Überblick
(Joachim Lorenz)
Zur Gewinnung von Erkenntnissen über Mechanismen von Naturphänomenen hat die empirische
Forschung vielfältige Instrumente entwickelt. In der Medizin geht es dabei, neben
der Erforschung der Krankheitsursachen, häufig um die Bedeutung von Symptomen, Befunden,
Diagnose- oder Therapieverfahren für den Krankheitsverlauf. Bis zur Mitte des letzten
Jahrhunderts waren neue medizinische Erkenntnisse meist das Ergebnis sorgfältiger
Beobachtung des Patienten und seiner Krankheit. Seitdem hat die Analyse der molekularen
Basis von Krankheiten fruchtbare Hypothesen als Grundlage für diagnostische und therapeutische
Interventionen geliefert. In der Prüfung dieser Hypothesen gelten prospektiv durchgeführte
Interventionsstudien mit randomisierter Patientenzuordnung und Vergleich gegenüber
einer Kontrollgruppe, die sich ausschließlich durch das Fehlen der Intervention unterscheidet,
als Goldstandard. Zum Ausschluss kontaminierender Einflussfaktoren werden die Prüfkollektive
durch zahlreiche Ausschluss- und Einschlusskriterien gereinigt. Durch dieses Verfahren
wird meist ein erheblicher Anteil – bis über die Hälfte – der inkludierten Merkmalsträger
von der Analyse ausgeschlossen.
Randomisierte kontrollierte Studien hinterlassen ein zunehmendes Unbehagen. Es entsteht
der Verdacht, dass die methodenbedingte Fokussierung auf die Prüfung einer oder weniger
Hypothesen die Identifizierung signifikanter Begleitmerkmale verhindert. Außerdem:
Handelt es sich bei dem extrahierten Effekt vielleicht – aufgrund des rigiden Studiendesigns
– um ein Artefakt, das wenig mit dem wirklichen Leben zu tun hat? Es fällt auch auf,
dass von Hypothesen freie Beobachtungen immer wieder zu bedeutenden Ergebnissen geführt
haben. Zum Beispiel führte die zufällig bemerkte Wachstumshemmung in einer Bakterienkultur
nach Verunreinigung durch Schimmelpilze dank Alexander Fleming zur Entwicklung der
Betalaktam-Antibiotika [1]. Ein aktuelleres Beispiel: Die auffallend hohe Einnahmetreue der Probanden in einer
Therapiestudie zur arteriellen Hypertonie mit einem, in dieser Indikation unwirksamen,
Phosphodiesterase-Inhibitor mündete in die medikamentöse Therapie der erektilen Dysfunktion
[2].
Ein Blick auf die Geschichte der Naturwissenschaften zeigt, dass sie immer in der
Konkurrenz zwischen unvoreingenommener Beobachtung einerseits und dem Hypothesen-basierten
Experiment andererseits stand [3]. In der ersten modernen Forschungsakademie der Geschichte, der im Jahr 1660 gegründeten
Royal Society in London, konkurrierten seit Beginn beide Antipoden miteinander: Der
Experimentator Robert Boyle (1627 – 1691), der Pneumologie durch das Boyleʼsche Gesetz
bekannt, prüfte die Hypothese einer vitalen Bedeutung von Sauerstoff in der Luft:
„Eine Maus in einer geschlossenen Kammer, in der eine Kerze brennt, stirbt in demselben
Augenblick, wie die Kerze erlischt“ [4]. Seinem Widersacher, dem Beobachter Robert Hooke (1635 – 1703), gelang durch die
Betrachtung von dünnen Schnitten aus Flaschenkork über ein selbst gebautes Mikroskop
die Erstbeschreibung der Zelle als Baustein des Lebens [5]. Von unmittelbarem Einfluss auf den derzeitigen Wissenschaftsbetrieb blieb eine
Debatte zweier in die USA emigrierter Philosophen aus dem sogenannten „Wiener Kreis“
des Positivismus (1922 – 1936): Rudolf Carnap [6]: „There is a continuum which starts with direct sensory observations and proceeds
to enormously complex, indirect observations“, und Karl Popper [7]: „The solution of the problem of induction: the method of proposing bold hypotheses,
and exposing them to the severest criticism, in order to detect where we have erred“.
In dieser Debatte blieb bis jetzt Karl Popper, der Deduktivist, von weit größerem
Einfluss.
Der Stand der klinischen Forschung zur COPD spiegelt recht genau das Ergebnis des
Wettstreites von Experimentatoren und Beobachtern wider. Heute stehen viele randomisierte
kontrollierte Studien über die Wirksamkeit antiinflammatorisch und bronchodilatativ
wirksamer Medikamente oder andere Interventionen zur Verfügung. Daneben erfolgten
wichtige grundlagenorientierte Untersuchungen zur Ätiologie und Pathogenese. Es fehlen
aber weitgehend systematische Beobachtungen über die natürliche Entwicklung der Erkrankung
und ihre Einflussfaktoren. Erst in neuester Zeit haben sich neue Formen der klinischen
Forschung, nicht zuletzt unter dem Eindruck der Schwächen eindimensionaler Hypothesen-getriebener
Intervention entwickelt: Prospektiv untersuchte Patientenkohorten werden im Hinblick
auf ein weites Feld von möglichen Einflussfaktoren über einen Zeitraum von Jahren
sorgfältig und ohne Intervention verfolgt [8]
[9]. Es ist absehbar, dass, in Abhängigkeit von der Fragestellung, beide Ansätze erfolgreich
sein können.
Vor diesem wissenschaftstheoretischen Hintergrund behandeln die Beiträge unserer Tagung,
die im Februar 2015 stattfand, sehr unterschiedliche Dimensionen der COPD. Sie untersuchen
gemeinsam die Frage, wie die Wertigkeit der vielfältigen Endpunkte in der klinischen
Forschung zu beurteilen ist. Quantifizierbare Parameter der Atemmechanik, des Gasaustausches,
der körperlichen Aktivität und der Belastbarkeit und zirkulierende Biomarker verbessern
die Auswertbarkeit von Effekten. Aber wissen wir in jedem Fall, was wir im biologischen
Sinn damit messen? Wie weit helfen Messergebnisse über Teilaspekte der Erkrankung
in der Beurteilung der Krankheitsprognose? Als neue Dimension wird der klinische Beitrag
von Schnittbilduntersuchungen der Lunge als Biomarker der COPD analysiert. Die Autoren
freuen sich, wenn ihre Beiträge die Diskussion um die Frage, „Womit bringen wir die
klinische Erforschung der COPD vorwärts?“, stimulieren können.
Messen und Bewerten: Belastbarkeit
Messen und Bewerten: Belastbarkeit
(Ralf Ewert)
Die COPD ist eine obstruktive Ventilationsstörung, verbunden mit den klinischen Kardinalsymptomen
Husten, Auswurf und Dyspnoe. Hinter dieser Definition verbirgt sich jedoch keine homogene
Erkrankung. Das in Deutschland übliche Lungenfunktionskriterium FEV1/VC < 70 % (postbronchodilatorisch)
unterscheidet sich zudem von dem andernorts verwendeten Kriterium FEV1/FVC. Jedoch
gibt es keine Hinweise dazu, ob dies ohne oder unter Medikation erfolgen soll oder
inwiefern Komorbiditäten berücksichtigt werden sollen.
Bei einem relevanten Anteil der Betroffenen ist die Obstruktion „zu gering“, um die
GOLD-Kriterien zu erfüllen [8]. Hier liegt die FEV1 zwar unter 80 % des Sollwertes, die Ratio FEV1 /FVC ist mit > 70 %
jedoch unauffällig. Diese Patienten gelten als „nicht klassifiziert“. Umgekehrt bleibt
in der Definition unberücksichtigt, dass bei Gesunden ab dem 50. Lebensjahr die untere
Normgrenze für den FEV1 /FVC-Quotienten unter 70 % liegt. Dadurch kommt es in dieser
für COPD wichtigen Altersgruppe zu einer Überdiagnose [9]. Alles in allem trifft die gültige COPD-Definition auf etwa 8 bis 10 % der über
40-jährigen Personen in Deutschland zu.
Dyspnoe und Mortalität
Die FEV1 ist nur schwach mit der 5-Jahres-Mortalität assoziiert [10]. Demgegenüber diskriminieren integrative Parameter wie die MRC-Dyspnoe-Skala deutlich
besser. Hier ergaben sich Mortalitätsraten von etwa 10 % bei Dyspnoe Grad II über
65 % bei Grad IV bis zu fast 100 % bei Grad V. In einer bevölkerungsbasierten Analyse
berichteten Studienteilnehmer erst dann häufiger über Atemnot, wenn eine höhergradige
Obstruktion bestand und ihre FEV1-Werte unterhalb von 1,2 l lagen [11].
