufstoßen
sowie Regurgitation von Mageninhalt (vom Patienten oft fälschlich als Erbrechen interpretiert!).
Folgende Symptome sind zwar nicht pathognomonisch, aber mit einer Refluxerkrankung
vereinbar: retrosternale Schmerzen, Dysphagie (Schluckerschwernis); selten Odynophagie
(Schmerz beim Schlucken); Reizhusten/morgendliches Räuspern, belegte Stimme, Heiserkeit,
Reizhusten, Asthmaanfälle.
In der Anamnese soll stets eine detaillierte Medikamentenanamnese erhoben werden.
Starker Konsens
Kommentar
Medikamente können GERD verursachen oder die Symptomatik einer vorbestehenden GERD
verstärken, indem sie zu einer Relaxation des unteren Ösophagussphinkters führen oder
die ösophageale Clearance stören. Zu diesen Medikamenten gehören Kalziumantagonisten,
Nitropräparate, Theophylline und Aminophylline (Verstärkung eines refluxbedingten
Asthmas!), Anticholinergika, beta-adrenerge Agonisten, Benzodiazepine, pfefferminzhaltige
Präparate und Östrogenpräparate zur postmenopausalen Hormontherapie [33 ]
[34 ]
[35 ]
[36 ]
[37 ]. Gestagene und Antikonzeptiva haben dagegen keinen gesicherten Zusammenhang mit
GERD. Darüber hinaus reduzieren Anticholinergika die Sekretion bikarbonathaltigen
Speichels und vermindern dadurch die Säureneutralisation im Ösophagus [38 ].
Im Gegensatz zu den vorgenannten Medikamenten, die durch die Beeinflussung der Motilität
eine Refluxösophagitis induzieren können, verursachen zahlreiche andere Medikamente
eine motilitätsunabhängige, toxische Ösophagitis, die direkt lokal (ASS; NSAR, Biphosphonate,
Doxycylin, Eisensulfat, Ascorbinsäure) oder systemisch ausgelöst werden kann (Zytostatika)
[119 ].
Wird aufgrund typischer Refluxsymptome eine GERD angenommen und es liegen keine Alarmsymptome
vor, kann bei Erwachsenen zunächst eine empirische Protonenpumpenhemmertherapie ohne
weitere Diagnostik erfolgen.
Starker Konsens
Kommentar
Eine GERD wird als wahrscheinlich angesehen, wenn typische Refluxsymptome (Sodbrennen,
Regurgitation) mindestens 1 ×/Woche [39 ] bis 2 ×/Woche [1 ] auftreten und mit einer Beeinträchtigung der Lebensqualität einhergehen. Führt Sodbrennen
die klinische Symptomatik an, so liegt mit hoher Wahrscheinlichkeit (> 75 %) eine
Refluxerkrankung vor [3 ]
[40 ]. Trotzdem können auch seltenere Refluxbeschwerden zu einer relevanten Einschränkung
der Lebensqualität führen [41 ].
Wird Sodbrennen als das sensitivste Symptom der GERD zugrunde gelegt, hat sich als
Expertenmeinung die Annahme der Diagnose GERD ohne weitere Diagnostik etabliert und
mehrheitlich Einzug in internationale Leitlinien gehalten [3 ]
[42 ]
[43 ]. Dies gilt, wenn keine Alarmsymptome bestehen und wenn aus der Krankheitsdauer kein
relevantes Risiko eines Barrett-Ösophagus resultiert (vgl. Statement 11).
In Abgrenzung zur Probetherapie (s. u.) wird bei der empirischen Therapie die Diagnose
GERD durch typische Symptome als gegeben betrachtet und eine langfristig intendierte
medikamentöse Therapie eingeleitet. Eine kritische Prüfung des Therapieerfolges ist
dennoch indiziert.
Alarmsymptome als diagnostisches Werkzeug spezifisch im Setting der GERD sind nicht
auf Basis hochwertiger Studien etabliert. Beschrieben und gut vereinbar mit allgemeinen
medizinischen Standards sind Dysphagie und Odynophagie, unfreiwilliger Gewichtsverlust
(> 5 %), eine Anämie insbesondere bei klinischen Hinweisen auf GI-Blutverluste, sowie
klinische/apparative Hinweise auf eine ösophageale/epigastrische Raumforderung, Striktur
oder ein Ulkus [22 ]
[43 ]
[44 ]
[45 ].
Sind die Symptome für eine Refluxkrankheit nicht eindeutig, sollte eine weitere Klärung
erfolgen.
Mehrheitliche Zustimmung
Kommentar
Unspezifische Symptome wie Globusgefühl, retrosternale Schmerzen und respiratorische
Symptome können das klinische Beschwerdebild der Refluxerkrankung dominieren und eine
rein anamnestische Diagnosestellung erschweren [46 ]. Dann ist eine weitere Diagnostik mittels ÖGD und /oder pH-Metrie(-Impedanz) zu
empfehlen.
Eine Probetherapie mit einem Protonenpumpenhemmer mit diagnostischer Zielsetzung sollte
bei unklaren Symptomen nicht erfolgen.
Starker Konsens
Kommentar
Studien zur Probetherapie als diagnostisches Verfahren haben sehr variable Schätzungen
der diagnostischen Aussagekraft erbracht [42 ]
[47 ]
[48 ]
[49 ]
[50 ]. Dies ist vermutlich auf variable Therapieprotokolle, demografische Faktoren, Endpunkte
und Referenzverfahren zur Diagnosestellung einer GERD zurückzuführen. Metaanalysen
schätzen die gepoolte Sensitivität mit 78 – 80 %, die Spezifität mit 54 – 74 % [51 ]
[52 ], gemessen an pH-Metrie und/oder ÖGD als Goldstandard, ein. Bei einem direkten Vergleich
von Probetherapie und pH-Metrie bei Patienten mit Refluxösophagitis waren beide Verfahren
ähnlich zuverlässig [53 ]. Da aber 40 – 90 % der Patienten mit anamnestisch GERD-suggestiven Symptomen auf
eine PPI-Therapie ansprechen, wird die Wertigkeit der Referenzstandards kritisch diskutiert
[51 ]
[54 ]. Mehrere praktische Aspekte haben sich zudem als problematisch erwiesen: Selbst
bei Gesunden tritt nach Absetzen einer PPI-Therapie eine Säurehypersekretion durch
eine passager nachhängende Hypergastrinämie auf, die bei über 40 % der Patienten mit
GERD-Symptomatik einhergeht und in der Bewertung einer Probetherapie irreführend sein
kann [55 ]
[56 ]. Eine komplette Beschwerdefreiheit war unter Studienbedingungen nicht zu erreichen,
daher wurde in Studien meist nur ein Rückgang der Symptomhäufigkeit um 50 – 75 % als
Kriterium angewandt [49 ]
[50 ]
[53 ]
[57 ]
[58 ]
[59 ]. Eine persönliche Verlaufsbeurteilung von Refluxsymptomen durch Patient oder Arzt
hat sich in Studien zudem als ungenau erwiesen [60 ]. Aus volkswirtschaftlicher Sicht hat sich in vielen Länderstudien die Therapiesteuerung
per Probetherapie dennoch als kosteneffektiver als die durch endoskopische Initialdiagnostik
gezeigt [43 ]
[61 ]
[62 ]. Der Einsatz der Probetherapie wird daher weiterhin international kontrovers bewertet.
2.1.3 Endoskopie
Auf Wunsch des Patienten kann frühzeitig und primär, d. h. an Stelle einer empirischen
Therapie, eine weitere (z. B. endoskopische) Abklärung erfolgen.
Starker Konsens
Bei Vorliegen von Alarmsymptomen soll immer unverzüglich eine weitere Abklärung mittels
ÖGD erfolgen.
Starker Konsens
Kommentar
Erstmals in dieser Aktualisierung der Leitlinie wird sich gegen ein generelles endoskopisches
Screening aller Patienten mit GERD-suggestiven Symptomen ausgesprochen (vgl. Statement
6). Folgende Aspekte fließen in diese Expertenmeinung ein:
Pro initiale ÖGD : Sowohl das Symptom Sodbrennen [63 ]
[64 ]
[65 ], als auch der PPI Test [64 ] weisen Unschärfen bei der Differenzierung zwischen ERD/NERD und hypersensitivem
Ösophagus einerseits sowie funktionellen Refluxbeschwerden bzw. nicht ulzeröser Dyspepsie
andererseits auf, führen also potenziell zu einer Übertherapie. Klinische Zweifel
an der Diagnose GERD sollten daher zu einer apparativen Diagnosesicherung Anlass geben.
Zwingend ist eine Diagnostik indiziert, wenn nach initial symptombasierter Therapieeinleitung
in den gesetzten Fristen einer empirischen Therapie keine ausreichende Symptomremission
erreicht wurde. Die Endoskopie ermöglicht die primäre Diagnose der Refluxösophagitis
und die Festlegung ihres Schweregrades [1 ]. Sie erleichtert damit die Therapieplanung und eine exakte Therapiekontrolle. Als
Indexendoskopie ist sie von Vorteil für die Diagnostik des Barrett-Ösophagus und die
Erfassung von Komplikationen (Ulkus, Striktur). Gleichzeitig können Erkrankungen,
die von einer Frühtherapie profitieren, ausgeschlossen werden, in erster Linie Malignome.
Nicht zu unterschätzen ist der rückversichernde Einfluss einer einmaligen, klärenden
Indexgastroskopie auf das subjektive Wohlbefinden vieler Patienten, die es im individuellen
Arzt-Patienten-Kontakt einzuschätzen gilt [66 ]
[67 ].
Contra initiale ÖGD . Weder Schweregrad noch Frequenz von Symptomen korrelieren mit den drei GERD-Manifestationsformen
ERD, NERD und Barrett-Ösophagus [11 ]
[68 ]
[69 ]. Zwar würde die endoskopische Differenzierung zwischen ERD und NERD eine unterschiedliche
Steuerung der säuresuppressiven Therapie erlauben. Letztlich steht der Nachweis einer
daraus langfristig resultierenden höheren Patientenzufriedenheit und geringeren Rate
von Folgekrankheiten oder Mortalität aber aus [70 ]. Es werden für eine adäquate Behandlung von NERD und ERD vergleichbare PPI-Dosen
benötigt [71 ]. Berücksichtigt werden muss auch, dass das Fehlen einer endoskopischen Refluxösophagitis
keinesfalls die Diagnose GERD ausschließt, vielmehr weist die Mehrzahl der GERD-Patienten
eine endoskopisch negative NERD auf [42 ].
Alarmsymptome als diagnostisches Werkzeug spezifisch im Setting der GERD sind nicht
auf Basis hochwertiger Studien etabliert. Beschrieben und gut vereinbar mit allgemeinen
medizinischen Standards sind Dysphagie und Odynophagie, unfreiwilliger Gewichtsverlust
(> 5 %), eine Anämie insbesondere bei klinischen Hinweisen auf GI-Blutverluste, sowie
klinische/apparative Hinweise auf eine ösophageale/epigastrische Raumforderung, Striktur
oder ein Ulkus [22 ]
[43 ]
[44 ]
[45 ].
Bei mehrjährig bestehenden Refluxbeschwerden sollte eine Endoskopie zur Aufdeckung
eines Barrett-Ösophagus erfolgen.
Starker Konsens
Kommentar
Die endoskopische Früherkennung eines Barrett-Ösophagus als Präkanzerose ermöglicht
eine gezielte Vorsorgestrategie und möglicherweise eine Reduktion des Karzinomrisikos.
Dem insgesamt geringen Risiko einer malignen Progression in der Gesamtheit der GERD-Patienten
stehen aber volkswirtschaftlich erhebliche Mehrkosten eines generellen endoskopischen
Screenings von Patienten mit GERD-typischen Symptomen gegenüber [43 ]. Die Einbeziehung der Symptomdauer kann die Einzelfallentscheidung zur Index-ÖGD
erleichtern: Im Vergleich zu Patienten mit GERD-typischen Symptomen für weniger als
1 Jahr beträgt die Odds Ratio für die Diagnose eines Barrett-Ösophagus bei einer Symptomdauer
von 1 – 5 Jahren 3,0, bei einer Symptomdauer von 5 – 10 Jahren 6,4 [69 ].
Bei mit einer Refluxkrankheit zu vereinbarenden Symptomen und Nachweis einer erosiven
Refluxösophagitis soll zunächst keine weitere Diagnostik erfolgen.
Starker Konsens
Kommentar
Die makroskopischen Läsionen sind derart spezifisch, dass mit ihrem Nachweis die Diagnose
„Refluxösophagitis“ ausreichend belegt ist [1 ]. Zusätzliche diagnostische Maßnahmen optimieren die diagnostische Sicherheit nicht.
Aus den Befunden der pH-Metrie und Ösophagusmanometrie lassen sich zunächst keine
differenzialtherapeutischen Konsequenzen ableiten. Bei symptomatischer Refluxösophagitis
wird daher ohne weitere Funktionsdiagnostik medikamentös therapiert.
Erosionen
Die Diagnose einer erosiven Refluxösophagitis sollte bei fleckigen, streifigen oder
zirkulär konfluierenden Epitheldefekten (Erosionen) der Schleimhaut des distalen Ösophagus
gestellt werden.
Starker Konsens
Kommentar
Fleckige, streifige oder zirkulär konfluierende Epitheldefekte (Erosionen) im distalen
Ösophagus oder im Anschluss an die Z-Linie sind allgemein akzeptierte makroskopische
Zeichen einer Refluxösophagitis [1 ]. Sie sind praktisch immer von einer pathologischen pH-Metrie begleitet [72 ]. Andere makroskopische Befunde der Refluxösophagitis sowie histologische Veränderungen
sind in ihrem Wert dagegen umstritten. Die interindividuelle Übereinstimmung bei der
Erkennung und Graduierung der Ösophagitis ist bestenfalls mäßig [73 ]
[74 ]. Selbst die intraindividuelle Reproduzierbarkeit nach 2 Wochen ist nur mäßig [73 ]. Das Auffinden von Erosionen wird durch elektronische Strukturverstärkung und Kontrastanhebung
(narrow band imaging NBI, FICE, i-Scan) und noch stärker durch reale Färbung mit Lugol‘scher
Lösung gesteigert [75 ].
Klassifikationssysteme
Eine Refluxösophagitis soll endoskopisch klassifiziert werden. Hierfür sollte die
Los-Angeles-Klassifikation verwandt werden.
Konsens
Bei Verwendung anderer Klassifikation sollen diese im Befund genannt werden.
Konsens
Kommentar
Drei etablierte Klassifikationen orientieren sich am Ausmaß der Mukosaläsionen in
der distalen Speiseröhre [1 ]
[72 ]. Die Savary-Miller-Klassifikation unterscheidet 3 Schweregrade (I, II, III), die
Los-Angeles-Klassifikation 4 (A, B, C, D). Dabei korreliert Grad I der Savary-Miller-Klassifikation
mit Grad A und B der Los-Angeles-Klassifikation, die sich nur in der Größe der Mukosaläsion
(< 5 mm/> 5 mm) unterscheiden. Grad II nach Savary-Miller entspricht weitestgehend
Grad C der Los-Angeles-Klassifizierung (konfluierende Mukosaläsionen bis zu 75 % der
Gesamtzirkumferenz), Grad III entspricht Grad D (Mukosaläsionen mit mindestens 75 %
der Gesamtzirkumferenz der Speiseröhre). Die MUSE-Klassifikation graduiert zusätzlich
zu den Erosionen Metaplasie, Ulzerationen und Strikturen und gibt damit die detaillierteste
Beschreibung der Refluxveränderungen in der Speiseröhre [76 ].
Während die MUSE-Klassifikation sich durch die Detailliertheit am besten für den Vergleich
von Befunden bei aufeinander folgenden Endoskopien eignet, erscheint die Los-Angeles-Klassifikation
durch ihre einfache Beschreibung am praktikabelsten. Sie wird auch international häufig
eingesetzt. Zudem zeigt sie die geringste interindividuelle Variabilität bei der Beurteilung
[74 ].
Weitere Aussagekraft der Endoskopie
Während der Endoskopie sollen weitere Befunde (Stenose, Ulkus, Schatzki-Ring, Metaplasien,
etc.) sowie das Vorliegen einer Hiatushernie dokumentiert werden.
Starker Konsens
Kommentar
Zwar besteht eine Beziehung zwischen Herniengröße und dem Schweregrad einer evtl.
bestehenden Ösophagitis [77 ], dies bringt aber keinen diagnostischen Zugewinn. Die Beschreibung einer klaffenden
Kardia, des unvollständigen Schlusses des gastroösophagealen Übergangs bzw. einer
insuffizienten Umschließung des Endoskops ist subjektiv. Einzelne Autoren beschreiben
ein makroskopisches Grading des gastroösophagealen Verschlussmechanismus (Valve),
wobei die Schwere von endoskopisch sichtbaren Schleimhautläsionen (Refluxösophagitis)
mit der Insuffizienz des Verschlusses („klaffende Kardia“) korrelieren soll [78 ]. Diese Beobachtung blieb aber bisher unbestätigt.
Minimalbefunde
Erythem, Granulation, undeutlicher Übergang des Schleimhautbereichs von Plattenepithel
zum Zylinderepithel, verstärkte Gefäßzeichnung im distalen Ösophagus, Ödem oder Hervorhebung
der mukosalen Falten sind keine verlässlichen Zeichen und sollen daher nicht zur Diagnose
einer Refluxkrankheit verwendet werden.
Starker Konsens
Kommentar
Die genannten minimalen Veränderungen sind nicht spezifisch für sauren Reflux [22 ]
[79 ]
[80 ]
[81 ]. Lediglich für rote Streifen (red streaks) scheint eine Korrelation zu Refluxsymptomen
zu bestehen. Sie geben regenerative Veränderungen des Plattenepithels wieder und werden
als histologisches Korrelat zur peptischen Schädigung der Mukosa gewertet [82 ]. Weiterhin fand sich für diese Veränderungen eine schlechte interindividuelle Übereinstimmung
[22 ].
2.1.4 Aussagekraft der Histologie
Bioptische Diagnostik bei NERD
Eine histologische Untersuchung der Ösophagusschleimhaut liefert keine verlässlichen
Ergebnisse zur Diagnose der Refluxkrankheit, insbesondere nicht bei Fehlen von erosiven
Veränderungen (NERD). Die Biopsie des makroskopisch unauffälligen Ösophagus nur zur
Klärung der Frage einer Refluxerkrankung sollte daher bei Erwachsenen nicht durchgeführt
werden.
Konsens
Kommentar
In frühen Studien wurden histologische Veränderungen des nicht erodierten Epithels
bei Refluxösophagitis beschrieben wie Verlängerung der Papillen, Verdickung der Basalzellschicht,
Verbreiterung der Interzellularbrücken und entzündliche Zellinfiltration [83 ]. Diese Kriterien haben sich in weiteren Studien als nicht immer reproduzierbar erwiesen
[84 ], da keines der Kennzeichen pathognomonisch ist. Kontrollierte Serien mittels konventioneller
Zangenbiopsien und unter Verblindung des befundenden Pathologen ergaben, dass die
Histologie nicht in der Lage ist, Patienten mit gesicherter NERD von Nichtrefluxpatienten
zweifelsfrei zu unterscheiden [85 ]. Die Biopsie wird deshalb zur Diagnostik von NERD als nicht geeignet betrachtet
[1 ].
Die bioptische Diagnostik bei Barrett-Ösophagus wird an anderer Stelle abgehandelt.
Unstrittig ist die Biopsie bei Ulzera und exophytischen Läsionen, auch bei Stenosen
wird sie zum Malignomausschluss empfohlen. Bei den anderen genannten Läsionen (Erosion,
Erythem, Schatzki-Ring und ringförmig verdicktem Ösophagus) ist der Wert einer (Bestätigungs-)Biopsie
gering [86 ]. Wird dennoch eine Biopsie durchgeführt, sollte ein histologischer Befund erstellt
werden, der die typischen Veränderungen einer Refluxösophagitis mit GERD beschreibt
[87 ]. Die histologischen Kennzeichen der Refluxösophagitis sind Basalzellhyperplasie,
Papillenelongation, intraepitheliale eosinophile, neutrophile und mononukleäre Zellen,
Nekrosen, Erosionen, abgeheilte Erosionen und Verbreiterung der Interzellularspalten.
Die Klassifizierung dieser Befunde im Sinne einer „Refluxösophagitis-Klassifikation“
bleibt Studien vorbehalten.
GERD und Biopsie zur Abgrenzung einer eosinophilen Ösophagitis
Bei klinischem (Dysphagie) und/oder endoskopischen Verdacht auf eine eosinophile Ösophagitis
sollten stets mind. 4 – 6 Biopsien aus unterschiedlichen Höhen des Ösophagus entnommen
werden.
Starker Konsens
Kommentar
Die histopathologischen Kriterien zur differenzialdiagnostischen Abgrenzung einer
Refluxösophagitis von der eosinophilen Ösophagitis (eÖ) sind definiert [88 ]. Neben mehr als 15 eosinophilen Granulozyten sollten eine Entzündungsreaktion und
insbesondere eosinophile Mikroabszesse in apikalen Mukosaabschnitten vorhanden sein.
Damit unterscheidet sich die eÖ von einer Refluxösophagitis. Stufenbiopsien dienen
der differenzialdiagnostischen Abgrenzung einer (leichten) Vermehrung eosinophiler
Granulozyten, wie sie auch bei Refluxösophagitis nachgewiesen werden kann [89 ]
[90 ]. Die (sehr seltenen) Kombinationsbefunde können durch die Entnahme von Stufenbiopsien
erkannt werden. Wichtig ist bei einem Verdacht auf eine eÖ die Entnahme von Biopsien
(auch) im proximalen Ösophagus, um eine Fehlinterpretation aufgrund einer refluxbedingten
vermehrten eosinophilen Infiltration im distalen Ösophagus zu vermeiden.
Anzahl und Verteilung der eosinophilen Granulozyten scheinen mit dem Vorhandensein
einer H.p.-Gastritis invers zu korrelieren [91 ].
2.1.5 pH-Messung und pH-Metrie-MII (multikanale intraluminale Impedanzmessung)
Indikation und Differenzialindikation
Zur Diagnose einer Refluxkrankheit kann eine 24-Stunden-pH-Metrie oder kombinierte
pH-Metrie/Impedanzmessung (pH-Metrie-MII) durchgeführt werden. Bei gegebener Verfügbarkeit
sollte die pH-Metrie-MII bevorzugt werden.
Starker Konsens
Kommentar
Die Bewertung von Untersuchungsmethoden zur Diagnose einer Refluxkrankheit wird durch
das Fehlen eines Goldstandards erschwert. Die Endoskopie weist zwar eine hohe Spezifität
auf, hat aber eine niedrige Sensitivität, da nur ein kleiner Teil aller Refluxpatienten
eine Refluxösophagitis aufweist (siehe Kapitel Endoskopie).
Die 24-Stunden-pH-Metrie weist eine hohe Sensitivität und Spezifität auf [92 ]. Bei Patienten mit ERD liegt die Sensitivität bei 77 – 100 %, die Spezifität bei
85 – 100 % (70). Allerdings liegt – bei unveränderter Spezifität (85 – 100 %) – die
Sensitivität der 24-Stunden-pH-Metrie für NERD niedriger (0 – 71 %).
Die 24-Stunden-pH-Metrie-MII ermöglicht die kombinierte Erfassung von Bolusbewegungen
und Säureexposition in der Speiseröhre. Die pH-Metrie-MII kann daher sowohl den aboralen
Transport, als auch Reflux von Luft und Flüssigkeit beurteilen. Durch Kombination
mit der pH-Metrie können die Refluxereignisse in saure, schwach saure (> pH 4 und
< pH 7) und nicht saure Refluxereignisse (> pH 7) unterteilt werden.
Die Sensitivität der 24-Stunden-pH-Metrie insbesondere für NERD kann durch die Kombination
mit simultaner Impedanzmessung erhöht werden, womit sich die pH-Metrie-MII als bevorzugte
Methode abzeichnet. Der Einsatz der pH-Metrie-MII ist allerdings noch durch die Verfügbarkeit
limitiert [93 ].
Bei Refluxsymptomen und fehlendem Ansprechen auf eine empirische PPI-Therapie soll
eine 24-Stunden-pH-Metrie-MII bevorzugt eingesetzt werden (z. B. zur Diagnostik des
hypersensitiven Ösophagus bzw. funktionellen Sodbrennens).
Starker Konsens
Kommentar
Bei bis zu 35 % der Patienten mit persistierenden Refluxbeschwerden unter PPI findet
sich eine unzureichende Suppression sauren (pH< 4) gastroösophagealen Refluxes [94 ]
[95 ]. Häufiger liegt jedoch die Ursache persistierender Beschwerden in fehlender Unterdrückung
eines schwach sauren (pH zwischen 4 und 7) bzw. eines nicht sauren Volumenrefluxes
[96 ]
[97 ]. Bei Patienten mit therapierefraktären Beschwerden kann eine 24-Stunden-pH-Metrie-MII
unter PPI zur Indikationsstellung einer Dosiseskalation genutzt werden [98 ].
Mittels der pH-Metrie-MII gelingt die Abgrenzung von Patienten mit hypersensitivem
Ösophagus (formal normale Säureexposition, aber positive Symptomassoziation) oder
mit funktionellen Sodbrennen. So hatten Patienten mit hypersensitivem Ösophagus einen
höheren Anteil von schwachen saurem („weakly acidic reflux“) Reflux und an proximalen
Refluxepisoden [99 ]
[100 ]. Saurer Reflux (Anzahl der Episoden, Volumen) und verminderte Säure-Clearance waren
v. a. mit erosiven Veränderungen verbunden, während schwach-saure Refluxepisoden weniger
mit erosiven Veränderungen denn mit der Symptomentstehung bei NERD-Patienten verbunden
waren [101 ]. Bei Patienten, bei denen mittels MII-pH Metrie eine hypersensitiver Ösophagus festgestellt
werden konnte, zeigte eine placebokontrollierte Studie ein signifikantes Ansprechen
der refluxassoziierten Symptomatik auf die Gabe von Citalopram 20 mg, eines systemischen
Serotonin-Reuptake-Inhibitors (SSRI) [102 ].
