Aktuelle Urol 2014; 45(04): 263-264
DOI: 10.1055/s-0034-1389228
Referiert und kommentiert
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Ureteroskopie – Der schwierige Ureter – einzeitiges oder zweizeitiges Management?

Contributor(s):
Elke Ruchalla

Urology 2014;
83: 1-3
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Publication History

Publication Date:
28 August 2014 (online)

 

Die flexible Ureteroskopie stellt bei Nierensteinleiden, aber auch anderen Erkrankungen des oberen Harntrakts, eine Alternative zu perkutanen Verfahren dar. Dabei ist der Zugang zum Ureter primär bei bis zu 10 % der Patienten nicht möglich. In diesem Fall kann ein Double-J-Stent zur passiven Dilatation des Ureters eingelegt werden und der eigentliche Eingriff dann einige Wochen später in einer zweiten Sitzung erfolgen. Ein anderes Vorgehen mit Ballondilatation ermöglicht die einzeitige Intervention – Bourdoumis et al. fassen es zusammen.
Urology 2014; 83: 1–3

mit Kommentar

Die Ballondilatation kann bei zunächst nicht passierbarem Ureter während der Ureteroskopie helfen, das Verfahren in der gleichen Sitzung erfolgreich abzuschließen. So die Meinung der Londoner Mediziner, die einer Reihe von Nachteilen widersprechen. Für die Befürchtung, dass durch die Ballondilatation Ischämien und / oder Verletzungen mit nachfolgenden Strikturen des Ureters hervorgerufen werden könnten, sehen sie keine Belege. Eine Arbeit fand zwar nach dem Verfahren 4 Fälle von Perforationen, die aber bei genauerer Betrachtung auf die Lithotripsie- Sonde und nicht auf die Dilatation zurückzuführen waren.

Darüber hinaus werden bei der Ballondilatation – im Gegensatz zum Vorgehen mit starren Dilatatoren – radiale, langsam zunehmende Kräfte auf die Wand des Ureters ausgeübt, die deutlich weniger traumatisch wirken als die linearen Scherkräfte etwa durch einen Nottingham-Dilatator. Die Ballondilatation sollte unter Durchleuchtungs- oder Sichtkontrolle erfolgen und kann dann gut kontrolliert werden.

Auch in Tierexperimenten haben sich keine Hinweise auf dauerhafte Schäden durch die Ballondilatation ergeben. Wohl kam es bei Zwergschweinen, bei denen koaxiale und Ballondilatation getestet wurden, nach allen Dilatationen zunächst zu einer Obstruktion des Harnleiters, die sich jedoch 1 Woche nach der Intervention spontan zurückgebildet hatte. Nach 24 Stunden fanden sich histologisch zwar Ödeme und Entzündungszeichen, nach 4 Wochen war jedoch nur noch eine leichte Dilatation des Ureters nachweisbar, ohne dass Nekrosen oder Strikturen aufgetreten waren.

In einer eigenen Serie der Autoren von 309 flexiblen Ureteroskopien war bei 20 Patienten der Ureter zunächst nicht passierbar. Nach retrograder Darstellung des Harnleiters war in allen Fällen eine Ballondilatation mit einem 12- oder 15-FBallon und einem Druck bis zu 20 atm möglich. Bei 17 der 20 Patienten konnte danach in der gleichen Sitzung der Eingriff erfolgreich beendet werden, bei den 3 restlichen Patienten wurde ein temporärer Stent eingelegt. Nach einer mittleren Nachbeobachtungszeit von 10 Monaten fand sich bei 19 der 20 Patienten kein klinischer oder bildgebender Hinweis auf Strikturen, 1 Patient war an einem Malignom gestorben und konnte im Hinblick auf die Folgen der Dilatation nicht beurteilt werden.

Das zweizeitige Vorgehen mit zunächst Stenting des Ureters und späterem erneutem Eingriff ist fraglos ein sicheres und wirksames Verfahren. Es ist aber wesentlich zeitaufwendiger, die Belastung der Patienten dauert länger an, sie leiden häufiger an Irritationen durch den Stent und last but not least ist das Verfahren kostenintensiver.

