Einleitung
Periorbitale Ekchymosen können auf verschiedene Ursachen zurückzuführen sein. So kann
es sich z. B. um periorbitale Einblutungen handeln, die rein mechanisch bedingt sind
(Augen reiben, Niesen, Husten und Erbrechen) [1]
[2], oder aber um ein signifikantes Zeichen einer Amyloidose [3]. Bei einer Amyloidose kommt es zur Ablagerung von fibrillären Proteinen, dem sogenanntem
Amyloid, an unterschiedlichsten Körperstellen. Je nachdem, welche Organe befallen
werden, kann es sich hierbei lediglich um kosmetische Beeinträchtigungen handeln (Augenlider),
oder aber es kann zu lebensbedrohlichen Problemen (Niere, Herz etc.) kommen. Daher
sollte beim Symptom der periorbitalen Einblutungen („Waschbärenaugen“ oder „panda
sign“) immer auch an die Abklärung einer systemischen Amyloidose gedacht werden.
Kasuistik
Anamnese
Unser Patient bemerkte vor ca. 3 Jahren erstmalig rötliche Augenlider. Eine damalige
Konsultation beim Hausarzt mit Abklärung der Gerinnungsdiagnostik ergab keinen richtungsweisenden
Befund, sodass dem Patienten mitgeteilt wurde, es handle sich lediglich um eine Einblutung
von kosmetischer Relevanz.
Im Verlauf der nächsten 2 Jahre kam es allerdings zu Ödemen beider Unterschenkel,
Kurzatmigkeit und zunehmender Belastungsdyspnoe, sodass eine weitere medizinische
Abklärung schließlich den Befund einer systemischen AL-Amyloidose bei einer vorliegenden
monoklonalen Gammopathie Typ Lambda ergab. Derzeit befindet sich der Patient in laufender
Behandlung, um ein weiteres Fortschreiten der Erkrankung zu verhindern. Retrospektiv
betrachtet wird klar, wie wegweisend das Zeichen der periorbitalen Einblutung sein
kann, im Sinne einer dermatologischen Blickdiagnose.
Dermatologischer Befund
Verdickung der Zunge (Makroglossie), angedeutetes „shoulder pad sign“ (Amyloidablagerungen
periartikulär), die wie Schulterpolster aussehen, sowie symmetrische periorbitale
Einblutungen (Ekchymosen; Waschbärenaugen; „panda sign“, „racoon eyes“) ([Abb. 1] und [Abb. 2]).
Abb. 1 Waschbärenaugen bzw. periorbitale symmetrische Ekchymosen als dermatologisches Zeichen
einer AL-Amyloidose.
Abb. 2 Waschbärenaugen bzw. periorbitale symmetrische Ekchymosen als dermatologisches Zeichen
einer AL-Amyloidose.
Internistische Befunde
Hämatologischer Status
Klonaler Plasmazellanteil im Knochenmark 15 %. IFE in Serum und Urin positiv für Protein
Lambda. Quotient der freien Leichtketten im Serum < 0,1 (Kappa 13 und Lambda 1188 mg/l),
Lambda-Ausscheidung 145 und Kappa 37 mg/d.
Skelettstatus
Keine Osteolysen.
Herzstatus
Herzinsuffizienz im Stadium NYHA 3, echokardiografisch mittelgradig eingeschränkte
Pumpfunktion, TNI < 0,04 pg/ml, NT-BNP 994 ng/l. Septumdicke 17 mm.
Nierenstatus
Albuminurie 260 mg/d, Kreatinin 0,85 mg/d, Albumin 40 und Gesamteiweiß 64 g/l; Kreatininclearance
95 ml/min.
Weichteilstatus (histologisch aus Fettbiopsie abgesichert)
Immunhistologie mit Typ einer monoklonalen Gammopathie Typ Lambda.