In seltenen Fällen kann auch duodenogastroösophagealer Reflux Ursache für persistierende
Beschwerden unter PPI-Therapie sein, der im nachfolgenden gesondert behandelt wird.
Die Impedanzmessung kann auch zur Abschätzung der Ösophagusmotilität entweder in Kombination
mit der Ösophagusmanometrie oder mittels standardisierten Flüssigkeitsschlucken eingesetzt
werden. In einer Studie wurden 10 standardisierte Flüssigkeitsschlucke am Beginn der
pH-Metrie-MII Messung mit einer MII-Ösophagusmanometrie verglichen. Dabei zeigte sich,
dass der standardisierte Flüssigkeitsschluck eine hinreichende Aussagekraft zur Detektion
von Bolus Transportstörungen im Rahmen einer ineffektiven Ösophagusperistaltik besaß
[103 ].
Besondere Indikationen
Bei Patienten mit klinischem Verdacht auf eine Refluxkrankheit ohne das Vorliegen
typischer Symptome und/oder bei Patienten mit Verdacht auf extraösophageale Manifestationen
sollte die 24-Stunden-pH-Metrie-MII zur Abklärung einer zugrunde liegenden Refluxerkrankung
eingesetzt werden.
Starker Konsens
Kommentar
Bei Patienten mit atypischen Refluxbeschwerden oder V. a. extraösophageale Manifestationen
sollte am besten die pH-Metrie-MII eingesetzt werden, um eine Refluxgenese (saurer
oder nicht saurer Reflux) auszuschließen [104 ]. Bei Patienten mit chronischem Globusgefühl liefert die alleinige pH-Metrie keine
Vorhersage einer Refluxassoziation. Mit der MII-pH-Metrie (nicht saurer Reflux und
proximaler Reflux) und dem positiven Symptomindex kann die Vorhersage verbessert werden
[105 ]. Bei Patienten mit chronischem Husten zeigte sich eine erhöhte Rate von schwach
sauren Gasrefluxen bis in den Pharynxbereich. Ähnlich zeigen Patienten mit chronischer
Laryngitis einen erhöhten Anteil von sauren und schwach sauren Refluxepisoden in den
proximalen Ösophagus [106 ]. Die pH-Metrie-MII kann zur Diagnostik der Aerophagie eingesetzt werden [107 ].
Die 24-Stunden-pH-Metrie-MII sollte bei der primären Diagnostik von Refluxbeschwerden
vorzugsweise ohne Gabe von PPI oder anderen Säureblocker durchgeführt werden.
Starker Konsens
Kommentar
Die Aussagekraft war hierbei ohne PPI höher als unter PPI, da bei mehr Patienten ein
positiver Symptomindex (SI) und eine Symptom-Assoziationswahrscheinlichkeit (SAP)
nachgewiesen werden.
Das Ausmaß des Refluxes soll bei der Auswertung der 24-Stunden-pH-Metrie-MII quantitativ
bewertet werden.
Starker Konsens
Kommentar
Die Reproduzierbarkeit der Ergebnisse der 24-Stunden-pH-Metrie ist aufgrund physiologischer
Schwankungen von Tag zu Tag gering, wobei der prozentuale Anteil der Zeit mit pH< 4
besser reproduzierbar ist als die Zahl der Refluxepisoden. Zur Bewertung der Messergebnisse
als pathologisch oder normal ist die Reproduzierbarkeit jedoch ausreichend (60 – 100 %,
im Median bei 85 %) [108 ].
Bei nahezu jedem Menschen lassen sich durch 24-Stunden-Messung Refluxereignisse nachweisen,
die überwiegend postprandial auftreten. Zur Differenzierung zwischen physiologischem
und pathologischem Reflux ist daher eine Quantifizierung des Refluxes notwendig. Hierzu
sind die prozentuale Zeit mit pH< 4 (= Definition einer Refluxepisode), die getrennt
für die aufrechte Körperposition (~Tagesperiode) und für die liegende Körperposition
(~Nachtperiode) angegeben wird, sowie der „DeMeester Score“ geeignet [108 ]. Der DeMeester-Score wird aus folgenden Werten errechnet: Prozentualer Anteil der
Zeit mit pH < 4 („fraction time“) für die gesamte Messdauer sowie für die Messung
in aufrechter und liegender Position; Zahl der Refluxereignisse > 5 min; Dauer des
längsten Refluxereignisses; Gesamtzahl der Refluxepisoden. Der Score ist aber nicht
aussagekräftiger als der prozentuale Anteil der Zeit mit pH < 4. Sowohl für die fraction
time als auch für den DeMeester-Score liegen in der Literatur Normalwerte vor [109 ]
[110 ]
[111 ].
Die pH-Metrie-MII verbessert die Sensitivität der isolierten pH-Metrie sowohl bei
der Erkennung von Refluxepisoden, wie auch bei der Detektion von „weakly acidic“ und
„non acidic“ Refluxepisoden. Es liegen verschiedene Untersuchungen zu Normwerten vor
[112 ]
[113 ]
[114 ]. Im Rahmen von verschiedenen Consensus Meetings wurden die Kriterien für die Detektion
von sauren, schwach sauren und alkalischen Refluxereignissen definiert. Die Interobservervariabilität
bei der Impedanzmessung für die Detektion von Refluxevents war relativ schlecht, während
die automatische Analyse bessere Werte erzielte [115 ]. Daher ist eine automatische Analyse der Messdaten anzustreben [116 ]. Der Basalwert der Impedanzmessung könnte eine Aussage über das Vorliegen einer
Mukosaschädigung ermöglichen. Andererseits erschweren die niedrigen Impedanzwerte
bei Entzündung und Barrettmukosa die Detektion von flüssigen Refluxereignissen [116 ]
[117 ].
Bei der pH-Metrie-MII soll eine Korrelation zwischen Symptomen und Refluxereignissen
hergestellt werden.
Starker Konsens
Kommentar
Für die Auswertung der Daten aus der pH-Metrie und pH-Metrie-MII ist es wichtig, ob
zwischen Refluxepisoden und Symptomen eine zeitliche Beziehung besteht („Symptom-Reflux-Korrelation“),
da manche Patienten auf im physiologischen Bereich liegenden Reflux mit Beschwerden
reagieren („hypersensitiver“ oder „säuresensitiver Ösophagus“). Ein Intervall von
2 Minuten zwischen einer Refluxepisode und dem Auftreten von Beschwerden ist als optimal
zur Wertung von Symptomen als refluxbedingt anerkannt [118 ].
Zur Quantifizierung der Korrelation zwischen Refluxepisoden und Symptomen werden verschiedene
Verfahren angegeben [108 ]:
Der Symptomindex (SI) gibt den Prozentsatz refluxkorrelierter Symptome bezogen auf
die Gesamtzahl aufgetretener Symptome an. Ein hoher SI weist darauf hin, dass Symptome
mit großer Wahrscheinlichkeit refluxbedingt sind. Eine Assoziation von 100 % ist dabei
nicht zu erwarten, da bei säuresensitiven Personen Nahrungs- und Genussmittel auch
ohne Auslösung eines gastroösophagealen Refluxes brennende retrosternale Schmerzen
(„Sodbrennen") auslösen können. Ein SI ≥ 50 % zeigt mit hoher Sensitivität und guter
Spezifität die Refluxgenese von Symptomen auf [119 ]. Bei der Berechnung des SI wird die Gesamtzahl der Refluxereignisse nicht berücksichtigt.
Daher besteht bei Vorliegen vieler Refluxereignisse oder vieler symptomatischer Episoden
während eines Messintervalls die Möglichkeit eines zufälligen Zusammentreffens von
Reflux und Symptom, sodass ein „falsch positiver" SI generiert werden kann.
Die Symptom-(Reflux)-Assoziationswahrscheinlichkeit (symptom association probability,
SAP) stellt eine statistische Berechnung der Symptom-Reflux-Assoziation dar. Ist sie
größer als 95 %, so ist die Wahrscheinlichkeit eines zufälligen zeitlichen Zusammentreffens
von Refluxepisoden und Symptomen kleiner als 5 %.
Durch die verbesserte Detektion von Refluxepisoden in der kombinierten pH-Metrie-MII
wird auch eine deutlich verbesserte Symptom-Assoziation (Symptomindex) und Symptom-Assoziationswahrscheinlichkeit
(SAP) erreicht und damit die Sensitivität dieser Methode erhöht.
2.1.6 Manometrie
Aussagekraft
Zur differenzialdiagnostischen Abgrenzung retrosternaler Beschwerden und präoperativ
vor Antirefluxeingriffen kann die Ösophagusmanometrie zum Einsatz kommen.
Konsens
Kommentar
Obwohl die gastroösophageale Refluxerkrankung durch Motilitätsstörungen verursacht
wird, konnte bisher in keiner Untersuchung gezeigt werden, dass eine nachgewiesene
Dysmotilität die Diagnose/Klassifizierung der Refluxerkrankung bzw. den therapeutischen
Einsatz von Medikamenten signifikant beeinflusst [120 ]. Die Ösophagusmanometrie wurde daher nicht für die bloße Diagnosestellung einer
Refluxkrankheit empfohlen. Eine Bedeutung der Ösophagusmanometrie für die Indikationsstellung
und Verfahrenswahl einer Antirefluxoperation wurde postuliert. Sie kann wegen widersprüchlicher
Ergebnisse zum Vorhersagewert für Therapieeffizienz und Komplikationsvermeidung (postoperative
Dysphagie) aber nicht allgemein empfohlen werden [121 ]
[122 ]. Die Ösophagusmanometrie kann aber im Einzelfall zur differenzialdiagnostischen
Abklärung von Dysphagie und Brustschmerz und in diesen Fällen auch zur präoperativen
weiterführenden Diagnostik (Lokalisierung des unteren Ösophagussphinkters, Charakterisierung
der tubulären Motilität, Ausschluss relevanter Differenzialdiagnosen wie Achalasie
oder Hypomotilität bei Sklerodermie) hilfreich sein und sollte präoperativ trotz der
genannten Vorbehalte obligat eingesetzt werden [123 ]
[124 ].
Die kürzliche Einführung der High-Resolution-Manometrie ermöglicht mit multiplen zirkumferenten
Druckaufnehmern in meist Ein-Zentimeter-Abständen eine präzise topografische Abbildung
von Pharynx bis einschließlich gastroösophagealem Übergang bei stationärer Sondenlage.
Die neue Technologie hat das Verständnis der Pathophysiologie der GERD verbessert
und die Bedeutung einer räumlichen Dislokation von Zwerchfelldurchtritt und unterem
Ösophagussphinkter auf den erhöhten Reflux während transienter Relaxationen des unteren
Ösophagussphinkters (transient lower esophageal sphincter relaxations, TLESR) verdeutlicht
[123 ]. Die verbesserte Detektion von TLESR durch die High-Resolution-Manometrie führt
aktuell zu einem rapiden Wissenszuwachs um deren Bedeutung bei der Refluxkrankheit
und zu medikamentösen Einflussmöglichkeiten (durch z. B. Baclofen und dessen Nachfolgesubstanzen)
[125 ]. Zusammengenommen mit einer besseren Reproduzierbarkeit der Messergebnisse und vereinfachten
Durchführung zeichnet sich die HRM-Technik als neuer Goldstandard ab. Mittelfristig
könnte sich ein neuer Stellenwert im klinischen Umfeld entwickeln.
Die Ösophagusmanometrie gilt als Goldstandard, um die Höhe des unteren Ösophagussphinkters
zur akkuraten Platzierung einer pH-Metriesonde zu vermessen.
2.1.7 Duodenogastroösophagealer Reflux
Die Messung des duodenogastroösophagealen Reflux soll in der Abklärung von Refluxbeschwerden
nicht eingesetzt werden.
Konsens
Kommentar
Duodenogastroösophagealer Reflux (DGER) ist durch Rückfluss von Dünndarminhalt durch
den Magen bis in die Speiseröhre definiert. Dünndarminhalt enthält neben Bilirubin
toxische Bestandteile wie Gallensäuren, Phospholipide und Trypsin.
Da das Refluat aus dem Dünndarm immer mit saurem Mageninhalt vermischt wird, kann
es bei Erreichen des Ösophagus grundsätzlich alle pH-Werte erreichen und korreliert
nicht zwingend mit alkalischen pH-Werten. Der Begriff „alkalischer Reflux“ soll daher
vermieden werden. Auch besteht keine Korrelation zwischen DGER mit Volumenreflux [126 ], die begriffliche Gleichsetzung ist nicht gerechtfertigt. Schließlich ist Gallenflüssigkeit
nur ein Bestandteil des Dünndarminhaltes unter vielen, weswegen auch der Begriff „biliärer
Reflux“ ungeeignet ist [127 ].
Bilirubin und seine Konzentration können zuverlässig mit der Bilimetrie erfasst werden
[126 ]
[128 ]. Hierdurch kann aber nicht direkt auf einen Reflux schädigender Substanzen aus dem
Dünndarm geschlossen werden. Manche Untersucher fanden zwar eine Korrelation zwischen
Gallereflux (Bilitec-Messung) und Schweregrad der Refluxkrankheit [129 ]
[130 ]. Auch fand sich bei PPI-Nonrespondern ein größerer Gallereflux als bei PPI-Respondern
[131 ]. Diese Ergebnisse konnten aber in weiteren Studien nicht bestätigt werden [132 ]. Nur eine einzige unkontrollierte Studie kommt zu dem Schluss, dass Baclofen die
Refluxbeschwerden von PPI-Versagern mildern und deren Gallereflux senken kann [133 ]. Daher sind aufgrund der bislang fehlenden therapeutischen Konsequenzen weder die
pH-Metrie noch die Bilimetrie bei V. a. DGER indiziert [134 ]
[135 ]
[136 ]
[137 ]
[138 ].
Röntgen
Röntgenuntersuchungen, insbesondere der radiologische Nachweis eines Refluxes, sollten
für die Diagnostik der GERD nicht durchgeführt werden.
Starker Konsens
Kommentar
Gastroösophagealer Reflux kann bei einer Single- und Doppelkontrastuntersuchung der
Speiseröhre bzw. von Speiseröhre und Magen nachgewiesen werden [139 ]
[140 ]. Aufgrund von spontanem Reflux während der Untersuchung liegt die Sensitivität der
radiologischen Verfahren aber nur bei etwa 35 % im Vergleich zur pH-Metrie [141 ]. Diese Sensitivität kann durch zusätzliche Provokation wie Husten, Valsalva-Manöver,
Lagerung (z. B. Schrägrechtsdrehung in Rückenlage) sowie den sog. Wet-Siphon-Test
auf bis zu 70 – 80 % gesteigert werden [142 ]
[143 ]
[144 ]
[145 ]. Die Zunahme der Sensitivität durch die Provokationsmanöver wird jedoch erkauft
durch eine Abnahme der Spezifität, die maximal noch 74 % erreicht.
Mittels Doppelkontrasttechnik ist radiologisch auch die Diagnose einer Refluxösophagitis
möglich [146 ]
[147 ]. Dabei ist die Sensitivität für die Refluxösophagitis Grad I unzureichend, für die
höheren Grade zufriedenstellend, aber dennoch der Endoskopie weit unterlegen. Zu bedenken
ist, dass auch endoskopisch bei weniger als 50 % aller Refluxpatienten eine Refluxösophagitis
zu finden ist.
Eine radiologische Untersuchung lediglich mit dem Ziel der Diagnose eines gastroösophagealen
Refluxes sollte aufgrund der Strahlenbelastung und der unzureichenden Sensitivität
und Spezifität nicht durchgeführt werden.
Für die chirurgische prä- und postoperative morphologische Beurteilung bei Antirefluxchirurgie
können radiologische Untersuchungen sinnvoll sein.
Nuklearmedizin
Reflux kann szintigrafisch nachgewiesen werden, dies ist jedoch der pH-Metrie-MII
unterlegen und sollte daher in der Diagnostik der GERD nicht durchgeführt werden.
Starker Konsens
Kommentar
Eine Ösophagusszintigrafie mit den nicht resorbierbaren Radiopharmaka 99mTc-Zinnkolloid,
99mTc-Schwefelkolloid oder 99mTc-Diäthylen-Triamin-Pentaessigsäure (DTPA) ist zur
Diagnose von Ösophagusmotilitätsstörungen etabliert [148 ], kann aber auch zur Diagnose von (postprandialem) Reflux verwendet werden [149 ]
[150 ]
[151 ]
[152 ]
[153 ]. Im Vergleich zu den Ergebnissen der 24-Stunden-pH-Metrie werden für die Ösophagusszintigrafie
Sensitivitäten von 48 – 90 % und Spezifitäten von 76 – 100 % berichtet [154 ]
[155 ]
[156 ]
[157 ]. Der Vorteil der Ösophagusszintigrafie liegt in der fehlenden Invasivität, wodurch
die Methode bevorzugt in der Pädiatrie Verwendung gefunden hat. Gegenüber der radiologischen
Refluxdiagnostik zeichnet sich die Ösophagusszintigrafie durch deutlich geringere
Strahlenbelastung, Quantifizierbarkeit des Refluxes sowie durch bessere Sensitivität
und Spezifität aus [154 ]
[158 ]. Durch Spätaufnahmen kann szintigrafisch zudem nach pulmonaler Aspiration gefahndet
werden [148 ].
2.2 Medikamentöse Therapie
Definitionen
Akuttherapie: jede Behandlung bei Erstdiagnose/Erstvorstellung bzw. bei Exazerbation
einer bekannten GERD
Langzeittherapie: jede Behandlung nach Abschluss der Akuttherapie
Kontinuierliche Langzeittherapie: regelmäßige Einnahme eines Medikaments (z. B. auch
Einnahme jeden 2. Tag)
Intermittierende Therapie: Wiederholung einer Akuttherapie (s. d.) bei Bedarf
Bedarfstherapie („on demand“): Einnahme eines Medikamentes nur bei Auftreten von Symptomen
oder bei/vor Situationen, die typischer Weise Symptome hervorrufen, mit Begrenzung
der Höchstmenge des Medikamentes pro Tag (z. B. max. 1× pro Tag)
2.2.1 Therapieziele
Bei der Akut- und Langzeittherapie der GERD soll unabhängig vom Ösophagusbefund eine
zufriedenstellende Symptomkontrolle erreicht werden.
Starker Konsens
Kommentar
Refluxsymptome, die als belästigend empfunden werden, sind bei der weit überwiegenden
Mehrzahl der Patienten Anlass für die ärztliche Konsultation. Dementsprechend ist
eine zufriedenstellende Kontrolle der Symptome unabhängig von der Manifestation ein
wichtiges Therapieziel bei Patienten mit GERD [159 ]
[160 ]. Unzureichendes symptomatisches Ansprechen ist mit einer reduzierten Lebensqualität
in physischer und psychischer Hinsicht assoziiert [161 ]. Eine vollständige Symptomfreiheit wird oftmals, insbesondere in der klinischen
Praxis außerhalb von Studien, nicht erreicht [162 ]. Es gibt nur wenige Daten zur Frage, wann aus Patientensicht bei Restsymptomen eine
zufriedenstellende Symptomkontrolle vorliegt. In einer post hoc Analyse von Therapiestudien
waren Patienten mit NERD dann zufrieden, wenn leichte Refluxbeschwerden nicht häufiger
als einmal pro Woche auftraten [163 ]. Es muss in dieser Frage berücksichtigt werden, dass Patienten in psychischer und
physischer Hinsicht durchaus unterschiedlich auf eine Refluxkrankheit reagieren bzw.
durch eine solche beeinträchtigt werden und hierdurch bedingt durchaus unterschiedliche
Anforderungen an das Management bzw. die Therapieziele haben können [164 ].
Bei endoskopisch nachgewiesener Refluxösophagitis (Schweregrad Los Angeles A–D) sollte
eine Abheilung der Läsionen angestrebt werden.
Konsens
Kommentar
Die Abheilung von endoskopisch sichtbaren Refluxläsionen (Erosionen, Ulzerationen,
„mucosal breaks“ in der Los-Angeles-Klassifikation) ist im Regelfall primäres Ziel
von Therapiestudien. Diese haben gezeigt, dass im Falle einer volldosierten PPI-Therapie
über 4 Wochen (Los Angeles A und B) bzw. über 8 Wochen (Los Angeles C und D) Symptomfreiheit
ein guter Prädiktor für eine Heilung der ösophagealen Läsionen ist [165 ]
[166 ]
[167 ]. Eine belastbare wissenschaftliche Rationale für die Forderung einer kompletten
Abheilung einer Refluxösophagitis und den Erhalt einer endoskopischen Remission (= geheilte
Refluxösophagitis) gibt es allerdings nicht. Es ist theoretisch denkbar, dass Patienten
mit nicht geheilter Ösophagitis früher rezidivieren. In placebokontrollierten Studien
zur Langzeittherapie der Refluxösophagitis wurden Patienten mit nicht geheilter Ösophagitis
am Ende der Akuttherapie ausgeschlossen, sodass sich diese Frage auf der Basis kontrollierter
Studien nicht beantworten lässt. Es ist auch denkbar, dass ein weiterbestehender (chronischer)
Entzündungsprozess per se das Risiko für eine Karzinomentwicklung erhöht. In einer
dänischen, populationsbasierten Kohortenstudie war das Karzinomrisiko für Patienten
mit erosiver Ösophagitis größer als das für NERD-Patienten und für die nicht refluxkranke
Allgemeinbevölkerung [168 ]. Das Karzinomrisiko ist absolut betrachtet allerdings sehr klein. In der dänischen
Kohortenstudie entwickelten 37 von 26 194 Patienten mit Refluxösophagitis innerhalb
eines mittleren Follow-up von 7,4 Jahren ein Karzinom entsprechend einem absoluten
10-Jahres-Risiko von 0,24 %. Einen karzinompräventiven Effekt wird man somit durch
eine kontrollierte Studie bei realistischer Betrachtung nie zeigen können.
Komplikationen der GERD (z. B. Blutung, Stenose, Karzinom) sollten verhindert werden.
Starker Konsens
Kommentar
Der Erhalt einer endoskopischen Remission wäre nur dann zu fordern, wenn ein Rezidiv
einer Refluxösophagitis mit einer ungünstigen Prognose für den Patienten assoziiert
wäre. Durch eine symptomadaptierte Therapie lässt sich ein Ösophagitisrezidiv nicht
zuverlässig verhindern wie eine randomisierte Studie zum Vergleich einer Bedarfstherapie
mit einer kontinuierlichen PPI-Therapie bei Patienten mit Refluxösophagitis unterschiedlicher
Schweregrade gezeigt hat [169 ]. Das Rezidivrisiko stieg in dieser Studie mit zunehmendem Schweregrad der Ösophagitis.
Daten zum natürlichen (unbehandelten) Verlauf der GERD sind nur spärlich in der Literatur
vorhanden und werden angesichts der zur Verfügung stehenden effektiven Therapie auch
zukünftig nicht zu erwarten sein. Nach der Erstdiagnose einer GERD in hausärztlicher
Praxis ist das Risiko für die Feststellung eines ösophagealen Adenokarzinoms und einer
Ösophagusstriktur im weiteren Verlauf erhöht [170 ]. Bei der weit überwiegenden Mehrzahl der Patienten mit Refluxösophagitis kommt es
langfristig allerdings nicht zu einer Progression der Erkrankung, d. h. es ist nur
selten eine Zunahme des Schweregrades zu verzeichnen, wie ein systematisches Review
der verfügbaren Literatur gezeigt hat [171 ]. Dies schließt eine Progression in einzelnen Fällen natürlich nicht aus. In der
ProGERD-Studie (Progression der GERD unter Alltagsbedingungen) zeigten nur wenige
Patienten bei einer Verlaufsbeobachtung über 5 Jahre in hausärztlicher Betreuung eine
Zunahme des initialen Schweregrades der Refluxösophagitis [172 ]. In einer schwedischen Populationsstudie mit Endoskopie und endoskopischem Follow-up
zeigten 12 von 90 Patienten mit erosiver Ösophagitis eine Progression zu höheren Schweregraden
und 8 die Entwicklung eines Barrett-Ösophagus. Das Progressionsrisiko war bei Patienten
mit NERD deutlich geringer [173 ]. In einer großen unizentrischen Kohortenstudie wurden mehr als 2000 Patienten mit
GERD symptomadaptiert behandelt und im Mittel 7,6 Jahre nachbeobachtet. Bei Patienten
mit Refluxösophagitis war im Verlauf bei 11 % eine Verschlechterung des Ösophagusbefundes
zu verzeichnen und 1,9 % entwickelten eine Striktur [174 ]. Akute Blutungen aus einer Refluxösophagitis werden überwiegend bei alten und bettlägerigen
Patienten beobachtet, ansonsten sind sie eine Rarität. Im Regelfall stellen sie die
Erstdiagnose dar. Das Barrett-Karzinom wird in über 90 % bei der Erstendoskopie festgestellt
wie eine dänische Populationsstudie gezeigt hat [175 ]. Es ist gegenwärtig unklar, ob das Risiko für eine Karzinomentwicklung auf dem Boden
eines Barrett-Ösophagus durch eine medikamentöse oder operative Therapie gesenkt werden
kann.
