Der Klinikarzt 2014; 43(07/08): 376-377
DOI: 10.1055/s-0034-1389212
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CME-zertifizierte Fortbildungen „Infektiologie im Fokus“ – Erhebliches Interesse an Clostridium difficile-Infektionen

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Publication Date:
11 September 2014 (online)

 
 

Unter dem Motto „Infektiologie im Fokus“ fand kürzlich unter der wissenschaftlichen Leitung von Prof. Arno J. Dormann, Chefarzt der Medizinischen Klinik am Kölner Krankenhaus Holweide und Prof. Thomas Weinke, Chefarzt des Zentrums für Innere Medizin am Klinikum Ernst von Bergmann in Potsdam, eine bundesweite Serie von CME-Fortbildungen zu Clostridium difficile-Infektionen (CDI), statt. Unterstützt wurden die Fortbildungen von der Astellas Pharma GmbH, München. Wir sprachen mit den wissenschaftlichen Leitern der Veranstaltungen über die Fortbildungen.

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Prof. Arno J. Dormann
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Prof. Thomas Weinke

? Wie entstand die Idee für diese Fortbildungen?

Prof. Arno J. Dormann: Immer wenn neue Therapien auf den Markt kommen, ist es notwendig, diese in einen Gesamtkontext zu stellen. Da mit DificlirTM seit Kurzem eine neue vielversprechende Therapieoption zur Verfügung steht, kamen wir auf die Idee, eine strukturierte Fortbildung zu Clostridium difficile-Infektionen zu konzipieren und diese an verschiedenen Orten als Roadshow anzubieten.

? Welchen Stellenwert haben Clostridium difficile-Infektionen in deutschen Krankenhäusern?

Dormann: Wir haben in unserer Klinik zunehmend alte, multimorbide und Intensivpatienten, die über einen langen Zeitraum mit vielen Antibiotika behandelt werden und deren Immunabwehr schlecht ist. Bei solchen Patienten kommen Infektionen mit Clostridium difficile immer häufiger vor. Insgesamt beobachten wir eine kontinuierliche Zunahme der CDI. Sowohl individuell als auch ökonomisch betrachtet, ist es besonders problematisch, dass die Patienten lange stationär behandelt werden müssen, häufig Rezidive haben und wieder aufgenommen werden müssen.

? CDI sind sehr kostenintensiv. Welche Faktoren schlagen hier zu Buche?

Dormann: Hier kommen 3 Faktoren zum Tragen: 1. die Therapie, 2. eine längere Liegedauer – Patienten mit einer Durchfallerkrankung haben eine Liegedauer von 3 bis 5 Tagen, ein Patient mit Clostridien kann 3 bis 6 Wochen im Krankenhaus liegen, 3. spezifische Maßnahmen – Patienten mit CDI müssen beispielsweise isoliert werden, was unter Umständen sogar Bettensperrungen und entsprechende Erlösausfälle zur Folge haben kann.

? Als Hauptursache einer CDI gelten Antibiotika. Welche Strategien verfolgen Sie, um CDI zu vermeiden?

Dormann: Wir stellen die Indikation für eine Antibiotikagabe sehr streng und versuchen, die Dauer zu optimieren. Als Faustregel gilt „So kurz wie möglich, so lang wie nötig.“ Zusätzlich achten wir darauf, Antibiotikagruppen, die häufiger eine CDI hervorrufen, weniger einzusetzen.

Prof. Thomas Weinke: Das Stichwort heißt Antibiotic Stewardship, also rationaler Antibiotika-Einsatz. Das bedeutet, dass man versucht, die Auswahl der eingesetzten Antibiotika gezielt nach dem Erregerspektrum und dem Spektrum der Erkrankungen, die in der jeweiligen Klinik oder Abteilung vorkommen, auszuwählen.

? Welche weiteren Risikofaktoren sind relevant?

Weinke: Das sind oftmals Faktoren, die wir nicht beeinflussen können, wie das Lebensalter des Patienten, Komorbiditäten und Vorerkrankungen, vorangegangene Klinikaufenthalte oder Aufenthalte auf Intensivstationen. Das sind die entscheidenden Parameter. Auch Protonenpumpeninhibitoren gelten als Risikofaktor für die Erstepisode einer Clostridium difficile-Infektion. Das höchste Risiko für einen schweren Verlauf haben multimorbide Patienten.