Der Verlauf der COPD lässt sich mit integrativen spiroergometrischen Parametern deutlich
besser darstellen als mit der post-bronchodilatatorischen FEV1 [12]. Während letztere bei Männern mit mittelschwerer bis schwerer COPD über 5 Jahre
keinen linearen Abfall zeigte, fielen die maximale Sauerstoffaufnahme und das maximale
Atemminutenvolumen im selben Zeitraum signifikant ab. Auch die Überlebensrate unterschied
sich signifikant zwischen Patienten mit höherer maximaler Sauerstoffaufnahme (> 995 ml/min)
und solchen mit geringen Werten (< 654 ml/min) [13]. Nach diesen Daten wäre es eigentlich sinnvoll, in der pneumologischen Praxis die
wenig relevante wiederholte Messung der FEV1 durch solche integrativen Messwerte abzulösen.
Bei der Interpretation der Studiendaten zur Mortalität müssen auch methodische Aspekte
berücksichtigt werden. Während mit univariaten Analysen diverse Krankheitsparameter
mit der Sterblichkeit korrelierten, ergaben sich mit multivariaten Analysen ganz andere
und je nach Modell unterschiedliche Resultate [13]. Als relevant verblieben Leistungsfähigkeit und Alter, während die Diffusionskapazität
und andere Lungenfunktionsparameter keine Signifikanz mehr zeigten.
Integrative Indizes
Um die Prognose der COPD einzuschätzen, eignen sich integrative Indizes besser als
einzelne Lungenfunktionswerte. In den BODE-Index gehen vier Kriterien ein: die FEV1,
der 6-Minuten-Gehtest, die MRC-Dyspnoe-Skala und der Body Mass Index [14]. Pro Parameter werden 0 (normal) bis 3 Punkte vergeben. Je höher die Punktzahl (maximal
10), desto größer die Mortalität. Andere Autoren modifizierten diesen Index und ersetzten
den 6-Minuten-Gehtest durch die maximale Sauerstoffaufnahme [15]
[16]. Damit erreicht man eine noch bessere Differenzierung [17].
Muskulatur
Die Muskulatur beeinflusst die Leistungsfähigkeit entscheidend. In der Sportmedizin
werden sogar Muskelbiopsien entnommen, um Informationen über die Muskulatur zu erhalten.
Weniger invasiv sind CT- (oder MRT-) Untersuchungen, die im Oberschenkelquerschnitt
den Anteil von Fettgewebe in Relation zur Muskulatur bestimmen. Bei COPD war ein höherer
Anteil von Fettgewebe allerdings nur schwach mit reduzierter Leistung im 6-Minuten-Gehtest
oder im Shuttle walk test assoziiert [18]. Solche Verfahren tragen daher kaum zum Erkenntnisgewinn in der klinischen Praxis
bei, sondern sind eher für wissenschaftliche Fragestellungen geeignet
Mechanismen der Dyspnoe
Die wegen der Überblähung bei COPD eingeschränkte Atemmechanik führt schon in Ruhe
zu einer verringerten inspiratorischen Kapazität [19]. Unter Belastung nimmt die IC dann noch einmal stark ab. Dies hängt auch mit der
Funktion des Zwerchfells als wichtigstem Atemmuskel zusammen. Bereits bei leichter
COPD ist eine größere neuronale Stimulation des Zwerchfells erforderlich als bei Gesunden
[19]. Eine stärkere körperliche Belastung führt außerdem bei COPD früher zur Atemnot.
Selbst bei gesunden Personen findet man Unterschiede zwischen den Geschlechtern bei
der Wahrnehmung von Dyspnoe: Bei identischer körperlicher Belastung berichten Frauen
früher über Atemnot als Männer [20]. Dies könnte mit einer physiologischerweise unterschiedlichen neuronalen Zwerchfellansteuerung
zu tun haben [21].
Systemvaskuläre Veränderungen
Die Muskulatur als Endorgan benötigt zum Funktionieren genügend Sauerstoff. Ist durch
eine Herzinsuffizienz die Durchblutung eingeschränkt, führt dies zur Beeinträchtigung
der muskulären Leistungsfähigkeit. Große Meta-Analysen haben ergeben, dass bei bis
zu 50 % der COPD-Patienten zusätzlich eine Herzinsuffizienz besteht. Verglichen mit
Kontrollpersonen, hatten COPD-Patienten eine geringere Durchblutung der großen Arbeitsmuskulatur
an der Wade [22]. Noch stärker reduziert war die Durchblutung, wenn zusätzlich eine Herzinsuffizienz
bestand.
Relevanz der Komorbidität
Zusätzliche Erkrankungen kommen bei COPD-Patienten häufig vor. In einer holländischen
Untersuchung hatten mehr als 60 % der Betroffenen zwischen 3 und 5 Komorbiditäten
[23]. Daraus ergeben sich wiederum ganz unterschiedliche Phänotypen der chronisch obstruktiven
Lungenerkrankung. Große Kohortenstudien zeigten, dass bei weiter fortgeschrittener
Erkrankung Komorbiditäten wie Diabetes, Hypertension und kardiovaskuläre Erkrankungen
deutlich häufiger auftreten [24]. Die Hazard Ratio für die Mortalität war bei Gold III/IV-Patienten gegenüber Gesunden
etwa dreimal höher. Kamen kardiovaskuläre Erkrankungen hinzu, ergab sich sogar ein
9-fach höheres Risiko. Demnach ist bei diesen Komorbiditäten nicht die COPD ausschlaggebend
für die Mortalität, sondern vor allem die Begleiterkrankungen.
Funktionsteste
Für die Anwendung in der Praxis ist der 6-Minuten-Gehtest gut geeignet. Er ist einfach,
gut standardisiert und erlaubte in Studien weltweite Vergleiche. Sonderformen wie
der ISWT (incremental shuttle walking test) oder der ESWT (endurance shuttle walk
test) werden vor allem im Rahmen des Therapiemonitoring und der Rehabilitation angewendet.
Die Spiroergometrie liefert komplexe Daten mit hoher Sensitivität. Allerdings ist
sie weniger gut standardisiert, zeit- und kostenaufwendig und nicht überall verfügbar.
Die prognostische und diagnostische Stratifizierung von COPD-Patienten kann mit spiroergometrischen
Parametern recht zuverlässig erfolgen [25]. Wichtig sind hier die Parameter zur Ateminsuffizienz und zur globalen Leistungsfähigkeit.
Im Unterschied zu diesen 1-Punkt-Messungen wird versucht, mit kleinen Messgeräten
kontinuierlich über den Tag die körperliche Aktivität zu erfassen. Schrittzähler sind
zwar einfach und motivieren den Patienten gut, ihre Ergebnisse sind jedoch stark fehlerbehaftet.
Bei Akzelerometern besteht keine gute Korrelation zum Energieverbrauch der Patienten.
Der Goldstandard zur Messung des Energieverbrauchs, die Doubly Labeled Water Methode,
erfasst den gesamten Energieverbrauch. Bei COPD kann dieser wegen der vermehrten Atemarbeit
erhöht sein. Dann wird die eigentlich interessante körperliche Aktivität mit dieser
Methode nicht zuverlässig erfasst.
Zum Messen der Belastbarkeit sollten je nach Fragestellung unterschiedliche Parameter
herangezogen werden. Für die Prognose entscheidend ist die Frage nach dem Ausmaß der
Dyspnoe, das mit skalierten Instrumenten gut erfasst werden kann. Geht es um die genauere
Bestimmung des Schweregrades der Erkrankung, eignen sich integrative Parameter gut,
vor allem die maximale Sauerstoffaufnahme. Möchte man Veränderungen unter therapeutischen
Interventionen zeigen, sind Belastungstests bei 70 – 80 % der maximalen Leistungsfähigkeit
besonders aussagekräftig. Der 6-Minuten-Gehtest korreliert gut mit der maximalen Sauerstoffaufnahme
und kann daher als Substitut für die Spiroergometrie angesehen werden. Zahlreiche
Parameter, die sich in der Sportmedizin bewährt haben, liefern bei COPD-Patienten
keine aussagekräftigen Ergebnisse.
Einfluss von Exazerbationen auf das Überleben
Einfluss von Exazerbationen auf das Überleben
(Winfried J. Randerath)
Definition der Exazerbation
Für die Bewertung von Forschungsergebnissen zu COPD-Exazerbationen ist entscheidend,
welche Definition der Exazerbation die Wissenschaftler zugrunde gelegt haben. Früher
galt eine ausschließlich symptomorientierte Definition: Unter einer Exazerbation verstand
man die Zunahme oder das neue Auftreten von Husten und oder Giemen und die Veränderung
des Sputums [26].
Experten der GOLD-Initiative erweiterten im Jahr 2000 die Definition um eine Veränderung
der Medikation [27]. Diese geänderte Definition hatte entscheidenden Einfluss auf die darauf folgenden
Forschungsergebnisse. So wurde die Prävalenz von Exazerbationen vor dem Jahr 2000
mit 2 – 3 pro Patient und Jahr angegeben. In den letzten 15 Jahren sank diese Zahl
dagegen auf nur 1,5 – 0,8 pro Jahr [28].