Basierend auf den vorhandenen Daten kann eine remissionserhaltende Therapie der Ösophagitis
für alle Patienten nicht gefordert werden, vielmehr gilt es die Patienten zu identifizieren
und zu behandeln, die ein hohes Risiko für Komplikationen im Verlauf haben (z. B.
schwere Ösophagitis, stattgehabte Komplikation, alte Patienten mit fehlender oder
atypischer Symptomatik).
Bei der Evaluation der Therapieziele müssen auch ökonomische Rahmenbedingungen Berücksichtigung
finden. Die GERD ist aufgrund ihrer hohen Prävalenz in der Bevölkerung und ihres häufig
chronischen Verlaufes von erheblicher sozialmedizinischer Relevanz. Der wesentliche
Kostenfaktor ist dabei in Deutschland die medikamentöse Therapie mit 64 % der Gesamtkosten
[176 ].
2.2.2 Nicht medikamentöse Therapie
Möglichkeiten und Grenzen von Allgemeinmaßnahmen sollten Bestandteil des therapeutischen
Gesprächs sein.
Bei übergewichtigen GERD-Patienten sollte eine Gewichtsreduktion mit dem Ziel der
Gewichtsnormalisierung empfohlen werden.
Konsens
Individuell unverträgliche Nahrungsmittel und Getränke sollten gemieden werden.
Starker Konsens
Hochstellen des Kopfendes des Bettes und Verzicht auf Spätmahlzeiten können Patienten
mit nächtlichen Refluxbeschwerden empfohlen werden.
Konsens
Kommentar
Übergewicht begünstigt die Entstehung einer GERD und ihrer Komplikationen, wobei vermutlich
mechanische Faktoren wie die Erhöhung des intraabdominalen Druckes mit konsekutiver
Zunahme des gastroösophagealen Druckgradienten und direkte Einflüsse auf den unteren
Ösophagussphinkter durch Mediatoren (z. B. Adiponectin) eine Rolle spielen [177 ]
[178 ]
[179 ]
[180 ]. Dies bedeutet natürlich nicht zwangsläufig, dass eine Gewichtsabnahme obligat zu
einer Verbesserung der GERD führt. Randomisierte und kontrollierte Studien liegen
zur Gewichtsabnahme als alleiniger Therapiemodalität nicht vor und dürften auch kaum
durchführbar sein. In einer systematischen Analyse der verfügbaren Literatur kristallisierte
sich heraus, dass die Gewichtsabnahme sowohl Symptome zu verbessern mag als auch pH-metrische
Daten günstig beeinflusst [181 ]. Die beste verfügbare Evidenz stammt aus der skandinavischen prospektiven und populationsbasierten
HUNT-Studie [182 ]. Gewichtsabnahme war mit einer Besserung von Refluxsymptomen assoziiert. Es bestand
auch eine Korrelation zum Ausmaß der BMI-Reduktion. Ebenso wurde durch eine Gewichtsreduktion
die Wirksamkeit einer Antirefluxmedikation verbessert.
Die Erhöhung des Kopfendes des Bettes kann für Patienten mit nächtlichen Refluxsymptomen
auf der Basis von 3 randomisierten, kontrollierten Studien empfohlen werden. Auch
für den Verzicht von Spätmahlzeiten gibt es unterstützende Evidenz aus 2 Fallkontrollstudien
[183 ]. Dagegen ist die Wirkung bzw. Wirksamkeit anderer Maßnahmen (Rauchstopp, Reduktion
des Alkoholkonsums, Verzicht auf Schokolade, Kaffee, scharfe Speisen, Zitrusfrüchte,
fette Speisen, kohlensäurehaltige Getränke) nicht belegt [181 ]
[183 ]
[184 ]. Die Empfehlung zur Meidung individuell unverträglicher Speisen und Getränke ist
dennoch sinnvoll, ebenso sollten Rauchstopp und Reduktion bzw. Verzicht auf Alkoholkonsum
im Sinne einer allgemeinen Gesundheitsberatung angesprochen werden.
In einer randomisierten Studie mit 10 gesunden Kontrollen und 10 Patienten mit Refluxösophagitis
konnte gezeigt werden, dass Schlafentzug (≤ 3 Stunden Nachtschlaf) die Sensitivität
der Ösophagusschleimhaut für Säure deutlich erhöht [185 ] ([Tab. 4 ]).
Tab. 4
Wirksamkeit von Allgemeinmaßnahmen bei GERD (nach [183 ]).
Maßnahme
Effekt auf GERD Parameter
belegt durch
Empfehlung
Gewichtsabnahme
Verbesserung von Symptomen und ösophagealem pH
Fall-Kontroll-Studie
für Patienten mit Übergewicht bzw. Gewichtszunahme in der letzten Zeit
Erhöhung des Kopfendes des Bettes
Verbesserung von Symptomen und ösophagealem pH
RCT
für Patienten mit nächtlichen Refluxbeschwerden
Vermeidung von Spätmahlzeiten
verbesserte nächtliche Azidität
Fallkontrollstudie
für Patienten mit nächtlichen Refluxbeschwerden
Rauchstopp
Alkoholreduktion
kein Effekt auf Symptome und ösophagealen pH
Fallkontrollstudie
keine Therapie für GERD Symptome, allgemein gute Empfehlung
Verzicht auf Schokolade, Koffein, scharfe Speisen, Zitrusfrüchte, kohlensäurehaltige
Getränke
keine spezifischen Studien durchgeführt
keine Evidenz
keine generelle Empfehlung; Rat zum Verzicht bei individueller Unverträglichkeit
2.2.3 Der nicht endoskopierte Patient mit typischem Refluxsyndrom
Bei typischem Refluxsyndrom und unbekanntem Endoskopie-Befund soll die empirische
Behandlung mit einem PPI in Standarddosis[2 ] über 4 Wochen erfolgen.
Starker Konsens
Kommentar
Patienten mit behandlungsbedürftigem typischen Refluxsyndrom ohne Alarmzeichen oder
Risikofaktoren (z. B. Gewichtsabnahme, Dysphagie, Blutungshinweise, Familienanamnese
für Malignome des oberen Verdauungstraktes, langjährige schwere, insbesondere auch
nächtliche Symptome) können ohne Endoskopie empirisch mit einem PPI in Standarddosis
behandelt werden [183 ]
[186 ]. Da zwischen Häufigkeit und Schweregrad der Symptome und dem endoskopischem Befund
keine diskriminierende Korrelation besteht [187 ]
[188 ], kann in einer solchen Situation nicht zuverlässig auf das Vorhandensein bzw. den
Schweregrad von Läsionen oder auch schon vorhandenen Komplikationen (z. B. Barrett-Ösophagus)
in der Speiseröhre geschlossen werden. Eine volldosierte PPI-Therapie über 4 Wochen
ist sowohl für Patienten mit NERD als auch für die weit überwiegende Mehrzahl der
Patienten mit erosiver Ösophagitis eine adäquate Therapie zur Symptomkontrolle und
Heilung etwaiger Läsionen. Darüber hinaus entspricht eine möglichst effektive Therapie
mit rasch einsetzendem Wirkungseintritt dem Patientenwunsch. In einer randomisierten
Studie wurden 612 Patienten mit GERD Symptomen entweder empirisch mit 40 mg Esomeprazol
über 4 Wochen behandelt oder endoskopiert mit nachfolgend 40 mg Esomeprazol für Ösophagitispatienten
und 20 mg Esomeprazol für NERD-Patienten. Nach 4 Wochen war der Behandlungserfolg
vergleichbar: 86,4 vs. 87,5 % [189 ]. In einer multizentrischen, offenen Studie wurden 2156 Patienten mit Sodbrennen
an mindestens 3 von 7 Tagen der vorangegangenen Woche mit 40 mg Esomeprazol behandelt.
Nach 4 Wochen waren 88 % der Patienten symptomfrei [190 ]. In einer großen, randomisierten und doppelblinden Studie wurden 593 ambulante Patienten
mit Sodbrennen über 20 Wochen behandelt. Verglichen wurden 30 mg Lansoprazol, 2x150 mg
Ranitidin mit einem Step-down-Regime bestehend aus 30 mg Lansoprazol für 8 Wochen
und anschließend 2 × 150 mg Ranitidin und einem Step-up-Regime bestehend aus 2 × 150 mg
Ranitidin für 8 Wochen gefolgt von 30 mg Lansoprazol. Die durchgehende Lansoprazolbehandlung
war den anderen drei Behandlungsformen hinsichtlich Schwere des Sodbrennens und Anzahl
von Tagen ohne Sodbrennen überlegen [181 ]. In einem Cochrane-Review wurden 15 randomisierte Studien zur empirischen Therapie
von Refluxsymptomen identifiziert. In placebokontrollierten Studien und im direkten
Vergleich waren PPI wirksamer als H2 -Rezeptorantagonisten und Prokinetika [192 ].
Eine Reihe von Fragen im Zusammenhang mit der symptombasierten Behandlung ist nicht
ausreichend geklärt. Dies betrifft beispielsweise die notwendige Dauer der Akuttherapie.
Bei einer rein symptombasierten Behandlung würde man die Therapie mit Eintritt der
Symptomfreiheit beenden. Die Empfehlung einer vierwöchigen Therapie entspricht der
aktuellen Studienlage. Darüber hinaus wird damit eine effektive Behandlung einer etwaig
vorhandenen Ösophagitis bewirkt.
Bei typischem Refluxsyndrom mit unbekanntem Endoskopiebefund kann nach erfolgreicher
Akuttherapie die Behandlung mit einem PPI in halber Standarddosis[3 ] nach Bedarf (on demand) erfolgen.
Konsens
Kommentar
Wird ein Patient mit typischem Refluxsyndrom unter einer vierwöchigen PPI-Therapie
beschwerdefrei, gibt es mehrere Optionen: Beendigung der Therapie und Abwarten des
Spontanverlaufs, Fortführen der Therapie unverändert oder mit Step-down auf eine niedrigere
PPI-Dosis oder einen H2 -Rezeptorantagonisten (H2 -RA) oder eine Bedarfstherapie mit einem PPI, die die Extremvarianten „keine Therapie
bei anhaltender Symptomfreiheit“ und „kontinuierliche Dauertherapie“ einschließt.
In der großen Studie von Howden et al. hat sich gezeigt, dass eine kontinuierliche
PPI-Therapie wirksam und einem Step-down auf einen H2 -Rezeptorantagonisten überlegen ist [191 ]. In der Studie von Hansen et al. [190 ] wurden die initial erfolgreich behandelten Patienten für die nächsten 6 Monate in
3 Gruppen randomisiert: Esomeprazol 20 mg kontinuierlich, Esomeprazol 20 mg nach Bedarf
und Ranitidin 2 × 150 mg kontinuierlich. Am Ende der 6 Monate waren 82,2, 75,4 und
33,5 % der Patienten komplett bzw. sehr zufrieden mit ihrer Behandlung. Der niedrige
Prozentsatz in der Ranitidingruppe spiegelt die Ineffektivität der H2 -RA in der Langzeitbehandlung wider, was durch eine Tachyphylaxie bedingt ist. Aufgrund
der Größe der Studie war auch der Unterschied zwischen Esomeprazol kontinuierlich
und nach Bedarf signifikant, klinisch aber eher von untergeordneter Relevanz. Die
bedarfsadaptierte Therapie schnitt in der ökonomischen Analyse am besten ab [193 ].
Kristallisiert sich in der Erhaltungsphase ein hoher PPI-Bedarf heraus (z. B. jeden
Tag 1 Tablette), empfiehlt sich eine Endoskopie. Begründung hierfür ist die Beobachtung
in placebokontrollierten Langzeitstudien, dass Patienten mit schwerer Ösophagitis
(Los Angeles C, D) durch rasche Rezidive nach Absetzen einer PPI-Akuttherapie gekennzeichnet
sind [194 ]
[195 ]. Darüber hinaus steigt mit dem Schweregrad der Ösophagitis auch die Wahrscheinlichkeit
eines (zusätzlichen) Barrett-Ösophagus [196 ] ([Abb. 1 ]).
Abb. 1 Managementalgorithmus zur Abklärung und Therapie typischer Refluxbeschwerden (nach
[186 ]).
2.2.4 Der endoskopierte Patient mit typischem Refluxsyndrom und endoskopischem Normalbefund
(NERD)
Patienten mit einer NERD sollten mit einem PPI in halber Standarddosis behandelt werden.
Konsens
Bei unzureichendem Ansprechen einer NERD auf eine 4-wöchige PPI-Therapie (2.4.1.)
können die Therapiedauer verlängert, die Dosis des PPI erhöht (bis max. 2 × 1 Standarddosis)
und/oder der PPI gewechselt werden.
Starker Konsens
Andere Medikamente (z. B. Antazida, H2 -Rezeptorantagonisten) können im Einzelfall bei Patienten mit NERD eingesetzt werden,
sind den PPI hinsichtlich der Wirksamkeit aber unterlegen.
Starker Konsens
Kommentar
Patienten mit NERD stellen pathophysiologisch eine heterogene Gruppe dar: Nur etwa
die Hälfte der Patienten zeigt einen pH-metrisch fassbaren pathologischen Säurereflux,
bei den anderen Patienten fällt die pH-Metrie normal aus. In der letztgenannten Patientengruppe
haben etwa ein Drittel einen hypersensitiven Ösophagus, das heißt sie nehmen physiologische
Refluxepisoden wahr, und zwei Drittel leiden an sogenanntem funktionellem Sodbrennen,
das heißt die Beschwerden sind unabhängig von Refluxereignissen [197 ]. Dies erklärt, dass Patienten mit NERD hinsichtlich der Symptome schlechter auf
eine PPI-Therapie ansprechen als Patienten mit Refluxösophagitis. In einem systematischen
Review betrug der therapeutische Gewinn gegenüber Plazebo nach 4 Wochen Therapie mit
einem PPI bei NERD-Patienten 27,2 % und bei Ösophagitispatienten 48,0 % (p < 0,0001)
[198 ]. Fasst man die Definition einer NERD enger, d. h. betrachtet nur Patienten mit negativer
Endoskopie und positivem Testergebnis der pH-Metrie, dann ist auf der Basis einer
aktuellen Metaanalyse der symptomatische Effekt bei Patienten mit NERD und Ösophagitis
vergleichbar [199 ].
In der medikamentösen Akuttherapie der NERD sind PPI anderen Therapieprinzipien (H2 -Rezeptorantagonisten, Prokinetika) hinsichtlich des primären Therapieziels Symptombefreiung
überlegen [192 ]. Bis zu einem gewissen Grad spielt das Ausmaß der Säurehemmung eine Rolle für die
Symptombefreiung. So ist beispielsweise Omeprazol 20 mg wirksamer als 10 mg und auch
als 150 mg Ranitidin [197 ]. Eine Steigerung über 20 mg Omeprazol-Äquivalent hinaus erscheint dagegen nicht
generell sinnvoll, wie drei große, randomisierte und doppelblinde Studien mit 20 mg
Omeprazol, 20 mg Esomeprazol und 40 mg Esomeprazol gezeigt haben [200 ]. Ausgenommen von dieser Feststellung sind möglicherweise Patienten mit hypersensitivem
Ösophagus, die in einer randomisierten, kontrollierten Studie von einer hochdosierten
Omeprazol-Therapie profitierten [201 ].
Die Initialtherapie wird für zumeist für 2 – 4 Wochen empfohlen [197 ]. Es ist aber unklar, ob Patienten, die z. B. nach 3 Tagen beschwerdefrei sind, tatsächlich
von einer länger andauernden Therapie profitieren. Da es theoretisch denkbar ist,
dass die pathophysiologischen Mechanismen auf Mukosaebene, die in die Symptomgenerierung
involviert sind (z. B. Inflammation, Zunahme von Nervengeflechten und Rezeptoren,
Dilatation der Interzellularspalten), länger zur Restitution benötigen als die Symptombefreiung
selbst, erscheint eine von der Studienlage abweichende Empfehlung nicht angebracht
[202 ]. Experimentell kann man auch zeigen, dass repetitive Säureinfusionen in der Speiseröhre
zu anhaltender Hypersensitivität führen [203 ].
Bei unzureichender Symptomkontrolle nach 4 Wochen kann die Therapiedauer verlängert
werden [204 ]. Weitere Optionen sind die Erhöhung der PPI-Dosis auf 2 × 1 Standarddosis oder die
Umstellung auf einen anderen PPI [205 ]. Hierdurch wird dem individuell unterschiedlichen Ansprechen auf verschiedene PPI
Rechnung getragen [206 ].
Daten zur Effektivität von Antazida bei Patienten mit NERD fehlen. Sie wurden und
werden oftmals zur zusätzlichen symptomatischen Behandlung sowohl in den Verum- als
auch in den placeboarmen kontrollierter Studien eingesetzt. Auch der Plazeboeffekt
ist nicht zu unterschätzen: In einer Metaanalyse lag er bei NERD-Patienten bei 18,31 %
[207 ]. Antazida sind aber, insbesondere wenn sie in größeren Mengen eingenommen werden,
nicht nebenwirkungsfrei. Gegen eine gelegentliche Einnahme bei sporadischen Beschwerden
bestehen keine Einwände [160 ]
[183 ].
Die Auswahl der Langzeitstrategie bei Patienten mit NERD sollte sich nach dem Verlauf
der Symptomatik richten.
Starker Konsens
NERD-Patienten, die initial auf eine PPI-Therapie angesprochen haben, sollten mit
einer Bedarfstherapie eines PPI behandelt werden.
Starker Konsens
Bei schubweisem Verlauf der Symptomatik mit längeren beschwerdefreien Intervallen
kann eine intermittierende Therapie (Wiederholung der initial erfolgreichen Therapie)
erfolgen.
Starker Konsens
Eine Bedarfstherapie kann im Einzelfall bei klinischem Erfolg auch mit niederpotenten
Medikamenten (Antazida, H2 -Rezeptoranatagonisten) erfolgen.
Starker Konsens
Kommentar
Patienten mit NERD haben nur ein geringes Risiko, im Laufe der Zeit gravierende Komplikationen
zu entwickeln. Aus diesem Grund steht die langfristige zufriedenstellende Kontrolle
der Symptome mit Normalisierung der Lebensqualität und Erhalt der Arbeitsfähigkeit
im Vordergrund. Theoretisch könnte man hierzu alle Patienten, die auf PPI ansprechen,
mit einer kontinuierlichen PPI-Dauertherapie behandeln. Dies würde für viele Patienten
aber eine Übertherapie bedeuten, da ein signifikanter Anteil der Patienten kein oder
nur selten ein Rezidiv der NERD erleidet [208 ]
[209 ]. Als ökonomische Alternative zur kontinuierlichen Dauertherapie kommen intermittierende
Therapiekurse oder eine rein bedarfsadaptierte Strategie, bei der der Patient im Falle
von Symptomen oder Situationen, die typischer Weise Symptome auslösen, ein Medikament
nimmt und die Therapie bei anhaltender Beschwerdefreiheit auch sofort wieder beendet
([Abb. 2 ]).
Abb. 2 Strategien zur Langzeittherapie der Refluxkrankheit (nach [210 ]).
Die Bedarfstherapie wurde in einer Reihe sorgfältig kontrollierter Studien untersucht
und in der klinischen Routine etabliert [197 ]
[211 ]
[212 ]. Behandelt wurden jeweils Patienten, die unter einer Akuttherapie über 4 – 8 Wochen
beschwerdefrei geworden waren. Primäres Ziel war die Therapiezufriedenheit mit dem
Wunsch, diese Therapie fortzusetzen. In 5 placebokontrollierten Studien gelang dies
in 83 – 94 % der Patienten mit 20 mg Omeprazol oder der halben Standarddosis eines
anderen PPI. In den Plazeboarmen waren 48 – 72 % der Patienten mit der Therapie zufrieden
(Antazida erlaubt). Hieraus errechnet sich eine NNT (number needed to treat) von 3 – 7.
Eine kontrollierte Studie zur intermittierenden Therapie mit gesicherter NERD existiert
bisher nicht. Bei Patienten mit symptomatischem Reflux (ohne endoskopische Abklärung)
ist auch diese Strategie wirksam [213 ]. Die Bedarfstherapie ist kosteneffektiv sowohl im Vergleich zu einer intermittierenden
als auch zu einer kontinuierlichen PPI-Therapie [214 ].
In Studien wird oftmals der Therapieerfolg nur im Hinblick auf das Leitsymptom „Sodbrennen“
evaluiert. Daten der letzten Jahre haben aber gezeigt, dass eine Regurgitation schwieriger
zu behandeln ist. In einem systematischen Review bestätigte sich die unzureichende
Berücksichtigung dieses Symptoms in der Mehrzahl der Studien. In sieben placebokontrollierten
Studien hatten PPI zwar einen signifikanten Effekt (17 % über Plazebo), die Wirkung
war aber um mehr als 20 % schlechter als diejenige auf Sodbrennen. H2 -RA und Prokinetika zeigten in Vergleichsstudien mit PPI einen Effekt im Plazeboniveau
[215 ]. In einer großen, randomisierten und kontrollierten Studie mit 1460 NERD-Patienten,
die über 4 Wochen mit einem PPI oder einem P-CAP (potassium competitive acid blocker)
behandelt wurden, klagten 53 % der Patienten über eine schwere Regurgitation. Die
Symptomatik sprach deutlich schlechter auf die Säureblockade an als das Sodbrennen
[216 ]. In einer Observationsstudie, die 134 Zentren in 6 europäischen Ländern einschloss,
litten 12 – 13 % der Refluxpatienten mit gut kontrolliertem Sodbrennen weiterhin an
häufiger Regurgitation [217 ].
Eine operative Therapie soll bei Patienten mit NERD ohne zweifelsfrei nachgewiesene
Refluxgenese der Symptomatik nicht durchgeführt werden.
Starker Konsens
Kommentar
Die Pathophysiologie der NERD – Refluxbeschwerden ohne endoskopisch nachweisbare Läsionen
– ist komplex. Viele dieser Patienten haben Beschwerden, die nicht in Zusammenhang
mit Refluxereignissen stehen (sog. funktionelles Sodbrennen). Dementsprechend kann
eine Operation, die auf eine mechanische Beseitigung des pathologischen gastroösophagealen
Refluxes abzielt, auch nur dann empfohlen werden, wenn die Refluxgenese der Symptome
zweifelsfrei belegt wurde. Randomisierte und kontrollierte Studien zum Stellenwert
der Antirefluxchirurgie im langfristigen Behandlungskonzept der NERD liegen nicht
vor.
Therapieversagen sollte bei Patienten mit NERD dann festgestellt werden, wenn bei
gesicherter Refluxgenese eine achtwöchige, von Arzt und Patient korrekt durchgeführte
Therapie mit einem PPI nicht zu einer zufriedenstellenden Symptomkontrolle geführt
hat.
Starker Konsens
Kommentar
Eine allgemein gültige Definition für ein Therapieversagen existiert nicht. Im Allgemeinen
liegt ein Therapieversagen dann vor, wenn eine adäquat durchgeführte Therapie mit
einem PPI in einfacher Standarddosis über 8 Wochen nicht zur adäquaten Symptomkontrolle
führt [218 ]
[219 ]. Davon abzugrenzen sind sog. PPI-refraktäre Refluxsymptome. Hierunter versteht man
ein unzureichendes Ansprechen (< 50 %) des Leitsymptoms nach zumindest 12-wöchiger
Therapie mit der doppelten Dosis eines PPI [220 ]. Gelegentlich wird zusätzlich auch noch der Begriff des „partiellen Ansprechens
auf PPI“ benutzt. Hierunter versteht man eine Symptombesserung, ohne dass in Studien
das Therapieziel maximal 1 Tag mit milder Symptomatik in der letzten Therapiewoche
erreicht wurde [221 ].
Bei Therapieversagen sollte eine differenzierte Diagnostik unter Einschluss einer
Endoskopie mit Biopsie (Duodenum, Magen, Ösophagus) und funktioneller Diagnostik (pH-Metrie-Impedanzmessung)
unter laufender PPI-Therapie erfolgen.
Konsens
Die Behandlung der Therapieversager soll individualisiert unter Berücksichtigung der
Untersuchungsbefunde erfolgen.
Starker Konsens
Trizyklische Antidepressiva (TAD) und Serotoninwiederaufnahmehemmer (SSRI) können
bei vermutetem bzw. nachgewiesenem hypersensitivem Ösophagus oder funktionellem Sodbrennen
allein oder in Kombination mit einem PPI verordnet werden.
Starker Konsens
Eine Operation soll bei Patienten mit NERD und Therapieversagen nur dann erfolgen,
wenn zweifelsfrei die Refluxgenese der persistierenden Symptome durch vollständige
Funktionsdiagnostik belegt wurde.
Starker Konsens
Kommentar
Unzureichendes Ansprechen auf eine PPI-Therapie (in einfacher Standarddosis) ist ein
häufiges Phänomen. In einem systematischen Review wurden 19 Studien (hausärztliche
Versorgung, Allgemeinbevölkerung) mit > 30 000 Patienten identifiziert, die Symptompersistenz
unter PPI Therapie berichteten [222 ]. Die mittlere Quote lag in Abhängigkeit von der Art der Studie und dem untersuchten
Leitsymptom zwischen 17 % (Sodbrennen in nicht randomisierten Studien in hausärztlicher
Praxis) und 45 % (Refluxbeschwerden in Observationsstudien in der hausärztlichen Versorgung
und Allgemeinbevölkerung), in randomisierten und kontrollierten Studien persistierten
belästigendes Sodbrennen in 28 % und Regurgitation in 30 %.
Das Ursachenspektrum eines Therapieversagens ist vielfältig und reicht von der falschen
Diagnose über unzureichenden Medikamenteneffekt und Komorbiditäten bis hin zu nicht
saurem Reflux und funktionellem Sodbrennen [218 ]
[219 ]. Dementsprechend sollte zunächst die Frage geklärt werden, ob eine Refluxkrankheit
nachgewiesen wurde. Liegt keine zuverlässige Diagnostik vor, sollte diese durchgeführt
werden. Bei dann zweifelsfrei gesicherter Refluxkrankheit empfiehlt sich ein stratifiziertes
Vorgehen ([Abb. 3 ]).
