Dialyse aktuell 2014; 18(07): 386-387
DOI: 10.1055/s-0034-1389627
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Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Diät und Phosphatbindertherapie bei chronisch Nierenkranken – Wie die Adhärenz verbessert werden kann

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Publication Date:
01 October 2014 (online)

 
 

Bekanntlich ist eine Hyperphosphatämie bei Dialysepatienten mit einem erhöhten Risiko für kardiovaskuläre Erkrankungen und Mortalität verbunden [ 1 ], [ 2 ]. Eine effektive Kontrolle des Serumphosphats kann die Prognose verbessern helfen. Doch diesem Ziel stehen verschiedene Barrieren im Weg. Dazu zählen mangelndes Wissen über den Phosphatgehalt in Lebensmitteln sowie bei einer Therapie mit Phosphatbindern eine hohe Tablettenlast mit einer mangelnden Adhärenz.

Da bei dialysepflichtigen Patienten mit chronischer Nierenerkrankung eine hohe Proteinzufuhr eine verbesserte Lebenserwartung mit sich bringt, sollten Nahrungsmittel mit einem möglichst geringen Anteil an anorganischem Phosphat bei einem gleichzeitig hohen Proteingehalt (= niedrige Phosphat-zu-Protein-Ratio) empfohlen werden, betonte Prof. Reinhard Brunkhorst, Hannover. In diesem Zusammenhang ist es wichtig zu wissen, dass organisches, gebundenes Phosphat natürlicherweise in Nahrungsmitten wie frischem Fleisch und Gemüse vorkommt und zu 40–60 % absorbiert wird.

Anorganisches, nicht gebundenes Phosphat dagegen wird als Zusatzstoff von Lebensmittelherstellern beispielsweise zur Konservierung und Geschmacksverstärkung genutzt und ist hochgradig bioverfügbar, weil es zu 90–100 % absorbiert wird. Typischerweise wird 60–70 % des Phosphats aus einer gemischten Nahrung absorbiert, so Brunkhorst weiter [ 3 ], [ 4 ]. Was die Phosphatkontrolle so schwierig macht ist die Tatsache, dass industriell hergestellte, essfertig vorbereitete Speisen große Mengen an „verstecktem“, anorganischem Phosphat enthalten. Beispiele für Nahrungsmittel mit hohem Phosphatgehalt sind Softdrinks, wiederaufwärmbare Speisen, Cerealien und Schokoladenriegel.

Wie eine Studie [5] aus den USA nachgewiesen hat, sind bis zu 1 g anorganisches Phosphat in einem durchschnittlichen Gericht enthalten. Da die Nahrungsmittelhersteller die Phosphatzusätze nicht zwingend und verständlich etikettieren müssen, ist der Gehalt an Phosphat schwierig einzuschätzen, betonte Brunkhorst.

Auch viele Betroffene erwarten eine bessere Aufklärung. Diese zeigte eine Befragung von 96 Dialysepatienten [ 6 ]. 53 % wünschten sich mehr Schulung, nur 29 % kannten ihren Serum-Phosphat-Zielbereich und 49 % berichteten darüber, Phosphatbinder nicht immer nach Plan eingenommen zu haben.

Dass eine Diätberatung zur Vermeidung von Lebensmitteln mit hohen Phosphatzusätzen einen Nutzen haben kann, wies eine Studie [ 7 ] nach, in der Dialysepatienten eine entsprechende Schulung erhielten. Im Ergebnis war nach 3 Monaten bei diesen Studienteilnehmern der Abfall im Serumphosphat um durchschnittlich 0,6 mg/dl größer als bei einer Kontrollgruppe ohne Diätberatung (Abb. [ 1 ]).

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Abb. 1 Eine effektive Diätberatung zur Vermeidung von Lebensmitteln mit Phosphatzusätzen kann bei Dialysepatienten den Serum-Phosphat-Spiegel senken. Hier war die Absenkung um 0,6 mg/dl größer als in der Kontrollgruppe.
nach [ 7 ]

Das Wissen über versteckte Phosphatzusätze in Lebensmitteln scheint bei Patienten und auch bei Ärzten nicht ausgeprägt genug zu sein, resümierte Prof. Jürgen Floege, Aachen. Deshalb überrascht es nicht, dass sich die Adhärenz der Patienten hinsichtlich einer entsprechenden Ernährung schwierig gestaltet und die Nichtadhärenz bei bis zu 80 % liegt [ 8 ]. Floege sieht in einer besseren Schulung und Beratung der Patienten eine Strategie, die Phosphataufnahme zu verringern. Des Weiteren ist zusätzlich oftmals der Einsatz von Phosphatbindern notwendig, um die Serum-Phosphat-Werte noch effektiver zu kontrollieren.

Gegen den „heimlichen Killer“

Bei der Therapie mit Phosphatbindern baut sich jedoch eine weitere Barriere auf. Denn diese Medikamente tragen mit 49 % zur gesamten Pillenlast für die Dialysepatienten bei [ 9 ]. Anihypertensiva stehen mit 18 % an zweiter Stelle. Entsprechend der großen Anzahl der täglich einzunehmenden Tabletten ist die Adhärenz schlecht.