In der neuesten Version des GOLD-Papiers (Update 2015) wurde die Schweregradeinteilung
aufgrund der Exazerbationen noch einmal verändert: Neben ≥ 2 Exazerbationen (Symptomatik + Therapieveräderung)
definiert auch ≥ 1 Exazerbation, die zur Hospitalisation führt, die Gruppe C oder
D [29].
Beziehung zwischen Exazerbation und Überleben
Die große Mehrzahl der Studien zum Überleben wählten die Exazerbation als Ausgangspunkt
für das Beobachtungsintervall. Die entsprechenden Kaplan-Meier-Survivalkurven zeigen
regelhaft einen kontinuierlichen Abfall des Überlebens mit der Zeit. Im ersten Jahr
nach Exazerbation liegt das kumulative Überleben bei etwa 0,6 [30].
Eine entscheidende Frage ist, inwiefern die Überlebenszeit nach Exazerbation ursächlich
durch die respiratorische Verschlechterung bedingt ist. Suissa et al. werteten in
einer Kohortenstudie 50 000 Todesfälle aus dem kanadischen Gesundheitssystem aus [31]. Unmittelbar nach einer schweren Exazerbation war die Sterblichkeit deutlich erhöht:
Innerhalb der ersten Krankheitswoche lag sie bei 40 von 100 000 Fällen pro Tag und
in den ersten drei Monaten bei 5 pro 100 000 pro Tag. Insgesamt waren 50 % der Patienten
nach 3,6 Jahren und 75 % nach 7,7 Jahren verstorben. Eine Meta-Analyse zum Überleben
nach akuter Exazerbation wertete 6 Studien mit Nachbeobachtungszeiten von mindestens
1,5 Jahren aus [32]. Hier lag die Krankenhaus-Mortalität bei knapp 7 % und die Sterblichkeit innerhalb
von 3 Monaten bei 15 %. Dabei ließ sich eine anfängliche „kritische Phase“ von der
darauf folgenden „stabilen Phase“ unterscheiden. Wenn die kritische Phase mathematisch
herausgerechnet wurde, lag die Letalität für das Einzelereignis zwischen 11 % und
19 %, also deutlich höher als die Krankenhaus-Letalität.
Was sind die Konsequenzen der Exazerbation, und worin ist die in der Folgezeit erhöhte
Mortalität begründet? Die Lungenfunktion bleibt nach dem Ereignis für Tage bis Wochen
gegenüber der stabilen Phase erniedrigt. Selbst nach 35 Tagen zeigten nur 75 % der
Patienten eine vollständige Erholung ihres Peak flows [33]. Eine Subgruppe von Patienten mit drei oder mehr Exazerbationen pro Jahr zeigte
einen signifikant beschleunigten Abfall der FEV1 von 40 ml pro Jahr im Vergleich zu
der Gruppe mit selteneren Exazerbationen (FEV1-Verlust 32 ml pro Jahr) [34].
Risikofaktoren und Komorbiditäten
Bestimmte Komorbiditäten beeinflussen ebenfalls die Überlebensrate. Myokardinfarkte
treten nach Exazerbation etwas häufiger auf, wie Auswertungen großer Datenbanken zeigen.
Waren bestimmte Biomarker wie NT-proBNP oder Troponin T bei der Aufnahme ins Krankenhaus
erhöht, war die Mortalität bei diesen COPD-Patienten signifikant höher [35]. In einem systematischen Review, der 37 Studien mit knapp 190 000 Patienten einschloss,
betrug die langfristige 2-Jahres-Mortalität 31 % [36]. Die Autoren identifizierten diverse Risikofaktoren: Die Todesrate war höher bei
stärkerer pulmonaler Einschränkung, höherem Alter, erniedrigtem Body Mass Index, bei
Herz- oder Nieren-Insuffizienz oder bei Patienten mit Malignomen. Eine andere multivariate
Analyse wies zusätzlich auf den Einfluss häufigerer COPD-Exazerbationen hin [37].
Die kurzfristige Krankenhaus-Mortalität nach Aufnahme wegen COPD-Exazerbation war
signifikant höher bei Patienten mit erniedrigtem pO2 und erhöhtem pCO2 [30].
Häufige Exazerbationen
Die Zeitintervalle zwischen wiederholten Exazerbationen wurden in einer kanadischen
Untersuchung von Ereignis zu Ereignis immer kleiner [31]. Außerdem bestanden klare Unterschiede zwischen Männern und Frauen: Die zweite Exazerbation
trat bei Männern durchschnittlich 4,4 Jahre nach der 1. Exazerbation auf, während
es bei Frauen im Mittel 7,1 Jahre dauerte, bis ein weiteres Ereignis auftrat. Auch
das Lebensalter spielte eine Rolle, denn bei Patienten unter 75 Jahren betrug das
Zeitintervall bis zur darauffolgenden Exazerbation nur 3,9 Jahre im Vergleich zu 13,2
Jahren bei älteren Personen.
Nach einer spanischen Publikation zeigten sich klare Unterschiede im Überleben je
nachdem, wie viele zusätzliche Exazerbationen die Patienten durchmachten [38]. Von den Patienten ohne weitere Exazerbation lebten nach 5 Jahren noch 78 %, während
die Überlebenswahrscheinlichkeit im selben Zeitraum nur bei 50 % bzw. 30 % lag, wenn
im Beobachtungszeitraum 1 – 2 bzw. 3 Exazerbationen aufgetreten waren. Seit dieser
Untersuchung spricht man vom Phänotyp des „Frequent exacerbators“.
In einer aktuellen Auswertung der mehr als 2000 ECLIPSE-Studienpatienten wurden 41
Variablen einer Cluster-Analyse unterzogen [Rennert SI et al. Ann ATS. 2015. 201403 – 125OC].
Es ergaben sich 13 Hauptfaktoren aus den Bereichen Symptome, klinische und Lungenfunktionsbefunde
sowie Entzündungsmarker. Es gelang der Forschergruppe, fünf unterschiedliche Cluster
(A bis E) zu differenzieren. Die schlechteste Prognose mit einer Mortalität von 12 – 13 %
innerhalb von 3 Jahren hatten die Cluster C und D, also Patienten mit deutlicher systemischer
Entzündung und Komorbiditäten bzw. Patienten mit der niedrigsten FEV1, einem schweren
Emphysem und der höchsten Rate an Exazerbationen und Hospitalisationen. Hier spielten
Exazerbationen offenbar eine wichtige Rolle für die Prognose.
Eine post-hoc-Analyse mit dem primären Endpunkt Exazerbation erfolgte bei 7300 Patienten
aus der POET-Studie [39]. Bei den 63 % Patienten ohne Exazerbation traten 1,7 Todesfälle pro 100 Patienten-Jahre
auf, während die Mortalität bei Patienten mit mindestens einer schweren Exazerbation
dreimal höher war.
Therapie und Überleben
Ob die veränderte COPD-Therapie einen Einfluss auf das Überleben hat, wurde in mehreren
großen Studien erfasst. In der TORCH-Studie wurde die Behandlung mit Salmeterol, Fluticason
oder die Kombination beider Substanzen mit Placebo verglichen. Die 3-Jahres-Mortalität
hing in erster Linie vom GOLD-Krankheitsstadium und von der Einschränkung der FEV1
ab [40]. In der UPLIFT-Studie war die Wahrscheinlichkeit einer Exazerbation unter Tiotropium
signifikant geringer als unter Placebo [41]. Außerdem zeigte das Per-Protocol-Kollektiv einen etwas geringeren Anteil von Todesfällen
unter Tiotropium (14,4 %) als unter Placebo (16,3 %).
Eine Hyperkapnie scheint ein Risikofaktor für frühes Versterben zu sein, insbesondere
auch für die Krankenhaus-Mortalität [42]. Die Therapie mit nicht-invasiver Beatmung führte zu einem erheblichen Überlebensvorteil:
Im Vergleich zur Kontrollgruppe mit einer 33 %-igen 1-Jahres-Mortalität verstarben
nur 12 % der NIV-Patienten im selben Zeitraum [43]. Zudem mussten beatmete Patienten seltener stationär behandelt werden.
Exazerbationen beeinflussen den Krankheitsverlauf und die Prognose der COPD entscheidend.
Dies gilt über die akute Krankenhausperiode hinaus. Je häufiger Exazerbationen im
Langzeitverlauf auftreten, desto höher ist die Mortalität der Patienten. Als Marker
für eine schlechte Prognose erwiesen sich systemische Inflammation, Komorbiditäten,
schlechtere Lungenfunktion und eingeschränkte Lebensqualität. Mit adäquater Therapie
kann es gelingen, die Zahl von Exazerbationen zu reduzieren und damit die Überlebensprognose
insgesamt zu verbessern.
Biomarker bei COPD – wie wertvoll sind sie?
Biomarker bei COPD – wie wertvoll sind sie?