Abb. 3 Algorithmus zur Abklärung und Therapie persistierender Refluxbeschwerden unter PPI-Therapie
[219 ].
Ist eine GERD gesichert, sollte zunächst die Compliance mit der Medikation geprüft
werden. In einer Populationsstudie nahmen nur noch 55 % der Patienten nach einem Monat
und 30 % nach 6 Monaten den PPI wie verordnet ein [223 ]. Allerdings verbessert sich die Compliance bei persistierender Refluxsymptomatik
[224 ]. Auch werden PPI häufig nicht korrekt, d. h. ca. 30 Minuten vor dem Frühstück, eingenommen
[225 ]. Bis zu einem Drittel der Patienten haben unter einer Therapie mit der Standarddosis
eines PPI einen persistierenden Säurereflux [226 ]
[227 ]. Unzureichende Dosierung, reduzierte Bioverfügbarkeit, sehr schneller Metabolismus
und Erkrankungen mit erhöhter Säureproduktion sind mögliche Ursachen. Toleranzentwicklung
wie bei den H2 -RA spielt dagegen keine Rolle. Die antisekretorische Effektivität eines PPI kann
durch die 2 × tgl. Gabe gesteigert werden [228 ]. Eine (kostengünstige) Alternative ist der Wechsel auf einen anderen PPI [229 ]. Gelingt auch mit der optimierten PPI-Therapie keine zufriedenstellende Symptomkontrolle,
empfiehlt sich eine funktionelle Diagnostik mit Impedanz-pH-Monitoring. Eine weitere
empirische Therapie sollte nur dann erfolgen, wenn eine adäquate funktionelle Diagnostik
nicht durchführbar ist oder seitens des Patienten abgelehnt wird.
Manche Patienten haben auch noch unter hoch dosierter PPI-Therapie einen nächtlichen
Säuredurchbruch. Dieser kann durch die zusätzliche Gabe eines H2 -RA zur Nacht beseitigt werden. Aus diesem Grund wird von manchen Autoren versuchsweise
eine solche Therapieerweiterung empfohlen [218 ]. Auf der anderen Seite ist die Korrelation zwischen diesem pharmakologischen Befund
und der klinischen Symptomatik schlecht [230 ]. Darüber hinaus klingt die Wirkung von H2 -RA aufgrund einer Tachyphylaxie oft schon nach wenigen Tagen ab.
Die pharmakologischen Möglichkeiten bei Versagen einer adäquaten PPI-Therapie sind
gering. Baclofen hemmt die transienten Relaxationen des unteren Ösophagussphincters,
hat aber gravierende Nebenwirkungen. Zwischenzeitlich wurden eine Reihe sogenannter
Refluxblocker entwickelt. Der klinische Stellenwert einer „Add-on“-Therapie bei unvollständigem
Ansprechen einer PPI-Therapie scheint aber gering zu sein [231 ]. Trizyklische Antidepressiva und Serotoninwiederaufnahmehemmer (SSRI) können die
Sensitivität der Ösophagusschleimhaut senken und werden deshalb bei hypersensitivem
Ösophagus und funktionellem Sodbrennen empfohlen [218 ]
[219 ]
[220 ]
[232 ]. In einer randomisierten, kontrollierten Studie wurden 75 Patienten mit hypersensitivem
Ösophagus über 6 Monate mit Citalopram 20 mg oder Plazebo behandelt. Nach 6 Monaten
waren 61,5 % der Patienten unter Citalopram beschwerdefrei verglichen mit 33,3 % Response
unter Plazebo (p = 0,021) [233 ]. Zukünftig könnten weitere Therapieprinzipien in die Behandlung der PPI-refraktären
NERD Bedeutung gewinnen. So konnte bspw. in einer placebokontrollierten Doppelblindstudie
mit 15 gesunden Probanden gezeigt werden, dass Pregabalin (150 mg 2 × tgl.) die Entwicklung
einer ösophagealen Hypersensitivität nach Säureperfusion des distalen Ösophagus attenuiert
[234 ]. Eine Antirefluxoperation sollte nur dann durchgeführt werden, wenn zweifelsfrei
die persistierende Symptomatik refluxbedingt ist. Insbesondere Patienten mit NERD
haben schlechtere Ergebnisse nach Operation [235 ]. Abgesehen davon zeigt die systematische Analyse der Literatur keine sicheren Prädiktoren
für ein gutes oder schlechtes Resultat einer Antirefluxoperation [236 ].
2.2.5 Refluxösophagitis
Eine leichte Refluxösophagitis (Los Angeles A/B) sollte über 4 Wochen, eine schwere
Refluxösophagitis (Los Angeles C/D) über 8 Wochen mit einem PPI in Standarddosis behandelt
werden.
Starker Konsens
Kommentar
Die endoskopisch sichtbare Refluxösophagitis ist – im Gegensatz zur NERD – im Regelfall
mit einem pathologischen Säurereflux assoziiert. Dementsprechend sind Inhibitoren
der Säureproduktion (PPI, H2 -RA) in zahlreichen placebokontrollierten Studien hinsichtlich Symptombefreiung und
Heilung der Ösophagitis effektiv [237 ]. PPI sind im direkten Vergleich wirksamer als H2 -RA und sind daher die Therapie der Wahl [183 ]
[237 ]. Die Symptombefreiung erfolgt mit PPI nach einer medianen Behandlungsdauer von 5 – 10
Tagen ohne gesicherte Abhängigkeit vom Schweregrad der Ösophagitis, wohl aber vom
Ausmaß der Säurehemmung [165 ]
[166 ]
[167 ]
[238 ]. In einer randomisierten, kontrollierten Studie konnte gezeigt werden, dass adipöse
Patienten mit leichter Refluxösophagitis (Los Angeles A und B) hinsichtlich des symptomatischen
Ansprechens von einer Doppeldosis Pantoprazol (2 × 40 mg) im Vergleich zur Standarddosis
von 40 mg profitieren [239 ]. Allerdings sind persistierende Refluxbeschwerden häufiger als eine persistierende
Ösophagitis [165 ]
[166 ]
[167 ]
[240 ]. Die Geschwindigkeit der Heilung einer Ösophagitis hängt vom Ausmaß der Säurehemmung,
der Therapiedauer in Wochen und dem Schweregrad der Refluxösophagitis ab [165 ]
[166 ]
[167 ]
[238 ]
[240 ]
[241 ]. Als pharmakologischer Surrogatmarker gilt die Zeitdauer mit pH-Werten über 4 pro
24 Stunden.
In der überwiegenden Mehrzahl der Studien wurden die zugelassenen Standarddosen der
verschiedenen PPI untersucht und eine endoskopische Heilungskontrolle nach 4 Wochen
und bei Nichtabheilung erneut nach 8 Wochen durchgeführt. Bei leichter Ösophagitis
(Los Angeles A und B) wurden hohe Heilungsraten bereits nach 4 Wochen beobachtet,
dagegen benötigen Patienten mit schwerer Ösophagitis (Los Angeles C und D) in relevantem
Ausmaß eine achtwöchige Therapie. Da in der klinischen Routine eine Heilungskontrolle
nicht zum Standard gehört, empfiehlt sich als pragmatisch eine aus den Studiendaten
abgeleitete Therapiedauer orientiert am Schweregrad der Refluxösophagitis.
Die Frage, ob es zwischen einzelnen PPI klinisch relevante Unterschiede gibt, wird
kontrovers diskutiert. In einer Metaanalyse randomisierter Studien (n = 10) fanden
sich geringe Vorteile von Esomeprazol gegenüber anderen PPI hinsichtlich der Symptombefreiung
nach 4 Wochen (8 % relative Zunahme) und der Ösophagitisheilung nach 8 Wochen (5 %
relative Zunahme) [242 ].
In placebokontrollierten Studien waren H2 -RA wirksamer als Plazebo und Antazida, allerdings ist die Wirkung deutlich schlechter
als diejenige von PPI. In einem systematischen Review, das 9 randomisierte, kontrollierte
Studien einschloss, persistierte die Ösophagitis bei 42 % der Patienten nach 12 Wochen
Therapie mit einem H2 -RA verglichen mit 63 % unter Plazebo [243 ]. Antazida und Prokinetika haben keine gesicherte Wirkung auf die Ösophagitis [243 ].
Bei leichter Refluxösophagitis (Los Angeles A/B) sollte nach Beendigung einer Akuttherapie
mit zufriedenstellender Symptomkontrolle ein Auslassversuch erfolgen.
Starker Konsens
Die Langzeittherapie einer leichten Refluxösophagitis (Los Angeles A/B) mit einem
PPI kann orientiert am klinischen Verlauf kontinuierlich, intermittierend oder nach
Bedarf erfolgen.
Starker Konsens
Bei kontinuierlicher Langzeittherapie einer leichten Refluxösophagitis (Los Angeles
A/B) mit einem PPI sollte durch schrittweise Dosisreduktion die symptomatisch minimal
noch ausreichend wirksame PPI-Dosis ermittelt werden (step down).
Starker Konsens
Kommentar
Der Langzeitverlauf einer Refluxösophagitis ist im Einzelfall nicht vorherzusehen.
In kontrollierten Studien lag die Rezidivrate innerhalb der ersten 6 Monate bei 60 – 70 %
[194 ]
[195 ]. Da eine leichte Refluxösophagitis nur in wenigen Fällen im Laufe der Zeit progredient
ist, genügt eine symptomadaptierte Strategie [172 ]
[174 ]. Hierbei nimmt man in Einzelfällen trotz zufriedenstellender Symptomkontrolle ein
Ösophagitisrezidiv in Kauf [169 ]. Auch in der Langzeittherapie ist das Ausmaß der Säurehemmung für die Remissionserhaltung
der Ösophagitis relevant. So ist die Standarddosis eines PPI wirksamer als die halbe
Standarddosis eines PPI und diese wiederum effektiver als ein H2 -RA [244 ].
Die Langzeittherapie einer schweren Refluxösophagitis (Los Angeles C/D) sollte unmittelbar
im Anschluss an eine (erfolgreiche) Akuttherapie mit Versuch der PPI-Dosisreduktion
im Verlauf beginnen.
Starker Konsens
Kommentar
Die schwere Refluxösophagitis kann Ausgangspunkt von Komplikationen wie Blutung und
Stenose sein. Darüber hinaus beobachtete man in kontrollierten Studien ca. 90 % Rezidive
innerhalb der ersten Wochen nach Absetzen einer initial erfolgreichen Heilungstherapie
mit einem PPI [194 ]
[195 ]. Auf diese Erfahrungen stützt sich das Prinzip, eine Langzeittherapie direkt im
Anschluss an eine Akuttherapie zu empfehlen ([Abb. 4 ]). Auf der Basis einer randomisierten, kontrollierten Studie genügt eine symptomgesteuerte
PPI-Therapie nicht, eine Remission der Ösophagitis aufrecht zu erhalten [169 ]. Auch im Langzeitverlauf sind das Ausmaß der Säuresekretionshemmung sowie der Schweregrad
der Refluxösophagitis gemäß der Los-Angeles-Klassifikation Prädiktoren für den Therapieerfolg
[245 ]
[246 ]
[247 ]
[248 ]. In einem Review wurden die Daten aus 4 klinischen Vergleichsstudien korreliert
mit den Daten pharmakologischer Studien, die die intragastrale Azidität unter verschiedenen
PPIs untersuchten. Es ergab sich eine inverse, nicht lineare Korrelation zwischen
der Zeit mit pH-Werten über 4 im Magen und dem Remissionserhalt der Ösophagitis [249 ].
Abb. 4 Algorithmus zum Langzeitmanagement der GERD in Abhängigkeit vom endoskopischen Befund
[186 ].
Bei langfristig stabiler Remission (z. B. 1 Jahr) unter einer kontinuierlichen PPI-Therapie
kann ein Auslassversuch erfolgen.
Starker Konsens
Bei Absetzen eines PPI kann eine graduelle Dosisreduktion zur Vermeidung eines symptomatischen
Säurerebounds erfolgen.
Starker Konsens
Kommentar
Etwa 80 % der Patienten mit Refluxösophagitis erleiden innerhalb der ersten 6 – 12
Monate nach erfolgreicher Akuttherapie ein symptomatisches und/oder endoskopisches
Rezidiv. Daten zur zeitlich unbefristeten Dauertherapie einer GERD mit Ösophagitis
sind nur begrenzt vorhanden. Nahezu alle kontrollierten Therapiestudien sind auf 6 – 12
Monate begrenzt [208 ]
[243 ]
[244 ]. Die längste kontrollierte Studie mit 497 Refluxösophagitispatienten erstreckte
sich über 5 Jahre [250 ]. Darüber hinaus muss berücksichtigt werden, dass eine PPI-Therapie nicht nebenwirkungsfrei
ist (s. u.).
Es gibt – trotz der Häufigkeit dieser Erkrankung – nur wenige Daten zum langfristigen
spontanen Verlauf. Die vorhandenen Daten sprechen dafür, dass es sich bei der Mehrzahl
der Patienten um eine chronische Erkrankung handelt. Bei Patienten mit „komplizierter
GERD“, definiert als Vorhandensein struktureller Ösophagusschäden wie Ösophagitis,
Stenose und Barrett-Metaplasie, ist mit einer langfristigen Persistenz bei 65 % der
Patienten zu rechnen [208 ]. Die globale Rezidivrate nach Absetzen einer Heilungstherapie lag in placebokontrollierten
Studien bei 75 % (95 %-KI 69 – 82 %) mit einer Schwankungsbreite von 33 – 100 % [208 ]. In der längsten Studie, die in den USA mit systematischer Erfassung der Symptome
und jährlichen Endoskopien durchgeführt wurde, betrug die Rezidivrate unter Placebo
innerhalb von 5 Jahren 63 % oder anders ausgedrückt, 37 % der Patienten blieben in
stabiler Remission und benötigten keine Therapie [250 ].
Eine große populationsbasierte Studie in Norwegen hat gezeigt, dass im langfristigen
Verlauf Symptome einer GERD bei einem substanziellen Anteil der Patienten auch spontan
verschwinden [182 ]. Eine H.-pylori-Screeningstudie mit zehnjährigem Follow-up bestätigt diese Daten.
Von 549 Patienten mit Refluxsymptomen zu Beginn der Studie klagten 10 Jahre später
nur noch 33 % über derartige Beschwerden [251 ]. Hierzu kann insbesondere auch eine Gewichtsabnahme beitragen [180 ].
Ein Auslassversuch scheint bei Patienten mit leichter Ösophagitis (Los Angeles A/B)
risikoarm möglich zu sein, da eine große Observationsstudie über 5 Jahre gezeigt hat,
dass unter einer hausärztlich gesteuerten GERD-Therapie nur wenige Patienten einen
Progress zu höheren Stadien der GERD aufwiesen [172 ]. Auch in einer großen monozentrischen Langzeitstudie mit 2306 Patienten in den USA
und einem mittleren Follow-up von 7,6 Jahren traten Komplikationen der GERD bei rein
symptomgesteuertem Management nur sehr selten auf [174 ].
Bei Patienten mit schwerer Ösophagitis (Los Angeles C/D) ist dagegen mit einer höheren
Rezidivrate zu rechnen, da im Regelfall eine stärkere Schädigung der Antirefluxbarriere
vorliegt [194 ]
[195 ]. Plazebokontrollierte Studien im Anschluss an eine erfolgreiche Akuttherapie mit
einem PPI haben gezeigt, dass nahezu alle Patienten mit schwerer Ösophagitis innerhalb
weniger Wochen ein Rezidiv erleiden [194 ]
[195 ]. Bei komplizierter GERD (Blutung, Stenose) ist von einer Beendigung einer erfolgreichen
Langzeittherapie abzuraten, da das Risiko einer erneuten Komplikation größer erscheint
als das Risiko einer PPI-Therapie. Diese Einschätzung stützt sich auch auf die Beobachtung,
dass die Inzidenz der peptischen Stenose nach Einführung der PPI deutlich abgenommen
hat [252 ].
Placebokontrollierte Studien haben gezeigt, dass bei gesunden Probanden das abrupte
Absetzen eines PPI zu einem Säurerebound mit Auslösung dyspeptischer Beschwerden führen
kann [253 ]
[254 ]. Die Symptomatik kann z. T. Wochen anhalten und ist offensichtlich auf Patienten
beschränkt, die nicht mit Helicobacter pylori infiziert sind. Das Risiko steigt mit
der Dauer der vorangegangenen PPI-Therapie [255 ]. Es ist bisher unklar, ob ein Säurerebound auch bei Patienten mit GERD klinisch
relevant ist. In einer retrospektiven Auswertung einer kontrollierten Therapiestudie
von HP-negativen Refluxösophagitispatienten ergaben sich keine Hinweise auf einen
solchen Effekt, allerdings hat dieser Studienansatz auch nach Einschätzung der Autoren
erhebliche Limitationen [256 ]. Es ist auf der Basis der aktuell verfügbaren Daten naheliegend, bei missglücktem
Auslassversuch mit raschem Wiederkehren der Symptome die Therapie ausschleichend zu
beenden. Hierzu gibt es Daten einer kontrollierten Studie, die allerdings nur einen
nicht signifikanten Trend zu einer höheren Erfolgsrate zeigte [257 ]. Ein Step-down auf einen H2 -RA mit der Absicht, einen Säurerebound zu umgehen, kann nicht empfohlen werden, da
diese Substanzgruppe selbst mit einer erheblichen Säurehypersekretion nach Absetzen
assoziiert ist [258 ].
Eine asymptomatische leichte Refluxösophagitis (Los Angeles Grad A oder B) kann medikamentös
wie eine symptomatische Form behandelt werden.
Starker Konsens
Eine asymptomatische schwere Refluxösophagitis (Los Angeles Grad C oder D) soll wie
eine symptomatische schwere Refluxösophagitis behandelt werden.
Starker Konsens
Kommentar
Auf der Basis einer populationsbasierten Studie mit Endoskopie hat 6 % der erwachsenen
Bevölkerung in Schweden eine asymptomatische Refluxösophagitis [259 ]. In einer koreanischen Studie mit retrospektiver Datenauswertung von Check-up-Untersuchungen
zeigte die weit überwiegende Mehrzahl der Personen mit asymptomatischer Refluxösophagitis
(Grad I oder II nach modifizierter Savary-Klassifikation) im Follow-up eine Besserung
oder einen unveränderten Befund, 3,7 % zeigten eine Progression [260 ]. Abgesehen von dieser Studie liegen weder relevante wissenschaftliche Daten zum
Spontanverlauf noch zur Therapie einer asymptomatischen Refluxösophagitis vor. Beschwerdefreiheit
ist ein wesentlicher Grund für eine unzureichende Therapieadhärenz [261 ]. In Ermangelung wissenschaftlicher Daten erscheint es aktuell ratsam, die Empfehlungen
bei symptomatischer Refluxösophagitis auch auf die asymptomatische Variante zu übertragen.
Studien in diesem Feld sind dringend erforderlich.
Unter einem Therapieversagen versteht man bei Patienten mit Refluxösophagitis eine
unzureichende Symptomkontrolle und/oder eine nicht heilende Ösophagitis nach 8 Wochen
PPI in einfacher Standarddosis und weiteren 8 Wochen in doppelter Standarddosis (1 – 0–1).
Konsens
Kommentar
Hierzu gibt es keine allgemein gültige Definition. Unter einer Standarddosis eines
PPI heilen leichte Refluxösophagitiden (Los Angeles A/B) in nahezu allen Fällen innerhalb
von 8 Wochen ab, bei schwerer Refluxösophagitis ist aber je nach PPI und Schweregrad
der Ösophagitis (C oder D) in 15 – 35 % der Fälle mit einer persistierenden Refluxösophagitis
zu rechnen wie ein systematisches Review der Literatur ergab [262 ]. Nach klinischer Erfahrung ist sowohl eine Intensivierung einer PPI-Therapie als
auch eine Verlängerung der Therapiedauer in vielen Fällen geeignet, noch eine Heilung
der Ösophagitis zu bewirken.
Bei Versagen einer PPI-Therapie sollte eine Klärung der Therapieresistenz durch Endoskopie
mit Biopsie und Funktionsdiagnostik erfolgen.
Starker Konsens
Bei zufriedenstellender Symptomkontrolle und Persistenz einer leichten Refluxösophagitis
kann die Therapie unverändert fortgesetzt werden.
Starker Konsens
Bei unzureichender Symptomkontrolle und/oder Persistenz einer schweren Refluxösophagitis
sollte die Therapie nach Überprüfung der Adhärenz anhand der Untersuchungsergebnisse
optimiert werden.
Starker Konsens
Kommentar
Es gibt keine kontrollierten Studien, die das Vorgehen bei therapierefraktärer Refluxösophagitis
nach der Definition evaluiert haben. In Analogie zu den Empfehlungen zum Langzeitmanagement
der erosiven Refluxösophagitis kann das Fortbestehen einer leichten Ösophagitis (Los
Angeles A und B) bei zufriedenstellender Kontrolle der Symptome toleriert werden,
dagegen birgt eine persistierend schwere Ösophagitis (Los Angeles C und D) das Risiko
gravierender Komplikationen in sich. Auch fortbestehende Symptome mit Beeinträchtigung
der Lebensqualität sind nicht akzeptabel.
Bei persistierender Refluxösophagitis sollte, insbesondere wenn keine belästigenden
Symptome vorliegen, die Compliance überprüft und die Einnahme optimiert werden. Darüber
hinaus ist eine Gewichtsabnahme bei Übergewicht empfehlenswert ([Abb. 5 ]). Die explorative Analyse einer kontrollierten Therapiestudie von 113 Patienten
mit schwerer Refluxösophagitis (Los Angeles C und D) in Taiwan ergab, dass Übergewicht
ein unabhängiger Prädiktor für eine Heilung der Ösophagitis war und, dass eine Gewichtsabnahme
von > 1,5 kg/m2 die Heilungsrate im weiteren Verlauf signifikant erhöhte [264 ]. Bei anhaltender Therapieresistenz kann im Einzelfall die zusätzliche Verordnung
eines weiteren Therapieprinzips (H2 -RA zur Nacht, Refluxblocker vom Typ des Baclofen, Prokinetikum) erwogen werden, ohne
dass es für diese Empfehlung unterstützende Studiendaten gibt. Bei unzureichender
Symptomkontrolle oder persistierend schwerer Ösophagitis ist im nächsten Schritt eine
eingehende diagnostische Klärung der Therapieresistenz angezeigt. Das weitere Vorgehen
– einschließlich Prüfung der Operationsindikation – erfolgt dann individuell unter
Berücksichtigung der erhobenen Befunde (z. B. Überprüfung der Compliance, korrekter
Einnahmemodus, weitere Dosissteigerung des PPI, Kombinationstherapie aus PPI + zweites
Therapieprinzip, Antirefluxoperation).
Abb. 5 Algorithmus zum stratifizierten Vorgehen bei therapieresistenter Refluxösophagitis
(nach [263 ]).
2.2.6 Reflux-Thorax-Schmerzsyndrom
Ein Reflux-Thorax-Schmerzsyndrom sollte initial mit einem PPI in doppelter Standarddosis
(1-0-1) für 2 – 4 Wochen behandelt werden.
Starker Konsens
Kommentar
Thoraxschmerzen, die von einem ischämischen Herzschmerz klinisch nicht zu unterscheiden
sind, können Symptom einer GERD sein, ohne dass typische Refluxsymptome wie Sodbrennen
oder Regurgitation vorliegen [265 ]. Eine Probetherapie mit einem PPI bei vermutetem Reflux-Thorax-Schmerzsyndrom ist
zur Diagnostik mit akzeptablen Gütekriterien geeignet wie zwei unabhängige Metaanalysen
gezeigt haben [266 ]
[267 ]. Diese sollte zumindest über 2 Wochen durchgeführt werden [268 ]. In einem systematischen Review zur Therapie des nicht kardialen Thoraxschmerzes
fanden Hershcovici et al. neben 4 unkontrollierten Studien 8 randomisierte, kontrollierte
Studien mit einer PPI-Therapie [269 ]. Die Studien waren überwiegend klein. Basierend auf dieser begrenzten Datenlage
schlussfolgerten die Autoren, dass eine Therapie mit einer Doppeldosis eines PPI (1-0-1)
für zumindest 8 Wochen erfolgen sollte. Die Empfehlung zur achtwöchigen Therapie basiert
im Wesentlichen auf den Ergebnissen einer großen Studie mit 599 Patienten in hausärztlicher
Praxis, die über 4 Wochen mit 2 × 40 mg Esomeprazol behandelt wurden. In dieser Studie
war eine bekannte oder von der Symptomatik zu vermutende Refluxkrankheit ein Ausschlusskriterium
[270 ]. Unter diesen Bedingungen war die PPI-Therapie zwar wirksamer als Plazebo, der Unterschied
war mit 33,1 vs. 24,9 % Schmerzbefreiung (p = 0,035) gering. In einem systematischen
Review fanden Kahrilas et al. 6 randomisierte und kontrollierte Studien, in denen
eine GERD durch Endoskopie und/oder pH-Metrie gesichert bzw. ausgeschlossen wurde
[271 ]. Die Dauer der Therapie betrug 1, 2, 4 oder 8 Wochen. PPIs waren wesentlich wirksamer
als Plazebo bei gesicherter GERD, während der Response bei Patienten ohne GERD im
Plazeboniveau lag. Eine weitere wesentliche Feststellung war, dass die Beschwerden
sich zwar besserten, zumeist aber nicht vollständig beseitigt wurden.