Fazit

Die Ballondilatation der Ureteren ist bei Weitem nicht so traumatisch wie vermutet, fassen die Autoren zusammen, und weist gegenüber dem zweizeitigen Vorgehen eine Reihe von Vorteilen auf. Mit der Abwandlung eines Zitats von Winston Churchill für friedlichere Zeiten schließen sie. „We now have the tools to finish the job – safely in 1 session.“ In einem Editorial zu dem Artikel würdigt Blake Hamilton die Arbeit der Londoner Wissenschaftler. Er gibt aber abschließend auch zu bedenken, dass es immer noch Patienten geben kann, für die das beschriebene Vorgehen sinnvollerweise nicht infrage kommen sollte. Explizit nennt er beispielsweise langstreckige Strikturen oder angeborene, sehr schmale Ureteren, für die sogar die heutigen Mini-Instrumentarien noch zu groß sind.

Kommentar

Plan B nach frustraner URS: DJ-Einlage oder Ballondilatation?

Bourdoumis et al. setzen sich in ihrem Kommentar mit bestehenden Lösungsstrategien im Falle frustraner Ureterorenoskopie (URS) bei engem, unpassierbaren Uretersegment auseinander. Die Autoren heben hierbei ihre eigenen positiven Erfahrungen mit einem einzeitigen Vorgehen, bestehend aus Ballondilatation und unmittelbar angeschlossener URS, hervor. Diese Strategie war in 17/20 Fällen erfolgreich und frei von perioperativen Komplikationen durchführbar. Zudem beziehen sich die Autoren in ihrer Argumentation maßgeblich auf vorliegende In-vivo- Studien am porzinen Harnleiter. In diesen konnte gezeigt werden, dass eine Ballondilatation des porzinen Ureters zwar initial mit schwerwiegender Inflammation und transienter Obstruktion des oberen Harntrakts assoziiert ist, diese aber innerhalb von 6 Wochen vollständig reversibel ist. Den Autoren ist es mit ihren Ergebnissen gelungen, bestehende Ressentiments der Ballondilatation zu relativieren und eine Reevaluation bestehender Lösungsstrategien im Falle frustraner URS neu zu beleuchten.

Ein etabliertes Vorgehen bei unüberwindbarem Uretersegment stellt die transiente Einlage eines DJ-Katheters mit passiver Dilatation des Ureters dar. Die URS wird dann nach einer gewissen zeitlichen Latenz als Zweiteingriff durchgeführt. Abgesehen von medizinischen Indikationen (z. B. impaktierter Ureterstein mit frustraner DJ-Einlage), die eine Ballondilatation und finale Therapie in gleicher Sitzung rechtfertigen, sprechen das durch DJ-Einlage bestehende Risiko einer Infektion und sich ausbildende histologischen Veränderungen am Urothel (Ödem, Inflammation) gegen ein zweizeitiges Vorgehen [ 1 ]. Die Beurteilbarkeit des oberen Harntrakts im Rahmen einer nachfolgenden diagnostischen URS kann durch einliegende DJ-Katheter erheblich erschwert sein. Zudem lösen DJ-Katheter bei bis zu 80 % der betroffenen Patienten eine hochgradige irritative Beschwerdesymptomatik aus [ 2 ]. Auch unter sozio-ökonomischen Gesichtspunkten ist ein einzeitiges Vorgehen attraktiv. Dieses führt zu einer geringeren Belastung des Gesundheitssystems und erspart dem Patienten die Unannehmlichkeiten eines zweiten operativen Eingriffs.