(Robert Bals)
Biomarker sind objektiv messbare Parameter, die normale oder pathologische biologische
Prozesse sowie pharmakologische Antworten auf medikamentöse Interventionen anzeigen
können. Der Begriff bezieht sich nicht ausschließlich auf Substanzen, die im Blut
gemessen werden. Vielmehr können auch Lungenfunktionswerte oder Parameter aus der
Bildgebung Biomarker sein. Eine besondere Bedeutung haben Biomarker für klinische
Studien, wenn sie dort als Endpunkt genutzt werden.
Für die chronisch obstruktive Lungenerkrankung fehlen bisher zuverlässige Biomarker.
Ideal wären Biomarker, die als Akutparameter dienen können, wie beispielsweise das
Troponin bei Patienten mit Thoraxschmerz zur Diagnose des akuten Koronarsyndroms.
Auch Langzeitparameter wären bei COPD wünschenswert, die darüber Auskunft geben, wie
gut die chronische Erkrankung langfristig eingestellt ist, ähnlich wie es das HbA1C
beim Diabetes mellitus reflektiert.
Schließlich ist die gute Qualität des jeweiligen Tests wichtig. Sensitivität und Spezifität
sollen hoch sein, und verlässliche Grenzwerte für den Normbereich müssen bekannt sein.
Jedes neue diagnostische Verfahren muss gegen den Goldstandard evaluiert werden.
Beispiele für Biomarker in der Pneumologie
Bei Patienten mit Pneumonie wurden unterschiedliche Biomarker miteinander verglichen.
Neben etablierten Laborwerten wie Leukozytose und CRP wurde besonders das Procalcitonin
sorgfältig evaluiert, auch in der Arbeitsgruppe des Referenten. Es ergab sich jedoch
kein großer Zusatznutzen durch das Procalcitonin. Bei Patienten, die mit ambulant
erworbener Pneumonie stationär aufgenommen werden müssen, zeigt eine Hyperglykämie
ein erhöhtes Mortalitäts-Risiko an [44].
Als Biomarker für das Mesotheliom hat sich das Fibulin-3 herausgestellt [45]. Die Fibulin-3-Konzentration im Plasma war nicht nur gegenüber gesunden Kontrollpersonen
stark erhöht, sondern auch gegenüber Personen mit Asbest-Exposition. Die ROC (Receiver
Operating Characteristics)-Kurve ergab für Sensitivität und Spezifität Werte über
95 %, sodass dieser Parameter bei der Mesotheliom-Diagnostik durchaus hilfreich ist.
Biomarker bei COPD
Der Pneumologe wünscht sich je nach Krankheitsstadium unterschiedliche Biomarker für
COPD. Hilfreich wäre ein Biomarker, der die Empfänglichkeit einer Person für die chronisch
obstruktive Lungenerkrankung anzeigt. Bei Neudiagnose einer COPD wäre ein prognostischer
Biomarker nützlich, der eine Stratifizierung erlaubt und das Ansprechen auf die Therapie
vorhersagt. Bei Patienten mit akuter Verschlechterung würde ein nützlicher Biomarker
beispielsweise die Differenzialdiagnose zwischen COPD-Exazerbation und Lungenembolie
erleichtern oder das Ansprechen auf eine Antibiotikatherapie vorhersagen.
Hinsichtlich der genetischen Disposition für COPD wurden bereits zahlreiche Marker
untersucht. Abgesehen vom Alpha-1-Antitrypsin identifizierten die Forscher bisher
kein Kandidatengen mit klinischer Bedeutung, wie eine Übersichtsarbeit zeigte [46]. Bei Patienten mit stabiler COPD wurden die Serumkonzentrationen des CRP mit unterschiedlichen
Schweregrad-Parametern für obstruktive Lungenerkrankung verglichen [47]. Es zeigten sich beispielsweise signifikante Korrelationen zum Sauerstoffpartialdruck
und zum 6-Minuten-Gehtest.
Im Rahmen der ECLIPSE-Studie wurden diverse Auswertungen zu Biomarkern publiziert.
Der neuere Biomarker CC-16 im Serum war wenig hilfreich [48]. Eine andere Auswertung analysierte 34 unterschiedliche Biomarker im Serum [49]. Von den wenigen Parametern, die überhaupt mit der klinischen Situation korrelierten,
war das Fibrinogen am vielversprechendsten. In einer weiteren Studie erwies sich lediglich
das Interleukin-6 als hilfreicher zusätzlicher Parameter, um die Mortalität bei COPD-Patienten
abzuschätzen [50].
Relativ aktuell sind Analysen zum Parameter RAGE („receptor for advanced glycation
end-products“) [51]. Reduzierte Serumkonzentrationen korrelierten mit einer stärkeren neutrophilen Inflammation
der Atemwege.
Ein neuer Marker in der bronchoalveolären Lavage-Flüssigkeit korrelierte bei COPD
stark mit der FEV1, und zwar der Plazenta-Wachstumsfaktor PlGF („placenta growth factor“)
[52]. Eine Kombination der drei Parameter Adrenomedullin, Arginin-Vasopressin und atriales
natriuretisches Peptid korrelierte besser mit der Mortalität bei COPD als jeder der
einzelnen Parameter [53].
Bildgebung und Lungenfunktion
Mit CT-Bildgebung war es möglich, bei COPD-Patienten funktionelle Störungen der kleinen
Atemwege und Überblähungszonen nachzuweisen [54]. Beim Alpha-1-Antitrypsin-Mangel gilt die mit CT-Densitometrie bestimmte Lungendichte
als allgemein akzeptierter Endpunkt für Studien.
Auch bei der Lungenfunktionsdiagnostik gibt es neue Entwicklungen. Der Lung Clearance
Index (LCI), der mit der Multiple Breath Washout Methode unter Verwendung von Stickstoff
als Tracergas gemessen wird, war bei COPD-Patienten gegenüber gesunden Kontrollen
deutlich erhöht. Der LCI könnte hilfreich sein, um eine beginnende COPD früh zu erfassen.
Um bessere Biomarker für die COPD zu finden, sind komplexere Ansätze erforderlich.
Genetische Analysen in Kombination mit Informationen zum klinischen Schweregrad erscheinen
vielversprechend. Auch das Mikrobiom der Lunge wird aktuell genauer erforscht. So
zeigte sich, dass systemische Entzündungsprozesse mit einem Übergang von bakteriellen
Lipopolysacchariden ins Blut assoziiert sein können. Für die Atherosklerose konnte
gezeigt werden, dass bestimmte Veränderungen im Mikrobiom des Darms mit Atherosklerose-Symptomen
assoziiert waren [55].
Im Rahmen des Kompetenznetzes COSYCONET werten Forscher in Deutschland derzeit zahlreiche
Biomaterialien, Metabolome und Proteome aus. Ein Ziel dieses Projekts besteht darin,
zukünftig bessere Biomarker für die COPD zu identifizieren.
Parameter für die Krankheitskontrolle
Parameter für die Krankheitskontrolle
(H. Worth)
Das Ziel der Betreuung von COPD-Patienten liegt darin, die Krankheit optimal zu kontrollieren
und damit auch ihre Progression zu verlangsamen. Dabei geht es sowohl um die aktuelle
Situation als auch um den weiteren Verlauf und die Prognose. Kenngrößen für die aktuelle
Kontrolle sind vor allem die Symptome des Patienten, seine körperliche Belastbarkeit,
Aktivität und Lebensqualität. Auch die Lungenfunktion ist wichtig. Bei Verlauf und
Progression der Erkrankung geht es um Anzahl und Schwere von Exazerbationen, den Verlust
von Lungenfunktion mit der Zeit und um Nebenwirkungen von Medikamenten. Studien verwenden
als starken Parameter die Mortalität.
Welche klinischen Parameter zur Erfassung des Krankheitsstatus sinnvoll sind, hängt
entscheidend vom Bezugssystem und vom Bewerter ab ([Tab. 1]). Für Patienten sind Symptome am wichtigsten. Der behandelnde Arzt orientiert sich
an der Lungenfunktion, an Exazerbationen und an Nebenwirkungen. Aus der Sicht von
Zulassungsbehörden spielen vor allem Lungenfunktionswerte und Exazerbationen eine
Rolle. Die Perspektive des IQWIG bzw. G-BA ist dagegen vor allem bezogen auf den Patienten,
und man betrachtet primär Symptome, Exazerbationen, Lebensqualität und Mortalität.
Demgegenüber werden Lungenfunktionswerte als Surrogatparameter bewertet. Bei neuen
Substanzen geht es um den Vergleich mit bereits auf dem Markt befindlichen Alternativen.
Tab. 1
Relevanz klinischer Endpunkte für verschiedene Bewerter.