Von besonderer klinischer Relevanz ist, dass auch Patienten mit gesicherter koronarer
Herzkrankheit von einer PPI-Therapie hinsichtlich ihrer Thoraxschmerzen profitieren
können [272 ]. Daraus folgt, dass bei unklaren Thoraxschmerzen ein Ansprechen auf eine PPI-Probetherapie
eine koronare Herzkrankheit nicht ausschließt.
Die Notwendigkeit einer Langzeittherapie des Reflux-Thorax-Schmerzsyndroms sollte
zwischen Arzt und Patient diskutiert werden. Zu berücksichtigen sind Schwere und Häufigkeit
der Symptome sowie ihre subjektive (emotionale) Bewertung.
Starker Konsens
Die Langzeittherapie des Reflux-Thorax-Schmerzsyndroms sollte bei klinischer Notwendigkeit
mit einem PPI erfolgen. Eine schrittweise Dosisreduktion kann nach erfolgreicher Initialtherapie
mit einem PPI in doppelter Standarddosis versucht werden.
Starker Konsens
Kommentar
Langzeitstudien zur Therapie des Reflux-Thorax-Schmerzsyndroms liegen nicht vor, sodass
keine evidenzbasierten Empfehlungen gegeben werden können. Liegt das Ergebnis einer
Endoskopie vor Therapie vor, so kann der dort erhobene Befund (keine Läsion, leichte
oder schwere Refluxösophagitis) für die Therapieempfehlungen berücksichtigt werden.
2.2.7 Schlafstörungen
Gibt es Schlafstörungen ohne nächtliche Refluxbeschwerden?
Säurereflux ohne typische Refluxbeschwerden kann mit Schlafstörungen assoziiert sein.
Konsens
Kommentar
Epidemiologische Fallkontrollstudien zeigen eine überzufällige Assoziation zwischen
Schlafstörungen und GERD. Reflux kann zu Schlafstörungen führen, Schlafstörungen können
ihrerseits aber auch gastrointestinale Störungen einschließlich Reflux provozieren
bzw. aggravieren [273 ]. Bislang wurde angenommen, dass Reflux während einer stabilen Schlafphase auftritt
und dies dann zum Aufwachen führt. In einem systematischen Review analysierten Dent
et al. alle Studien, die sich mit den Pathomechanismen der Schlafstörungen im Rahmen
einer GERD beschäftigten [274 ]. Danach scheint es eher so zu sein, dass der Reflux in Phasen der Aktivierungen
des ZNS mit oder ohne Aufwachen auftritt und dann über eine verzögerte Clearance des
Refluats zu Schlafstörungen führt.
Schlafmittel (Zolpidem) können zu einer Verschlechterung des nächtlichen Refluxes
führen.
Starker Konsens
Kommentar
In einer randomisierten, doppelblinden und placebokontrollierten Studie mit 16 GERD-Patienten
und 8 Kontrollen konnte gezeigt werden, dass Zolpidem den Effekt einer Säureexposition
der Speiseröhre auf Aktivierungen des ZNS signifikant reduziert. Darüber hinaus wurde
sowohl bei Refluxpatienten als auch bei Kontrollen eine deutliche Verlängerung der
Säureexpositionszeit der Speiseröhre beobachtet [275 ].
Die Akutbehandlung von Schlafstörungen im Rahmen einer GERD sollte über 4 Wochen mit
der Standarddosis eines PPI durchgeführt werden.
Starker Konsens
Kommentar
In einem systematischen Review wurden 8 randomisierte, placebokontrollierte Studien
zur Wirksamkeit einer PPI-Therapie bei refluxassoziierten Schlafstörungen identifiziert
[276 ]. Sieben der 8 Studien mit Patientenzahlen von 15 – 642 zeigten eine signifikante
Überlegenheit von PPI gegenüber Plazebo. Die kleinste Studie zeigte keinen Effekt
[277 ]. Sie wurde mit 2 × 40 mg Esomeprazol durchgeführt und hatte als Besonderheit eine
„Provokationsmahlzeit“ 1 Stunden vor dem Schlafengehen. In zwei Studien wurde eine
Polysomnografie durchgeführt ohne Nachweis einer statistisch signifikanten Verbesserung
unter PPI. In 4 der 8 Studien erfolgte die PPI-Einnahme in Standarddosis morgens,
in 3 Studien in doppelter Dosis morgens und abends, und in einer Studie wurde der
Einnahmezeitpunkt bei einmal täglicher Gabe nicht angegeben. Die 3 mit Abstand größten
Studien setzten den PPI morgens (vor dem Frühstück) ein. Die Studien waren hinsichtlich
ihres Designs so heterogen, dass eine Metaanalyse zur Abschätzung des Therapieeffekts
nicht sinnvoll erschien. Die Therapiedauer schwankte zwischen 2 und 8 Wochen. In einer
großen, randomisierten Studie in hausärztlichen Praxen hatten von 1388 Patienten mit
GERD 825 Schlafstörungen. Sie wurden randomisiert entweder über 4 Wochen unverändert
weiterbehandelt oder auf 20 mg oder 40 mg Esomeprazol umgestellt. Schlafstörungen
persistierten bei 55 % der Patienten mit unverändertem Management und bei 22,5 % der
Patienten unter PPI entsprechend einer NNT von 3 [278 ]. Die Abnahme der Schlafstörungen war mit einer signifikanten Besserung der Lebensqualität
assoziiert.
Nicht gleichzusetzen mit Schlafstörungen im Rahmen der GERD ist die schlafassoziierte
GERD als klinische Entität. Viele GERD-Patienten haben (auch) nächtliche Refluxbeschwerden
bzw. nächtlichen Reflux. Patienten mit nächtlichem Sodbrennen haben häufiger eine
kompliziertere Erkrankung mit Neigung zu Ösophagitis und respiratorischen Komplikationen
als Patienten, die nur tagsüber Sodbrennen haben [279 ].
Die Langzeittherapie von Schlafstörungen im Rahmen einer GERD kann durch Fortsetzung
der erfolgreichen Akuttherapie durchgeführt werden.
Starker Konsens
Kommentar
Kontrollierte Daten zur Langzeittherapie von Schlafstörungen liegen nicht vor. In
der ProGERD-Studie wurden 4597 von initial 6215 Refluxpatienten über 5 Jahre in hausärztlicher
Betreuung nachbeobachtet mit jährlicher Überprüfung des QOLRAD, der auch die Dimension
Schlafstörungen enthält. Im Vergleich zur Eingangsuntersuchung gaben 61 % der Patienten
eine Besserung ihrer Schlafstörungen an, 35 % keine Veränderung und 4 % eine Verschlechterung
[280 ].
2.2.8 Schwangerschaft
Die Indikation zur medikamentösen Therapie der GERD in der Schwangerschaft kann den
gleichen Regeln folgen wie bei Patientinnen ohne Schwangerschaft.
Konsens
Vor einer medikamentösen Therapie in der Schwangerschaft soll eine eingehende Aufklärung
über Nutzen und Risiko sowie therapeutische Alternativen erfolgen.
Die Initialtherapie in der Schwangerschaft kann bei leichter Symptomatik mit einem
Antazidum erfolgen.
Bei schwerer Symptomatik oder unzureichendem Effekt einer Antazidatherapie in der
Schwangerschaft können ein H2 -Rezeptorantagonist oder ein PPI in Standarddosis verordnet werden.
Starker Konsens
Eine in der Akuttherapie wirksame Therapie in der Schwangerschaft mit einem H2 -Rezeptorantagonist oder einem PPI sollte bei klinischem Bedarf fortgeführt werden.
Starker Konsens
Spezifische Risiken einer H2 -Rezeptorantagonist- bzw. PPI-Behandlung in der Schwangerschaft sind bisher nicht
gesichert, können aber auch nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit
ausgeschlossen werden.
Konsens
Kommentar
Gastrointestinale Komplikationen sind in der Schwangerschaft häufig. Dies betrifft
insbesondere die GERD, an der zwischen 40 und 85 % der Schwangeren leiden [281 ]. Die Erkrankung kann zu jedem Zeitpunkt in der Schwangerschaft auftreten und reicht
von gelegentlichen, tolerablen Refluxbeschwerden bis hin zu gravierenden Läsionen
der Speiseröhre. In einer prospektiven Longitudinalstudie in Deutschland mit 510 Schwangeren
klagten 26,1 % der Frauen im 1. Trimenon, 36,1 % im 2. Trimenon und 51,2 % im 3. Trimenon
über GERD-Symptome. Eine medikamentöse Behandlung erfolgte bei 12,8 % im 1., 9,1 %
im 2. und 15,7 % im 3. Trimenon [282 ].
Kontrollierte Studien werden in der Schwangerschaft nur sehr selten durchgeführt.
Nur Ranitidin wurde in einer doppelblinden, placebokontrollierten, dreifach Cross-over-Studie
bei Schwangeren (n = 20, mind. 20. Woche), die nicht auf Allgemeinmaßnahmen und Antazida
ansprachen, untersucht. Ranitidin 2 × 150 mg war hinsichtlich Symptomen und Antazidaverbrauch
wirksam [283 ]. Üblicherweise werden Step-up-Strategien in folgender Reihenfolge zum Management
von Refluxsymptomen bzw. einer GERD in der Schwangerschaft empfohlen: Allgemeinmaßnahmen
– Antazida/Alginate/Sucralfat – H2 -RA – PPI [284 ]
[285 ]
[286 ]
[287 ]. Diese basieren auf der Annahme, dass Antazida keine relevanten Effekte auf die
ungeborenen Kinder haben und die umfangreichen Erfahrungen mit H2 -RA sowohl im klinischen Alltag als auch in Fallkontrollstudien keinen Hinweis auf
ein erhöhtes Risiko ergeben haben. PPI werden generell mit großer Zurückhaltung in
der Schwangerschaft verordnet. Es stehen mittlerweile aber eine Reihe von prospektiven
und retrospektiven Kohortenstudien zur Frage der Sicherheit von PPI in der Schwangerschaft
zur Verfügung [288 ]. Die Häufigkeit schwerer Anomalien war bei Einnahme eines PPI im 1. Trimenon nicht
größer als bei unbehandelten Frauen. In einer Metaanalyse von 7 Studien (1530 PPI-Konsumenten
und 133 410 Kontrollen ohne PPI-Einnahme) fanden sich keine Hinweise auf relevante
Schädigungen des Kindes, eine erhöhte Rate an Frühgeborenen oder Aborten [289 ]. In einer großen Dänischen Kohortenstudie wurde bei 5082 von 840 968 Lebendgeborene
eine PPI-Exposition während der Schwangerschaft bzw. in den 4 Wochen vor der Konzeption
registriert. PPI-Einnahme während des 1. Trimenons war nicht mit relevanten Fehlbildungen
assoziiert [290 ]. Eine weitere große Fallkontrollstudie aus Israel mit 1186 PPI-Expositionen während
des 1. Trimenons der Schwangerschaft ergab ebenfalls keinen Hinweis auf eine erhöhte
Fehlbildungsrate, ebenso wirkte sich eine PPI-Einnahme im 3. Trimenon nicht im Hinblick
auf Frühgeburten, perinatale Morbidität und Mortalität sowie niedriges Geburtsgewicht
aus [291 ]. Auffällig war aber in der großen dänischen Studie eine Risikoerhöhung bei PPI-Einnahme
in den letzten 4 Wochen vor der Konzeption – dies traf allerdings nicht für Omeprazol
zu. Aus diesem Grund sollte Frauen, die eine Konzeption planen und einen PPI benötigen,
Omeprazol verordnet werden [292 ].
Die Empfehlungen der Hersteller einzelner PPI im Hinblick auf eine Anwendung in der
Schwangerschaft lauten: Esomeprazol: nur mit Vorsicht; Lansoprazol: nicht empfohlen;
Omeprazol: nur nach sorgfältiger Nutzen-Risiko-Abwägung; Pantoprazol: Kontraindikation;
Rabeprazol: Kontraindikation [288 ].
2.2.9 Helicobacter pylori und GERD
Bei Patienten mit GERD kann eine H. pylori-Diagnostik erfolgen.
Konsens
Sollte/muss bei Refluxkranken im Falle des Keimnachweises eine HP-Eradikation erfolgen?
Im Falle eines HP-Nachweises soll die Indikation zur HP-Eradikation unabhängig vom
Vorhandensein der GERD gemäß den Leitlinien der DGVS gestellt werden.
Starkere Konsens
Kommentar
Eine GERD hat gemäß S3-Leitlinie der DGVS keinen Einfluss auf die Entscheidung für
oder gegen eine H.-pylori-Eradikation [294 ]. Gemäß dieser Leitlinie soll eine H.-pylori-Diagnostik nur dann erfolgen, wenn aus
einem positiven Resultat (Keimnachweis) auch therapeutische Konsequenzen gezogen werden
sollen. Die Europäische Helicobacterstudiengruppe empfiehlt in ihrem aktuellen Konsensusreport
eine H.-pylori-Eradikation vor Durchführung einer Langzeittherapie mit einem PPI,
um einer Zunahme der Korpusgastritis und einer beschleunigten Atrophieentwicklung
vorzubeugen [295 ].
2.2.10 PPI-Therapie
Das Risiko einer Therapie mit einem PPI ist gering. Basierend auf Beobachtungsstudien
kann ein leicht erhöhtes Risiko für bakterielle Infektionen der Atemwege und des Verdauungstraktes
(einschließlich Clostridium difficile), eine bakterielle Fehlbesiedlung des Dünndarms,
Wirbelkörper- und Schenkelhalsfrakturen, Resorptionsstörungen (Vitamin B12 ), eine Hypomagnesiämie, Interaktionen mit anderen Medikamenten und eine beschleunigte
Atrophieentwicklung einer unbehandelten HP-Gastritis angenommen werden.
Konsens
Kommentar
Da potenzielle Risiken einer PPI-Langzeittherapie sehr selten sind, ist die Chance
einer Erfassung in einer randomisierten, kontrollierten Studie damit sehr gering.
Beobachtungsstudien sind mit dem Problem behaftet, dass sie nur eine Assoziation,
nicht aber eine kausale Beziehung aufzeigen können.
Grundsätzlich muss zwischen vorhersehbaren Risiken, die sich aus der Pharmakokinetik
und -dynamik der PPI erklären und unvorhersehbaren Risiken unterschieden werden.
Atemwege
Eine Reihe von Studien hat das Risiko für eine ambulant erworbene Pneumonie untersucht.
In einer aktuellen Metaanalyse, die 9 Studien mit 120 863 Patienten einschloss, fand
sich eine moderate Risikoerhöhung für PPI-Konsumenten. Während bei einer Therapiedauer
von > 180 Tagen das Risiko nicht (mehr) erhöht war, wurden die stärksten Assoziationen
bei einer Therapiedauer unter 30 Tagen (OR 1,65, 95 %-Konfidenzintervall 1,25 – 2,19)
und bei hochdosierter PPI-Therapie gesehen [295 ]. Eine aktuelle Studie, die 4238 504 Patienten mit Beginn einer NSAR-Therapie einschloss
und PPI-Konsumenten (2,3 %) mit Patienten ohne präventive Säurehemmung verglich kam
zu dem Schluss, dass kein erhöhtes Risiko für eine ambulant erworbene Pneumonie unter
PPI besteht [296 ].
Gastrointestinale Infekte
Eine reduzierte Magensäureproduktion kann durch unterschiedliche Mechanismen das Risiko
für bakterielle Infekte des Gastrointestinaltraktes erhöhen. In einer Metaanalyse
fand sich für PPI-Konsumenten ein erhöhtes Risiko für akute gastrointestinale Infekte
(OR 3,33, 95 %-Konfidenzintervall 1,84 – 6,02) [297 ]. In einem weiteren systematischen Review wurde diese Assoziation bestätigt. Unter
PPI waren die adjustierten relativen Risiken für Salmonellen, Campylobacter und Clostridium
difficile erhöht [298 ].
In einem systematischen Review mit Metaanalyse fanden sich 47 Publikationen (37 Fallkontrollstudien
und 14 Kohortenstudien), die für eine Betrachtung einer möglichen Assoziation zwischen
PPI-Konsum und Clostridium-difficile-Infektion (CDI) in Betracht kamen. Das Risiko
für eine CDI war unter PPI erhöht (Odds Ratio [OR] 1,65), allerdings ergaben sich
Hinweise auf einen Publikationsbias. Nach Korrektur resultierte eine adjustierte Odds
Ratio von 1,51 (95 %-Konfidenzintervall 1,26 – 1,83). Es errechnete sich für die Allgemeinbevölkerung
eine NNH (number needed to harm) von 3925 in einem Jahr [299 ]. Im gleichen Jahr wurden drei weitere Metaanalysen publiziert, die übereinstimmend
eine Risikoerhöhung für eine CDI unter PPI fanden. Das Risiko wird durch zusätzliche
Gabe eines Antibiotikums verdoppelt [300 ]
[301 ]
[302 ]. Die Datenlage bleibt trotz allem uneinheitlich [303 ]. So fand bspw. eine populationsbasierte Studie keinen gesicherten Zusammenhang [304 ].
Bakterielle Fehlbesiedlung des Dünndarms (SIBO)
In einer Metaanalyse, die 11 Studien mit 3134 Patienten einschloss, betrug die OR
für eine bakterielle Fehlbesiedlung des Dünndarms 2,282 (95 %-Konfidenzintervall 1,238 – 4,205).
Die Risikoerhöhung wurde insbesondere in Studien gesehen, die Dünndarmsekret kulturell
untersuchten [305 ].
Frakturrisiko
In einem systematischen Review mit Metaanalyse fand sich eine moderate Erhöhung des
Risikos für Hüft- und Wirbelkörperfrakturen, nicht aber für Unterarmbrüche [306 ]. Die Datenlage war inkonsistent mit signifikanter Heterogenität der Ergebnisse,
auch ließ sich weder eine Dosis-Wirkungs-Beziehung noch eine Abhängigkeit des Risikos
von der Expositionsdauer ableiten. Aktuelle Analysen der Nurses Health Study zeigten
eine Steigerung des Frakturrisikos unter PPI. Unter Inkorporation dieser Daten in
eine aktualisierte Metaanalyse errechnete sich eine Risikoerhöhung um ca. 30 % [307 ]. Es ist bisher unklar, wie PPI zu einem erhöhten Frakturrisiko führen können. Die
Resorption von Kalziumkarbonat kann bei hohem pH reduziert sein, ansonsten ergaben
sich pharmakologisch und klinisch keine Hinweise auf eine Kalziummalabsorption unter
PPI [288 ]
[308 ]
[309 ]. Überzeugende Hinweise auf ein erhöhtes Osteoporoserisiko ergaben sich bisher nicht.
In einer Populationsstudie in Kanada, die initial 8340 Patientinnen einschloss und
über 5 – 10 Jahre einschließlich Messung der Knochendichte nachbeobachtete, fand sich
kein Hinweis auf eine Osteoporoseentwicklung unter PPI [310 ], sodass über mögliche Mechanismen wie z. B. eine gestörte Reparatur von Mikrofrakturen
spekuliert werden muss.
Vitamin B12
Vitamin B12 wird durch Säure aus der Proteinbindung gelöst. Die Datenlage zur Entwicklung eines
B12 -Mangels unter PPI ist kontrovers (Johnson 2013). Bei mehrjähriger Einnahme kann aber
ein Mangel insbesondere bei langsamen Metabolisierern (Polymorphismus des CP2C19 mit
entsprechend intensiver PPI-Wirkung) nicht ausgeschlossen werden [311 ].
Magnesium
In der Literatur finden sich eine Reihe (insgesamt < 50) von Fallberichten einer ausgeprägten
Hypomagnesiämie mit Notwendigkeit einer Hospitalisierung unter PPI (Johnson 2013).
Eine Metaanalyse zeigte, dass die Hypomagnesiämie zu jeder Zeit einer laufenden PPI-Therapie
auftreten kann, ein Klasseneffekt ist, in den Tagen nach Absetzen des PPI verschwindet
und bei Reexposition zurückkehrt [312 ].
Interaktionen
Clopidogrel ist ein Prodrug, das durch das Cytochrom 2C19 aktiviert werden muss. Über
dieses Cytochrom werden auch PPI metabolisiert, sodass theoretisch eine Interaktion
bei gleichzeitiger Einnahme im Sinne einer reduzierten Wirkung von Clopidogrel denkbar
ist. Pharmakologische Untersuchungen bestätigten diesen Effekt [313 ]. Die Post-hoc-Analyse großer Studien ergab uneinheitliche Ergebnisse, wie Reviews
und Metaanalysen aufzeigten [314 ]
[315 ]
[316 ]. In einer großen, randomisierten und kontrollierten Multicenterstudie, in der Omeprazol
mit Clopidogrel in einer Tablette gegeben wurde, konnte der präventive Effekt des
PPI auf gastrointestinale Ereignisse bestätigt werden, Hinweise auf eine Erhöhung
der kardiovaskulären Endpunkte ergaben sich nicht [317 ]. In einer weiteren randomisierten, kontrollierten Studie erhielten Patienten mit
Ulkusanamnese und ischämischer Herz- oder Hirnerkrankung randomisiert über 6 Monate
zum Clopidogrel 20 mg Esomeprazol (zeitversetzt) oder keine Schutztherapie. Der PPI
führte zu einer signifikanten Reduktion der Ulkusinzidenz, ein Effekt auf die Plättchenaggregation
konnte nach 4 Wochen Therapie nicht gezeigt werden [318 ]. Insgesamt besteht zusammenfassend wohl eine pharmakologisch messbare Interaktion,
diese ist aber klinisch vermutlich irrelevant. Zur Reduktion potenzieller Risiken
empfehlen die Fachgesellschaften in einem Positionspapier einen PPI mit möglichst
geringer Affinität zum Cytochrom 2C19 und die zeitlich versetzte Einnahme [319 ].
Beschleunigte Atrophieentwicklung bei H.-pylori-Gastritis
Unter den Bedingungen einer reduzierten Säuresekretion – unabhängig von der Ursache
– kolonisiert H. pylori bevorzugt die Korpusschleimhaut des Magens mit der Konsequenz
einer Zunahme der Corpusgastritis und gleichzeitiger Verbesserung der Antrumgastritis
[320 ]. Die stärkere Inflammation im Korpus führt zu einer weiteren Reduktion der Säureproduktion,
wobei Zytokine wie Interleukin-1ß offenbar eine wichtige Rolle spielen [321 ]. Dies erklärt die konsistente Beobachtung, dass PPI in Anwesenheit von HP stärker
wirksam sind als bei HP-negativen Personen oder bei Status nach HP-Eradikation. Die
langfristigen Konsequenzen aus der Zunahme der Korpusgastritis werden seit mehr als
15 Jahren intensiv diskutiert. Anlass hierfür war eine Publikation von Kuipers et
al. [322 ], die zwei Kohorten von Refluxpatienten behandelt mit PPI-Dauertherapie oder Fundoplicatio
verglichen und aus den Ergebnissen folgerten, dass eine PPI-Dauertherapie die Atrophieentwicklung
bei bestehender HP-Infektion beschleunigt und damit evtl. das Magenkarzinomrisiko
langfristig erhöht. Wesentliche Kritikpunkte dieser nicht randomisierten Studie waren
der Vergleich von zwei Kohorten aus unterschiedlichen Populationen und auch ein unterschiedliches
Durchschnittsalter der Patienten. Die Ergebnisse wurden in den Jahren danach nicht
in überzeugender Weise bestätigt, aber auch nicht eindeutig widerlegt. In einer Post-hoc-Analyse
der randomisierten LOTUS-Studie, die eine PPI-Langzeittherapie mit Esomeprazol mit
einer Fundoplicatio über 5 Jahre verglich, kam es unter PPI zu einer Verbesserung
der Antrumgastritis bei HP-Infizierten, während Entzündungsgrad und -aktivität im
Korpus konstant blieben ohne Zunahme von Atrophie und intestinaler Metaplasie [323 ].
Leberzirrhose und spontane bakterielle Peritonitis
Patienten mit Leberzirrhose werden häufig mit einem PPI behandelt. In einer aktuellen
Untersuchung, die 400 Patienten mit Leberzirrhose einschloss, erhielt ca. 40 % der
Patienten einen PPI [324 ]. Säurehemmer (H2 -Blocker, PPI) können als Risikofaktor für eine spontane bakterielle Peritonitis (SBP)
angesehen werden. In einer aktuellen Metaanalyse wurden 8 Studien mit 3815 Patienten
analysiert [325 ]. Das SBP-Risiko von Krankenhauspatienten wurde durch PPI erhöht (OR 3,15, 95 %-Konfidenzintervall
2,09 – 4,74). Für H2 -Blocker bestand ein nicht signifikanter Trend zu einem erhöhten Risiko (OR 1,71,
95 %-KI 0,97 – 3,01). Es muss aber auch berücksichtigt werden, dass die vorliegenden
Studien eine Reihe von methodischen Schwächen hatten, sodass ein abschließendes Urteil
nicht gefällt werden kann [326 ]. Ein erhöhtes Infektionsrisiko ist möglicherweise nicht auf die SBP begrenzt. In
einer großen retrospektiven Fallkontrollstudie, die 1268 Patienten mit dekompensierter
Leberzirrhose einschloss, waren PPI mit einer beschleunigten Entwicklung schwerwiegender
Infektionen assoziiert (adjustierte Hazard Ratio: 1,66, 95 %-KI 1,31 – 2,12) [327 ]. Auf der Basis der vorliegenden Daten sollten PPI bei Patienten mit Leberzirrhose
nur eingesetzt werden, wenn eine klare Indikation besteht [328 ]. Beachtet werden muss auch, dass die Pharmakokinetik der einzelnen PPI in unterschiedlicher
Weise durch eine Leberzirrhose beeinflusst werden mit der Notwendigkeit von Anpassungen
der Dosierung [288 ].