Trotz der vielversprechenden präliminären Ergebnisse von Bourdoumis et al. muss die limitierte Fallzahl von 20 Patienten für deren Aussagekraft berücksichtigt werden. Gleichzeitig erschwert das mediane Follow-up von nur 10 Monaten die Erfassung möglicher Spätkomplikationen. Zusätzliche Untersuchungen zur Evaluation einer möglichen Strikturbildung im Langzeitverlauf sind wünschenswert, um die erhobenen Daten zu untermauern. Die Tatsache, dass sich der vorliegende Kommentar argumentativ maßgeblich auf die Ergebnisse aus In-vivo-Untersuchungen stützt, unterstreicht einmal mehr die aktuell limitierte klinische Studienlage. Referenzstandard zur präklinischen Evaluation endourologischer Eingriffe am oberen Harntrakts stellen porzine Tiermodelle dar. Dabei konnte bereits gezeigt werden, dass eine Dilatationen des porzinen Ureters sowohl mit schwerwiegender Inflammation als auch mit transienter Obstruktion des oberen Harntraktes assoziiert ist [ 3 ]. Obwohl die histologischen und funktionellen Veränderungen in der von Bourdoumis et al. zitierten Studie innerhalb von 6 Wochen reversibel waren und innerhalb dieses Zeitraums keine Strikturen beobachtet werden konnten, ist die gewählte Follow-up-Dauer von 6 Wochen unzureichend, um Spätkomplikationen mit Sicherheit ausschließen zu können. Generell müssen Ergebnisse aus porzinen Tiermodellen kritisch begutachtet werden. Trotz der anatomischen Ähnlichkeit des menschlichen und porzinen Harntrakts muss berücksichtigt werden, dass Instrumentationen bei Prozeduren in Versuchstieren meistens Ersteingriffe am bislang unversehrten Harnleiter darstellen. Die Übertragbarkeit der gewonnenen Beobachtungen auf pathologische Zustände bei Patienten ist somit limitiert. Ferner konnten Pedro et al. beobachteten, dass der humane im Vergleich zum porzinen Ureter deutlich weniger resistent gegenüber intraluminalen Druckanstiegen im Rahmen einer Ballondilatation war [ 4 ]. Während der humane Ureter bereits bei niedriger Druckauswirkung perforierte, tolerierte der porzine Harnleiter signifikant größere Drücke. Dies macht erneut deutlich, dass gewonnene In-vivo-Ergebnisse aus Tierversuchen mit Schweinen nur bedingt auf den Menschen übertragbar sind.

Zusammenfassend beschreibt die vorliegende Arbeit die aktuelle Studienlage, deren Kenntnis als Entscheidungshilfe im klinischen Alltag dienen soll. Dennoch ist diese immer noch limitiert und die Varianz des nicht-passierbaren Ureters zu groß, um dessen Therapie an generellen Richtlinien festzumachen. Die Entscheidung bezüglich des optimalen Vorgehens muss nach Abwägen des Für und Wider weiterhin individuell getroffen werden.

Dr. Claudia Janßen, Prof. Dr. Joachim W. Thüroff, Mainz


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Dr. Claudia Janßen


ist wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Urologischen Klinik und Poliklinik der Universitätsmedizin Mainz

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Prof. Dr. Joachim W. Thüroff


ist Direktor der Urologischen Klinik und Poliklinik der Universitätsmedizin Mainz

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  • Literatur

  • 1 Chew BH, Lange D. Ureteral stent symptoms and associated infections: a biomaterial perspective. Nat Rev Urol 2009; 6: 440-448
  • 2 Joshi HB, Newns N, Stainthorpe A et al. Ureteral stent symptom questionnaire: development and validation of a multidimensional quality of life measure. J Urol 2003; 169: 1060-1064
  • 3 Schwalb DM, Eshghi M, Davidian M et al. Morphological and physiological changes in the urinary tract associated with ureteral dilation and ureteropyeloscopy: an experimental study. J Urol 1993; 149: 1576-1585
  • 4 Pedro RN, Hendlin K, Weiland D et al. In vitro evaluation of ureteral perforation forces. Urology 2007; 70: 592-595

  • Literatur

  • 1 Chew BH, Lange D. Ureteral stent symptoms and associated infections: a biomaterial perspective. Nat Rev Urol 2009; 6: 440-448
  • 2 Joshi HB, Newns N, Stainthorpe A et al. Ureteral stent symptom questionnaire: development and validation of a multidimensional quality of life measure. J Urol 2003; 169: 1060-1064
  • 3 Schwalb DM, Eshghi M, Davidian M et al. Morphological and physiological changes in the urinary tract associated with ureteral dilation and ureteropyeloscopy: an experimental study. J Urol 1993; 149: 1576-1585
  • 4 Pedro RN, Hendlin K, Weiland D et al. In vitro evaluation of ureteral perforation forces. Urology 2007; 70: 592-595

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