Klinische Endpunkte
|
Relevanz für verschiedene Bewerter unterschiedlich
-
Patient: Symptome am wichtigsten
-
Behandelnder Arzt: Symptome, (Lungenfunktion), Exazerbation, UAW
-
Zulassungsbehörden: Lungenfunktion, Exazerbation, (Vergleich: Placebo, Komparator) je nach Wirkprinzip
des Medikaments
-
IQWIG/G-BA: Symptome, Exazerbationen, Lebensqualität, Mortalität; Vergleiche: auf dem Markt befindliche
Alternativen
|
Die DACCORD-Studie
In Deutschland werden derzeit mehr als 6000 COPD-Patienten in dem DACCORD-Register
erfasst („Die ambulante Versorgung mit langwirksamen Bronchodilatatoren: COPD-Register
in Deutschland“). Die Teilnehmer erfüllen die Kriterien für die Aufnahme in das Disease
Management Programm COPD, müssen mindestens 40 Jahre alt sein und werden eingeschlossen,
wenn ihre Therapie mit antiobstruktiven Medikamenten neu eingestellt oder umgestellt
wird.
Die vorwiegenden Symptome dieser Kohorte sind Dyspnoe (86 %), Husten (66 %) und eingeschränkte
Belastungstoleranz (56 %). Leicht erkrankte und schwer kranke Personen unterscheiden
sich in ihrer Symptomatik deutlich, denn Patienten mit einem CAT-Score über 30 geben
viel häufiger eine eingeschränkte Belastbarkeit, Ruhedyspnoe und Brustschmerzen an
als gesündere Gruppen. Hinsichtlich der Tagesrhythmik berichten die meisten Teilnehmer
vorwiegend tagsüber und morgens über Beschwerden, während abends oder nachts bei weniger
als 5 % der Patienten Symptome auftreten. Im Gegensatz zu diesen Resultaten hatte
eine frühere Fragebogen-Auswertung ergeben, dass die Mehrzahl der Patienten am frühen
Morgen die meisten Beschwerden hatte, und dass auch abends und nachts viele Symptome
angegeben wurden [56]. Die Abgrenzung der verschiedenen Tagesabschnitte kann jedoch methodisch schwierig
sein.
In der Gesamtkohorte des DACCORD-Registers hatten 26 % der Patienten in den 6 Monaten
vor Einschluss in die Studie eine Exazerbation. In der Subgruppe von 538 Patienten
mit einem CAT-Score über 30 waren es mit 47 % deutlich mehr.
Schweregrade der COPD
Die aktuelle GOLD-Leitlinie verwendet eine Vierfeldertafel, um COPD-Patienten nach
ihrem Risiko in die Gruppen A bis D einzuteilen. Kriterien sind FEV1, Exazerbationen
und Symptome, die mit Fragebögen erhoben werden [29]. Auf der x-Achse der Vierfeldertafel werden zwei unterschiedliche Kriterien verwendet:
der modifizierte MRC-Score, der lediglich das Ausmaß der Dyspnoe erfasst, und der
CAT-Score, der in stärkerem Maße die Alltagssymptomatik quantifiziert. Je nachdem,
welches der beiden Systeme verwendet wird, ergibt sich für die DACCORD-Patienten mit
der schlechtesten Langzeitprognose ein unterschiedliches Bild: Mit dem CAT-Score werden
im Vergleich zum mMRC-Score deutlich mehr Patienten in die Gruppen D (46 % versus
35 %) und B (44 % und 27 %) eingeordnet. Diese Unterschiede sind beim Ableiten von
Therapieempfehlungen zu berücksichtigen.
Die deutschen Registerdaten zeigen ferner, dass schwere COPD-Stadien häufiger aus
schlechten Lungenfunktionsergebnissen resultieren als aus häufigen Exazerbationen.
Erfassen von Exazerbationen
Die Rate an Exazerbationen hängt entscheidend davon ab, wie diese Ereignisse erfasst
werden. Die ATTAIN-Studie untersuchte die Häufigkeit mit zwei verschiedenen Messlatten:
Entweder befragte der Arzt seinen Patienten nach Symptomen und aktueller Therapie,
oder der Patient führte täglich ein elektronisches Tagebuch („EXACT“) und registrierte
darin seine Beschwerden [57]. In den meisten Ländern wurden mindestens doppelt so viele Exazerbationen registriert,
wenn die Eintragungen im elektronischen Tagebuch zugrundegelegt wurden. Unterschiede
zwischen den Behandlungsgruppen wurden damit ebenfalls besser sichtbar. Ein anderes
wichtiges Ergebnis war, dass die „nicht dem Arzt berichteten“ Exazerbationen sich
auf die Änderung der Lebensqualität und der FEV1 auswirkten. Daher erscheint es sinnvoll,
diese Parameter in zukünftigen Studien zu berücksichtigen.
Wirksamkeit der COPD-Therapie
Mit aufwendigen statistischen Verfahren wie der Netzwerk-Metaanalyse können Forscher
Medikamentenwirkungen von Substanzen miteinander vergleichen, die nicht direkt in
klinischen Kopf-an-Kopf-Studien getestet wurden. Ein aktueller Vergleich von COPD-Medikamenten
ergab, dass unterschiedliche LAMAs, nämlich Tiotropium, Aclidinium und Glycopyrronium,
ähnlich große Effekte auf das Verhindern von Exazerbationen haben [58].
Zur Indikation von inhalativen Kortikosteroiden haben Agusti et al. einen neuen Vorschlag
publiziert, der komplett ohne Lungenfunktionswerte auskommt [59]. Die Bronchodilatatoren werden nach der Symptomatik der Patienten gesteuert. Kommen
häufigere Exazerbationen hinzu, werden inhalative Steroide verordnet.
Daten des DACCORD-Programms zeigen, dass die aktuelle COPD-Therapie in Deutschland
nicht den GOLD-Empfehlungen entspricht: In den Stadien A und B werden über 30 % der
Patienten mit ICS behandelt, und immerhin 10 % der Gruppe A erhalten sogar eine Dreifachtherapie
aus LABA, LAMA und ICS. Beim Schweregrad D besteht die größte Übereinstimmung mit
den Leitlinienempfehlungen, und in dieser Gruppe erhalten 31 % der Patienten eine
Triple-Therapie.
Im Update der GOLD-Empfehlungen aus 2015 wird über die Evidenz für Kombinationen aus
LABA und LAMA berichtet [29]. Kombinationen verbessern die Lungenfunktion stärker als eine Monotherapie mit einem
Bronchodilatator. Allerdings sind Effekte auf patientenrelevante Endpunkte („Patient
related outcomes“, PRO) beschränkt. Inwiefern eine LABA-LAMA-Kombination die Häufigkeit
von Exazerbationen stärker reduzieren kann, ist noch nicht klar.
Bewertung des Nutzens einer Medikation aus der Sicht des IQWIG
Das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen hat im Jahr 2014
ein Gutachten zur Bewertung des Zusatznutzens von Indacaterol/Glycopyrronium im Vergleich
zu Tiotropium plus Formoterol herausgegeben. Bewertet wurde ausschließlich die QUANTIFY-Studie,
eine randomisierte, klinische Studie über 6 Monate mit gut 900 Patienten [60]. Als primärer Endpunkt wurde die Lebensqualität ausgewertet, gemessen am SGRQ, und
als sekundäre Endpunkte galten Symptome, Exazerbationen und Medikamenten-Nebenwirkungen.
Vor der Analyse überprüften die IQWIG-Autoren, ob die Patienten Leitlinien-gerecht
behandelt worden waren. Da 41 % der Patienten entgegen der Therapieempfehlungen mit
ICS behandelt wurden, kamen sie für die Auswertung nicht in Frage. Wichtig ist auch,
dass die Nationale Versorgungsleitlinie aus dem Jahr 2005 als Maßstab galt. Die Analyse
ergab für die Kenngröße Transition Dyspnea Index (TDI) einen geringen Zusatznutzen
von Indacaterol/Glycopyrronium für Patienten der Stufe II sowie für Stufe III mit
≤ 2 Exazerbationen. Schwerer erkrankte Personen profitierten beim TDI stärker von
dieser Kombination als von Tiotropium/Formoterol. Für Lebensqualität (gemessen mit
dem SGRQ) und Mortalität wurde dagegen kein Zusatznutzen festgestellt. Nebenwirkungen
zeigten keinen signifikanten Unterschied zwischen den Behandlungskombinationen.
Für eine andere Medikamenten-Kombination, Umeclidinium/Vilanterol, stellten die IQWIG-Autoren
keinen Zusatznutzen fest.
Kombination von Endpunkten in Studien
In der Kardiologie werden schon seit vielen Jahren mehrere Endpunkte kombiniert, um
den Nutzen neuer Medikamente zu beschreiben. Ein Beispiel aus der Pneumologie ist
eine Studie an mehr als 12 000 COPD-Patienten, die mit Roflumilast oder mit Placebo
behandelt wurden [61]. Es ging um den Einfluss des Phosphodiesterase-IV-Hemmstoffs auf die Häufigkeit
von Herzinfarkt, Schlaganfall und kardiovaskulären Tod. Der kombinierte Endpunkt MACE
trat unter Roflumilast um 35 % seltener auf als unter Placebo. Nicht bei allen einzelnen
Endpunkten ergab sich ein signifikanter Unterschied zwischen den Behandlungen. Am
größten war der Vorteil beim nicht-tödlichen Herzinfarkt. Es erscheint lohnenswert,
kombinierte Endpunkte auch für pneumologische Studien zu berücksichtigen.