2.3 Chirurgische Therapie
2.3.1 Indikation und präoperative Diagnostik
Eine Antirefluxoperation sollte nur dann durchgeführt werden, wenn ein langfristiger
Therapiebedarf besteht.
Starker Konsens
Kommentar
Die anatomischen und funktionellen Elemente der Antirefluxbarriere (Sphinkterinkompetenz
und erhöhte Anzahl transienter Sphinkterrelaxationen) sind bei Patienten mit schwerer
Refluxkrankheit pathologisch verändert [329 ]
[330 ]
[331 ]
[332 ]. Bei normalem Sphinkterdruck und Länge sowie anatomisch normaler Antirefluxbarriere
kann ein Reflux nur durch eine spontane Sphinkterrelaxierung entstehen [329 ]
[332 ]. Bei Sphinkterinkompetenz und/oder anatomischen Veränderungen am Hiatus kann freier
Reflux entstehen, der ohne weitere auslösende Faktoren durch den anatomisch und funktionell
inkompetenten gastrooesophagealen Übergang refluieren kann. Wenn viel freier Reflux
durch eine anatomisch und funktionell inkompetente Antirefluxbarriere auftritt, sollte
eine Antirefluxoperation erwogen werden, wenn weitere Indikationskriterien erfüllt
sind.
Präoperativ soll eine pH-Metrie/Impedanz-pH-Metrie (zum Beleg eines pathologischen
Refluxes) erfolgen.
Konsens
Kommentar
Der Sinn der präoperativen Diagnostik ist neben der Diagnosestellung die Erarbeitung
von objektiven Grundlagen für die Entscheidungsfindung für die Operationsindikation.
Das Ziel ist eine optimale Patientenselektion möglichst nur der Patienten, die von
einer Antirefluxoperation besonders profitieren gegenüber der PPI-Therapie. Zur Patientenselektion
gehört der Nachweis einer pathologischen Säureexposition der Speiseröhre, weil Symptome
als Kriterien nicht ausreichend zuverlässig sind [333 ]
[334 ]
[335 ]
[336 ]
[337 ].
Präoperative sollte eine Ösophagusmanometrie (zum Ausschluss einer Motilitätsstörung)
durchgeführt werden.
Konsens
Kommentar
Die Ösophagusmanometrie ist für die Diagnose der Refluxkrankheit nicht erforderlich,
aber mit ihrer Hilfe werden Ösophagusmotilitätsstörungen wie die Achalasie oder der
diffuse Ösophagusspasmus ausgeschlossen oder festgestellt [338 ]
[339 ]
[340 ]. Letzteres ist besonders für die präoperative Entscheidungsfindung sehr wichtig.
Darüberhinaus hat der Nachweis einer Sphinkterinkompetenz eine gewisse prognostische
Bedeutung bezüglich der Erkrankung [338 ]
[341 ].
Folgende Kriterien sollen vor einer Antirefluxoperation beim Erwachsenen evaluiert
werden:
Präsenz einer Hiatushernie (Endoskopie, Radiografie)
Typische Symptome (Anamnese)
Jahrelange Refluxanamnese (Anamnese)
Inkompetente Antirefluxbarriere (Manometrie, High-Resolution-Manometrie)
Pathologische Säureexposition mit Symptomkorrelation (pH-Metrie, Impedanz-pH-Metrie,
SAP Symptom-Association-Probability)
Positiver PPI-Response
Notwendige PPI-Dosissteigerung
Reduzierte Lebensqualität
Konsens
Kommentar
Da die medikamentöse Therapie, insbesondere mit PPIs sehr effektiv ist, kommt der
Selektion der Patienten für eine Antirefluxoperation große Bedeutung zu. Für diese
Selektion sollen viele Indikationskriterien erfüllt sein.
In mehreren Studien wurden diese Kriterien entweder gezielt bezüglich ihrer Bedeutung
überprüft, oder Studienergebnisse lassen Rückschlüsse bezüglich der Verwertbarkeit
dieser Kriterien zu [329 ]
[330 ]
[336 ]
[338 ]
[341 ]
[342 ]
[343 ]
[344 ]
[345 ]
[346 ]
[347 ]
[348 ]
[349 ]
[350 ]
[351 ]
Bei Anwendung dieser Kriterien lässt sich nachgewiesenermaßen die Lebensqualität der
Patienten mit gastroösophagealer Refluxkrankheit durch eine Antirefluxoperation erhöhen.
Demzufolge ist bei Anwendung dieser Kriterien die Indikationsstellung gerechtfertigt
[342 ]
[345 ]
[346 ].
Eine Operationsindikation kann gestellt werden, wenn zusätzlich zur langfristigen
Behandlungsbedürftigkeit die Indikationskriterien erfüllt sind, intolerable refluxinduzierte
Restbeschwerden oder eine Unverträglichkeit gegenüber der PPI-Therapie besteht.
Starker Konsens
Kommentar
Wenn Patienten die Indikationskriterien erfüllen und trotz adäquater PPI-Therapie
(angepasste Dosierung und korrekte Einnahme) eine reduzierte Lebensqualität haben
oder PPI-Nebenwirkungen die langfristige Einnahme unmöglich machen, ist eine Antirefluxoperation
gerechtfertigt [342 ]
[345 ]
[346 ]
[348 ]
[349 ]
[350 ]
[352 ].
Bei der Indikationsstellung zur Antirefluxoperation sollen die Regeln der allgemeinen
und chirurgischen Kontraindikationen für einen Elektiveingriff bei einem eingeschränkten
Allgemeinzustand des Patienten beachtet werden.
Starker Konsens
Kommentar
Patienten mit Risikofaktoren und relevanten Nebenerkrankungen müssen bezüglich ihrer
Indikation zur Antirefluxoperation kritisch überprüft werden, da die gastroösophageale
Refluxkrankheit eine gutartige Erkrankung ist und in den meisten Fällen mit Protonenpumpeninhibitoren
behandelt werden kann.
Besonders kritisch sollte die Operationsindikation geprüft werden bei Patienten, die
psychisch oder psychiatrisch auffällig sind. Das bedeutet nicht, dass Patienten mit
somatoformen Störungen oder depressiven Neigungen zwangsläufig keine Antirefluxoperation
haben dürfen, sondern in diesen Fällen sollten die präoperativ wichtigen Diagnostik-
und Indikationskriterien besonders kritisch evaluiert werden [353 ].
2.3.2 Operative Verfahren
Der Therapieerfolg einer adäquaten und konsequent durchgeführten PPI-Therapie ist
vergleichbar mit dem einer laparoskopischen Fundoplikatio.
Starker Konsens
Die Frage nach dem Vergleich zwischen medikamentöser und chirurgischer Therapie der
gastrooesophaegalen Refluxkrankheit wird zwischen Gastroenterologen und Chirurgen
kontrovers diskutiert. Zu diesem Thema gibt es 4 randomisierte Studien [348 ]
[349 ]
[350 ]
[352 ]. In Europa wurden mit der LOTUS-Studie, einer großen randomisierten Studie, die
Ergebnisse nach 5 Jahren publiziert [350 ]. Das Resümee dieser Studie ist, dass die Effektivität, sowohl von PPI-Therapie als
auch laparoskopischer Nissen-Fundoplicatio sehr gut ist bis zu 5 Jahren. Der gute
Erfolg der Operation wird durch die Entwicklung von Nebenwirkungen etwas eingeschränkt;
deswegen liegt die Versagerrate nach 5 Jahren in der operativen Therapiegruppe etwas
höher. Anzumerken ist, dass eine Bedingung für die Aufnahme in die Studie ein erfolgreiches
Ansprechen der Esomeprazoltherapie war. In 3 weiteren randomisierten Studien (Nachsorgezeit
3 – 7 Jahre) waren die Patienten nach laparoskopischer Antirefluxoperation bezüglich
der postoperativen Refluxsymptome und Lebensqualität, verglichen mit der PPI-Gruppe,
im Vorteil [348 ]
[349 ]
[352 ].
Nach korrekter Indikation zur Antirefluxoperation soll die laparoskopische Fundoplikatio
der offenen Variante vorgezogen werden. Die Ergebnisse der randomisierten Studien
zeigen für die laparoskopische Nissen-Fundoplicatio und für die partielle posteriore
Toupet-Hemifundoplikatio einen vergleichbaren Antirefluxerfolg bis 5 Jahre.
Konsens
Kommentar
In mehreren randomisierten Studien wurden die Vorteile der laparoskopischen Fundoplikatio
gegenüber der offenen Variante nachgewiesen [354 ]
[355 ].
Die optimale Form der Manschette, ob Vollmanschette oder Halbmanschette ist Gegenstand
kontroverser Diskussionen unter Experten und Gegenstand von insgesamt 13 randomisierten
kontrollierten Studien, zahlreichen großen Fallkontrollstudien aus erfahrenen Zentren
und mehrere Metaanalysen der letzten Jahre mit insgesamt kontroversen Aussagen [342 ]
[346 ]
[356 ]
[357 ]
[358 ]
[359 ]
[360 ]
[361 ]
[362 ]
[363 ]
[364 ]
[365 ]
[366 ]
[367 ]
[368 ]
[369 ]
[370 ]
[371 ]
[372 ]
[373 ]
[374 ]
[375 ]
[376 ]
[377 ]
[378 ]
[379 ]
[380 ].
In Zentren mit begrenzter Erfahrung mit der Nissenvariante soll die nebenwirkungsärmere
posteriore Teilmanschette nach Toupet vorgezogen werden, da die Nissen-Manschette
mehr Nebenwirkungen hat und die Reoperationsrate größer sein kann [356 ]
[357 ]
[358 ]
[359 ]
[360 ]
[361 ]
[362 ]
[363 ]
[364 ]
[365 ]
[366 ]
[367 ]
[368 ]
[369 ]
[370 ]
[374 ]
[375 ]. In erfahrenen Zentren mit der Nissen-Vollmanschette sollte diese Version aufgrund
der guten Langzeiteffektivität vorgezogen werden [342 ]
[346 ]
[371 ]
[372 ]
[373 ]
[376 ]
[377 ]
[378 ]
[379 ]
[380 ].
Die Mobilisierung des Ösophagus und die Rekonstruktion der Anatomie durch Verbringen
des distalen Ösophagus in das Abdomen sollten bei jeder Antirefluxoperation durchgeführt
werden [381 ].
Eine adäquate Hiatuseinengung sollte bei jeder Antirefluxoperation mit Hiatushernie
durchgeführt werden [382 ]
[383 ]
[384 ]
[385 ]. Die Hiatoplastik kann sowohl anterior als auch posterior vorgenommen werden [386 ]. Die gegenwärtige Datenlage bez. der Mesh-Verstärkung des Hiatus muss noch kontrovers
angesehen werden und erlaubt keine klare Empfehlung. Einerseits sind Vorteile der
Netzverstärkung bez. der Hiatushernienrezidivrate nachgewiesen worden, andererseits
ist das Risiko für eine schwere Komplikation mit nachfolgendem Zwang zur Resektion
nicht vernachlässigbar [387 ]
[388 ]
[389 ]
[390 ]
[391 ]
[392 ].
Bei Patienten mit großen und/oder paraösophagealen Hernien mit einer Refluxanamese
sollte eine Fundoplicatio mit der Hiatushernienoperation kombiniert werden.
Konsens
Kommentar
Der Begriff paraösophageale Hernie wird in der Literatur sehr häufig für eine Sammlung
von verschiedenen Entitäten verwendet wie große gemischte Hernie, Thoraxmagen, echte
paraoesophageale Hernie und Upside-down-Magen. Der Unterschied zwischen einerseits
echter paraösophagealer Hernie und Upside-down-Magen und andererseits großer gemischter
Hernie oder Thoraxmagen ist die anatomische Schwachstelle an der phrenicoösophagealen
Membran im Hiatus. Bei einer großen gemischten Hernie (oder Thoraxmagen) entwickelt
sich primär eine zirkuläre Schwäche der Membran, sodass der Ösophagus und die Kardia
schrittweise nach kranial in das Mediastinum dislozieren und ein „Short Esophagus“
(abdominaler Ösophagus kann nicht spannungsfrei in den Bauchraum mobilisiert werden)
entstehen kann. Bei einer echten paraösophagealen Hernie oder dem Upside-down-Magen
entwickelt sich lokal in der Zirkumferenz der phrenicoösophagealen Membran eine Schwachstelle,
sodass die Hernierung des Magens nur lokal begrenzt stattfindet und die Kardia auf
dem Hiatusniveau verbleibt. Das erklärt das Umdrehen (Upside-down) des Magens durch
die primär nicht zirkumferenzielle Lücke. Da in beiden Fällen die Kardia und die Hiatusregion
vollständig präpariert werden muss, um die anatomische Rekonstruktion zu ermöglichen,
ist die Wahrscheinlichkeit eines nachfolgenden pathologischen Refluxes hoch und es
sollte eine Antirefluxmaßnahme erwogen werden [381 ]
[393 ]
[394 ]
[395 ]
[396 ].
Bei Vorliegen eines „Short Esophagus“ sollte eine ausreichende Ösophagusverlängerung
(Kollis-Plastik) bei der laparoskopischen Fundoplikatio vorgenommen werden, da sie
zum Therapieerfolg und zur Reduzierung der Rezidivrate nach Operationen großer Hernien
beiträgt [397 ]
[398 ].
2.3.3 Rezidive
Eine Qualitätssicherung der Ergebnisse der Antirefluxoperationen sollte angestrebt
werden.
Mehrheitliche Zustimmung
Kommentar
Grundsätzlich kann man von Versagen sprechen, wenn die alten Symptome des Refluxes
in gleichem Ausmaß persistieren oder wiederkehren und neue Symptome wie z. B. Dysphagie,
Erbrechen und Schmerzen auftreten. Die Erfassung der Lebensqualität (allgemein und/oder
spezifisch) vor und nach der Operation ist ein wichtiges Kriterium für die Dokumentation
der Ergebnisqualität und das Versagen der Therapie [342 ]
[346 ]
[353 ].
Der Patient soll darüber aufgeklärt werden, dass bei der laparoskopischen Fundoplikatio
die Morbidität in erfahrenen Zentren unter 10 %, die Komplikationsrate unter 5 % und
die Letalität unter 0,2 % liegt.
Reine Refluxrezidive ohne weitere komplizierende Faktoren sollten zunächst wieder
mit PPI behandelt werden.
Starker Konsens
Kommentar
Reine Refluxrezidive sollten mit PPI behandelt werden. Es ist wichtig, allen ungewöhnlichen
anderen Symptomen außer Sodbrennen und Säureregurgitation durch detaillierte Diagnostik
und Befragung nachzugehen, um die genaue Ursache möglichst zu bestimmen und den Mechanismus
der Probleme zu erfassen [342 ]
[346 ]
[353 ]
[373 ].
Bei Dysphagie und Schmerzen, die die Lebensqualität und die Nahrungsaufnahme deutlich
einschränken oder eine akute Symptomatik, die an eine Einklemmung denken lassen, sollte
eine rasche klärende Diagnostik und darauf folgende Entscheidung zum Revisionseingriff
erfolgen. Revisionseingriffe sollten in einem erfahrenen Zentrum erfolgen.
Konsens
Kommentar
Dysphagie und Schmerzen, manchmal sogar mit massiven Einschränkungen der Lebensqualität
und Nahrungs- und Flüssigkeitsaufnahme bedürfen der raschen Abklärung und ggf. der
frühzeitigen Revisionsoperation in einem erfahrenen Zentrum [399 ]
[400 ]
[401 ]
[402 ]
[403 ]
[404 ]
[405 ]
[406 ]. Laparoskopische und offene Revisionseingriffe nach Fundoplikatio sind machbar und
sicher, haben aber eine längere Operationszeit, eine höhere Komplikationsrate und
verursachen mehr Kosten [399 ]
[400 ]
[401 ]
[402 ]
[403 ]
[404 ]
[405 ]
[406 ]. Da die Wahrscheinlichkeit eines komplexen, risikoreichen Eingriffs bis hin zu Majorresektionen
des Ösophagus oder des Magens mit der Anzahl der Reeingriffe steigt, erscheint es
sinnvoll, auch den ersten Revisionseingriff in einem erfahrenen Zentrum durchführen
zu lassen.
2.4 Etablierte extraösophageale Manifestationen (EÖM) der GERD
2.4.1 Definition
Eine einheitliche Definition der extraösophagealen Refluxkrankheit (synonym: „EÖM“,
„atypische GERD“, „laryngopharyngealer Reflux“, „stiller Reflux“) existiert nicht.
Ursache hierfür ist insbesondere das fehlende Verständnis der Pathophysiologie der
auftetenden Symptome. Die am häufigsten diskutierten Theorien umfassen drei verschiedene
Erklärungsansätze. Der Terminus EÖM legt nahe, dass Mageninhalt in die Speiseröhre
zurückfließt, den oberen Ösophagussphinkter passiert und in den Oropharynx gelangt.
Hierdurch oder durch zusätzliche Mikroaspirationen werden dann Symptome im Bereich
des Mundrachenraums, respektive der oberen und unteren Atemwege ausgelöst [407 ]. Ein weiterer pathophysiologischer Erklärungsansatz für die Entstehung von EÖM-Symptomen
ist die durch einen fortwährenden Entzündungsreiz von Mageninhalt auf die Schleimhaut
des distalen Ösophagus bedingte Aktivierung von Afferenzen des Nervus vagus im distalen
Ösophagus, die zu einer Bronchokonstriktion oder zur Aktivierung des Hustenreflexes
führt [408 ]. Zudem wird diskutiert, dass EÖM-Symptome durch Säureproduktion im Larynxepithel,
also durch ortsständig vorhandene Protonenpumpen, ausgelöst werden können [409 ]
[410 ]. Asthma bronchiale, chronischer Husten, Laryngitis und dentale Erosionen sind Erkrankungen,
die als EÖM der gastroösophagealen Refluxkrankheit (GERD) auftreten können. Obwohl
es sich um häufige Erkrankungen handelt, scheint nur ein kleiner Anteil der Patienten
die Symptome auf dem Boden einer GERD zu entwickeln, insbesondere wenn keine parallel
bestehenden typischen Refluxsymptome vorhanden sind [411 ]. Die Kausalität für ein refluxbedingtes Asthma wurde durch eine multizentrische
Therapiestudie mit hochdosierten PPI bei Erwachsenen zwar angezweifelt [412 ], jedoch reicht die Datenlage nicht aus, um den Einfluss von GERD auf das Asthma
bronchiale als EÖM auszuschließen.
In der Literatur findet sich zunehmend Evidenz dafür, dass die EÖM einen wesentlichen
Faktor in dem Pathomechanismus der idiopathischen Lungenfibrose und diffusen Lungenparenchymerkrankungen
im Rahmen von Kollagenosen spielt. Auch zeigte sich ein entsprechender Therapieeffekt
durch PPI auf den Krankheitsverlauf [413 ]
[414 ]
[415 ].
Mögliche extraösophageale Manifestationen einer GERD sind chronischer Husten, Asthma,
Laryngitis und dentale Erosionen.
Starker Konsens
Kommentar
Chronischer Husten, Asthma, Laryngitis und dentale Erosionen sind etablierte extraösophageale
Manifestationen der gastroösophagealen Refluxkrankheit [411 ]
[416 ]. Die Erkrankungen kommen zwar sehr häufig vor, jedoch scheint nur ein kleiner Anteil
der betroffenen Patienten tatsächlich an einer GERD erkrankt zu sein. Erschwert wird
die Beurteilung der Symptomursache dadurch, dass viele Patienten kaum typische Refluxsymptome
aufweisen. Mehrheitlich scheinen die Symptome der meisten EÖM-Patienten multifaktoriell
bedingt zu sein [417 ].
2.4.2 Diagnostik bei Verdacht auf eine EÖM
Ein etablierter Diagnostikalgorithmus zur Abklärung einer EÖM der GERD existiert nicht.
Aufgrund der vielfältig interpretierbaren oropharyngealen bzw. laryngealen Symptome
der o. g. etablierten Manifestationsformen der EÖM ist deshalb eine isolierte, also
eine auf ein spezialisiertes Fachgebiet begrenzte Betrachtung, häufig nicht ausreichend.
Eine interdisziplinäre Betreuung dieser Patienten ist sinnvoll.
Bei Verdacht auf eine extraösophageale Manifestation ohne typische Refluxsymptome
und ohne gesicherte GERD kann nach Ausschluss anderer Ursachen eine GERD-Diagnostik
erfolgen.
Starker Konsens
Kommentar
Die Diagnostik sollte nach klinischer Wertigkeit der Symptome individuell auf den
Patienten und die verfügbaren diagnostischen Möglichkeiten bezogen werden. Die zur
Verfügung stehenden diagnostischen Möglichkeiten umfassen insbesonde die Endoskopie
des oberen Gastrointestinaltrakts, die funktionsdiagnostische Prüfung mittels Ösophagusmanometrie,
pH-Metrie in Kombination mit der Impedanzmessung, zudem die Laryngoskopie, radiologische,
phoniatrische und pulmonologische Funktionsprüfungen, sowie in Einzelfällen bildgebende
Verfahren wie Sonografie, CT oder MRT. Weiterhin ist die probatorische Protonenpumpeninhibitorentherapie
(8 Wochen doppelte Standarddosis) von diagnostischer Bedeutung, da im Fall eines Therapieansprechens
die Diagnose einer EÖM wahrscheinlich ist. Die derzeit valideste Technik zum Nachweis
eines pathologischen Refluxes als mögliche Ursache einer EÖM ist die Kombination aus
pH-Metrie (Platzierung der Antimonsonde 5 cm oberhalb des gastroösophagealen Übergangs)
und Impedanzmessung [418 ]
[419 ]
[420 ].
2.4.3 Therapie bei verdächtigter EÖM einer GERD
Die Therapie der gesicherten EÖM der GERD beschränkt sich ebenso wie die Therapie
der typischen GERD auf zwei Hauptansätze. Die medikamentöse Therapie mit einem PPI
und die chirurgische Therapie mittels laparoskopischer Fundoplicatio.
Bei Verdacht auf eine extraösophageale Manifestation mit typischen Refluxsymptomen
oder einer bereits gesicherten GERD sollte eine empirische PPI-Therapie erfolgen.
Konsens
Kommentar
Die Evidenz aus Therapiestudien ist widersprüchlich, es gibt für die verschiedenen
extraösophagealen Manifestationen sowohl (meist nur schwach) positive [421 ]
[422 ] als auch negative Studien [423 ]
[424 ]
[425 ]. Die widersprüchlichen Resultate können durch mehrere Faktoren erklärt werden. Die
zur Verfügung stehenden Therapieansätze berücksichtigen nur unzureichend die potenzielle
Multikausalität der EÖM. Die probatorische PPI-Therapie (wie oben erwähnt) sollte
aufgrund der guten Verträglichkeit primär angewendet werden. Aufgrund des schlechteren
Therapieansprechens bei Symptomen der EÖM im Vergleich zu typischen GERD-Symptomen
ist ein objektivierter Nachweis der Refluxkrankheit vor Beginn der medikamentösen
Therapie prinzipiell wünschenswert. Auch die chirurgische Therapie hat das Potenzial
in sehr selektionierten Fällen – insbesondere nach objektiviertem, symptomassoziierten
Nachweis eines pathologischen Refluxes, sowie dem Ausschluss von Motilitätsstörungen
– sowohl dem sauren, dem nicht sauren, als auch dem Volumenreflux – entgegenzuwirken
und EÖM-Symptome zu lindern [426 ]
[427 ]. Für eine generelle Empfehlung reichen die Daten derzeit aber nicht aus.
2.5 Barrett-Ösophagus
2.5.1 Endoskopische und histologische Diagnosesicherung
Die Diagnose Barrett-Ösophagus wird bei endoskopisch-makroskopischem Verdacht histologisch
durch Nachweis von spezialisiertem intestinalen metaplastischen Zylinderepithel gestellt.
Starker Konsens
Kommentar
Das spezialisierte intestinale metaplastische Zylinderepithel ist durch Becherzellen
gekennzeichnet („intestinale Metaplasie“). Diese fehlen in einem Zylinderepithel vom
Korpus- oder Fundustyp, das ebenfalls in einem mit Zylinderepithel ausgekleideten
Ösophagus vorkommen kann. In wieweit die Diagnose eines Barrett-Ösophagus den Nachweis
von metaplastischem Zylinderepithel mit Becherzellen im Sinne einer intestinalen Metaplasie
erforderlich macht oder auch ein Zylinderepithel ohne Becherzellen ausreicht, ist
seit einigen Jahren in Diskussion.
In retrospektiven Studien aus England ergab sich ein gleiches Karzinomrisiko für einen
mit Zylinderepithel ausgekleideten distalen Ösophagus mit und ohne Becherzellen [428 ]
[429 ]. Dies hat dazu geführt, dass die British Society of Gastroenterology bereits im
Jahr 2005 auch metaplastisches Zylinderepithel ohne Becherzellen als Barrett-Ösophagus
bezeichnet [430 ].
Allerdings fehlen prospektive randomisierte Studien, sodass der Nutzen einer regelmäßigen
Überwachung von Patienten mit Zylinderepithel ohne Becherzellen nicht sicher belegt
ist. Wesentliche Daten, die eine regelmäßige Überwachung ausschließlich von Patienten
mit histologisch nachgewiesener intestinaler Metaplasie unterstützen, hat eine Metaanalyse
aus dem Jahr 2008 zur Karzinominzidenz im Barrett-Ösophagus beigetragen [431 ]. In dieser Publikation ergab sich bei einer alleinigen Betrachtung der Patienten
mit intestinaler Metaplasie eine Karzinominzidenz von 4,7/1000 Personenjahre. Nach
wie vor muss der Nachweis einer intestinalen Metaplasie als Standard für die Diagnose
Barrett-Ösophagus angesehen werden, solange das Karzinomrisiko für Patienten mit einem
Zylinderepithel ohne Becherzellen nicht sicher belegt ist.