Therapie und Verlauf
Aufgrund der systemischen progredienten Amyloidose mit beginnend vitaler Organeinschränkung
wurde zunächst eine Chemotherapie mit Vincristin, Adriamycin und Dexamethason (VAD-Schema
nach Barlogie 1984) eingeleitet. Diese musste allerdings nach 3,5 Zyklen aufgrund
von Nebenwirkungen bei anhaltender Progredienz beendet werden. Es folgte eine weitere
Chemotherapie mittels Melphalan und Dexamethason (M-Dex-Schema nach Palladini 2004).
Da auch hierunter weiterhin kein Abfall der freien Leichtketten im Serum erreicht
werden konnte, ist nun eine Umstellung der Therapie auf Lenalidomid (Revlimid®) 15 mg (Tag 1 – 21)/Dexamethason 8 mg Tag 1, 7, 15 empfohlen worden, mit Wiederholung
alle 28 Tage.
Diskussion
Wenn erwachsene Patienten plötzlich symmetrische periorbitale Einblutungen entwickeln,
die sich nicht spontan zurückbilden, wie dies bei unserem Patienten der Fall war,
sollte dies immer ein Anlass sein, dies als wichtigen Hinweis für eine systemische
Erkrankung aufzunehmen. In den meisten dieser Fälle wird sich eine systemische Amyloidose
diagnostizieren lassen.
Diese wurden früher nach alter traditioneller Einteilung in drei Typen eingeteilt.
Bei der primären Amyloidose liegt eine Störung der Plasmazellen zugrunde. Es kommt
hierbei zur Bildung von Antikörpern, die normalerweise wieder vom Körper in ihre Bestandteile
(Eiweiße) zerlegt werden. Dies ist hier nicht möglich, da veränderte Antikörper produziert
werden, die nicht vollständig abgebaut werden können. Diese häufen sich somit im Blutserum
an und lagern sich folglich überall im Körpergewebe und in verschiedenen Organen ab.
Die Ablagerungen bestehen aus den sogenannten „Leichtketten-Immunglobulinen“ (AL,
A-Kappa, A-Lambda).
Die sekundären Amyloidosen treten bei bestehender Grunderkrankung auf. Die Ablagerung
bei diesem Erkrankungstyp besteht aus Proteinen mit der Bezeichnung AA-Protein und
wird z. B. durch Infektionserkrankungen wie Tuberkulose oder chronisch entzündliche
Darmerkrankungen bzw. rheumatische Erkrankungen oder Tumorerkrankungen hervorgerufen.
Als dritte Gruppe tritt die familiäre Amyloidose auf, diese wird autosomal dominant
vererbt. Die Ablagerungen bestehen aus z. B. Transthyretin-Protein, welches in der
Leber gebildet wird. Es liegt also eine Synthesestörung der Leber zugrunde.
Diese historische Einteilung wurde mittlerweile abgelöst und richtet sich nun nach
dem amyloidbildenden Protein. Den Amyloidosen liegen Störungen bei der Proteinfaltung
zugrunde, dies führt dazu, dass sich normalerweise lösliche Proteine infolge einer
Konformationsänderung als unlösliche fibrilläre Aggregate in verschiedensten Strukturen
(Leber, Niere, Nerven, Haut etc.) ablagern [4]
[5]. Bis heute sind mehr als 26 amyloidogene Proteine bekannt. Bei den erworbenen (nicht
erblichen) systemischen Amyloidosen sind Immunglobulin-Leichtketten (AL-Typ), Fragmente
des akute Phase Proteins Serum-Amyloid A (AA-Typ) oder fibrillär polymerisiertes 2-Mikroglobulin
als Auslöser detektiert worden.