Aus Sicht des Patienten sind die Symptome Atemnot, Husten und Auswurf wesentliche
Kontrollparameter für die Therapieeinstellung, die auch mit dem mMRC- oder CAT-Score
ermittelt werden können. Zusätzlich sind Zahl und Schwere der Exazerbationen relevant.
Mit dem CAT-Score werden im Vergleich zum mMRC-Score mehr Patienten in die Gruppe
D (sehr schwere COPD) nach den aktuellen GOLD Empfehlungen eingruppiert. Schwere COPD-Stadien
resultieren häufiger aus schlechten Lungenfunktionsergebnissen als aus häufigen Exazerbationen.
Messen und Bewerten mit Bildgebung
Messen und Bewerten mit Bildgebung
(Hans-Ulrich Kauczor und Claus Peter Heussel)
Imaging-Biomarker
Unter Imaging-Biomarkern versteht man „mit bildgebenden Verfahren erfassbare anatomische,
physiologische, biochemische oder molekulare Parameter für die Erkennung bestimmter
Pathologien“ [89]
[90]. Sie sind wenig oder gar nicht invasiv und können Pathologien früh erkennen. Die
Bildgebung zeigt sowohl die Lokalisation als auch die Ausprägung der Erkrankung an.
Besonders wertvoll ist die bildbasierte Phänotypisierung von COPD-Patienten. In klinischen
Studien werden Biomarker aus der Bildgebung benutzt, um Patienten zu stratifizieren.
Bildgebung kann auch Zeit und Kosten sparen. Herausforderungen bestehen vor allem
in der Standardisierung und Quantifizierung dieser Biomarker. Die Kriterien müssen
validiert sein und definitionsgemäß angewendet werden. Strahlenbelastung und Speicherung
der Daten sind weitere wichtige Aspekte.
Bildgebung zur radiologischen Phänotypisierung
Mit der Bildgebung lassen sich zwei COPD-Phänotypen unterscheiden: der Emphysemtyp,
bei dem die Destruktion des Parenchyms im Vordergrund steht, und der Atemwegstyp,
bei dem vor allem verdickte Atemwegswände und Obstruktion gesehen werden. Beide Gruppen
unterscheiden sich in ihrem klinischen Bild und in der Prognose, und auch das Ansprechen
auf medikamentöse Therapie ist unterschiedlich.
Biomarker für Lungenemphysem
Für das Lungenemphysem wurden unterschiedliche Biomarker erarbeitet. Äquivalent zur
totalen Lungenkapazität (TLC) kann das Lungenvolumen berechnet werden. Dazu werden
alle Pixel mit einer Dichte unter − 200 Hounsfield Units (HU) als belüftete Areale
gewertet. Als Emphysem zählen Bereiche mit einer Dichte unter − 950 HU. Das Volumen
dieser Bezirke wird quantifiziert. Setzt man dieses in Bezug zum Gesamtvolumen aller
Pixel, ergibt sich der Emphysem-Index EI, der in der Literatur auch als „low attenuation
area percent under − 950“ (LAA%− 950) bezeichnet wird. Bei lungengesunden Personen
kommen solch niedrige Dichtewerte nur sehr vereinzelt vor, hier ist der Emphysemindex
demnach < 5 %. Für Studien herangezogen wurde der Parameter der 15. Dichte-Perzentile,
PD15: Sie gibt den Dichtewert in HU an, unter dem 15 % aller Lungenareale liegen,
und ist robuster gegenüber technischen Einflussfaktoren als LAA%− 950.
Auch heute noch wertvoll ist ein vergleichsweise einfacher Ansatz, nämlich die semi-quantitative
Angabe zum Ausmaß des Emphysems: Der Radiologe beschreibt die Überblähung in sechs
Kategorien mit den Grenzwerten, 0 %, 1–5 %, 6–25 %, 26–50 %, 51–75 %, und > 75 % der
Gesamtfläche [91]. Nutzt man Software zur quantitativen Messung emphysematöser Bezirke, können Parameter
wie Emphysemindex, mittlere Lungendichte und 15. Perzentile berechnet werden. Mit
diesen objektiven Messergebnissen stimmen die semi-quantitativen Angaben recht gut
überein, wenngleich es an den Kategorie-Grenzen schwierig werden kann.
Eine sehr wichtige Frage, nämlich die nach der Verteilung des Emphysems, kann mit
der Bildgebung gut dargestellt werden. So beginnt bei Rauchern das Emphysem typischerweise
(aber nicht immer) in den Oberlappen. Mit CTs vor und nach chirurgischer Lungenvolumenreduktion
kann der Therapieerfolg quantifiziert werden. Vormals überblähte Lungenbezirke stellen
sich postoperativ nicht mehr dar, und Parameter wie Emphysemvolumen und Emphysemindex
gehen zurück.
Möchte man wissen, wie die unterschiedlich großen Emphysemzonen über die Lunge verteilt
sind, können Emphysemcluster berechnet werden. Damit werden kleine, mittelgroße und
große Emphysembezirke in unterschiedlichen Farben dargestellt, sodass ihre Verteilung
in der Lunge gut erkennbar wird ([Abb. 1]).
Abb. 1 Farbkodierte Clusteranalyse der Emphysemverteilung: große Emphysemcluster (gelb)
betont in den Unterlappen, mittelgroße Emphysemareale (blau und grün) sowie kleine
Cluster (rot) in allen Lappen.
Eine lobäre Analyse des Emphysemvolumens ist hilfreich, wenn chirurgische oder bronchoskopische
Interventionen geplant sind. Die Lungenlappen werden unterschiedlich farbig dargestellt,
und die Verteilung des Emphysems über die einzelnen Lungenlappen wird differenziert
[62].
Bei COPD-Patienten im GOLD-Stadium I sind Emphysembezirke vorwiegend im Oberlappen
lokalisiert: In dieser Gruppe lag der Quotient des Emphysems im Oberlappen im Verhältnis
zum Unterlappen bei durchschnittlich 1,55. Demgegenüber hatten schwerer kranke Patienten
im Stadium III eine Ratio von 1,05, d. h. gleichmäßig ausgeprägte Emphysemzonen in
den Ober- und Unterlappen [63].
Biomarker für Atemwege
Bei der Beurteilung der Atemwege werden primär die Bronchialgenerationen 3 bis 6 betrachtet,
denn diese sind mit Bildgebung gut darstellbar. Man bestimmt die Fläche des Bronchiallumens,
die Dicke bzw. Fläche der Bronchialwand (PI10), den Gesamtdurchmesser und den prozentualen
Anteil der Wand (WA%). Bis zum subsegmentalen Bereich erlauben die Messwerte zur Wanddicke
noch vernünftige Aussagen. Dagegen sind weiter peripher gelegene Bronchialwände im
Verhältnis zur Schichtdicke des CT zu dünn und verschwinden im „Rauschen“ der Messung.
Normalwerte zur Wanddicke für die einzelnen Abschnitte wurden bei gesunden Probanden
erhoben.
Der Durchmesser des Bronchiallumens nimmt von der 1. bis zur 4. Bronchusgeneration
linear von etwa 20 bis auf rund 5 mm ab, während zwischen 6. und 14. Generation praktisch
keine Unterschiede mehr messbar sind [64]. Im Verhältnis zum Gesamtdurchmesser des Bronchus hat die Wand normalerweise eine
Dicke von 20 % oder weniger. Bei Bronchodilatation macht das Bronchuslumen über 70 %
vom Ganzen aus [65].
Eine in Heidelberg etablierte Methode besteht in der rechnerischen Segmentierung des
Tracheobronchialbaums. In dieser skelettähnlichen Ansicht des Bronchialbaums werden
die Zentrallinie und die Verzweigungspunkte („branching points“) identifiziert, zwischen
denen die Messungen in einer Ebene orthogonal zur Zentrallinie erfolgen kann. Dabei
wird der gesamte Abschnitt zwischen zwei branching points gemessen, zum Beispiel über
1 cm, und anschließend der Mittelwert gebildet. Bis in den subsegmentalen Bereich
hinein können Flächen und Wanddicken gemessen werden. Als stabiler Parameter hat sich
die Wanddichte eines Bronchus mit einem inneren Lumenumfang von 10 mm erwiesen (PI10).
Da die kleinsten Atemwege der Lungenperipherie im CT nicht darstellbar sind, wird
als indirektes Maß das Air trapping gemessen. Dazu werden zusätzlich Bilder in Exspiration
ausgewertet. Dabei werden andere Grenzwerte verwendet, z. B. − 856 HU anstelle der
beim Emphysem gebräuchlichen − 950 HU-Grenze. Auch das Verhältnis der in Inspiration
bzw. in Exspiration gemessenen mittleren Lungendichte wird ausgewertet.