Bei Nachweis von gastralem Epithel (nach Montreal-Klassifikation auch als Barrett
mit Zusatz GM) sollte innerhalb eines Jahres eine Kontroll-ÖGD erfolgen.
Starker Konsens
Kommentar
Die Wahrscheinlichkeit, eine intestinale Metaplasie in einem mit Zylinderepithel ausgekleideten
Ösophagus nachweisen zu können, hängt von der Länge des endoskopisch verdächtigen
Segmentes sowie von der Anzahl der gewonnenen Biopsien ab [429 ]. Wenn klinisch-endoskopisch bei einem Patienten der Verdacht auf einen Barrett-Öspophagus
besteht, eine intestinale Metaplasie aber histologisch nicht nachweisbar ist, kann
eine Kontrollbiopsie den Becherzellnachweis erbringen und einen evtl. Sampling error
der ersten Biopsie ausgleichen. Darüber hinaus können Karzinome prinzipiell auch in
umgebender Zylinderepithelmetaplasie vom Kardia- bzw. Fundustyp entstehen, wie an
einer Untersuchung von kleineren Tumoren in Mukosektomiepräparaten gezeigt wurde [432 ].
Die endoskopische Beschreibung soll nach der Prag-Klassifikation erfolgen, die die
zirkuläre Ausdehnung der Zylindermetaplasie nach proximal in den Ösophagus (C) und
die maximale Ausdehnung der Zylinderepithelmetaplasie (M) umfasst.
Starker Konsens
Kommentar
Der Nachweis einer spezialisierten Zylinderepithelmetaplasie im distalen Ösophagus
ist für den Patienten mit einem erhöhten Karzinomrisiko verbunden. Bisher wurde bei
einer willkürlich gewählten Länge von 3 cm ein Short- (< 3 cm) von einem Long- (≥ 3 cm)
Barrett-Ösophagus unterschieden. Die Angabe der Ausdehnung des intestinalen metaplastischen
Zylinderepithels ist von Bedeutung, da Studien gezeigt haben, dass Patienten mit Long-Barrett-Ösophagus
ein höheres Karzinomrisiko haben, als solche mit Short-Barrett-Ösophagus [433 ]
[434 ]
[435 ]. Die neuere Prag-Klassifikation beinhaltet sowohl die Angabe der zirkumferenziellen
(C) als auch der maximalen Ausdehnung (M) der Zylinderepithelmetaplasie [436 ]. Da bei einer Ausdehnung von mindestens 1 cm eine ausgezeichnete Interobserverübereinstimmung
besteht, soll in Zukunft diese Klassifikation verwendet werden.
Die Bestimmung des gastroösophagealen Übergangs soll endoskopisch erfolgen und entspricht
dem proximalen Ende der Magenfalten ohne Luftinsufflation und ohne Peristaltik.
Starker Konsens
Kommentar
Analog der Leitlinie von 2005 erfolgt die Bestimmung des gastroösophagealen Übergangs
endoskopisch. Aufgrund von fehlenden alternativen Landmarken bestimmen die proximalen
Magenfalten den gastroösophagealen Übergang. Schwierigkeiten ergeben sich bei starker
Peristaltik, schlecht sedierten Patienten oder bei großen axialen Hiatushernien [437 ].
Eine Empfehlung zur Prävention der Entwicklung von Neoplasien im Barrett-Ösophagus
kann nach heutigem Kenntnisstand nicht abgegeben werden.
Starker Konsens
Kommentar
Anhand der verfügbaren Literatur ist eine generelle Empfehlung zum Einsatz von Protonenpumpeninhibitoren
und NSAID für die Prävention von Neoplasien bei Patienten mit Barrett-Ösophagus derzeit
nicht möglich.
Verschiedene Ex-vivo- und In-vitro-Studien konnten zeigen, dass Magensäure DNA-Schäden
verursacht und proliferative sowie antiapoptotische Effekte haben kann und somit wurde
indirekt auf einen karzinompräventiven Effekt einer säuresuppressiven Therapie geschlossen
[438 ]
[439 ]. Darüber hinaus ermittelten Beobachtungsstudien und auch eine multizentrische Kohortenstudie
einen umgekehrten Zusammenhang zwischen einer PPI-Therapie und der Entstehung von
Dysplasien bzw. intraepithelialen Neoplasien [440 ]
[441 ].
Es bleibt festzuhalten, dass die in-vitro-Daten durchaus widersprüchlich sind [442 ] und auch in-vivo-Daten am Rattenmodel vermuten lassen, dass eine Säuresuppression
bei Vorliegen eines duodenalen Refluxes sowohl inflammatorische Veränderungen als
auch molekulare Proliferationsmarker steigert [443 ]. PPI führten lediglich zur Reduktion akuter entzündlicher Veränderungen, während
chronische-entzündliche Veränderungen persistierten.
Letztlich ist entscheidend, dass kontrollierte, randomisierte klinische Langzeitstudien
fehlen. Die Ergebnisse einer multizentrischen, kontrollierten, randomisierten Langzeitstudie
zum chemopräventiven Effekt von Esomeprazol mit und ohne Aspirin bei Patienten mit
Barrett-Ösophagus, werden seit 2011 erwartet [444 ].
Zahlreiche Beobachtungsstudien zeigten bisher auch für ASS und NSAID einen positiven
chemopräventiven Effekt hinsichtlich der Entstehung eines ösophagealen Adenokarzinoms
[445 ]
[446 ]
[447 ]. Bei nicht unerheblichem gastrointestinalen und kardiovaskulären Nebenwirkungsprofil
von NSAID, wie z. B. Blutungen und Herzinsuffizienz [448 ] sowie bestehenden Unklarheiten hinsichtlich der optimalen Dosierung und Dauer der
Behandlung kann insbesondere aufgrund des Fehlens von placebokontrollierten, randomisierten
Studien das Nutzen-Risiko-Verhältnis derzeit nicht abgeschätzt werden.
Als Standard für die endoskopische Diagnostik bei Patienten mit Barrett-Ösophagus
soll die hochauflösende Videoendoskopie gelten.
Starker Konsens
Kommentar
Die hochauflösende Videoendoskopie muss zwischenzeitlich als Standard in der gastrointestinalen
Endoskopie erachtet werden. Dies gilt v. a. für die Detektion der Barrett-Neoplasie,
da gerade hier diskrete Veränderungen verlässlich erkannt werden sollen und das weitere
Prozedere doch erheblich vom Nachweis oder Ausschluss einer Neoplasie abhängt. Neoplasiesuspekte
Areale sind gekennzeichnet durch leicht polypoide Erhabenheiten mit Unterbrechung
der villösen Struktur, diskreten Einkerbungen, Ulzerationen aber auch Rötungen mit
auffälligem Gefäßmuster. Nach diesen Veränderungen sollte gezielt gesucht werden.
Auch lassen retrospektive Daten [449 ] vermuten, dass Neoplasien v. a. im rechten oberen Quadranten zu finden sind.
Glasfaserendoskope sind obsolet zur Diagnostik. Daten zur Videoendoskopie mittels
HDTV stehen aktuell noch aus, eine allgemeine Empfehlung diesbezüglich kann daher
nicht getroffen werden. Grundsätzlich kann jedoch auch bei unzulänglicher Evidenz
gefolgert werden, dass ein besseres Bild wohl auch zu einer besseren Detektion führt.
Unabhängig hiervon soll jedoch auch zur besseren Inspektion auf die Notwendigkeit
von ruhigen Untersuchungsverhältnisse (adäquate Sedierung bei würgenden Patienten)
sowie auf die sorgfältige Entfernung von Schaum, Speichel- oder Nahrungsresten hingewiesen
werden.
Bei endoskopischen Verdacht oder bereits gesichtertem Barrett-Ösophagus soll eine
gezielte Biopsie aller suspekten Areale und anschließenden 4-Quadranten-Biopsie alle
1 – 2 cm erfolgen. Suspekte Areale sollen getrennt asserviert und histopathologisch
untersucht werden. Ansonsten bedarf es nicht einer getrennten Asservierung der Biopsien.
Starker Konsens
Kommentar
Trotz aller verfügbaren modernen bildgebenden Verfahren erscheint die 4-Quadranten-Biopsie
nach sorgfältiger endoskopischer Evaluation immer noch notwendig. Endoskopisch suspekte
Areale sollten zunächst biopsiert werden und auch getrennt asserviert werden. Dies
erscheint sinnvoll, um vor etwaiger Mukosektomie eine bessere Lokalisation des neoplastischen
Areals zu ermöglichen. Zur Bestimmung der Lage sollte die Höhe ab Zahnreihe und die
Lage entsprechend eines Ziffernblatts (z. B. 34 cm 2.00 Uhr) angegeben werden.
Die getrennte Asservierung einzelner 4-Quadranten-Biopsien erscheint nicht notwendig,
da hier zum einen die Lokalisation sehr schwer reproduzierbar ist und zum anderen
bei endoskopisch nicht sichtbarer Neoplasie auch die Ablation des gesamten Barrettsegments
erfolgen sollte (s. endoskopische Therapie) [450 ]
[451 ]
[452 ].
Die Chromoendoskopie (Indigocarmin, Essigsäure) sowie die computergestütze Chromoendoskopie
(NBI, FICE und I-scan) können zusätzlich im Rahmen einer Überwachungsendoskopie angewandt
werden.
Starker Konsens
Kommentar
Die Chromoendoskopie nach Applikation von Methylenblau [453 ] oder Kristallviolett [454 ] ist inzwischen aufgrund potenziell toxischer und mutagener Nebenwirkungen nicht
mehr gebräuchlich. Benutzt werden kann die lokale Applikation von Essigsäure 1,5 %
[455 ] oder Indigokarmin [456 ]. Hierunter färbt sich die Mukosa zwar nicht an, es tritt jedoch eine Kontrastverstärkung
auf, um die für Barrett typische Gyrierung der Mukosa oder Irregularitäten bei Neoplasien
besser darzustellen. Zu diesen Verfahren muss jedoch erwähnt werden, dass die Treffsicherheit
mit diesen Verfahren mit der Expertise des jeweiligen Untersuchers zusammenhängt,
und weiterhin die bisher publizierten Studien zum Teil auch widersprüchliche Ergebnisse
liefern. Zudem muss beachtet werden, dass die Aussagekräftigkeit der Chromoendoskopie
bei Patienten mit kurzem Barrettsegmenten und entzündlichen Veränderungen limitiert
ist [457 ]
[458 ].
Als Alternative zur Chromoendoskopie gibt es optische Verfahren beruhend auf einer
Veränderung des Lichtspektrums, um somit mehr oder weniger eine digitale Chromoendoskopie
auf „Knopfdruck“ zu ermöglichen (NBI, FICE, I-scan). Diese Methoden ermöglichen ebenfalls
eine Kontrastverstärkung und insbesondere eine bessere Darstellung vaskulärer Strukturen.
Die bisher noch eher spärlich verfügbaren Daten berichten über eine einfachere Detektion
von Zylinderepithel und möglicherweise auch von neoplastischen Arealen im Barrettsegment
[459 ]
[460 ]. Größere Serien fehlen jedoch hier. Auch sind die Ergebnisse z. T. widersprüchlich
[461 ]; eine eindeutige Empfehlung kann daher nicht ausgesprochen werden.
Andererseits besteht kein Grund diese Verfahren – soweit verfügbar – zusätzlich zur
Weisslichtvideoendoskopie nicht einzusetzen, da in jedem Fall ein zusätzlicher Informationsgewinn
durch das jeweilige optische Verfahren besteht und das Standardverfahren dadurch nicht
ersetzt wird.
2.5.2 Therapie und Verlaufskontrolle
Eine endoskopische Therapie/Ablation von nicht neoplastischer Barrettschleimhaut soll
nicht erfolgen.
Konsens
Kommentar
Das Risiko der Progression eines nicht neoplastischen Barrett-Ösophagus hin zur hochgradigen
intraepithelialen Neopalsie oder Adenokarzinom ist äußerst niedrig und wird in neueren
Studien mit 0,12 bis 0,33 % pro Jahr angegeben [462 ]
[463 ]. Diesem niedrigen Risiko steht das Komplikationsrisiko einer ablativen Therapie
entgegen. Selbst im Rahmen einer Therapie mittels Radiofrequenzablation, die Methode
mit der niedrigsten Komplikationsrate, kommt es in 6,5 – 9 % zu relevanten Komplikationen
wie Stenosen [464 ]
[465 ]. Zudem wäre die Voraussetzung für eine Ablationstherapie von nicht neoplastischer
Barrettschleimhaut eine sehr hohe Rate kompletter Ablationen in Verbindung mit einem
äußerst niedrigen Rezidivrisiko. Gerade neuere Daten zur Radiofrequenzablation legen
nahe, dass der Langzeiterfolg der Radiofrequenzablation unbefriedigend ist, sodass
eine komplette Ablation in der Mehrheit der Fälle nicht gewährleistet werden kann.
Ein weiteres wichtiges Argument gegen eine prophylaktische Ablation nicht neoplastischer
Barrettschleimhaut sind die hohen Kosten und trotz Therapie die Notwendigkeit einer
lebenslangen Überwachung. Langzeitdaten, welche die Ablation unterstützen würden,
liegen nicht vor.
Bei Nachweis entzündlicher Veränderungen sollte vor Biopsieentnahme eine vierwöchige
PPI-Therapie mit anschließender 4-QPE erfolgen.
Mehrheitliche Zustimmung
Kommentar
Wie bereits erwähnt (siehe endoskopische Diagnostik), sind Neoplasien im Barrett-Ösophagus
häufig durch diskrete Rötungen, Ulzerationen, Einkerbungen oder leicht polypoide Erhabenheiten
gekennzeichnet. Hierbei muss jedoch berücksichtigt werden, dass entzündliche Veränderungen
ein ähnliches Muster aufweisen können. Es besteht daher das Risiko von falsch positiven
Befunden. Zudem kann nicht nur die endoskopische, sondern auch die histologische Diagnostik
durch das gleichzeitige Vorhandensein einer Entzündung falsch ausfallen. Obgleich
hierfür keine Evidenz existiert, mag es daher als sinnvoll erachtet werden, vor Durchführung
einer Screening- oder Überwachungsendoskopie eine mindestens vierwöchige säuresuppressive
Therapie mit Protonenpumpeninhibitoren durchzuführen, um die Heilung akut entzündlicher
Veränderungen zu bewirken, „echte“ Neoplasien zu demaskieren und somit die endoskopisch-bioptische
Treffsicherheit zu erhöhen.
Bei Nachweis einer niedriggradigen intraepithelialen Neoplasie (LGIN) im Barrett-Ösophagus,
die durch einen Referenzpathologen[4 ] zu bestätigen ist, und Vorliegen sichtbarer Veränderungen soll die endoskopische
Resektion erfolgen.
Starker Konsens
Kommentar
Die gesicherte niedriggradige intraepitheliale Neoplasie ist eine relevante Erkrankung
mit hoher Progressionsrate. Die Diagnose einer niedriggradigen intraepithelialen Neoplasie
(LGIN) muss immer durch einen erfahrenen Referenzpathologen überprüft werden, da es
sich in den meisten Fällen um eine Fehldiagnose handelt [466 ]
[467 ]
[468 ]
[469 ]. Eine kürzlich publizierte Studie der Amsterdamer Arbeitsgruppe konnte eindrucksvoll
zeigen, dass bei einer Kohorte von 147 Patienten mit der Diagnose niedriggradige intraepitheliale
Neoplasie, die von Nicht-Expertenpathologen gestellt wurde, die Diagnose nur bei 22
Patienten (15 %) bestätigt werden konnte [468 ]. In der Mehrzahl der Fälle handelte es sich um die Fehlinterpretation entzündlicher
und regeneratorischer Veränderungen. Interessanterweise kam es nach einer mittleren
Nachbeobachtungszeit von 51,1 Monaten bei 42 % der Patienten mit echter niedriggradiger
intraepithelialer Neoplasie zur Progression. Im Vergleich lag die Rate der Progression
in der Gruppe der Patienten ohne LGIN bei 2,2 %. Somit liegt die jährliche Inzidenz
der HGIN und des Adenokarzinoms in der Gruppe der LGIN bei 13,4 % und in der Gruppe
der nicht bestätigten LGIN bei 0,49 %. Diese Zahlen verdeutlichen die Relevanz der
Diagnose LGIN. Da es sich bei einer LGIN in Verbindung mit einer sichtbaren Läsion
schon bereits um eine HGIN oder ein Adenokarzinom handeln kann, welches bioptisch
nicht erfasst wurde, soll immer eine endoskopische Resektion mit diagnostischer und
therapeutischer Intention erfolgen. Eine Kontrollendoskopie im empfohlenen Intervall
von 6 Monaten würde in diesem Fall eine Therapie unnötig verzögern, sodass es zu einer
Progression hin zu einer nicht mehr endoskopisch kurativ angehbaren Läsion kommen
kann.
Bei Nachweis einer niedriggradigen intraepithelialen Neoplasie im Barrett-Ösophagus,
die durch einen Referenzpathologen bestätigt wird, ohne makroskopisch sichtbare Veränderungen
in der Barrettschleimhaut sollen Verlaufskontrollen nach 6 Monaten und dann jährlich
erfolgen.
Starker Konsens
Kommentar
Wie bereits beschrieben handelt es sich bei der LGIN um eine Diagnose mit hoher Progressionsrate
[459 ]
[463 ]
[470 ]. Aus diesem Grunde ist es wichtig, dass eine sorgfältige Kontrollendoskopie nach
6 Monaten mit Biopsie aller sichtbaren Läsionen und anschließender 4-Quadranten-Biopsie
alle 1 – 2 cm erfolgt. Sollte erneut eine LGIN diagnostiziert werden, muss erneut
eine Kontrollendoskopie nach 6 Monaten erfolgen. Alternativ kann analog zur LGIN mit
sichtbaren Veränderungen eine Ablation der Barrettschleimhaut mit LGIN erfolgen, wenn
keine sichtbare Läsion vorliegt.
Eine Radiofrequenzablation des gesamten Barrettsegments zur Verhinderung einer Progression
der endoskopisch nicht sichtbaren niedriggradigen EIN kann erfolgen.
Starker Konsens
Kommentar
Die Radiofrequenzablation (RFA) von Barrettepithel mit LGIN ist sicher und effektiv.
In einer prospektiv-randomisierten scheinkontrollierten Studie von Shaheen et al.
konnten mittels RFA 95 % der LGIN eliminiert werden [471 ]. Interessanterweise kam es auch in der Scheintherapiegruppe zu einer Elimination
in 26 %. Eine Progression zur HGIN wurde in der RFA-Gruppe in 5 % beobachtet. In der
Kontrollgruppe lag diese bei 14 %. Schwere Komplikationen traten in 3,6 % und Stenosen
in 6 % in der Therapiegruppe auf.
Eine prospektiv-randomisierte Studie konnte nun die Frage beantworten, ob eine RFA
bei Vorliegen von LGIN die Progression zur HGIN oder zum Adenokarzinom verhindern
kann. In der sog. SURF-Studie wurden 136 Patienten mit LGIN 1:1 in den RFA- bzw. Beobachtungsarm
randomisiert [472 ]. Eine komplette Remission der LGIN konnte in 98 % der Patienten im Therapiearm erreicht
werden. Bei 37 % der Patienten in der Beobachtungsgruppe konnte im Verlauf keine LGIN
mehr gefunden werden. Bezüglich der Progression zeigte sich bereits nach einem medianen
Nachbeobachtungszeitraum von 21 Monaten ein hochsignifikanter Unterschied zwischen
beiden Gruppen: In der Therapiegruppe kam es bei 1,5 % der Patienten zu einer Progression
und in der Beobachtungsgruppe bei 25 %. Dieser Unterschied legt nahe, dass die RFA
eine gute Alternative zur Verlaufskontrolle nach 6 Monaten zu sein scheint. Allerdings
können anhand der Studie keine Aussagen zum Langzeitverlauf getroffen werden.
Bei Nachweis einer hochgradigen intraepithelialen Neoplasie oder eines mukosalen Karzinoms
im Barrett-Ösophagus soll eine endoskopische Resektion erfolgen, da hierdurch neben
der Therapie auch ein Staging der Läsion mit der Frage der Tiefeninfiltration erfolgt.
Starker Konsens
Kommentar
Das Vorliegen einer HGIN oder eines mukosalen Adenokarzinoms im Barrett-Ösophagus
ist eine klare Indikation zur Therapie. Die Therapie der Wahl stellt die endoskopische
Resektion (ER) dar [473 ]
[474 ]. In zahlreichen Kohortenstudien konnte gezeigt werden, dass es sich bei der ER um
eine effektive und sichere Therapie handelt, die bei niedrigerer Komplikationsrate
eine ähnliche Kurationsrate wie die Ösophagusresektion aufweist [475 ]
[476 ]
[477 ]
[478 ]
[479 ]
[480 ]
[481 ]
[482 ]. Mit der ER kann sowohl eine komplette Entfernung der neoplastischen Läsion als
auch ein exaktes histologisches Staging erreicht werden. Der Pathologe kann durch
sorgfältige Aufarbeitung des Resektats eine genaue Aussage über die Tiefeninfiltration,
den Differenzierungsgrad und das mögliche Vorliegen einer Lymph- und Blutgefäßinfiltration
treffen. Somit kann eine Risikostratifizierung erfolgen, sodass nach Durchführung
der ER die Weichen entweder hin zu einer chirurgischen Therapie oder zu einer Fortsetzung
der endoskopischen Therapie gestellt werden kann. Indikationen für eine Ösophagusresektion
sind:
Lymphgefäßinvasion (L1) oder Veneninvasion (V1)
Infiltration des oberen Drittels der Submukosa (T1sm1) und Vorliegen eines der folgenden
Risikofaktoren: Größe > 20 mm, schlechter Differenzierungsgrad (G3)
tiefe Infiltration in die Submukosa (≥ 500 μm)
Tumorrest am basalen Resektionsrand (R1 basal) [483 ]
[484 ]
[485 ].
Sollte ein schlechter Differenzierungsgrad bei mukosalem Barrettkarzinom vorliegen,
ist das Risiko eines Rezidivs erhöht, jedoch handelt es sich nach vorliegenden Daten
nicht um einen Risikofaktor für Lymphknotenmetastasen. Im Falle einer nicht sicher
kompletten ER oder „Piece-meal“-ER einer neoplastischen Läsion mit Nachweis von Tumor
am lateralen Resektionsrand (R1 lateral) ist zunächst keine operative Therapie indiziert.
Im Rahmen der nächsten Verlaufskontrolle ist eine sorgfältige Evaluation der Resektionsstelle
und ggf. Nachresektion bei Vorliegen von Neoplasieresten indiziert [477 ].
Die ER wird meistens in Saug-und-Schneide-Technik entweder mithilfe eines Ligatursets
(ER-L) oder einer Kappe (ER-C) durchgeführt. Mit diesen Techniken können neoplastische
Läsionen bis zu einer Größe von 15 mm in der Regel komplett reseziert werden. Bei
größeren neoplastischen Läsionen erfolgt die Resektion in „Piece-meal“-Technik. Ein
Nachteil der „Piece-meal“-ER ist die höhere Rezidivrate als bei der Resektion kleinerer
Läsionen en bloc [477 ]. Weitere Risikofaktoren für ein Rezidiv sind:
multifokale Neoplasien
lange Therapiedauer
Long-Segment-Barrett-Ösophagus
nicht durchgeführte Ablation der Rest-Barrettschleimhaut
schlechter Differenzierungsgrad (G3)
Zur En-bloc-Resektion größerer Läsionen kann die endoskopische Submukosadissektion
eingesetzt werden. Mit dieser Technik kann eine vom onkologischen Standpunkt her wünschenswerte
R0-Resektion unabhängig von der Läsionsgröße erfolgen. Allerdings existieren für das
Barrettkarzinom kaum Daten. In einer prospektiven unizentrischen Studie bei 30 Patienten
mit HGIN oder fokalem Barrettkarzinom gelang eine komplette Resektion mit tumorfreien
Resektionsrändern trotz ESD in nur 38,5 % der Patienten [486 ]. Daten aus Japan zeigen, dass durchaus auch beim Barrett-Ösophagus in 90 % der Fälle
eine R0-Resektion möglich ist. Offensichtlich hängen die besseren Daten aus Japan
damit zusammen, dass die Resektate größer sind und ein höherer Sicherheitsabstand
zur Seite gewählt wird. Probst et al. zeigten, dass eine ESD beim Ösophaguskarzinom
auch hierzulande mit einer En-bloc-Resektionsrate von 95,4 % und einer R0-Resektionsrate
von 83,9 % möglich ist [487 ].
Eine Endosonografie kann vor endoskopischer Resektion zur Therapieplanung durchgeführt
werden.
Starker Konsens
Kommentar
Der endoskopische Ultraschall (EUS) ist im Staging (sowohl T- als auch N-Kategorie)
der Computertomografie überlegen [488 ]. Insbesondere bei Frage nach pathologisch vergrößerten Lymphknoten bleibt die EUS
(7,5 MHz) die Methode der Wahl [489 ]. Wenn man bestimmte Ultraschallkriterien (Größe, Echomuster, Anzahl, Lage zum Tumor)
für die Differenzierung maligner und benigner Lymphknoten zugrunde legt, erreicht
man mit dem EUS eine Genauigkeit von 80 % [490 ]
[491 ]. Kombiniert man den EUS mit der Feinnadelaspiration (FNA) erreicht man eine Genauigkeit
von 92 – 98 % [492 ]
[493 ]
[494 ].