Bei unserem Patienten lag eine monoklonale Gammopathie Typ Lambda als Auslöser der
AL-Amyloidose zugrunde. Die globale Inzidenz der Amyloidose beträgt ca. 5 – 9 Personen
pro eine Million Einwohner [6]. Konkrete epidemiologische Angaben zur Inzidenz und Prävalenz in Deutschland existieren
bis dato nicht. Es handelt sich hierbei also um eine Erkrankung des blutbildenden
Systems, daher stellt die Diagnostik und Therapie eine Domäne der Hämatoonkologen
dar. Die Diagnose der AL-Amyloidose wird durch den Nachweis der klonalen Plasmazellerkrankung
mittels positiver Immunfixation im Serum und/oder Urin, sowie den Nachweis klonaler
Plasmazellvermehrung im Knochenmark gestellt. Ferner lassen sich z. B. quantitativ
die Leichtketten im Serum messen sowie eine Organbiopsie bei Verdacht auf Organbefall
durchführen. Die weiteren Untersuchungen beinhalten bildgebende Verfahren wie z. B.
Sonografie/MRT/CT der wichtigsten betroffenen Organe wie z. B. Herz und Nieren [7]
[8]. Die Symptome der AL-Amyloidose sind so mannigfaltig wie deren Ablagerungen in den
einzelnen Organsystemen. Im Bereich der Dermatologie können z. B. die Makroglossie,
das „shoulder pad sign“ oder die angesprochenen periorbitalen Ekchymosen wegführend
zur Diagnosestellung sein. Internistische Hinweise sind z. B. bei Nierenbefall ein
nephrotisches Syndrom mit konsekutiven Beinödemen bis hin zu einer manifesten Niereninsuffizienz.
Im kardialen Bereich kann sich die AL-Amyloidose durch eine Dyspnoe im frühen Stadium,
bis hin zu Herzrhythmusstörungen und Myokardinsuffizienz im späten Stadium klinisch
äußern. Ferner können gastrointestinale Beschwerden, Harnblasenregulationsstörungen,
Hepatomegalie, Splenomegalie und das Auftreten einer Polyneuropathie Hinweise auf
eine AL-Amyloidose sein. In seltenen Fällen kann sich allerdings auch ein Carpaltunnelsyndrom
oder eine Lymphknotenschwellungen z. B. im Halsbereich als Zeichen einer AL-Amyloidose
herausstellen [9]. Das mediane Überleben der Patienten mit systemischer AL-Amyloidose beträgt ohne
Behandlung 10 – 14 Monate, mit Behandlung ca. 29 Monate. Letztlich wird die endgültige
Prognose durch den Organbefall des Patienten bestimmt und kann daher sehr variabel
sein [10]. Bei unserem Patienten wurde aufgrund der Beteiligung von Herz und Niere initial
eine Chemotherapie mit Vincristin, Adriamycin und Dexamethason (VAD-Schema nach Barlogie
1984) eingeleitet. Diese musste allerdings nach 3,5 Zyklen aufgrund von Nebenwirkungen
bei weiterer Progression der Erkrankung beendet werden. Es folgte eine weitere Chemotherapie
mittels Melphalan und Dexamthason (M-Dex-Schema nach Palladini 2004). Da auch hierunter
weiterhin kein Abfall der freien Leichtketten im Serum erreicht werden konnte, ist
nun eine Umstellung der Therapie auf Lenalidomid (Revlimid®) 15 mg (Tag 1 – 21)/Dexamethason 8 mg Tag 1, 7, 15 empfohlen worden, mit Wiederholung
alle 28 Tage [11]
[12].
Da Amyloidosen lebensbedrohliche Systemerkrankungen darstellen können, ist deren frühzeitiges
Erkennen unabdingbar, um eine zielgerichtete Therapie möglichst schnell einleiten
zu können. Aufgrund der Komplexität der Organschäden ist eine interdisziplinäre Betreuung
dieser Patienten in spezialisierten hämatoonkologischen Zentren notwendig.
Den Dermatologen kommt hierbei eine Schlüsselrolle bei der möglichst schnellen Diagnostik
zu, indem das Zeichen der symmetrischen periorbitalen Ekchymose im Sinne einer Blickdiagnose
in Assoziation einer systemischen Amyloidose erkannt wird. Durch eine frühe Diagnosestellung
lässt sich die Prognose dieser Patienten deutlich verbessern.