Eine prospektive Studie zur funktionellen Small airway disease (SAD) wurde mit äußerst
aufwendigen Methoden der Bildgebung bei 194 COPD-Patienten durchgeführt [54]. Mit Aufnahmen in In- und Exspiration wurden Emphysemzonen von Bereichen mit SAD
unterschieden und farblich getrennt dargestellt. Im Verlauf ergab sich nach 1 bis
2 Jahren eine Abnahme der SAD, während sich das Emphysem mit der Zeit nicht zurückbildete.
MRT-Biomarker
Die Messung der Perfusion hat sich bisher als einziger sinnvoller Parameter aus der
Magnetresonanztomografie der Lunge erwiesen. Die quantitative Perfusionsanalyse wurde
als spezielles Verfahren mit einer vollautomatisierten Lungensegmentierung entwickelt
und hat sich in Heidelberg als stabil erwiesen.
Imaging-Biomarker in großen Kohortenstudien
In den drei Großprojekten ECLIPSE, COPD Gene und COSYCONET werden auch bildgebende
Verfahren ausgewertet.
In der ECLIPSE-Studie geht es unter anderem darum, klinisch relevante Subtypen der
Erkrankung zu charakterisieren. Es war äußerst aufwendig, für die Bildgebung geeignete
Studienzentren auszuwählen, die Messungen zu standardisieren und die Qualität der
Befundung zu gewährleisten. Die Bildgebung sollte Veränderungen der Lungendichte mit
der Zeit nachweisen. Da große Lungen eine etwas geringere Dichte haben als kleine,
wurde die Lungendichte auf das Lungenvolumen standardisiert. Tatsächlich nahm das
Emphysem über 1 bis 2 Jahre, wie zu erwarten, geringfügig zu, denn die PD15 fiel um
durchschnittlich 2 HU ab [66]. Im Verhältnis zum extrem hohen Messaufwand war dieses Ergebnis jedoch eher mager.
Die COPD-Gene-Studie beobachtet mit diversen Parametern eine Kohorte von 700 COPD-Patienten.
Radiologen werteten die CTs visuell daraufhin aus, ob ein Emphysem vorlag oder nicht,
unabhängig von dessen Ausprägung [67].
Mit zunehmendem COPD-Schweregrad war ein Emphysem häufiger, sodass mehr als 90 % der
GOLD IV-Patienten ein Lungenemphysem aufwiesen. Das destruierende Emphysem wurde vor
allem bei schwerer kranken Patienten beobachtet. Bei konfluierendem Emphysem stieg
der rechnerisch ermittelte Emphysemindex mit der phänotypischen Ausprägung des Emphysems
deutlich an ([Abb. 2]).
Abb. 2 Vollautomatische lappenbasierte Quantifizierung der Emphysemverteilung (a, hellgelb) in einer sagittalen Ansicht der rechten Lunge einer 78-jährigen ehemaligen
Raucherin mit COPD 4: ausgedehntes destruierendes Emphysem (15. Perzentile: − 981
HE), welches im Oberlappen betont ist (b, dunkelgelb, Emphysemindex: 48%), geringer im Unterlappen (b, blau, 31%), kaum Emphysem im Mittellappen (b, grün, 9%). Für eine eventuelle Ventiltherapie ist zusätzlich die Lappenspaltanlage
essenziell (a + b, rot).
Ein vorwiegender Atemwegstyp kam bei weit fortgeschrittener Krankheit praktisch nicht
mehr vor, das Lungengewebe war weitgehend zerstört [68].
Als funktionelles Korrelat wurde in einer anderen Studie die Häufigkeit von Exazerbationen
gemessen [69]. Relativ selten traten Exazerbationen bei Patienten mit geringem Emphysemindex und
geringer Wanddicke auf. Die höchste Emphysemrate zeigten Patienten mit hoher Wanddicke
und wenig Emphysem.
Auch im COSYCONET-Projekt werden CTs mitgeführt. Visuell beurteilten die Radiologen,
ob bei 342 Scans aus der klinischen Routine der Atemwegstyp oder der Emphysemtyp vorherrschte
[92]. Dabei erwies sich das rechnerische Modell zur Vorhersage von Emphysem zu 76 % als
richtig.
Eine Subkohorte von COSYCONET-Patienten erhält zusätzlich zum CT auch eine MRT-Untersuchung.
Hier sollen Unterschiede zwischen Atemwegs- und Emphysemtyp herausgearbeitet werden.
Die für jeden Scanner-Typ separat standardisierten CT-Protokolle resultieren in einer
maximalen effektiven Dosis unter 3,5 mSv [70]. Für das Basis-MRT-Protokoll war es wichtig, die Untersuchungszeit auf 30 Minuten
zu begrenzen. Neben der visuellen Auswertung werden diverse CT- und MRT-Parameter
zur Auswertung herangezogen.
Computertomografische Fissurenanalyse
Für therapeutische Interventionen wie die endobronchiale Ventilimplantation ist es
wichtig, den Verlauf der Fissuren beim Patienten zu kennen. Diese sind mit CTs in
Inspiration und in Exspiration darstellbar. Ein Therapieerfolg ist nur dann zu erwarten,
wenn die Fissur komplett durchgängig ist [71].
Imaging-Biomarker für COPD-Patienten basieren derzeit vor allem auf der Computertomografie.
Die Herausforderungen sind vielfältig und beinhalten Standardisierung, Protokoll und
Kalibrierung. Die verwendeten Software-Programme haben ähnliche Fehlerbreiten wie
die Scanner selbst. Es gilt, für die klinische Anwendung einerseits Scanner und Software-Programme
konstant zu halten und andererseits robuste, generische Imaging Biomarker zu entwickeln.
Dimensionen der Lebensqualität – Erkenntnisse aus klinischen Studien
Dimensionen der Lebensqualität – Erkenntnisse aus klinischen Studien
(Henrik Watz)
Die medikamentöse Therapie der COPD sollte nicht nur Symptome und Belastbarkeit verbessern
sowie Häufigkeit und Schwere von Exazerbationen reduzieren, sondern auch den Gesundheitsstatus
der Patienten verbessern. [72].
Der Gesundheitszustand des Patienten wird nach dem Konzept von Curtis und Mitarbeitern
wesentlich dadurch geprägt, welche Aktivitäten im Alltag noch möglich sind und welche
Erfüllung der Patient aus den einzelnen Aktivitäten erfährt [73]. Der vom Patienten angegebene Gesundheitszustand beinhaltet somit stets eine funktionelle
Komponente („was kann ich noch“) und eine Komponente der Lebensqualität, bezogen auf
die Erkrankung und ihre Einschränkungen („wie sehr belastet mich meine Einschränkung“)
[73].
Lebensqualität bei COPD
Für die krankheitsspezifische Lebensqualität bei COPD stehen unterschiedliche Messinstrumente
zur Verfügung. Vor 1991 wurde in erster Linie der CCQ-Fragebogen (Clinical COPD Questionnaire)
eingesetzt. Danach etablierte sich der St. George’s Respiratory Questionnaire (SGRQ)
als ein Standard-Fragebogen [74]. Er deckt ein breites Spektrum von Auswirkungen der COPD auf den Alltag ab. Ein
gewisser Nachteil besteht in dem hohen Zeitaufwand zum Ausfüllen des Fragebogens.
COPD-Patienten in den GOLD-Stadien II und III haben beim SGRQ typischerweise Gesamt-Scores
von 40 – 50 Punkten, im Stadium I sind es ca. 30 und im Stadium IV ca. 60 Punkte.
Je besser die Lebensqualität, desto geringer die Scores. Nach therapeutischen Interventionen
wird die minimale klinisch relevante Differenz mit 4 Punkten angegeben [75].
Setzt man das Ergebnis des SGRQ mit Krankheitsparametern der COPD in Beziehung, so
besteht mit dem Ergebnis des 6-Minuten-Gehtests eine recht gute Korrelation von r = 0,61
[76]. Ein generisches, nicht krankheitsspezifisches Instrument zur Messung der Lebensqualität
wie das Sickness Impact Profile (SIP) ergab demgegenüber weniger gute Korrelationen
mit COPD-Parametern.
Die Strecke, die COPD-Patienten innerhalb von 6 Minuten gehen könnten, nimmt mit zunehmendem
GOLD-Stadium deutlich ab. Während es im Stadium I noch 505 m waren, waren es im Stadium
IV nur 305 m, also 40 % weniger [77]. In derselben Kohorte nahm die körperliche Aktivität, gemessen mit dem SenseWear
Armband als Schritte pro Tag, von Stadium I bis IV sogar um 69 % ab. Im SGRQ zeigten
diese Patienten zwischen Stadium I und IV eine Zunahme des Gesamtscores um 49 %. Die
SGRQ-Ergebnisse korrelierten gut (r = − 0,64) mit dem Ergebnis des 6-Minuten-Gehtests
und etwas weniger gut (r = − 0,46) mit der Anzahl der Schritte pro Tag (Daten aus
[77]). Demnach bildet der SGRQ möglicherweise recht gut die körperliche Belastbarkeit
und weniger gut die körperliche Aktivität im häuslichen Umfeld ab.