? Laut ESCMID (European Society of Clinical Microbiology and Infectious Diseases) sind Rezidive das größte Problem bei der Behandlung der CDI. Stimmt das?

Weinke: Ja, das ist absolut richtig. Die Rezidivraten liegen bei einer ersten Episode zwischen 15 und 25 %, in der Literatur werden manchmal sogar höhere Raten angegeben. Wenn jemand bereits ein Rezidiv hat, bedeutet das automatisch, dass die Rezidivrate steigt. Und wenn jemand 2 oder 3 Rezidive hatte, liegt das Rezidivrisiko bei 50 %. Das müssen wir bei der therapeutischen Entscheidung berücksichtigen.

Dormann: Rezidive sind gerade bei alten, polymorbiden Patienten das Problem, auch in der hausärztlichen Versorgung. Hier bräuchten wir ein sektorenübergreifendes Konzept. Denn der Anteil an Patienten, die rezidivieren, nimmt stetig zu und viele davon werden vom Hausarzt behandelt. Für Patienten bedeutet ein Rezidiv das Risiko, auszutrocknen, eine Niereninsuffizienz zu erleiden und schließlich bis hin zur Intensivtherapie behandlungsbedürftig zu werden.

? Was bedeutet ein Rezidiv für schwer kranke Patienten?

Weinke: Für ältere Menschen, die ohnehin eine altersbedingte Abnahme der Leistungskurve haben, bedeutet eine CDI die Gefahr, ihre Selbstständigkeit und Mobilität zu verlieren. Viele dieser Patienten können nicht mehr alleine in ihre Wohnung zurück, weil sie sich nicht mehr selbst versorgen können. Das gilt es zu verhindern.

Dormann: Es kann außerdem zu Nierenschwäche und Lungenentzündung kommen, weil die Patienten bettlägerig werden. Das ist quasi eine Kaskade, die abläuft. Wenn beispielsweise in der Chirurgie ein Patient postoperativ Clostridien hat, bedeutet dies mehr Wundinfektionen, eine längere Beatmungsdauer, einen längeren Intensivaufenthalt etc., bis hin zu Todesfällen.

? Bei welchen Patienten sollten Rezidive auf jeden Fall vermieden werden?

Weinke: Rezidive sollten immer verhindert werden. Aber gerade bei den genannten Risikopopulationen, älteren Menschen und Menschen mit Komorbiditäten, ist die Verhinderung eines Rezidivs besonders wichtig. Wir können Rezidive aber leider nicht immer verhindern. Es gibt keine klaren Parameter, die besagen, welche Betroffenen definitiv ein Rezidiv bekommen. Insofern ist die Therapieauswahl immer eine individuelle Entscheidung.

? Wie gehen Sie therapeutisch vor?

Weinke: Im Herbst 2013 hat die ESCMID (European Society of Clinical Microbiology and Infectious Diseases) mit den neuen Guidelines einige Standards klar definiert. Diese müssen patientenbezogen und individuell angewendet werden. Das bedeutet, dass man bei einer Erstepisode, wenn sie leicht verläuft, primär Metronidazol gibt, bei einer schwereren ersten Episode wählt man Vancomycin. Alternativ steht auch Fidaxomicin zur Verfügung. Dieses wird nach den ESCMID-Guidelines insbesondere beim ersten Rezidiv und bei Patienten mit einem erhöhten Rezidivrisiko sowie bei multiplen CDI-Rückfällen empfohlen.

? Welche Erfahrungen konnten Sie bisher mit Fidaxomicin sammeln?

Weinke: Aufgrund des Preises gibt es zunächst eine gewisse Hemmschwelle, Fidaxomicin einzusetzen. Fidaxomicin reduziert jedoch das Rezidivrisiko im Vergleich zu Vancomycin um die Hälfte, wodurch auch die CDI-Fallzahl entsprechend erniedrigt wird. Daher ist der Einsatz von Fidaxomicin sowohl aus klinischer als auch aus ökonomischer Sicht eine Option. Gerade in Fällen mit Rezidiv-Gefahr oder Rezidiv-Neigung haben wir gute Erfolge gesehen.

? Was zeichnet diesen Wirkstoff aus?

Weinke: Fidaxomicin ist das einzige Antibiotikum, welches selektiv gegen Clostridium difficile wirkt, während die übrige Darmflora geschont wird. So kann sie sich bereits während der Therapie regenerieren und der Patient ist effektiver vor weiteren Rezidiven geschützt. Die Therapie mit Fidaxomicin ist nebenwirkungsarm, denn der Wirkstoff wirkt lokal im Darm und wird so gut wie nicht resorbiert.

