Flugmedizin · Tropenmedizin · Reisemedizin - FTR 2014; 21(04): 173
DOI: 10.1055/s-0034-1389134
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Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Hohes gesundheitliches Risiko: Verehrung von Göttern im Himalaja – Akute Höhenkrankheit und Höhenhirnödem bei Pilgern in Nepal

Basnyat B, Subedi D, Sleggs J et al.
Disoriented and ataxic pilgrims: an epidemiological study of acute mountain sickness and high-altitude cerebral edema at a sacred lake at 4300 m in the Nepal Himalayas.

Wilderness Environ Med 2000;
11: 89-93
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Publication Date:
29 August 2014 (online)

 

Basnyat B, Subedi D, Sleggs J et al. Disoriented and ataxic pilgrims: an epidemiological study of acute mountain sickness and high-altitude cerebral edema at a sacred lake at 4300 m in the Nepal Himalayas. Wilderness Environ Med 2000; 11: 89–93

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(Quelle: Dr. Jörg Schneider, Kempten)

Thema: Die Höhenkrankheit unter Trekkingtouristen und Bergsteigern in all ihren Ausprägungen, von leichtem Unwohlsein bis zum Höhenhirnödem und Höhenlungenödem, ist gut dokumentiert. Dabei spielt die Geschwindigkeit, mit der die Höhe erreicht wird, eine wesentliche Rolle. Trekkingtouren und Bergbesteigungen in großen und extremen Höhen werden so geplant, dass der Körper sich an die ungewohnte Umgebung mit erniedrigtem Luftdruck und reduziertem Sauerstoffangebot anpassen kann. Trotzdem leiden auch Bergsteiger und Trekkingtouristen unter akuter Höhenkrankheit. Bei schnellem Höhengewinn (z. B. Eisenbahnfahrt nach Lhasa) erkranken bis zu 38 % aller Reisenden aus dem Tiefland.

Seit Jahrhunderten galten und gelten die Berge als heilige Orte. Sie sind Sitz der Götter und wurden zu Wallfahrtsorten und Pilgerstätten. In allen Gebirgen der Welt gibt es solche Stätten. Jedes Jahr pilgern viele Tausend Menschen zu den heiligen Seen im Himalaja: An den Seen von Gosainkund (4300 hm) huldigen sie dem hinduistischen Gott Shiva.

Der Weg der Pilger widerspricht allen Empfehlungen zur Vermeidung der Höhenkrankheit. Nach der Anreise mit dem Bus bis auf eine Höhe von 2000 m steigen die Pilger rasch bis auf 4300 hm, wo sie die Nacht verbringen. Dort huldigen sie Shiva, nehmen noch ein kurzes Bad im See und steigen wieder ab.

Projekt: Die Studie untersuchte zum ersten Mal die Inzidenz von Höhenhirnödem und Höhenlungenödem bei Pilgern in Nepal. Aus insgesamt 5000 Personen wurden 228 randomisiert und untersucht.

Ergebnis: 68 % der untersuchten Gruppe litten unter akuter Höhenkrankheit. Auffallend war die große Anzahl an Pilgern, die an Höhenhirnödem erkrankten (31 %). Wobei das Höhenlungenödem nur bei 5 % der Pilger auftrat. Frauen waren tendenziell häufiger betroffen als Männer.

Fazit: Ein Höhengewinn von mehr 2000 m in 2 Tagen enthält ein hohes Risiko, an Höhenhirnödem zu erkranken. Höhenlungenödeme entwickeln sich generell langsamer, deshalb ist wahrscheinlich die Inzidenz von Höhenlungenödem (5 %) wesentlich geringer. Glücklicherweise verbringen die Pilger nur eine Nacht auf 4300 hm. Sollten sie dort mehrere Nächte verbringen, würden wahrscheinlich mehr Tote zu beklagen sein.

Kommentar

Höhenkrankheit mit all ihren Ausprägungen kann nicht zu 100 % verhindert werden. Die beste Präventivmaßnahme ist der langsame Höhengewinn. Die Schlafhöhe sollte nicht mehr als 500 m über der Schlafhöhe des Vortags liegen. Nach 1000 m Höhengewinn wird ein Tag ohne weiteren Höhengewinn empfohlen. Dies ist unter Trekkern und Bergsteigern wohl bekannt. Unter Pilgern aus Asien sind diese Empfehlungen nicht bekannt. Auch Autoren von anderen Studien mit ähnlichen Zahlen beklagen das mangelnde Wissen bei dieser Bevölkerungsgruppe.

In einer weiteren Studie wurde untersucht, ob Dehydratation bei derartigen Pilgerfahrten die Entstehung der Bergkrankheit begünstigt. Dies konnte nicht bestätigt werden [ 1 ].

Die Ergebnisse weiterer Studien zur Höhenkrankheit bestätigen, dass schneller Höhengewinn der größte Risikofaktor ist, Alter und Geschlecht eine Rolle spielen, Frauen häufiger als Männer erkranken und Personen über 35 Jahre weniger betroffen sind als Jüngere [ 2 ].

Es scheint schwierig zu sein, Pilger für diese Thematik zu sensibilisieren und Aufklärungsarbeit zu leisten. Hinzu kommt der Eindruck, dass Pilger einen gewissen Fatalismus zeigen und Krankheit oder sogar Tod bei einer Pilgerfahrt in Kauf nehmen.

Jörg Schneider, Kempten
Deutsche Gesellschaft für Berg- und Expeditionsmedizin


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  • Literatur

  • 1 Shah MB, Brau de D, Crandall CS et al. Changes in metabolic and hematologic laboratory values with ascent to altitude and the development of acute mountain sickness in Nepalese pilgrims. Wilderness Environ Med 2006; 17: 171-177
  • 2 Koehle MS, Wang P, Guenette JA, Rupert JL. No association between variants in the ACE and angiotensin II receptor 1 genes and acute mountain sickness in Nepalese pilgrims to the Janai Purnima Festival at 4380 m. High Alt Med Biol 2006; 7: 281-289

  • Literatur

  • 1 Shah MB, Brau de D, Crandall CS et al. Changes in metabolic and hematologic laboratory values with ascent to altitude and the development of acute mountain sickness in Nepalese pilgrims. Wilderness Environ Med 2006; 17: 171-177
  • 2 Koehle MS, Wang P, Guenette JA, Rupert JL. No association between variants in the ACE and angiotensin II receptor 1 genes and acute mountain sickness in Nepalese pilgrims to the Janai Purnima Festival at 4380 m. High Alt Med Biol 2006; 7: 281-289

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(Quelle: Dr. Jörg Schneider, Kempten)