Flugmedizin · Tropenmedizin · Reisemedizin - FTR 2014; 21(05): 227
DOI: 10.1055/s-0034-1395317
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Ausreichender Schutz liegt erst nach zwei Impfungen vor – Hepatitis-A-Impfung bei immunsupprimierten Patienten

Askling HH, Rombo L, van Vollenhoven R et al:
Hepatitis A vaccine for immunosuppressed patients with rheumatiod arthritis: a prospective, open-label, multi-centre study.

Travel Med Infect Dis 2014;
12: 134-142
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Publication Date:
17 November 2014 (online)

 

Askling HH, Rombo L, van Vollenhoven R et al: Hepatitis A vaccine for immunosuppressed patients with rheumatiod arthritis: a prospective, open-label, multi-centre study. Travel Med Infect Dis 2014; 12: 134–142

Thema: Eine wichtige Gruppe chronisch Kranker, die auch regelmäßig in der reisemedizinischen Sprechstunde beraten wird, sind Patienten mit Erkrankungen aus dem rheumatischen Formenkreis. Bei schweren Verläufen wird hier häufig anti-TNF eingesetzt, oft in Kombination mit Methotrexat. Zur protektiven Effektivität von Totimpfungen unter dieser Medikation ist wenig bekannt. Die Aktivimpfung gegen Hepatitis A ist die am häufigsten verwendete Reiseimpfung. Es sind jedoch kaum Daten zur Effektivität dieses Totimpfstoffs bei medikamentöser Immunsuppression verfügbar.

Projekt: In einer multizentrischen Studie wurden 68 Patienten mit rheumatoider Arthritis rekrutiert, die unter anti-TNF-und / oder Methotrexat-Therapie standen. Nach einer Baselineserologie schieden 15 Probanden aus, da sie bereits antikörperpositiv gegen Hepatitis A waren. Die verbleibenden 53 wurden gegen Hepatitis A geimpft (Impfschema Tag 0 und Monat 6) und serologisch über 12 Monate nachverfolgt. Hierbei wurden Serumproben in den Monaten 0, 1, 6, 7 und 12 gewonnen.

Ergebnis: In der untersuchten Population wurden 15 Patienten mit anti-TNF behandelt, 17 mit Methotrexat und 21 mit einer Kombination aus beidem. Einen Monat nach der ersten Impfung erreichten nur 10 % (5 von 53) der Probanden neutralisierende Antikörpertiter (> 20 mIU/ml). Drei Monate nach der Impfung lag die Rate bei 33 % (17 von 53). Einen Monat nach Applikation der zweiten Impfdosis zum Monat 6 stieg die Rate der Seroprotektion auf 83 % (42 von 52) und blieb weitgehend auf diesem Niveau für den Rest des Studienverlaufs: Zum Monat 12 waren noch 72 % der Probanden seropositiv. Zwischen den einzelnen Therapiegruppen bestanden Unterschiede im Ansprechen der Impfung: Die höchste Seropositivitätsrate zum Monat 1 wies die anti-TNF-Gruppe mit 20 % auf, gefolgt von der Gruppe unter Methotrexat (6 %) und der Kombinationstherapie (5 %). Jedoch waren die Probandenzahlen pro Arm hier so gering, dass keine signifikanten Ergebnisse errechnet werden konnten.

Fazit: Für eine suffiziente Protektion gegen Hepatitis A sind bei der Verwendung des Totimpfstoffs bei Immunsuppression 2 Impfdosen im Abstand von 6 Monaten notwendig. Nach einer einmaligen Impfung ist nur bei einer Minderheit mit einem effektiven Schutz zu rechnen.

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(Quelle: Dr. Volker Jorge Klinnert, Dr. Dagmara Banisch, Kairo)
Kommentar

Mit dem zunehmenden Alter der Bevölkerung in Europa steigt auch der Anteil der Reisenden mit Vorerkrankungen. Ein signifikanter Anteil der reisemedizinischen Beratungen berührt mittlerweile das Thema Immunsuppression. Die Ursachen für diese Immundefekte sind vielfältig. In den überwiegenden Fällen können immunsuppressive Therapien, HIV und Zustand nach Chemotherapie bösartiger Erkrankungen dafür verantwortlich gemacht werden. Diese Population ist besonders gefährdet durch Komplikationen reiseassoziierter Infektionskrankheiten wie Hepatitis A. Lebendimpfungen können in dieser Gruppe potenziell riskant sein und sind daher oft kontraindiziert. Ist eine Totimpfung verfügbar, ist jedoch die Indikation weit zu stellen.