Einfluss von Komorbiditäten
Ferrer und Kollegen zeigten bereits 1997, dass Komorbiditäten insbesondere bei Patienten
mit leichter COPD im Zusammenhang stehen mit einem schlechteren Gesundheitszustand
im SGRQ [78]. Demgegenüber fanden Burgel und Kollegen keinen relevanten Zusammenhang zwischen
den meisten Komorbiditäten und einem schlechteren Gesundheitszustand [79]. Lediglich eine begleitende Depression stand im Zusammenhang mit einem schlechteren
Gesundheitszustand im SGRQ. Da bestimmte Fragen zu Lebensqualität sehr eng mit Fragen
zur depressiven Beeinträchtigung korrelieren, ist dieser Zusammenhang nicht verwunderlich.
Die Limitation der bisherigen Studien zu dem Thema Komorbiditäten und Lebensqualität
bei COPD besteht darin, dass alle Studien entweder nur vom Patienten berichtete Komorbiditäten
oder Komorbiditäten nach Patientenakte analysiert haben. Im Rahmen der Erhebungen
für die deutsche COPD-Komorbiditäten-Kohorte COSYCONET werden die Komorbiditäten objektiv
und standardisiert erhoben [80]. Erste Ergebnisse werden für 2015 erwartet.
Medikamentöse Interventionen
In großen klinischen Phase-III-Studien wird der SGRQ zunehmend genutzt, um einen verbesserten
Gesundheitszustand der Patienten unter Therapie zu dokumentieren. Eine Untersuchung
zu Aclidinium ergab nach 24 Wochen eine klinisch signifikante Verbesserung des SGRQ-Gesamtscores
von rund 4 Punkten im Vergleich zu Placebo [81]. Für Umeclidinium ergaben sich nach 84 Tagen sogar Differenzen von knapp 8 Punkten
gegenüber Placebo [82]. Dieser größere Unterschied war möglicherweise auch darauf zurückzuführen, dass
sich die Patienten unter Placebo etwas verschlechtert hatten, wohingegen üblicherweise
eine kleine Verbesserung der Lebensqualität in klinischen Studien auch unter Placebo
beobachtet wird [81].
Schwieriger zu interpretieren sind Ergebnisse von Studien, die Medikamentenkombinationen
mit der jeweiligen Monotherapie vergleichen. Zwei randomisierte Studien überprüften
die Kombinationstherapie von Umeclidinium/Vilanterol gegenüber den Monokomponenten
sowie mit einer Tiotropium-Monotherapie [83]. In der ersten Studie verbesserte sich der SGRQ-Gesamtscore unter Tiotropium um
durchschnittlich 7,6 Punkte, unter Vilanterol um 8,3 Punkte und unter 125 µg Umeclidinium
plus 25 g Vilanterol um 9,0 Punkte. In der zweiten Studie waren es unter Tiotropium
9,8 Punkte und unter der Kombination 10,5 Punkte. Die Medikamentenkombination beeinflusste
die Lebensqualität damit nicht eindeutig besser als die jeweiligen Einzelsubstanzen.
In der SHINE-Studie wurden das LABA Indacaterol, die LAMAs Glycopyrronium und Tiotropium
sowie das Kombinationspräparat QVA149 mit Indacaterol/Glycopyrroniumbromid mit Placebo
verglichen [84]. Hier überraschte zunächst die große Placebo-Antwort mit einer Verbesserung des
SGRQ-Gesamt Scores um 6,4 Punkte. Das Kombinationspräparat war zwar deutlich besser
als Placebo (Differenz 10,0 Punkte), es war jedoch den drei Monosubstanzen, deren
Verbesserungen bei etwa 8 Punkten lagen, nicht signifikant überlegen.
Auch beim Vergleich von Aclidinium/Formoterol mit den Einzelsubstanzen unterschieden
sich die Änderungen im SGRQ-Score kaum (Kombination: – 6,6 Punkte, Monosubstanzen
− 6,4 bzw. − 4,7 Punkte) [85]. Die Placebogruppe verbesserte sich dagegen nur um 2,2 Punkte. Diese genannte klinische
Prüfung wurde in den USA, Australien und Neuseeland durchgeführt. Für eine zweite
Studie mit demselben Design wurden Teilnehmer in verschiedenen anderen Ländern rekrutiert
[86]. Hier zeigte sich ein unerwartet deutlicher Placebo-Effekt mit Verbesserungen des
SGRQ-Scores um mehr als 6 Punkte. Die Patienten der Placebogruppe erhielten keine
Dauertherapie, konnten aber bei Bedarf Salbutamol inhalieren. In dieser Studie waren
Aclidinium/Formoterol-Therapiearme nur unwesentlich besser und die Aclidinium-Monotherapie
sogar etwas schlechter als Placebo, wenn der SGRQ-Gesamtscore betrachtet wurde. Die
Interpretation der Lebensqualität-Ergebnisse aus diesen Zwillings-Studien ist daher
schwierig.
Auch die TONADO-Studie berücksichtigte den SGRQ als einen Endpunkt [87]. Hier wurde die Kombinationstherapie mit Tiotropium/Olodaterol in zwei Dosierungen
mit den Monosubstanzen verglichen. Zu Beginn der Studie lag der SGRQ durchschnittlich
bei 43,5 Punkten. Den besten Wert nach 24 Wochen erzielte die höherdosierte (5/5 µg)
Kombinations-Gruppe mit 36,7 Punkten, während die Mittelwerte in den anderen Gruppen
zwischen 37,3 und 38,4 Punkten lagen. Die Lebensqualitätsdaten in dieser Studie wurden
auch auf andere Weise ausgewertet: Man definierte „Responder“ als Patienten, deren
SGRQ sich um 4 Punkte verbessert hatte. Diese Analyse ergab 57,5 % und 53,2 % Responder
unter Kombinationstherapie in höherer bzw. niedrigerer Dosierung, im Unterschied zu
nur 44,8 %, 49,6 % und 48,7 % Respondern unter Olodaterol, Tiotropium 2,5 µg und Tiotropium
5 µg. Mit der Responder-Analyse konnten signifikante Unterschiede zwischen den Therapiearmen
nachgewiesen werden.
Die ILLUMINATE-Studie verglich die einmal tägliche Therapie mit Indacaterol/Glycopyrronium
mit der zweimal täglichen Inhalation von Salmeterol/Fluticason [88]. Die FEV1-Werte im Tagesverlauf zeigten die Überlegenheit der LABA/LAMA-Kombination
mit Differenzen von etwa 200 ml zwischen den Behandlungsgruppen. Der Gesundheitsstatus
wurde auch hier mit dem SGRQ erfasst. Nach 26 Wochen Therapie waren die SGRQ-Mittelwerte
in beiden Gruppen jedoch praktisch identisch (35,5 versus 36,7).
Interpretation
Als der SGRQ-Fragebogen entwickelt wurde, ging es primär darum, die Beeinträchtigungen
im Alltag durch die COPD zu beschreiben. Betrachtet man die einzelnen Fragen, wird
deutlich, dass bei vielen Items keine wesentliche Beeinflussung durch eine Pharmakotherapie
zu erwarten ist. Beispiele dafür sind, „Mein Husten oder mein Atmen ist mir der Öffentlichkeit
peinlich“, „Wenn ich keine Luft kriege, bekomme ich Angst oder gerate in Panik“, oder
„Ich rechne nicht damit, dass es mit meinen Atemwegsbeschwerden besser wird“. Anders
verhält es sich mit der SGRQ-Unterskala Atembeschwerden. Hier heißt es beispielsweise,
„Ich habe Atemnot … – an den meisten Tagen der Woche – an mehreren Tagen in der Woche
– nie“. Bei diesem dezidierten Abfragen von Symptomen könnten sich Verbesserungen
nach medikamentösen Interventionen ergeben. Bisher gibt es jedoch keine Studien, die
auf eine solche differenzierte Analyse der einzelnen SGRQ-Fragen fokussieren. Auch
scheinen die derzeit in diesem Umfang unerwarteten Verbesserungen der Lebensqualität
in den Placebo-Gruppen der großen Phase-III Studien darauf hinzudeuten, dass alleine
die intensive Betreuung in klinischen Studien zu signifikanten Unterschieden führen
kann, insbesondere, wenn die Patienten außerhalb von Studien in manchen Gesundheitssystemen
nicht optimale Behandlungsbedigungen vorfinden.
Insgesamt waren die Befunde neuerer Phase-III-Studien insofern überraschend, dass
zwischen den Behandlungsgruppen zwar deutliche Unterschiede in Lungenfunktionsparametern
bestanden, jedoch vergleichsweise geringe Differenzen bei der mit dem SGRQ gemessenen
krankheitsspezifischen Lebensqualität.
Änderungen der krankheitsspezifischen Lebensqualität, bzw. des Gesundheitsstatus unter
effektiver bronchodilatatorischer Therapie konnten zuletzt in den klinischen Studien
nicht gut abgebildet werden.