In der Literatur werden Raten an Nichtadhärenz bezüglich der Medikamente bei Dialysepatienten zwischen 3 % und 80 % angegeben [ 10 ]. In einer anderen Studie [ 11 ] waren nur 2 % der Patienten bei der Therapie mit Phosphatbindern über einen Zeitraum von 6 Wochen komplett adhärent (Abb. [ 2 ]). Dem gilt es entgegenzusteuern. Denn durch ein effektives Management mit Diät und Phosphatbindern kann vermieden werden, dass Phosphat zu einem „heimlichen Killer“ wird, schloss Brunkhorst.

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Abb. 2 Adhärenz bei Phosphatbindertherapie: Nur 2 % von 135 Dialysepatienten nahmen ihre Medikamente komplett nach Vorschrift ein.
nach [ 11 ]

Hohe Bindungskapazität reduziert Tablettenlast

Zwar können alle Phosphatbinder das Serumphosphat effektiv senken. Doch nimmt die Adhärenz signifikant ab, je mehr Medikamente eingenommen werden müssen [ 9 ], [ 12 ], betonte auch Dr. Alistair Hutchison, Manchester (UK). Deshalb kann eine Medikation mit einer hohen Phosphatbindungskapazität dazu beitragen, die Tablettenlast zu senken und somit möglicherweise die Adhärenz zu verbessern.

So konnte in einer multizentrischen, offenen Phase-IV-Studie [ 13 ] an über 2500 Patienten mit einer chronischen Nierenerkrankung im Endstadium gezeigt werden, dass durch eine Umstellung auf eine Phosphatbindertherapie mit reduzierter Tablettenlast eine effektive Kontrolle des Serumphosphats auch weiterhin möglich ist. Durch die Umstellung von anderen Phosphatbindern auf Lanthan (Fosrenol®) konnte die Anzahl der Tabletten signifikant reduziert werden: Die durchschnittliche tägliche Dosis verringerte sich von 7,2 g zu Studienbeginn auf 2,8 g in Woche 12 und auf 2,7 g in Woche 16.

Die tägliche Tablettenlast in Woche 12 reduzierte sich um 2,2 ± 0,15 Tabletten bei denjenigen Patienten, die vorher einen kalziumbasierten Phosphatbinder erhalten hatten (n = 1045). Bei Studienteilnehmern mit vorherigen anderen phosphatbindenden medikamentösen Behandlungsoptionen verringerte sich die Tablettenlast um 8,4 ± 0,40 Tabletten. Ähnliche Ergebnisse wurden in Woche 16 beobachtet.


Mangelndes Wissen als Barriere

Eine andere Barriere für die Adhärenz der Patienten bei der Therapie mit Phosphatbindern und einer optimierten phosphatarmen Diät scheint das fehlende Wissen über die Relevanz hoher Phosphatspiegel zu sein, erklärte Dr. Steve Riley, Cardiff (UK). Dies bestätigt eine Umfrage [ 14 ] mit 919 Hämodialysepatienten, von denen nur 34 % den Begriff „Hyperphosphatämie“ kannten.

Während viele der Befragten über direkt ihre Lebensqualität beeinflussenden Komplikationen der chronischen Nierenerkrankung Bescheid wussten, waren sich wesentlich weniger der „versteckten“ langfristigen Komplikationen wie kardiovaskuläre Erkrankungen bewusst. Wie die Befragung weiter ergab, hatten 25 % der Patienten Probleme mit der Einnahme von Phosphatbindern und 38 % hatten wenigstens eine Dosierung pro Woche nicht eingenommen.

Wie Riley weiter sagte, wird ein effektiver Einsatz von Phosphatbindern nur durch die aktive Mitbeteiligung der Patienten an der Behandlung erreicht [ 14 ]. Des Weiteren kann bei Problemen mit der Einnahme eine Umstellung auf andere Darreichungsformen hilfreich sein. So kann bei Schwierigkeiten mit dem Schlucken von Tabletten die Umstellung auf ein Pulver die Adhärenz verbessern helfen [ 15 ], [ 16 ].

Die internationalen Experten waren sich darüber einig, dass eine bessere Aufklärung der Patienten mit chronischer Nierenerkrankung sowohl über phosphatarme Diät als auch über die Therapie mit Phosphatbindern notwendig ist, um die Adhärenz zu verbessern. Auch sollte die Anzahl der einzunehmenden Tabletten beachtet werden, da dies einen Einfluss auf die Adhärenz hat. Eine ständige Unterstützung und Schulung der Patienten sei der Schlüssel für eine optimale Therapie. Entsprechende Informationen könnten von Diätberatern und weiteren Mitgliedern eines multidisziplinären Teams zur Behandlung von Patienten mit chronischen Nierenerkrankungen bereitgestellt werden.

Dr. Ralph Hausmann, Frankfurt am Main

Quelle: Shire Global Knowledge Exchange Meeting „Clearing the challenges to phosphate control“, Frankfurt am Main, 14.06.2014, veranstaltet von der Shire Deutschland GmbH, Berlin





 
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Abb. 1 Eine effektive Diätberatung zur Vermeidung von Lebensmitteln mit Phosphatzusätzen kann bei Dialysepatienten den Serum-Phosphat-Spiegel senken. Hier war die Absenkung um 0,6 mg/dl größer als in der Kontrollgruppe.
nach [ 7 ]
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Abb. 2 Adhärenz bei Phosphatbindertherapie: Nur 2 % von 135 Dialysepatienten nahmen ihre Medikamente komplett nach Vorschrift ein.
nach [ 11 ]