Insbesondere bei der medikamentösen Immunsuppression kommt eine Vielzahl verschiedener Medikamente in variabler Dosierung zum Einsatz. Häufig ist der Effekt der Medikation auf die Immunantwort nach Totimpfung nicht untersucht. Daher kann bei der Beratung zur erwartenden protektiven Immunität keine eindeutige Aussage gemacht werden. Durch die Empfehlungen zur Impfung bei Immunsuppression zieht sich der Konsens, dass es besser ist zu impfen als nicht zu impfen [ 1 ]. Wenn auch sicher grundsätzlich richtig, ist dieser Standpunkt jedoch durch wenig wissenschaftliche Daten untermauert.

Daher ist jede Studie zu begrüßen, die den Impfeffekt unter Immunsuppressiva untersucht. Da solche Untersuchungen in der Regel ohne externe Finanzierung durchgeführt werden müssen, sind die Patientenzahlen oft klein und die Untersuchungszeiträume kurz. Im Jahr 2013 veröffentlichte eine holländische Arbeitsgruppe Ergebnisse einer kleinen Studie an Patienten unter immunsuppressiver Medikation, die gegen Hepatitis A geimpft wurden [ 2 ]. Innerhalb von 4 Wochen nach der Impfung wurden bei 50 % der gesamten Gruppe protektive Antikörpertiter nachgewiesen. Danach stieg der Anteil auf 64 %. Je nach Medikation fanden sich deutliche Unterschiede im Ansprechen auf die Impfung. Den stärksten immunsuppressiven Effekt hatte anti-TNF. Schlussfolgerung aus dieser Studie war vor allem, dass bei medikamentöser Immunsuppression möglichst langfristig vor einer Reise geimpft werden sollte, um die Chance einer effektiven Seroprotektion zu erhöhen.

In der jetzt vorliegen Untersuchung aus Schweden zeigt sich, dass auch bei Behandlung mit anti-TNF eine gute Protektionsrate erzielt werden kann. Jedoch ist die Verabreichung beider Impfungen gegen Hepatitis im Abstand von mindestens 6 Monaten notwendig, um neben der kompletten Immunisierung auch eine entsprechende Protektion versprechen zu können. Bei aller Vorsicht, die man bei der Extrapolation dieser Ergebnisse auf andere Totimpfstoffe walten lassen sollte, hat diese Studie doch das Potenzial, die Beratung von Patienten unter immunsuppressiver Therapie grundsätzlich zu ändern. Für die Reisemedizin relevante Totimpfstoffe sollten offensichtlich nicht kurzfristig vor einer anstehenden Reise gegeben werden, da dann der Schutz in vielen Fällen nicht ausreichend sein wird. Vielmehr sollte bei anstehender oder bereits durchgeführter Therapie langfristig über eine mögliche Immunisierung mit potenziell sinnvollen Totimpfstoffen nachgedacht werden. Nur so kann dann bei anstehender Exposition durch eine Reise auch von einem Schutz ausgegangen werden.

Tomas Jelinek, Berlin
Deutsche Fachgesellschaft für Reisemedizin


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  • Literatur

  • 1 Rubin LG, Levin MJ, Ljungman P et al. 2013 IDSA clinical practice guideline for vaccination of the immunocompromised host. Clin Infect Dis 2014; 58: e44-e100
  • 2 van den Bijllaardt W, Siers HM, Timmerman-Kok C et al. Seroprotection after hepatitis a vaccination in patients with drug-induced immunosuppression. J Travel Med 2013; 20: 278-282

  • Literatur

  • 1 Rubin LG, Levin MJ, Ljungman P et al. 2013 IDSA clinical practice guideline for vaccination of the immunocompromised host. Clin Infect Dis 2014; 58: e44-e100
  • 2 van den Bijllaardt W, Siers HM, Timmerman-Kok C et al. Seroprotection after hepatitis a vaccination in patients with drug-induced immunosuppression. J Travel Med 2013; 20: 278-282

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(Quelle: Dr. Volker Jorge Klinnert, Dr. Dagmara Banisch, Kairo)