Dennoch eignet sich der EUS mit 7,5 MHz nicht, IEN von Frühkarzinomen zu unterscheiden,
da eine sichere Differenzierung von hochgradigen IEN und Karzinomen nicht möglich
ist [495 ].
Im Falle einer primär nicht sichtbaren HGIN sollte ein Lokalisationsversuch in einem
endoskopischen Zentrum mit Erfahrung in der Diagnostik und Therapie von Frühkarzinomen
des oberen GI-Traktes erfolgen.
Starker Konsens
Kommentar
Sollte im Rahmen einer 4-Quadranten-Biopsie eines makroskopisch nicht suspekten Barrett-Ösophagus
eine HGIN diagnostiziert werden, soll eine erneute sorgfältige endoskopische Untersuchung
mit einem hochauflösenden Endoskop in einem Zentrum mit Erfahrung in der Diagnostik
und Therapie von Frühkarzinomen des oberen Gastrointestinaltrakts erfolgen [460 ]. In der Regel wird in mehr als 80 % der Patienten mit nicht sichtbarer HGIN die
neoplastische Läsion in einem Zentrum lokalisierbar [496 ]
[497 ]. Ein erfahrenes Zentrum wird in der Regel als Klinik mit mindestens 20 endoskopisch
behandelten Patienten mit Frühkarzinom des oberen GI-Traktes definiert [498 ]. Im Falle von makroskopisch suspekten Läsionen ist eine diagnostische ER indiziert.
Eine unkritische Ablation des Barrett-Ösophagus mittels RFA birgt die Gefahr der Untertherapie
einer übersehenen und weiter fortgeschrittenen neoplastischen Läsion. Diese würde
zur Verzögerung der kurativen Therapie führen und möglicherweise mit einer Verschlechterung
der Langzeitprognose einhergehen.
Ablative Therapieverfahren (PDT, APC, RFA) sind als Primärtherapie von HGIN und mukosalen
Karzinomen nicht geeignet, da keine histologische Sicherung der Diagnose erfolgt.
Als Ausnahme gilt hier die endoskopisch nicht eindeutig lokalisierte, aber histologisch
gesicherte HGIN. In diesen Fällen sollte nach endoskopisch-histologischer Bestätigung
der Diagnose im Rahmen einer Zweituntersuchung dann primär eine Radiofrequenzablation
des gesamten Barrettsegments erfolgen.
Starker Konsens
Kommentar
Alle ablativen Therapieverfahren haben unabhängig von der Methode den Nachteil, dass
es zu einer Destruktion der Neoplasie kommt und ein histologisches Staging somit nicht
möglich ist. Da kein Verfahren existiert, mit dem prätherapeutisch sämtliche o. g.
Risikofaktoren erfasst werden können, welche möglicherweise die Empfehlung einer Ösophagusresektion
nach sich ziehen würden, sollten ablative Verfahren bei HGIN und Adenokarzinomen nicht
als erstes Verfahren durchgeführt werden [498 ]
[499 ]. Eine Ausnahme ist das Vorliegen einer histologisch vom Referenzpathologen bestätigten
HGIN und dem wiederholt negativen Versuch der Lokalisation durch ein erfahrenes Zentrum
mit hoher Expertise in der endoskopischen Diagnostik und Therapie von frühen Neoplasien
im oberen GI-Trakt [471 ]
[499 ]. In einem derartigen Fall ist die Wahrscheinlichkeit sehr gering, dass eine weiter
fortgeschrittene Neoplasie vorliegt, sodass das Risiko der Untertherapie kaum gegeben
ist. Hier ist die RFA die Therapie der Wahl [471 ]
[500 ]. Alternativ kann bei zungenförmigem Barrett-Ösophagus eine komplette ER der Barrettzunge
erfolgen [480 ]
[501 ]. Hiermit wäre eine sowohl suffiziente Therapie als auch die histologische Korrelation
mit Staging gewährleistet.
Nach erfolgreicher Resektion von Neoplasien im Barrett-Ösophagus soll der nicht neoplastische
Barrett-Ösophagus abladiert werden, um die Rate an metachronen Neoplasien zu senken.
Starker Konsens
Kommentar
Nach erfolgreicher Resektion von Neoplasien im Barrett-Ösophagus soll der nicht neoplastische
Barrett-Ösophagus abladiert werden.
Ein Problem der fokalen ER von neoplastischen Läsionen im Barrett-Ösophagus liegt
in der hohen Rate von Rezidiven und metachronen Neoplasien. In den unterschiedlichen
Studien lag die Rate bei bis zu über 30 % [502 ]. Ein Grund sind übersehene multifokale Läsionen in der verbliebenen Barrettschleimhaut,
welche sich im Verlauf zu sichtbaren Neoplasien entwickeln. Ein weiteres Problem sind
die bestehenden genetischen Alterationen in der Barrettschleimhaut, die durch eine
fokale Therapie einer HGIN oder eines Adenokarzinoms nicht eliminiert werden können
und im Verlauf zu metachronen Neoplasien führen. In einer retrospektiven Analyse der
Wiesbadener Arbeitsgruppe an 349 Patienten konnte gezeigt werden, dass eine Ablation
der restlichen nicht neoplastischen Barrettschleimhaut nach erfolgreicher Therapie
der HGIN oder des mukosalen Karzinoms die Rate an metachronen Neoplasien signifikant
zu senken vermag [477 ]. Aus diesem Grunde hat sich international ein 2-stufiges Konzept etabliert: Zunächst
erfolgt die ER aller sichtbarer neoplastischer Läsionen und im Anschluss die Ablation
der nicht neoplastischen Barrettschleimhaut [440 ]
[477 ]
[481 ].
Für die Ablation stehen mehrere Verfahren zur Verfügung, allerdings haben sich im
klinischen Alltag lediglich die Radiofrequenzablation und die Argon-Plasma-Coagulation
(APC) durchgesetzt. Viele Jahre galt die Photodynamische Therapie (PDT) als gut untersuchtes
Standardverfahren [503 ]
[504 ]
[505 ]. Aufgrund der Komplexität der Therapie, der hohen Komplikationsrate (Stenosen und
Phototoxizität) und des inhomogenen Ablationseffektes wurde die PDT in der westlichen
Welt nahezu vollständig von der RFA abgelöst [471 ]
[500 ]
[506 ]. RFA hat die Vorteile der Einfachheit der Anwendung, einer niedrigen Komplikationsrate
und eines homogenen Ablationseffektes. In zahlreichen Studien konnte die Sicherheit
und Effektivität der RFA belegt werden. Allerdings zeigen kürzlich publizierte Langzeitergebnisse,
dass es in einer relevanten Anzahl von Patienten zu einem Rezidiv der Barrettschleimhaut
und einer Neoplasie kommt [507 ]
[508 ].
Ein weiteres Ablationsverfahren, das sich etabliert hat, ist die APC-Therapie. Aufgrund
der Einfachheit, der hohen Verfügbarkeit und der niedrigen Kosten im Vergleich zur
RFA wird die APC-Therapie vor allem zur Ablation des Short-Segment-Barrett-Ösophagus
eingesetzt [509 ]
[510 ]
[511 ]. Aufgrund des punktuellen Ablationseffekts ist eine Anwendung beim Long-Segment-Barrett-Ösophagus
komplexer und aufwendiger als die RFA. Allerdings existieren bis heute keine prospektiven
randomisierten Studien, die beide Methoden miteinander vergleichen.
Die Kryotherapie wird in den USA als alternatives Ablationsverfahren erfolgreich eingesetzt,
ist aber in Europa bislang noch nicht verfügbar und zugelassen [512 ]
[513 ].
Die komplette radikale ER des gesamten Barrett-Ösophagus ist ebenfalls eine Möglichkeit
der kompletten Entfernung der Neoplasie und der Barrettschleimhaut. Dieses Verfahren
geht allerdings mit einer nicht zu tolerierenden hohen Stenoserate von bis zu 88 %
einher [443 ]
[481 ]. Eine prospektive randomisierte Studie konnte eindeutig die Überlegenheit der Kombination
der ER mit der RFA im Vergleich zur radikalen ER belegen [482 ]. Aus diesem Grunde ist die radikale zirkumferenzielle ER der gesamten Barrettschleimhaut
nur in ausgewählten Fällen einzusetzen.
Die endoskopische Therapie von frühen Barrett-Neoplasien sollte nur in erfahrenen
Zentren mit Verfügbarkeit aller diagnostischen und therapeutischen Verfahren und Zugang
zu einer erfahrenen Ösophaguschirurgie erfolgen.
Konsens
Kommentar
Mittlerweile gibt es sehr gute Daten, dass eine Ösophagusresektion nur in Zentren
mit hoher Operationsfrequenz durchgeführt werden sollte. Die Ergebnisse des individuellen
Chirurgen verbessern sich mit wachsender Erfahrung und die Ergebnisse für den Patienten
und die Mortalitäts- und Morbiditätsrate sind in sogenannten „High-volume“-Zentren
deutlich besser [514 ]
[515 ]
[516 ].
Die ER von frühen Barrett-Neoplasien hat in Expertenzentren eine sehr niedrige Rate
an relevanten Komplikationen (< 3 %), allerdings ist die Komplikationsrate in der
Hand unerfahrener Endoskopiker während der ersten 20 ER deutlich höher [517 ]. Aus diesem Grunde ist es naheliegend, dass in Analogie zu den Empfehlungen für
Chirurgen auch die endoskopische Therapie nur von erfahrenen Endoskopikern in Zentren
mit hoher Expertise, Verfügbarkeit aller Therapieverfahren (ER, APC, RFA), Sicherheit
im Komplikationsmanagement und einer jährlichen Mindestanzahl von Patienten durchgeführt
werden sollte [498 ]. Auch nach endoskopischer Therapie und vor allem RFA kann es zu einer Progression
zu fortgeschrittenen Karzinomen kommen, sodass auch für die RFA ein hoher Grad an
Expertise und Erfahrung zu fordern ist [518 ]. Mangels publizierter Evidenz wurde die geforderte jährliche Mindestanzahl von ER
am gastroösophagelaen Übergang in den verschiedenen aktuellen Leitlinien zwischen
15 und 25 angegeben [498 ]
[519 ].
Da eine seltene aber kritische Komplikation der endoskopischen Therapie die Ösophagusperforation
darstellt (bis zu 5 %) ist es entscheidend, dass diese nur in Zentren mit raschem
und unmittelbarem Zugang zu einer erfahrenen Ösophaguschirurgie durchgeführt wird.
Nach erfolgreicher endoskopischer Resektion und Rest-Barrett-Ablation sollten Kontrollendoskopien
nach 3 Monaten, dann für 2 Jahre halbjährlich und danach jährlich erfolgen.
Starker Konsens
Kommentar
Das Problem der endoskopischen Therapie von Barrett-Neoplasien ist das Auftreten von
Rezidiven oder metachronen Läsionen, die bis zu 30 % betragen [475 ]. Da Rezidive oftmals einer erneuten endoskopischen Therapie zugänglich sind, sollten
in den ersten 2 Jahren nach Therapie die Kontrollen engmaschig erfolgen. Die Evidenz
für dieses Vorgehen ist gering und richtet sich im Wesentlichen nach der in Studien
durchgeführten Praxis.
Bei Patienten mit oberflächlicher Submukosainfiltration und ohne Risikokriterien (pT1
und sm1; < 500 μm, L0, V0, G1/2, < 20 mm, keine Ulzeration) kann die endoskopische
Resektion eine Alternative zur Ösophagusresektion sein.
Starker Konsens
Kommentar
Die Infiltrationstiefe des Barrett-Karzinoms ist entscheidend für den Befall von Lymphknoten
[520 ]. Eine Analyse von 472 Patienten zeigte, dass bei einem undifferenzierten Karzinom
ein Befall von oberflächlicher Mukosa (m1) in 0,8 % ein Lymphknotenbefall vorliegt,
bei einem Befall bis in die tiefe Submukosa (sm3) 41,4 % positive Lymphknoten nachzuweisen
sind [521 ]. Buskens et al. konnten mittels EUS in 93 % das Lymphknotenstadium korrekt voraussagen.
Bei m1-m3 sowie sm1 Tumoren fanden sich im EUS keine positiven Lymphknoten, während
bei sm2 in 23 % und bei sm3 in 69 % positive Lymphknoten nachweisbar waren [522 ]. Die Daten konnten von Westerterp et al. an 120 Patienten, die operiert wurden,
bestätigt werden. Von 79 Patienten mit m1-sm1 Tumoren hatte nur 1 Patient (1 %) positive
Lymphknoten, während 18 von 44 Patienten (44 %) mit einem T1(sm2/3) Tumor einen metastatischen
Befall der Lymphknoten [523 ]. Ancona et al. fanden ebenfalls keine positiven Lymphknoten im Stadium m1-sm1 [524 ]. Manner et al. behandelten 66 Patienten mit Low-risk-Läsionen (Infiltration sm1,
L0, V0, G1/2, keine Ulzeration). Eine komplette Remission konnte bei 53 Patienten
erzielt werden. Nach einem mittleren Follow-up von 47 ± 29,1 Monaten lag die geschätzte
5-Jahres-Überlebensrate bei 84 % [484 ]. Die Überwachungsintervalle richten sich nach dem Vorhandensein und dem Schweregrade
der intraepithelialen Neoplasien.
In Abhängigkeit vom Vorhandensein von intraepithelialen Neoplasien werden folgende
Überwachungsintervalle empfohlen:
Keine intraepitheliale Neoplasie: Kontrolle nach 1 Jahr, bei Bestätigung kann alle
3 – 4 Jahre eine Kontroll-ÖGD erfolgen
Leichtgradige intraepitheliale Neopasie: falls sichtbar endoskopische Therapie, sonst
im 1. Jahr halbjährlich, dann jährlich; alternativ kann eine Ablation mit RFA erfolgen
Hochgradige intraepitheliale Neoplasie: endoskopische Therapie empfohlen
Konsens
Kommentar
Die Überwachung scheint für alle Patienten sinnvoll, bei denen eine operative oder
endoskopische Therapie im Falle der Entdeckung eines Tumors möglich ist.
Die Überwachungsintervalle orientieren sich ausschließlich am Vorhandensein von intraepithelialen
Neoplasien. Die Länge des Barrett-Ösophagus stellt unverändert einen Risikofaktor
dar. Anaparthy et al. zeigten, dass das jährliche Risiko für Patienten mit einem Barrett-Ösophagus
< 3 cm ein Karzinom oder schwergradige IEN zu entwickeln bei 0,31 % liegt, bei einer
Länge des Barrett-Ösophagus über 13 cm lag das Risko bei 2,41 % [435 ].
Bei dieser Leitlinie wird jedoch die Länge des Barrett-Ösophagus nicht mehr bei den
Überwachungsintervallen berücksichtigt, da die willkürliche Einteilung in Long (> 3 cm)
und Short-Segment (< 3 cm) Barrett-Ösophagus durch die Prag-Klassifikation abgelöst
wurde. Für letztere gibt es aber keine Daten hinsichtlich des Risikos für eine Karzinomentwicklung.
Bislang existieren nur retrospektive Studien, die einen Vorteil der regelmäßigen endoskopischen
Überwachung beim Barrett-Ösophagus belegen [525 ]
[526 ]
[527 ]
[528 ]
[529 ]
[530 ], dennoch wird von zahlreichen Fachgesellschaften, so auch in der aktuellen Leitlinie
der AGA eine Überwachung empfohlen [531 ].
Obwohl das Barrett-Adenokarzinom in den letzten Jahren deutlich zugenommen hat, bleibt
dennoch festzustellen, dass neue Studien die Inzidenz für Barrett-Adenokarzinome deutlich
geringer ansetzen als noch vor 20 Jahren. Während Hameeteman et al. [532 ] noch von einer Inzidenz von 1,9 % ausgingen, haben Hvid-Jensen et al. [463 ] die Inzidenz mit 0,12 % und Desai et al. [462 ] mit 0,33 bzw. 0,19 % für den Short-Segment-Barrett veranschlagt.
Dass die Überwachungsintervalle in größeren Abständen, z. B. alle 4 Jahre, ausreichend
sein können, zeigt die Studie von Provenzale et al. [533 ]. Basierend auf einem computergestützten Modell untersuchten die Autoren die Wertigkeit
unterschiedlicher endoskopischer Überwachungsstrategien für Patienten mit Barrett-Ösophagus
in Abhängigkeit von der Karzinominzidenz. Für eine jährliche Karzinominzidenzrate
von 0,2 % lautet nach diesen Daten die Empfehlung, keine endoskopische Überwachung
durchzuführen. Bei einer Inzidenzrate von 1 bzw. 0,5 % sollte unter Berücksichtigung
der Kosten-Nutzen-Analyse eine endoskopische Überwachung im Abstand von zwei bzw.
vier Jahren erfolgen. Die neuen Empfehlungen von 2011 des „American College of Gastroenterology“
zur Überwachung bzw. Therapie von Patienten mit Barrett-Ösophagus werden modifiziert
übernommen [531 ].
Bei fehlenden IEN in der Indexuntersuchung sollte eine Kontrolle innerhalb eines Jahres
erfolgen, dann sind Kontrollen alle 3 – 4 Jahre ausreichend. Beim Nachweis von leichtgradigen
IEN sind diese durch einen Zweitpathologen zu bestätigen; endoskopische Kontrollen
werden jährlich empfohlen. Eine aktuelle randomisierte Studie zeigte, dass eine Radiofrequenzablation
von leichtgradigen IEN das spätere Karzinomrisiko signifikant senken konnte [536 ].
Das Vorhandensein einer hochgradigen IEN ist in etwa 40 % mit dem Vorhandensein von
nicht sichtbaren Karzinomen assoziiert [534 ]. Außerdem zeigte Weston an 15 Patienten mit unifokalen hochgradigen IEN, dass es
im Verlauf von 3 Jahren in 53,3 % zu einem Progress (multifokale hochgradige IEN/Karzinom)
kommt [535 ]. Demgegenüber steht zwar die Arbeit von Schnell et al., die zeigt, dass nach 6 Jahren
nur in 15 % Karzinome auftraten und das Vorhandensein eines Karzinoms das Überleben
nicht beeinflusste [443 ]. Zu dieser Arbeit muss jedoch kritisch angemerkt werden, dass bei 738 von 1099 untersuchten
Patienten (67 %) mit Barrett-Ösophagus eine geringgradige IEN diagnostiziert wurde.
Dieser hohe Anteil an geringgradigen IEN in einem Kollektiv von Patienten mit Barrett-Ösophagus
ist bisher einmalig in der Literatur und lässt Zweifel an der richtigen histopathologischen
Diagnose aufkommen. Treten hochgradige IEN multifokal auf, so ist das Karzinomrisiko
zusätzlich erhöht [536 ]. Ob eine sichere Differenzierung von hochgradigen IEN und Karzinom mittels Biopsietechnik
(„Seattle-Biopsy-Protocol“) möglich ist, wird kontrovers diskutiert [537 ]. Aufgrund dieser Unsicherheit und des erhöhten Karzinomrisikos wird die Therapie
der hochgradigen IEN in Analogie zum Frühkarzinom empfohlen.
2.6. Reflux bei Kindern
Bei der Diagnostik und Therapie des gastroösophagealen Refluxes (GÖR) im Kindes- und
Jugendalter gilt es insbesondere bei Neugeborenen, Säuglingen und Kleinkindern einige
Besonderheiten zu beachten. Diese Abweichungen werden im Folgenden zusammenfassend
dargestellt [538 ].
Bei Säuglingen und Kleinkindern kann die Verdachtsdiagnose einer Refluxkrankheit nicht
verlässlich anhand der Symptome gestellt werden; bei älteren Kindern und Jugendlichen
(> 12 Jahre) ist dies mit ähnlicher Zuverlässigkeit wie bei Erwachsenen möglich.
Starker Konsens
Kommentar
Bei Säuglingen und Kleinkindern ist kein Symptom oder Symptomkomplex eindeutig genug
für die Diagnose einer gastroösophagealen Refluxkrankheit (GERD) oder gar für die
Vorhersage des Effektes einer Therapie.
In der Pädiatrie sollte eine Funktionsdiagnostik mittels kombinierter pH-Metrie-Impedanzmessung
durchgeführt werden.
Starker Konsens
Kommentar
Die kombinierte pH-Impedanzmessung ist der alleinigen pH-Metrie bei der Evaluation
von einer GÖR-Symptomassoziation überlegen. Der kombinierte Test erkennt saure, schwach
saure und nicht saure GÖR und erfasst deren Steighöhe. Wichtig ist die sorgfältige
Dokumentation der Symptome während der Untersuchung.
Bei Kindern sollten im Rahmen der Endoskopie stets Biopsien aus dem Ösophagus zum
Ausschluss anderer Formen einer Ösophagitis durchgeführt werden.
Starker Konsens
Kommentar
Schleimhautbiopsien erlauben die Bewertung der mikroskopischen Anatomie. Eine makroskopisch
normale ösophageale Mukosa kann eine nicht erosive GERD oder Ösophagitiden anderer
Ätiologie, z. B. eine eosinophile Ösophagitis, nicht ausschließen.
Bei Verdacht auf anatomische Anomalien kann eine Röntgenuntersuchung des Ösophagus
und Magens indiziert sein.
Starker Konsens
Kommentar
Diese Untersuchung hilft, andere Ursachen für die bestehenden Symptome auszuschließen,
die Diagnose einer GERD ist mit ihr nicht möglich.
Der Pepsinnachweis in der bronchialen Lavageflüssigkeit zur Diagnose einer ösophagotrachealen
Aspiration soll nicht erfolgen.
Starker Konsens
Kommentar
Bisher existieren keine kontrollierten Studien zur Evaluation dieser Methode zur Diagnostik
bei V. a. GERD.
Eine empirische Therapie mit PPI bei Verdacht auf eine Refluxkrankheit soll bei Säuglingen
und Kleinkindern nicht erfolgen.
Starker Konsens
Kommentar
Die Symptome einer GERD bei Säuglingen und Kleinkindern sind zu unspezifisch, um eine
empirische Therapie mit PPI ohne Diagnostik zu rechtfertigen.
Eine empirische Therapie sollte bei älteren Kindern und Jugendlichen (> 12 Jahre)
analog zu dem Vorgehen bei Erwachsenen durchgeführt werden.
Starker Konsens
Bei Formula-ernährten Säuglingen mit Reflux soll bei V. a. eine Kuhmilchproteinallergie
ein Therapieversuch mit extensiv hydrolysierter Formulanahrung für 2 – 4 Wochen durchgeführt
werden.
Starker Konsens
Kommentar
Eine nicht IgE-vermittelte Kuhmilchproteinallergie kann eine Ursache für eine GERD
bei Säuglingen sein. Bei Ansprechen auf eine Eliminationsdiät soll nach 4 Wochen eine
Provokation mit kuhmilchproteinhaltiger Nahrung zum Beweis der Kausalität durchgeführt
werden.
Andicken der Formula-Nahrung bei Säuglingen kann zur Reduktion von sichtbaren Regurgitationen
erfolgen. Dies führt jedoch nicht zur Verminderung der Anzahl der Refluxepisoden.
Starker Konsens
Kommentar
In kontrollierten Studien mit angedickter Säuglingsnahrung konnte mithilfe der kombinierten
pH-Impedanzmessung gezeigt werden, dass diese Nahrung die Zahl der sichtbaren Regurgitationen
durch Reduktion der GERD-Steighöhe und nicht durch Reduktion der GERD-Anzahl vermindert.
Bei Säuglingen unter einem Jahr soll die Bauchlage und Rechtseitenlage nach Fütterung
(obwohl positiver Effekt auf Reflux) aufgrund des erhöhten Risikos für einen plötzlichen
Kindstod in diesen Schlafpositionen nicht erfolgen. Kinder > 1 Jahre können von der
Bauchlagerung profitieren.
Starker Konsens
Kommentar
Bei Kindern von Geburt bis zum Ende des ersten Lebensjahr wird aufgrund des erhöhten
SIDS-Risikos einheitlich die Rückenlage während des Schlafes empfohlen.
Bei refluxkranken Kindern jenseits des Säuglingsalters sollte keine spezielle Diät
in der Therapie empfohlen werden.
Starker Konsens
Kommentar
Bei älteren Kindern und Jugendlichen existiert keine Evidenz für die Elimination eines
spezifischen Nahrungsbestandteiles aus der Ernährung zur Therapie einer GERD.
Die medikamentöse Therapie sollte bei Kindern mit pathologischem sauren GÖR mit einem
PPI durchgeführt werden.
Starker Konsens
Kommentar
Zur Behandlung einer erosiven Ösophagitis oder von GERD-Symptomen sind PPI den H2RA
überlegen.
Bei Kindern können höhere PPI-Dosen/kg Körpergewicht als bei Erwachsenen erforderlich
sein.
Starker Konsens
H2 -Blocker, Prokinetika, Antazida und mukosaprotektive Substanzen sollten bei Kindern
in der medikamentösen Therapie der Refluxkrankheit nicht primär eingesetzt werden.
Starker Konsens
Bei Versagen der konservativen Therapie sollte der Patient vor möglicher Durchführung
einer Antirefluxoperation einem pädiatrischen Gastroenterologen vorgestellt und interdisziplinär
weiter betreut werden.
Starker Konsens
Kommentar
Antireflux-Therapie kann in ausgewählten Situationen für die Kinder ein Vorteil sein.
Zu den möglichen Indikationen gehören ein Versagen einer optimalen konservativen Therapie,
eine Abhängigkeit von einer medikamentösen Dauertherapie, anhaltende Non-Compliance
gegenüber der konservativen Therapie oder rezidivierende pulmonale Aspirationen des
Refluates. Die Indikationsstellung im Kindes- und Jugendalter erfordert einen pädiatrischen
Gastroenterologen.