? Welchen Stellenwert hat die Darmflora der Patienten bezüglich des Erfolgs oder Misserfolgs einer CDI-Behandlung?

Weinke: Wir gehen heute davon aus, dass die Mikrobiota ein eigenes Organsystem ist. Wir wissen, dass sie Einfluss auf chronische Erkrankungen wie Adipositas, Diabetes mellitus und chronisch-entzündliche und infektiöse Darmerkrankungen hat. Dass eine intakte Mikrobiota auch vor Clostridium difficile-Infektionen schützt, ist unbestritten. Die Therapie der Clostridium difficile-Infektion sollte daher die intestinale Mikrobiota möglichst wenig beeinflussen.

? Wie ist aus Ihrer Sicht der Stellenwert der Stuhltransplantation zu beurteilen?

Dormann: Das Thema Stuhltransplantation wird im Moment sehr forciert, auch von den Fachgesellschaften. Dabei handelt es sich aber nicht um eine standardisierte Therapie. Niemand kann im Moment einschätzen, wie die Risiken sind. Im Vergleich zu einer Pharmakotherapie, für die es immer evidenzbasierte, kontrollierte Studien gibt, haben wir bei der Stuhltransplantation keinerlei Kontrolle.

Man muss sich die Darmflora wie einen Dschungel vorstellen, es gibt große Bäume, eine Mittelschicht, die Kleinwüchsigen und unten den Humusboden. Das ist die Darmwand. Das Ganze wird sozusagen durch eine Antibiotikatherapie einmal umgepflügt. Erstaunlicherweise ist es dann so, dass jeder Mensch wieder seinen individuellen Dschungel bildet. Wenn man den Dschungel aber abholzt und eine komplett andere Kultur darauf setzt, ist es unsicher, ob sich das Biotop in der Form wieder stabil bildet.

Außerdem sind für eine Stuhltransplantation sehr viele Untersuchungen notwendig. So kommt man auf deutlich höhere Kosten als bei jeder Pharmakotherapie. Was ganz wichtig ist: Man kann die Langzeiteffekte nicht abschätzen. Da es sich um einen individuellen Heilversuch handelt, übernimmt der behandelnde Arzt das ausschließliche Risiko. Das sollten Ärzte wissen.

Weinke: Wir wissen auch nicht, ob es Langzeitnebenwirkungen wie z. B. Autoimmunerkrankungen geben kann. Es gibt klare Empfehlungen, mit der Stuhltransplantation entsprechend vorsichtig umzugehen. Das bedeutet für mich, dass sie aktuell nur in klinischen Studien eingesetzt werden sollte, damit man diese Daten in künftige Empfehlungen mit einbeziehen kann.

? Herr Prof. Dormann, Herr Prof. Weinke, was ist Ihr persönliches Fazit aus den „Infektiologie im Fokus“-Fortbildungen?

Dormann: Das hat sich gelohnt. Wir haben sehr viel positives Feedback von den Teilnehmern bekommen.

Weinke: Ich war fasziniert, dass wir eine Vielzahl von Ärzten sowohl aus Kliniken als auch aus dem ambulanten Bereich haben ansprechen können. Ich glaube auch, dass es erforderlich ist, die Awareness für Clostridium difficile-Infektionen hochzuhalten. Denn die Erkrankungszahlen werden in Zukunft weiter steigen.

!Herr Prof. Dormann, Herr Prof. Weinke, herzlichen Dank für das Gespräch!

Das Interview führte Monika Funck, Köln.

Der Beitrag entstand mit freundlicher Unterstützung der Astellas Pharma GmbH, München.

CDI-Fakten
  • Pro Jahr gibt es in Deutschland etwa 100 000 CDI-Behandlungen in Krankenhäusern [ 1 ].

  • Risikofaktoren sind: Einsatz von Breitbandantibiotika, geschwächtes Immunsystem, schwere Grunderkrankung, Einsatz von Protonenpumpeninhibitoren, Alter > 65 Jahre [ 2 ].

  • Bis zu 25 % der Patienten erleiden ein Rezidiv [ 3 ].

  • Pro CDI-Fall entstehen Zusatzkosten von durchschnittlich 7 000 Euro [ 4 ].


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Prof. Arno J. Dormann
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Prof. Thomas Weinke